Ein von der belBeh zu Unrecht in eine Bescheidbeschwerde umgedeuteter Rechtsbehelf, ist im Fall seiner Verspätung vom BFG als Bescheidbeschwerde zu erledigen und zurückzuweisen.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101974/2016-RS1 | Hat die Abgabenbehörde über eine nicht fristgerecht erhobene Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung abgesprochen und wurde gegen die Beschwerdevorentscheidung Vorlageantrag erhoben, so steht der Vorlageantrag gemäß § 300 Abs 1 BAO einer neuen Sachentscheidung aus einem anderen Verfahrenstitel heraus entgegen (vgl Ritz, BAO-Kommentar, 5., überarbeitete Auflage 2014, § 300 Tz 4). Um den Fehler der irrtümlichen Erlassung einer materiell-rechtlichen Beschwerdevorentscheidung ab ovo zu beseitigen, hat das Bundesfinanzgericht mit Beschluss (§ 260 Abs 1 lit b iVm § 278 BAO) die Bescheidbeschwerde als unzulässig wegen Verspätung zurückzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben (vgl ). Ob die irrtümliche Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom Beschwerdeführer oder von der belangten Behörde zu vertreten ist, ist dabei ohne Belang. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers B aufgrund der gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2014, erhobenen Bescheidbeschwerde beschlossen:
1.) Der angefochtene Bescheid vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2014, bleibt unverändert.
2.) Die Bescheidbeschwerde wird zurückgewiesen.
3.) Die Beschwerdevorentscheidung vom wird aufgehoben.
4.) Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) im Wege von FinanzOnline am Tag seiner Ausfertigung, also dem in die Databox zugestellt. Im Bescheid wird das beantragte Pendlerpauschale in bestimmter Höhe nicht berücksichtigt.
Am brachte der Bf über FinanzOnline einen Antrag auf Bescheidaufhebung Arbeitnehmerveranlagung 2014 ein. Darin führte er u.a. aus, dass er angenommen habe, dass ihm Schriftstücke weiterhin per Post zugestellt würden, weil er keine Mailadresse angegeben habe.
Die belangte Behörde (in der Folge kurz: belBeh) wertete den Aufhebungsantrag als Bescheidbeschwerde und wies diese mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Beschwerdevorentscheidung wurde am in die Databox zugestellt.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung erhob der Bf mit elektronischem Schriftsatz vom über FinanzOnline Bescheidbeschwerde und beantragte nochmals, bei der Berechnung der Einkommensteuer 2014 das Pendlerpauschale zu berücksichtigen. Aufgrund seiner Dienstzeiten könne er den Werkverkehr nicht nützen.
Die belBeh wertete den Schriftsatz vom als Vorlageantrag und legte die Akten elektronisch vor. Im Vorlagebericht vom bekannte die belBeh ihren Irrtum, den Aufhebungsantrag als Bescheidbeschwerde gewertet zu haben, und beantragt, das Bundesfinanzgericht möge mit Beschluss die Beschwerdevorentscheidung aufheben. Dadurch würde das Abgabenverfahren in die Lage zurückversetzt, dass ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid 2014 vorliege, der aufgrund eines auf § 299 Bundesabgabenordnung gestützen Antrages mit Bescheid aufgehoben und ein neuer Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2014, der das Pendlerpauschale im gesetzlich zustehenden Ausmaß berücksichtigen werde, erlassen werden könnten.
Nach den im FinanzOnline enthaltenen Daten hat der Bf entgegen seinem Vorbringen eine E-Mail-Adresse angegeben, die allerdings auf einen anderen Namen lautet. Am erteilt der Bf auf Ersuchen dazu die telefonische Auskunft, dass es sich bei der Person um den Gemeindesekretär handle und dass die E-Mailadresse doch ihre Richtigkeit habe.
Es wurde erwogen:
Die Bescheidbeschwerde vom ist unzulässig.
Die Eingabe vom ist IN DIESEM VERFAHREN als Bescheidbeschwerde zu qualifizieren, weil sie von der belBeh - wenn auch zu Unrecht - als solche erledigt wurde. Als Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2014 vom erweist sie sich als nicht fristgerecht.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO idF BGBI I 14/2013 ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 264 Abs 1 BAO idF BGBl I 105/2014 kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten. [...].
Gemäß § 264 Abs 3 BAO idF BGBl I 105/2014 gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Vorlageantrages an wiederum als unerledigt, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wird. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. [... ]
Gemäß § 299 Abs 1 Satz 1 BAO idF BGBl I 14/2013 kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Gemäß § 299 Abs 2 BAO idF BGBl I 14/2013 ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
Gemäß § 300 Abs 1 BAO idF BGBl I 14/2013 können Abgabenbehörden ab Stellung des Vorlageantrages [...] beim Verwaltungsgericht mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben.
