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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.04.2016, RV/1100413/2012

Keine KFZ-Steuerpflicht, wenn Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen überwiegend im Ausland verwendet wurde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1100413/2012-RS1
Das Gericht sieht es auf Grund der vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogenen Erstangaben der Beschwerdeführerin (Bf.), ergänzt um die nachfolgend getroffenen Einzelfeststellungen als erwiesen an, dass die Bf. über das Kraftfahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im maßgeblichen Zeitraum lediglich in mehrfach eingeschränkter Weise (nämlich auf kurzen Strecken im Inland, bloß tageweise bzw. gelegentlich nach Einzelabsprache mit dem Fahrzeughalter und vor allem lediglich bei Bedarf und leihweise, sohin abgeleitet und keineswegs durchgehend) verfügt hat, während die dauernde und originäre Verfügungsmacht beim in Deutschland ansässigen, die Kosten von Anschaffung und Erhaltung tragenden Fahrzeughalter lag, sodass es nie mehrere Tage hintereinander durchgehend und schon gar nicht überwiegend im Inland verwendet worden ist, weshalb es dahin gestellt bleiben kann, ob die Bf. den in § 82 Abs. 8 KFG geforderten Gegenbeweis erbracht hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Romuald Kopf in der Beschwerdesache der Bf, gegen die Bescheide des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Kraftfahrzeugsteuer 1/2007 bis 7/2012 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer Kontrolle durch Organe der Abgabenbehörde wurde die Beschwerdeführerin, nachfolgend Bf abgekürzt, am , um 7:15 Uhr, in E, auf der L 201 bei km 3,6 (Bushaltestelle) betreten, wie sie das Kraftfahrzeug Marke mit dem ausländischen Kennzeichen nr auf der Fahrt Richtung Deutschland lenkte. Befragt zur Verwendung des Kfz in Österreich gab die ledige und kinderlose Bf am Folgendes zu Protokoll: Sie fahre, seit ihre Mutter 2007 in Pension gegangen ist, wiederholt mit dem Kfz. Wenn sie das Auto brauche, könne sie es vom Vater ausleihen. Der Vater wohne in C im Allgäu und besitze (seit 2009) noch ein zweites Fahrzeug. Sie selbst habe kein eigenes Auto. Von ihrem Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in WohnortBf. zu ihrem Arbeitsort in D könne sie mit einem Arbeitskollegen fahren. Er heiße Christoph A, wohne in B und hole sie in C ab. Nach C fahre sie mit dem Bus oder sie schlafe auch mal bei ihren Eltern. Befragt, wann der Pkw nach Österreich verbracht worden sei, antwortete die Bf, sie fahre – wie gesagt – seit 2007 mit dem Pkw in Österreich. Auf die Frage, aus welchem Grund sie die gegenwärtige Fahrt durchführe, gab sie zur Antwort, sie sei zur Schulung nach Jungholz gefahren und habe später noch ihr Fahrrad abgeholt. Befragt nach den Fahrzeugdaten führte die Bf aus, nachdem sie Führerschein und Zulassung bereits bei der Kontrolle am übergeben habe, lege sie nun auch noch Fahrzeugbrief, Angebot sowie die PKW-Rechnung und diverse Reparaturrechnungen vor. Abschließend sagte sie aus, dass sie kein Fahrtenbuch führe und dass ihr die Kraftfahrzeugsteuer bekannt sei.

Das Finanzamt erließ die angefochtenen Bescheide, mit denen es der Bf für die Zeit von Jänner/2007 bis einschließlich Juli/2012 Kraftfahrzeugsteuer vorschrieb. Begründend führte es wörtlich aus: "Es wurde festgestellt, dass für den Pkw Marke mit dem Kennzeichen nr (DE) der dauernde Standort gemäß § 40 Abs. 1 KFG an ihrem Hauptwohnsitz in AdresseBf., liegt. Somit besteht Kraftfahrzeugsteuerpflicht seit dem Jahr 2007. Die Kraftfahrzeugsteuer wird bis zur Anmeldung in Österreich im Juli 2012 vorgeschrieben."

