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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.04.2016, RV/6100329/2013

Beschwerde gegen einen gemäß § 232 Abs. 1 iVm Abs. 3 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde des A, in B, vertreten durch C, Steuerberater, in D, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom , betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß § 232  Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom erließ das Finanzamtes Salzburg-Land gegen den Beschwerdeführer (Bf) A gem. § 232 Abs. 3 BAO einen Sicherstellungsauftrag für Umsatzsteuer 2010 in Höhe von € 167.346,55.

In der Begründung wurde auf eine finanzstrafrechtliche Prüfung gem. § 147 in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG unter anderem für den Zeitraum Umsatzsteuer 2010 verwiesen.
Weiters wurde darauf verwiesen, dass es der Bf unterlassen habe für den ZR 12/2010 eine Vorsteuerberichtigung für im Jahr 2010 veräußerte Liegenschaften im oben angeführten Ausmaß nicht bekannt gegeben bzw. entrichtet zu haben.

Zudem wurde festgestellt, dass der Bf als ehemaliger Geschäftsführer der Fa. E GmbH (kurz GmbH) seiner Verpflichtung zur Einreichung von Steuererklärungen für 2010 (USt und Köst) nicht zeitgerecht nachgekommen sei.

Eine Erschwerung der Einbringung sei aufgrund der Einleitung des Finanzstrafverfahrens, sowie der Pflichtverletzung als ehemaliger Geschäftsführer zu befürchten.

Die Einbringung der Abgaben sei gefährdet, weil zum derzeitigen Zeitpunkt der Abgabenbehörde kein verwertbares Vermögen zur Abdeckung der zu erwartenden Abgabennachforderung bekannt sei. Dazu wurde auf den Verdacht einer Abgabenhinterziehung verwiesen.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Berufung ein, (welches aufgrund des Übergangs der Rechtssache auf das Bundesfinanzgericht als Beschwerde zu werten ist).
In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Finanzstrafrechtlich vorwerfbares Verhalten aufgrund eines Rechtsirrtumes nicht vorliegen könne.

Bemängelt wurde zudem, dass sich der Sicherstellungsauftrag nicht mit der wirtschaftlichen Lage des Bf auseinandersetzt. Die Feststellung über nicht vorhandenes Vermögen beziehe sich offenbar auf die Verhältnisse der GmbH.
Des Weiteren wurden die Einkünfte des Bf im Jahr 2012 als Komplementär der A KG (kurz KG) dargestellt, sowie Angaben zu seinem Liegenschaftsvermögen gemacht ( YZ Anteile an einer Liegenschaft in Wien; die KG besitze zwei Liegenschaften). Aufgrund seiner Einkommens – und Vermögensverhältnisse könne keinesfalls eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe iSd § 232 BAO begründet werden.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages lägen daher nicht vor. Im Übrigen wird auf den bekannten Inhalt dieser Begründung verwiesen.

Weiters stellte der Bf den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.

Diese Beschwerde wurde seitens des Finanzamtes mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Der Sachverhalt wurde insofern konkretisiert, dass es der Bf als Geschäftsführer und steuerlich Wahrnehmender der GmbH unterlassen habe, die Vorsteuerkorrektur für 2010 in Höhe von € 167.346,55 vorzunehmen. Dazu wurde auch auf das gegen den Bf als ehemaliger Geschäftsführer seit unter EVL-Nr. 2012/00450 bzw. der gem.
§ 99 Abs. 2 FinStrG am begonnen Betriebsprüfung und somit anhängigen Finanzstrafverfahrens verwiesen.

Auf die weiteren Ausführungen betreffend Veräußerung der GmbH-Anteile wird hingewiesen.

Zum Einwand bestehender Vermögensverhältnisse wurde das steuerliche Ergebnis der KG ab dem Jahr 2007 dargestellt. Hingewiesen wurde darauf, dass für 2011 und 2012 noch keine Erklärungen vorhanden sind.

