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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.04.2016, RV/7102032/2014

Ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., W., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Februar bis Juni 2013, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für ihre beiden Söhne A. und B., beide geb. 1991, bis Juni 2013 Familienbeihilfe.

A. und B. waren ab zur Ablegung von Zulassungsprüfungen im Rahmen der Externistenreifeprüfung zugelassen.

Im Zuge mehrerer Überprüfungen der Anspruchsvoraussetzungen legte die Bf. Bestätigungen der Externistenprüfungskommission des Stadtschulrates für Wien vor.

Den Bestätigungen vom ist zu entnehmen, dass A. im Gegenstand Bildnerische Erziehung am eine Prüfung abgelegt hat, die er bestand. Im Gegenstand Musikerziehung trat er am und am  im Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung an. Beide Prüfungen wurden nicht bestanden.

B. trat am (Bildnerische Erziehung), und am (Musikerziehung) zu Prüfungen an und hat diese bestanden. Am ist er im Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung angetreten und hat die Prüfung nicht bestanden.

Laut zwei weiteren Bestätigungen waren die Söhne der Bf. betreffend die am abgelegte Prüfung im Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung zur Wiederholung für den angemeldet, traten aber nicht an.

Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes erließ das Finanzamt am den Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge für den Zeitraum Februar bis Juni 2013 betreffend beide Söhne.

In der Begründung wurde neben den gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) darauf verwiesen, dass die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt werde, eine angemessene Unterrichtsdauer sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung seien. Familienbeihilfenanspruch bestehe nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Dies werde dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antrete.

Die Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid fristgerecht Berufung (Beschwerde) und führte zur Begründung aus, sie ersuche um Anerkennung der Schulbestätigungen ihrer Söhne. Diese seien am für eine Prüfung angemeldet gewesen, hätten jedoch durch einen Krankheitsfall (akute Zahnbehandlung) nicht teilnehmen können. Sie lege die beiden Schulbestätigungen sowie die beiden Krankenbestätigungen vor.

Das Finanzamt erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und verwies in der Begründung auf § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967), wonach Personen für Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Laut VwGH-Erkenntnis vom , 89/14/0070 sei der Besuch einer Maturaschule alleine nicht ausreichend, um das Vorliegen einer Berufsausbildung anzunehmen. Hierzu müsse das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen treten, die Externistenprüfung abzulegen. Dies erfordere den Antritt zu den einschlägigen (Vor-)Prüfungen innerhalb angemessener Zeit.

Laut Entscheidung der Externistenprüfungskommission vom seien die volljährigen Söhne zur Ablegung der Externistenprüfungen nach dem Lehrplan des Oberstufenrealgymnasiums zugelassen worden. Es seien in dieser Zeit lediglich einige Prüfungen abgelegt worden. Die Prüfung am sei nicht bestanden worden und zur Wiederholungsprüfung am seien die Söhne nicht angetreten. Die Familienbeihilfe sei unter Berücksichtigung der Erkrankungen der Kinder seit November 2008 gewährt worden. Die Söhne seien genau am Wiederholungstermin in Zahnbehandlung gewesen. Laut ärztlicher Bestätigung habe es sich um einen Kontrolltermin und nicht um eine akute Zahnbehandlung gehandelt. Weitere Prüfungstermine seien nicht bekanntgegeben worden. Trotz der psychischen Erkrankung der Kinder könne man hierbei nicht von einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung sprechen. Demzufolge bestehe die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe für die Monate Februar 2013 bis Juni 2013 zu Recht.

Die Bf. brachte am einen als Vorlageantrag zu wertenden Schriftsatz ein und legte nochmals die beiden Schulbestätigungen sowie die beiden ärztlichen Bestätigungen mit Diagnose vor. Zur Begründung führte sie lediglich aus, dass A. und B. unmöglich am an der Prüfung, für die sie angemeldet gewesen seien, teilnehmen hätten können.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist gegenständlich, ob der Rückforderungsbescheid betreffend den Zeitraum Februar bis Juni 2013 zu Recht ergangen ist. Das Finanzamt vertritt die Ansicht, dass beide Söhne die Vorbereitung zur Externisten-Reifeprüfung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben haben.

Folgender Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die beiden Söhne der Bf. waren laut Bestätigung der Externistenprüfungskommission des Stadtschulrates für Wien ab zur Ablegung von Zulassungsprüfungen im Rahmen der Externistenprüfung gemeldet.

A. wurde im Sachverständigengutachten vom eine Depressio attestiert und der Gesamtgrad der Behinderung mit 30 % bestätigt.

B. wurde mit Sachverständigengutachten desselben Datums eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bescheinigt und der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 % festgesetzt.

A. hat seit seiner Meldung zur Ablegung von Zulassungsprüfungen () im Gegenstand Bildnerische Erziehung am eine Prüfung abgelegt und diese bestanden. Im Gegenstand Musikerziehung ist er am zu einer Prüfung angetreten und hat diese nicht bestanden. Weiters ist er am im Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung angetreten und hat auch diese Prüfung nicht bestanden.

