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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2016, RV/3100270/2016

Steuerpflicht einer türkischen Sozialversicherungsrente

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache des B, xxxx C, gegen die Bescheide des Finanzamts C mit Ausfertigungsdatum betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 bis 2014

zu Recht erkannt: 

1. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheiden vom wurde der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) zur Einkommensteuer der Jahre 2010 bis 2014 veranlagt. Dabei wurden unter den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - neben den Ruhebezügen von einer inländischen Pensionsversicherungsanstalt von rd. 11.000 € jährlich - "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" aus dem Bezug einer türkischen Sozialversicherungsrente angesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass das Besteuerungsrecht für die Rente aus der Türkei gemäß Art. 18 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Türkei (kurz: DBA-Türkei) dem Ansässigkeitsstaat Österreich zustehe.

2. In den gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden vom wurde vorgebracht, dass Art. 22 des DBA-Türkei nicht berücksichtigt worden sei. Der Bf. habe in den jeweilígen Jahren von der türkischen Sozialversicherungsanstalt eine Pension bezogen, wobei die Pensionsleistung gemäß Art. 18 des DBA-Türkei "jährlich deutlich unter 10.000 €" betragen habe. Die Pensionsbezüge seien gemäß Art. 22 des Abkommens in der Türkei versteuert worden. Sie dürften kein zweites Mal in Österreich versteuert werden bzw. würden diese "unter dem Steuerrichtsatz" liegen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden mit der Begründung abgewiesen, dass (gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA-Türkei) Ruhegehälter und Zahlungen, die auf Grund eines Sozialversicherungssystems eines Vertragsstaates gezahlt werden, nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Empfänger ansässig sei. Nachdem der Bf. in Österreich - gemeinsam mit seiner Gattin - über einen Wohnsitz verfüge, liege seine Ansässigkeit in Österreich. Somit habe Österreich das Besteuerungsrecht für seine Sozialversicherungsrente aus der Türkei. Eine Steuerentlastung sei daher in der Türkei zu beantragen.

4. Die Vorlageanträge des Bf. vom wurden - erneut - damit begründet, dass Art. 22 des Abkommens nicht berücksichtigt worden sei. Für die Sozialversicherungspension der Türkei fielen in der Türkei keine Steuern an, weshalb die Begründung, dass der Bf. eine Steuerentlastung in der Türkei zu beantragen habe, ins Leere gehe. Es seien in der Türkei wegen der Höhe der Pension grundsätzlich keine Steuern eingehoben worden. Der Bf. sei ja in Österreich steuerlich erfasst und nicht in der Türkei. Seine Pension "in Österreich und in der Türkei" sei darüber hinaus so gering, dass bei ordnungsgemäßer Veranlagung "unter Berücksichtigung des Pensionsbetrages" keine Steuern anfallen könnten. Daher sollte die Pensionsleistung des Bf. in der Türkei "rein finanzrechtlich und gemäß Art. 22 des Abkommens" hier versteuert werden bzw. liege diese unter dem Steuerrichtsatz.

5. Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt

1. Der Bf. bezog in den Beschwerdejahren eine Rente von einer türkischen Sozialversicherungsanstalt, die von der Abgabenbehörde mit 4.627,90 € (2010), 4.039,25 € (2011), 4.478,54 € (2012), 4.386,55 € (2013) und 4.148,72 € (2014) angesetzt wurde.

2. Die Höhe dieser Beträge ist unbestritten. Unbestritten ist darüber hinaus, dass der Bf. in Österreich - nach Ausweis des Zentralen Melderegisters seit 1987 - über einen Hauptwohnsitz (in einer offenbar in seinem Eigentum stehenden Wohnung) verfügt und seine Gattin in den Beschwerdejahren gleichfalls hier wohnhaft war. Der Bf. wendet sich auch nicht gegen die auf dieser Grundlage getroffene Beurteilung der Abgabenbehörde, dass Österreich als Ansässigkeitsstaat des Bf. anzusehen ist.

3. Strittig ist ausschließlich die (rechtliche) Beurteilung der Frage, ob die Abgabenbehörde berechtigt war, bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von insgesamt 15.290,58 € (2010), 14.774,09 € (2011), 15.503,08 € (2012), 15.609,67 € (2013) und 15.633,87 € (2014) die vorhin genannte türkische Rente in Ansatz zu bringen, womit sich - nach Abzug von Sonderausgaben sowie des Pensionistenabsetzbetrages - Nachforderungen von 1.144,16 € (2010), 956,00 € (2011), 1.222,00 € (2012), 1.261,00 € (2013) und 1.269,00 € (2014) ergaben.

III. Rechtslage

1. Nach Art. 18 Abs. 1 des Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 96/2009, dürfen - vorbehaltlich des Art. 19 Abs. 2 dieses Abkommens - Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, und Zahlungen, die auf Grund des Sozialversicherungssystems eines Vertragsstaats geleistet werden, sowie Renten im Sinne des Abs. 2 dieses Artikels nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Empfänger ansässig ist. Nach Art. 18 Abs. 2 desselben Abkommens bedeutet der Ausdruck „Rente“ einen bestimmten Betrag, der regelmäßig und zu bestimmten Zeiten auf Lebenszeit oder während eines bestimmten oder bestimmbaren Zeitabschnitts auf Grund einer Verpflichtung zahlbar ist, die diese Zahlungen als Gegenleistung für eine in Geld oder Geldeswert erbrachte angemessene Leistung vorsieht.

2. Nach Art. 19 Abs. 2 des Abkommens dürfen Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Diese Ruhegehälter dürfen jedoch nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn die natürliche Person in diesem Staat ansässig ist und ein Staatsangehöriger dieses Staates ist.