Zu den Liegenschaften der KG – an welcher der Bf zu 95 % beteiligt war - wurde ausgeführt, dass diese mit Hypotheken in Höhe von € ZX,-- bzw. mit
€ YX,-- belastet sind. Für einen Grundstücksanteil wurde eine Größe von 81 qm angenommen.
Für die im Eigentum des Bf stehende Eigentumswohnung bzw. das Geschäftslokal wurde eine Adresse in der Rothenmühlgasse in Wien angeführt. Die Gesamtfläche wurde mit 116 qm und die Hypothekenbelastung mit € XZ,-- angeführt.

Unter Berücksichtigung der Lebensführung des Bf, sowie der Unterhaltspflichten für die Gattin und Kinder, dem aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftbaren und der Hypothekarverbindlichkeiten – mögen diese teilweise abgetragen worden sein – ergebe sich zum Abgabenbetrag von € 167.346,55 die angenommene Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringlichkeit.

Im Übrigen wird auf den bekannten Inhalt dieser Begründung verwiesen.

Daraufhin stellte der Bf durch seinen ausgewiesenen Vertreter mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag.
auf die Ausführungen betreffend den Verkauf von Gesellschaftsanteilen und der vom Bf ausgeübten Tätigkeit (Punkte 1-9) wird verwiesen.

Zu den Einkunftsverhältnissen wurde ausgeführt, dass die Ausführungen in der Berufung vom Finanzamt negiert würden.

Schlussendlich sei die Darstellung des Liegenschaftsvermögens unrichtig. Die KG besitze in F ein Geschäftslokal und keine Eigentumswohnung. Die Fläche betrage 178,60 m² und nicht 81 m².
Das in Wien zur Sicherstellung herangezogenen Liegenschaftseigentum habe eine Gesamtfläche von rd. 300 m² (Anm. lt. FA 116 m²).

In der Folge wurde mit Schriftsatz vom 12. April der Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat wiederum zurückgenommen.

Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen.

Laut den vom vorliegenden Grundbuchsauszügen liegen die vom Bf angegebenen Liegenschaften wie in der Berufung angegeben vor. Die von den Parteien angegebenen Flächenangaben sind daraus nicht bzw. nur teilweise nachvollziehbar.

Aus der Beschuldigteneinvernahme des Bf vom geht hervor, dass damals der Wert der ihm gehörenden Liegenschaftsanteile in Wien mit rd.
€ 550.000,-- anzunehmen sei und die Hypothek dafür noch in Höhe von ca.
€ 330.000,-- aushaftete.

Aus dem zum Sicherstellungsauftrag vorgelegten Akten insbesondere aus dem Akt der Betriebsprüfung ABNr. XY, sind keine Ermittlungen betreffend der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf ersichtlich.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabebehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) zu enthalten:

a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;

b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;

c) den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;

d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Nach Abs. 3 gelten die Abs. 1 und 2 sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden.

Der gegenständliche Sicherstellungsauftrag richtet sich daher gegen den Bf als potenziell haftungspflichtigen gem. § 11 BAO für Abgaben der GmbH.
Es liegt daher ein Gesamtschuldverhältnis vor. Die Gefährdung (Erschwerung) muss bei allen Gesamtschuldnern, somit bei der GmbH als auch dem Bf, gegeben sein (siehe ).

Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne dieser Bestimmung ist im Wesentlichen dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung gesichert erscheint.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH z.B. vom , 89/15/0131; siehe dazu auch „Ritz“ Kommentar zur Bundesabgabenordnung, dritte Aufl., zu
§ 232, Tz 5 letzter Satz) reichen Abgabenhinterziehung und Mängel der Buchhaltung (im gegenständlichen Fall der Verdacht eines Finanzstrafverfahrens) allein ohne Bedachtnahme auf die Einkommens - und Vermögensverhältnisse des Abgabepflichtigen noch nicht stets aus, damit eine solche Gefährdung oder Erschwerung angenommen werden darf.