B. ist am (Bildnerische Erziehung), und am (Musikerziehung) angetreten und hat beide Prüfungen bestanden. Am ist er im Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung angetreten und hat die Prüfung nicht bestanden.

Beide Kinder waren betreffend die am abgelegte Prüfung im Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung zur Wiederholung für den angemeldet, sind aber nicht angetreten.

A. und B. stehen seit nicht mehr in Berufsausbildung (Antwortschreiben der Bf. vom zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe).

Gesetzliche Bestimmungen und rechtliche Würdigung:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in seiner (ständigen) Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt (sh. für viele zB ; ; ):

- Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein.

- Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.

- Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.

Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

Der laufende Besuch einer Maturaschule für sich allein reicht nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen erkennbar sein. Es kommt zwar nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl. ; ; ; ). Der Schüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (vgl. ).

Ist das Ziel zB die Ablegung der Berufsreifeprüfung, so ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt (sh. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 39 ff).

Die von der Judikatur geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 können auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet.

Aus der Praxis der Maturaschulen ist bekannt (siehe UFS, vom , RV/2193-W/10), dass eine ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung dann anzunehmen ist, wenn innerhalb von jeweils vier Monaten eine Zulassungsprüfung erfolgreich abgelegt wird.

Ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen wird nicht schon dann in Abrede zu stellen sein, wenn ein Kind mit vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug gerät. Eine Ausbildung jedoch, bei der das Kind entweder während langer Zeit oder gar nicht zu einer Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden (vgl. ; ; ).

Dabei ist zu beachten, dass der VwGH seine ständige Rechtsprechung, wonach die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist, auch auf die Berufsausbildung anwendet (): Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein.

Gemessen an diesen Kriterien kann der Rückforderungsbescheid des Finanzamtes nicht beanstandet werden.

Die Söhne sind nur in drei von zumindest 11 Fächern, in denen sie ab zu Zulassungsprüfungen angemeldet waren, angetreten. A. bestand nur eine Prüfung am und B. zwei Prüfungen ( und am ). Zu einer Wiederholungsprüfung am waren beide angemeldet, sind aber nicht angetreten.

Die Bf. führte in ihrer Berufung dazu aus, ihre Söhne hätten "durch einen Krankheitsfall (akute Zahnbehandlung)" an der Wiederholungsprüfung am nicht teilnehmen können. Zur Untermauerung ihrer Behauptung legte sie zwei Bestätigungen des Zahnarztes vor, in dem dieser auf einem Musterformular, auf dem nur Name und Uhrzeit zu ergänzen sind, bestätigt, dass A. und B. "heute ärztliche Hilfe in der Ordination (Ambulanz) in der Zeit von 14.00 bis 16.00 Uhr in Anspruch genommen" hätten.; handschriftlicher Vermerk: "Kontrolle oB".

Auf zwei weiteren, offensichtlich neu ausgestellten Bestätigungen, welche von der Bf. im Zug e des Vorlageantrages beibracht wurden, findet sich, abweichend zu den ersten Bestätigungen, nur der handschriftlich ergänzte Text "...14.00 Uhr..." sowie eine handschriftliche Ergänzung mit einer nur teilweise leserlichen Diagnose.

Die Bestätigungen legen aber nicht dar, dass die Erkrankung so schwerwiegend war, dass der Prüfungsantritt verhindert wurde. Auch ist es in höchstem Maße unglaubwürdig, dass bei beiden Kindern zeitgleich ein derartiger Krankheitszustand eingetreten sein soll.

A. und B. waren laut Bestätigung eines Facharztes für Psychiatrie wegen Depressio bzw. kombinierte Persönlichkeitsstörung von März 2012 bis September 2012 krankheitsbedingt nicht in der Lage Prüfungen abzulegen.

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ergibt sich, dass sie insgesamt in einem Zeitraum von drei Jahren (Juni 2010 bis Juni 2013) nur zu insgesamt drei Zulassungsprüfungen angetreten sind. A. hat davon eine und B. zwei Prüfungen bestanden. Zu einer Wiederholungsprüfung am sind beide Kinder nicht angetreten.

Nach dieser Aktenlage ergibt sich für das Bundesfinanzgericht eindeutig, dass die Söhne der Bf. ihre Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben haben und dass die Ausbildung auch nicht ihre volle Zeit in Anspruch genommen haben konnte. Dies kann insbesondere in Hinblick auf den Umstand keinesfalls angenommen werden, dass die beiden Kinder bereits am ohne Erfolg zum Gegenstand Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung angetreten sind und mehr als fünf Monate danach zur Wiederholungsprüfung hätten antreten müssen. Dass der Lernaufwand für diesen einen Gegenstand, wobei der Prüfungsstoff bereits vor der ersten Prüfung hätte angeeignet werden müssen, die volle Zeit der Kinder beansprucht hätte, kann eindeutig verneint werden.

Somit ist im Streitzeitraum Februar bis Juni 2013 keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes vorgelegen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die oben zitierten VwGH-Erkenntnisse klarstellen, dass eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht vorliegt.

Wien, am

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