Die Bf erhob Berufung, die sie sinngemäß wie folgt begründete: Der dauernde Standort des in Rede stehenden Pkws liege für die fragliche Zeit nicht an ihrem österreichischen Hauptwohnsitz. Sie habe das Fahrzeug nur gelegentlich, und zwar nach Einzelabsprache mit ihrem Vater, der Halter des Pkws sei, benutzt, und zwar überwiegend zu Fahrten innerhalb Deutschlands. In Österreich sei sie den Pkw ca. 4 km ab der Landesgrenze bis zu ihrer Wohnung im Kleinwalsertal gefahren, falls die sonst übliche Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrrad nicht mehr möglich gewesen sei. Der dauernde Standort des Fahrzeuges habe sich in Deutschland befunden, und zwar in C iA, Straße, also dem Hauptwohnsitz ihrer Eltern. Dort sei es auch von ihren Eltern selbst überwiegend genutzt worden, darüber hinaus gelegentlich von ihrem Bruder. Bis zum Renteneintritt ihrer Mutter im September 2007 sei eine Nutzung durch andere Familienmitglieder grundsätzlich überhaupt nicht möglich gewesen. Auch seit diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug weiterhin von ihren Eltern beansprucht worden. Es habe aber aufgrund der seit der Pensionierung variableren Zeiteinteilung im Bedarfsfall nun auch mal tageweise ausgeliehen werden können. Den weiteren, für größere Reisen angeschafften Pkw der Marke Marke2 habe der Vater im Mai 2009 erworben. Im Alltagsbetrieb hätten die Eltern weiterhin das kleinere und kostengünstigere Auto genutzt. Im Einklang mit der Person des Halters, dessen Wohnsitz und der überwiegenden Nutzung sei das Fahrzeug ordnungsgemäß in Deutschland versteuert worden. Eine Besteuerung in Österreich sei daher nicht nachvollziehbar und führe zu einer Doppelbesteuerung.

Das Finanzamt erließ eine abweisliche Berufungsvorentscheidung, die es nach Darlegung der Rechtslage wie folgt begründete: Die Bf verfüge seit 2007 über das Kraftfahrzeug Marke mit dem amtlichen Kennzeichen nr und verwende dieses laut eigenen Angaben regelmäßig im Inland. Durch die Verwendung dieses Fahrzeugs im Inland ohne die nach § 82 Abs. 8 KFG erforderliche kraftfahrrechtliche Zulassung sei der Tatbestand der widerrechtlichen Verwendung verwirklicht. Ob das Fahrzeug auf den Vater mit Hauptwohnsitz in Deutschland zugelassen ist, sei ohne rechtliche Bedeutung. Auf den rechtlichen Besitz am Fahrzeug komme es nicht an. Da der Gegenbeweis der überwiegenden Verwendung im Ausland nicht angetreten worden sei, finde § 82 Abs. 8 Anwendung, wonach die Verwendung dieses Pkws ohne inländisches Kennzeichen nur innerhalb eines Monats gestattet sei.

Zwecks Durchführung des abgabenrechtlichen Beschwerdeverfahrens wurde das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg um Überlassung der zur Zahl GZ, geführten Strafakten gebeten. Den vorgelegten Akten ist zu entnehmen:

Die BH Bregenz ersuchte das Finanzamt Bregenz mit Schreiben vom , zu den Rechtfertigungsgründen der Beschuldigten (das ist im gegenständlichen Verfahren die Bf) Stellung zu nehmen. Das Finanzamt teilte daraufhin mit Schreiben vom mit, der Ansicht zu sein, dass der dauernde Standort des PKWs im Inland und nicht im Ausland liege. In der Folge ist die Bf mit Bescheid der BH Bregenz vom , Z2, für schuldig erkannt worden, § 82 Abs. 8, 2. Satz KFG verletzt und (mit Bezug auf das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen nr) folgende Verwaltungsübertretung begangen zu haben: "Sie haben als Benutzer eines Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen dieses länger als 1 Monat nach der Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich verwendet, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG ist nur während eines Monats ab ihrer Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Das KFZ wurde im Jahre 2007 in Österreich eingebracht. Sie haben Ihren Hauptwohnsitz in Österreich und haben das KFZ zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort verwendet." Mit Schriftsatz vom wandte sich die Bf gegen das Straferkenntnis mit der einleitenden Bemerkung, das Erkenntnis basiere auf Annahmen, Vermutungen, Unterstellungen und Interpretationen, die nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen. Wie bereits bei der Erstbefragung und im Einspruchsschreiben dargelegt, habe sie das Fahrzeug bei Bedarf von ihrem Vater ausleihen können. Sie sei damit - ausgehend vom Standort C iA - seit 2007 wiederholt, keinesfalls aber regelmäßig in Österreich, vorwiegend freilich in Deutschland gefahren. Die Verwendung in Österreich beziehe sich auf einzelne Heimfahrten nach WohnortBf., das 4 km hinter der deutschen Grenze liegt. Die Monatsfrist sei auch bei Zusammenrechnung der wenigen Einzeltage bzw Stunden nicht überschritten worden. Mit Erkenntnis vom , GZ, gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der Beschwerde keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis der BH Bregenz.