Aufgrund gegebener Aktenlage ist folgender Sachverhalt festzustellen:
Der Einkommensteuerbescheid 2014 wurde rechtswirksam am in der Databox zugestellt und wurde am formell rechtskräftig. Der Bf hatte einer Zustellung in die Databox zugestimmt und eine entsprechende E-Mailadresse bekannt gegeben. Via FinanzOnline brachte der Bf nach Eintritt der Rechtskraft am einen Aufhebungsantrag ein, den die belangte Behörde zu Unrecht in eine fristgerechte Bescheidbeschwerde umgedeutet und darüber materiell mit Beschwerdevorentscheidung abgesprochen hat (Abweisung als unbegründet). Die dagegen erhobene Beschwerde hat die belangte Behörde in einen Vorlageantrag umgedeutet. Im Vorlagebericht beantragt die belangte Behörde die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung.
rechtlich folgt:
Die Eingabe vom ist nach ihrem Inhalt eindeutig als Aufhebungsantrag anzusehen.
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an (vgl ). Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend (vgl ). Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (vgl VwGH 18.5.2006, 2003/16/0009 ; VwGH 24.6.2009, 2007/15/0041 ). Lediglich bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen (vgl VwGH 29.3.2001, 2000/14/0014 ; VwGH 24.6.2009, 2007/15/0041 ; VwGH 20.5.2010, 2010/15/0035 ).
Der Vorlageantrag steht gemäß § 300 Abs 1 BAO einer Erledigung der Eingabe vom als Aufhebungsantrag (§ 299 BAO) entgegen (vgl Ritz, BAO-Kommentar, 5., überarbeitete Auflage 2014, § 300 Tz 4).
Der vorliegende Beschwerdefall gleicht hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhaltes und der zu beantwortenden Rechtsfrage (Beseitigung der verfahrensrechtlichen Sperrwirkung des Vorlageantrages, damit wegen Verspätung der Bescheidbeschwerde aus einem anderen Verfahrenstitel heraus eine neue Sachentscheidung durch die Abgabenbehörde möglich wird) jenem Fall, der vom Bundesfinanzgericht mit dem veröffentlichten Beschluss vom 20. Feburar 2015, RV/7400159/2014, entschieden wurde. Auf den genannten BFG-Beschluss wird bezüglich weiterreichender rechtlicher Ausführungen verwiesen.
Nicht entscheidungsrelevant ist, dass im Beschwerdefall RV/7400159/2014 der verfahrensrechtliche Fehler dem Beschwerdeführer, im vorliegenden Fall der belangten Behörde unterlaufen ist. Ebenso wenig macht es einen Unterschied, dass im Beschwerdefall RV/7400159/2014 durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung der Erledigung eines Wiedereinsetzungsantrages und im vorliegenden Fall der Erledigung eines auf § 299 Bundesabgabenordnung (BAO) gestützter Antrag der Weg bereitet werden soll.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht keine Sachentscheidung gemäß § 279 Abs 1 BAO zu treffen. Es ist offensichtlich, dass die Beschwerdevorentscheidung durch Aufhebung aus dem Rechtsbestand zu beseitigen ist.
Fraglich bleibt aber, wie mit der Eingabe vom aus verfahrensrechtlicher Sicht umzugehen ist, oder ob es gar ausreichend ist, nur die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben.
Die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung bedingt einen zulässigen Vorlageantrag, was eindeutig zu bejahen ist (bzgl weiterer Ausführungen nochmals ). Die Rechtssache iSd § 279 Abs 1 BAO wird durch den Spruch des angefochtenen Bescheides bestimmt. Als angefochtener Bescheid ist im vorliegenden Fall die Beschwerdevorentscheidung anzusehen, weil ihrer Erlassung der Irrtum der belBeh zu Grunde liegt.
Um den der belangten Behörde unterlaufenen Fehler der Umdeutung des Aufhebungsantrages in eine Bescheidbeschwerde ab ovo zu beseitigen, muss also die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes bei genau diesem Fehler ansetzen und über die Bescheidbeschwerde - wenn auch nur formal - absprechen, auch wenn der Bf mit diesem Schriftsatz (verfahrensrechtlich korrekt) einen Aufhebungsantrag gestellt hat. Die bloße Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung würde zu kurz greifen.
Hat die Abgabenbehörde über eine nicht fristgerecht erhobene Bescheidbeschwerde mit materiell-rechtlicher Beschwerdevorentscheidung abgesprochen und wurde gegen die Beschwerdevorentscheidung Vorlageantrag erhoben, so steht der Vorlageantrag gemäß § 300 Abs 1 BAO einer neuen Sachentscheidung aus einem anderen Verfahrenstitel heraus entgegen (vgl Ritz, BAO-Kommentar, 5., überarbeitete Auflage 2014, § 300 Tz 4). Um den Fehler der irrtümlichen Erlassung einer materiell-rechtlichen Beschwerdevorentscheidung ab ovo zu beseitigen, hat das Bundesfinanzgericht mit Beschluss (§ 260 Abs 1 lit b iVm § 278 BAO) die Bescheidbeschwerde als unzulässig wegen Verspätung zurückzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben (vgl ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Beantwortung der Rechtsfrage, wie der der Abgabenbehörde unterlaufene Irrtum zu beseitigen ist, direkt aus dem Gesetz gibt, liegt keine Grundsatzrechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 Abs. 1 Satz 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 300 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7101974.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at