In jedem Fall bedarf es daher einer Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Lage der Gesamtschuldner, insbesondere mit der des Bf (siehe dazu auch ).
Im angefochtenen Bescheid, der sich gem. § 232 Abs.3 BAO gegen den Bf als Haftungspflichtigen richtet, wird auf die wirtschaftliche Lage des Bf in keiner Weise bzw. unrichtiger Weise eingegangen. Ob sich die Aussage über das nichtvorhandene Vermögen auf die GmbH bezieht, wird auch in der BVE nicht klargestellt.
Bezüglich des Vermögens des Bf trifft diese Aussage nicht zu. Ein Einkommen des Bf oder der GmbH wird überhaupt nicht erwähnt. Aus dem dem Sicherstellungsakt zugrunde liegenden Akt der Betriebsprüfung sind keinerlei Ermittlungen zur wirtschaftlichen Lage des Bf ersichtlich.
Wie sich aus der Berufung des Bf vom ergibt, stellte der Bf von sich aus erstmals Einkünfte der KG im Jahr 2012 sowie den Besitz von Anteilen (Wohnungseigentum) an einer Liegenschaft (in Wien) sowie als Beteiligter der KG den Besitz zu 95 % an zwei Liegenschaften dieser KG dar.
Dem Sicherstellungsauftrag fehlen daher entsprechende Tatsachenfeststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bf zur Gänze. Es wird auch nicht auf sonstige Akteninhalte (zB. Bilanz, oder Grundbuchsabfrage) verwiesen, aus denen sich die wirtschaftliche Lage des Bf ergäbe, sodass in der Folge der Tatbestand der Annahme einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht überprüft werden kann.
Wenn somit erstmals in der BVE Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bf getroffen werden (Grundbuchsabfragen vom selben Datum), welche zuvor vom Bf selbst bekannt gegeben wurden, ändert dies nichts an den fehlenden Ermittlungen zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages.
Zudem ist aus der Natur eines Sicherstellungsauftrages als Sofortmaßnahme abzuleiten, dass zumindest grundsätzliche Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des vom Sicherstellungsauftrag betroffenen vorliegen müssen. Wurden, wie hier, keinerlei Feststellungen getroffen und sind solche aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, kommt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages einem Erkundungsbeweis gleich, was sich als nicht zulässig erweist.

Auch wenn man die nachträglichen Feststellungen in der BVE für zulässig erachten würde, kann daraus nicht auf eine Gefährdung geschlossen werden, da – bezüglich des Vermögens - zwar die Belastungen durch Hypotheken dargestellt, nicht jedoch deren Werte (zumindest annähernd) festgestellt wurden.
Zu den vom Bf anlässlich der Beschuldigteneinvernahme getroffenen Angaben zum Wert der in seinem alleinigen Eigentum stehenden Liegenschaftsanteile – welche die Abgabennachforderung leicht abdecken würden - hat das Finanzamt anlässlich der Vorlage der Berufung keine Stellung bezogen.
Es ist daher nicht Sache des Bundesfinanzgerichtes erstmals rückwirkend Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen – insbesondere Vermögensverhältnisse - des Bf zum damaligen Zeitpunkt zu treffen. Dabei ist auch der Zeitablauf zu beachten.

Da somit eine erforderliche Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bf und der GmbH nicht erfolgt ist, liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages, nicht vor. Dazu ist auf die fehlenden Feststellungen, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe bei den Gesamtschuldnern ableiten ließe, zu verweisen.
Ob sich die Aussage über nicht vorhandenes Vermögen (Vermutung des Bf in der Berufung) auf die GmbH (Primär - Gesamtschuldnerin) bezog blieb unklar. Zum Einkommen der GmbH wurden ohnedies keine Feststellungen getroffen.

Auf die übrigen, sonstigen Voraussetzungen, für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages – welche vorzuliegen scheinen – brauchte daher nicht eingegangen werden.

Der Berufung/Beschwerde war daher Folge zu geben, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (da mangels fehlender Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen durch die ständige Rechtsprechung des VwGH geklärt), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 232 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.6100329.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at