Mit E-Mail vom wandte sich das BFG mit Hinweis auf aktuelle Rechtsprechung wie folgt an die Bf:

"Grundsätzlich erachte ich in Ihrer oben angeführten Rechtssache 2 Punkte für klärungsbedürftig. Zum einen liegt es an Ihnen, die Vermutung von § 82 Abs. 8 KFG zu widerlegen. Wird ein Kraftfahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im Inland durch eine Person mit inl. Hauptwohnsitz verwendet, gilt es nach der genannten Bestimmung bis zum Beweis des Gegenteils als Fahrzeug mit dauerndem inländischen  Standort. Da Sie vorbringen, sie hätten nur gelegentlich und leihweise über das KFZ verfügt, während die dauerhafte Verfügung von C aus bei Ihrem Vater gelegen ist, sollten Sie auch wissen, wie Sie ihr Vorbringen belegen können. Laut Vorlageantrag vom haben Sie dem Finanzamt Rechnungen für die von ihrem Vater in Auftrag gegebenen Wartungen und Reparaturen vorgelegt. Grundsätzlich sind solche Beweise Ihrer Sache dienlich, allerdings sind diese Rechnungen nicht im Akt. Ich werde beim Finanzamt Erkundigungen nach den Rechnungen einziehen, bitte aber auch Sie um Bekanntgabe aus der Erinnerung, welche Leistungen in Rechnung gestellt worden sind. Grundsätzlich sind auch eidesstattliche Erklärungen (ihres Vaters, Bruders, ihrer Mutter, von Nachbarn, des Tankwartes, des Mechanikers) als Beweismittel tauglich. Vielleicht können sie mit (objektiven) Überweisungsbelegen (für Versicherungszahlungen, Strafmandate, Reparaturen, Garagenmiete) untermauert werden. (Wer könnte beispielsweise bezeugen, dass das Auto mit dem deutschen Kennzeichen praktisch nie auf Ihrem Einstellplatz in WohnortBf. stand?)

Zum zweiten geht es um die Verwendung des Kraftfahrzeuges, also um folgende Fragen: Von wo aus wurde überwiegend über das Kraftfahrzeug verfügt? In welchem Staat wurde es überwiegend gefahren? Wo befand es sich überwiegend? Ist es im fraglichen Zeitraum je einmal zusammenhängend länger als 1 Monat in Österreich verwendet worden?

Ich bitte Sie diese Fragen zu beantworten und nach Möglichkeit durch geeignete Unterlagen zu belegen. Kann Herr A schriftlich bestätigen, dass Sie meistens mit ihm zur Arbeit gefahren sind? Kann Ihr/e Chef/in bestätigen, dass Sie meist mit Herrn
A und nur ausnahmsweise mit dem KFZ ihres Vaters zur Arbeit gekommen sind? Kann jemand bestätigen, dass das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen nach Verwendung im Inland ausnahmslos vor Ablauf eines Monats wieder ins Ausland verbracht worden ist?"

Mit E-Mail vom teilte der verfahrensführende Richter der Bf in Ergänzung zur   E-Mail vom weiters mit:

"Ich habe mittlerweile vom Verwaltungsgericht Vorarlberg bzw von der BH Bregenz die Bezug habenden Strafakten eingeholt. In ihnen finden sich folgende fünf an VaterBf., C, adressierte Rechnungen betreffend den PKW der Marke Marke mit dem amtliche Kennzeichen nr:

  • , 557,93 € (Jahreskundendienst sowie Diverses)

  • , 490,59 € (Kundendienst sowie Diverses)

  • , 1.136,56 € (Untersuchung und Diverses)

  • , 654,20 € (Kundendienst und Diverses)

  • , 228,21 €  (Kundendienst und diverses)

Dies zu Ihrer Information mit der Einladung zur Stellungnahme. Ich ersuche sie nochmals um Vorlage von Beweisen zu Ihren (nach Möglichkeit noch weiter zu konkretisierenden) Angaben über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeugs. (Wo war es regelmäßig garagiert? Wer verfügte über die Fahrzeugschlüssel? Wer brachte das Kfz zur Reparatur? Gibt es Beobachtungen betreffend die Verwendung des Parkplatzes an ihrem Hauptwohnsitz?)"