3. Art. 22 des Abkommens regelt die "Vermeidung der Doppelbesteuerung".

Nach Art. 22 Abs. 1 des Abkommens wird dabei die Doppelbesteuerung in Österreich wie folgt vermieden:

"a.) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte nach diesem Abkommen in der Türkei besteuert werden, so nimmt Österreich vorbehaltlich der lit. b bis e diese Einkünfte von der Besteuerung aus.
b.) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte, die nach Artikel 10 Absatz 2, Artikel 11 Absätze 2 und 4, Artikel 12 Absatz 2, Artikel 13 Absatz 4 zweiter Satz und Artikel 21 Absatz 1 in der Türkei besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Türkei gezahlten Steuer entspricht. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Türkei bezogenen Einkünfte entfällt.
c.) Dividenden im Sinne des Artikels 10 Absatz 2 lit. b sublit. i, die von einer in der Türkei ansässigen Gesellschaft an eine in Österreich ansässige Gesellschaft gezahlt werden, sind, vorbehaltlich der entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts Österreichs, in der Fassung allfälliger künftiger, ihren allgemeinen Charakter wahrender Änderungen, aber ungeachtet allfälliger nach diesem Recht abweichender Mindestbeteiligungserfordernisse, in Österreich von der Besteuerung ausgenommen.
d.) Einkünfte einer in Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden.
e.) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Zinsen oder Lizenzgebühren aus der Türkei und werden diese Zinsen oder Lizenzgebühren in der Türkei mit einem Steuersatz besteuert, der bei Zinsen niedriger ist als die in Artikel 11 Absatz 2 lit. a bis c vorgesehenen Sätze, und bei Lizenzgebühren weniger als 10 vom Hundert beträgt, so wird auf die von den Zinsen beziehungsweise Lizenzgebühren zu erhebende österreichische Steuer der Betrag angerechnet, der bei Zinsen je nach Lage des Falles 5, 10 beziehungsweise 15 vom Hundert und bei Lizenzgebühren 10 vom Hundert des Bruttobetrags dieser Zinsen oder Lizenzgebühren entspricht."

IV. Rechtliche Würdigung

1. Beurteilt nach innerstaatlichem Recht ist davon auszugehen, dass der Bf. in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, sodass sich seine sachliche Steuerpflicht auf alle in- und ausländischen Einkünfte (§ 1 Abs. 2 EStG 1988) erstreckt, zu denen gemäß § 25 EStG 1988 auch die Bezüge und Vorteile aus einem früheren Dienstverhältnis gehören. Der Bf. ist somit mit seinen türkischen Rentenbezügen in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

2. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) - genauer: Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung - führen nicht zu einer erweiterten Steuerpflicht. Sie vermögen nur einen sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebenden Besteuerungsanspruch einzuschränken, nicht aber einen im innerstaatlichen Steuerrecht nicht bestehenden Besteuerungsanspruch zu begründen. Sie entfalten eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen (). Ergibt sich also aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (; ).

3. Der Bf. behauptet nicht, dass es sich bei den strittigen Bezügen um Bezüge handelt, die von Art. 19 Abs. 2 DBA-Türkei erfasst werden und - wie sich aus der Überschrift dieses Artikels ergibt - Ruhebezüge betrifft, die für eine ehemalige Tätigkeit im "öffentlichen Dienst" der Türkei bezogen werden. Anhaltspunkte dafür sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zutage getreten. Handelt es sich bei den strittigen Bezügen aber um "Ruhegehälter", die unter Art. 18 des Abkommens zu subsumieren sind (wovon auch in der Beschwerde ausgegangen wird), liegt das Recht der Besteuerung nach dem anzuwendenden DBA (ausschließlich) im Ansässigkeitsstaat. Hinsichtlich dieser Einkünfte eingeschränkt ist das Besteuerungsrecht der Türkei, nicht Österreichs.

4. An dem Ergebnis, dass das Besteuerungsrecht an den strittigen Einkünfte (nach Art. 18 DBA) Österreich zugewiesen ist, vermag Art. 22 des DBA nichts zu ändern, zumal nicht ausgeführt wird, auf welche Bestimmung des Art. 22 DBA sich die vom Bf. gewünschte Rechtsfolge zu stützen vermochte. Die vom Bf. bekämpften Nachforderungen sind die Folge der Anwendung des Steuertarifs auf das in Österreich zu versteuernde Einkommen iSd § 2 Abs. 2 EStG 1988, das sich aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Bf. ergibt, auch wenn sich bei einer isolierten Betrachtung der inländischen und ausländischen Einkünfte je für sich keine Abgabenschuld ergäbe. Der Frage, ob die strittigen Bezüge in der Türkei auf Grund ihrer geringen Höhe unversteuert geblieben sind, kommt keine Bedeutung zu. Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Da im Beschwerdefall keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der iSd Art. 133 Abs. 4 des B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, war auszusprechen, dass eine ordentliche Revision an den VwGH nicht zulässig ist. Das Besteuerungsrecht Österreichs ergibt sich unmittelbar aus den zitierten Bestimmungen des EStG 1988. Es wird nach dem klaren Wortlaut des Abkommens durch das DBA-Türkei nicht eingeschränkt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
DBA TR (E), Doppelbesteuerungsabkommen Türkei (Einkommensteuern), BGBl. III Nr. 96/2009
Art. 18 DBA TR (E), Doppelbesteuerungsabkommen Türkei (Einkommensteuern), BGBl. III Nr. 96/2009
Art. 22 DBA TR (E), Doppelbesteuerungsabkommen Türkei (Einkommensteuern), BGBl. III Nr. 96/2009
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.3100270.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at