In der Vorhaltsbeantwortung vom wiederholte die Bf zum Teil ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte sie ins Detail gehend aus, der dauernde Standort des PKWs habe sich am Hauptwohnsitz der Eltern in Deutschland befunden. Dort seien auch grundsätzlich die Autoschlüssel verwahrt worden. Die Eltern verfügten in der Nähe des Wohnsitzes über zwei Garagen, wo das Fahrzeug regelmäßig abgestellt worden sei. Zur Untermauerung ihres Vorbringens reichte die Bf Beweise nach, ua eine von ihrem Vater unterfertigte Bestätigung, in der dieser als Fahrzeughalter eidesstattlich bestätigte, dass er das durch ihn "erworbene, gewartete und versicherte Fahrzeug Marke mit dem Wunschkennzeichen nr (meine Initialen) zur Selbstnutzung durch mich bzw. meine Frau diente. Es parkte regelmäßig an unserem genannten Wohnsitz in einer Garage. Dort wurde es auch zu den Jahreskundendiensten durch Werkstattangestellte abgeholt und wieder zurückgebracht. Ferner bestätige ich, dass ich unserer Tochter Bf. dieses Fahrzeug ab und zu kurzfristig ausgeliehen habe, seit meine Frau in 09/2007 in Rente gegangen ist und es nicht mehr täglich für die Arbeit brauchte. Manchmal nutzte unsere Tochter das Auto für sperrige Einkäufe wie Kleinmöbel, Renovierungsutensilien oder Balkonblumen. Da bin ich teilweise selber mitgefahren, weil ich ihr öfter beim Renovieren einzelner Räume in ihrer Wohnung in WohnortBf. geholfen habe und wusste, was alles gebraucht wird. Das gleiche habe ich auch für unseren Sohn getan. Jedenfalls brachte unsere Tochter das Auto und die Schlüssel immer spätestens am nächsten Tag wieder nach C zurück. C liegt ihr ja sowieso auf dem Weg zur Arbeit. Oder sie brachte nach einer Fahrt das Auto noch am gleichen Abend zurück und blieb dann über Nacht. Auch sonst besucht sie uns abends regelmäßig mindestens einmal pro Woche und übernachtet dann auch bei uns, was mich und meine Frau sehr freut. Sie hat das Fahrzeug nie mehrere Tage hintereinander durchgehend in Österreich gehabt."

Diese Darstellung wurde unterschriftlich auch von der Mutter der Bf bestätigt.

Mit E-Mail vom übermittelte das BFG dem Finanzamt die Vorhaltsbeantwortung vom mit der Einladung zur Stellungnahme binnen drei Wochen. Die Finanzbehörde folgte der Einladung nicht.

Das BFG hat erwogen:

Rechtslage

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG) unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

Gemäß § 3 Z 2 KfzStG ist Steuerschuldner die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet.

Die Steuerpflicht dauert gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeuges vom Beginn des Kalendermonates, in dem die Verwendung einsetzt, bis zum Ablauf des Kalendermonates, in dem die Verwendung endet.

Gemäß § 36 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 KFG über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) oder mit ihnen bewilligte Probe- oder Überstellungsfahrten (§§ 45 und 46) durchgeführt werden und sie weitere hier nicht interessierende Voraussetzungen erfüllen.

Gemäß § 79 KFG ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten werden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG ist nur während eines Monates ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Mit Erkenntnis vom , 2011/16/0221, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG entspreche, sodass die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginne.

Die in Reaktion auf dieses Erkenntnis mit BGBl I 26/2014 erfolgte, am kundgemachte und rückwirkend bis in Kraft getretene Änderung des § 82 Abs. 8 KFG dahingehend, dass nur die erstmalige Einbringung eines Kfz in das Bundesgebiet die einmonatige Frist auslöst, innerhalb derer ein Verwenden eines Kfz auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ohne Zulassung zulässig ist, ist hinsichtlich ihrer Rückwirkungsanordnung vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G72/2014, als verfassungswidrig aufgehoben worden. Damit ist die mit BGBl I 16/2014 erfolgte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG erst am , also nach den Streitjahren, in Kraft getreten.

Nach einer Judikaturlinie des BFG hat dies zur Folge, dass die Monatsfrist des § 82 Abs. 8 KFG im Sinne des vorzitierten höchstgerichtlichen Erkenntnisses () zu verstehen ist und durch Ausbringungen vor Ablauf der Monatsfrist unterbrochen wird (vgl. ; ). Nach anderer vom Finanzamt in der E-Mail vom geltend gemachter Rechtsprechung (; RV/1100150/2013), die allerdings im erklärten Widerspruch zum VwGH-Judikat vom steht und mit Revision beim VwGH angefochten worden ist, ist die Verhinderung der Zulassungspflicht durch den Nachweis einer monatlichen Ausbringung eines überwiegend im Inland verwendeten Fahrzeuges in § 82 Abs. 8 KFG 1967 nach den untersuchten und nebeneinander anzuwendenden Interpretationsmethoden nicht vorgesehen.

Konkrete rechtliche Beurteilung des Beschwerdefalles

Es kann nun dahingestellt bleiben, welche Judikatur im Beschwerdefall für die Berechnung der Monatsfrist anzuwenden ist. Ist das Erkenntnis des im Sinne der erstzitierten Judikaturlinie des BFG zu beachten, dann ergibt sich schon aus dem auch vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen (freilich in Verkennung der Rechtslage für rechtlich ohne Bedeutung gehalten) Umstand, dass die Bf immer nur auf kurzen Strecken, zudem bloß tage- und leihweise, jeweils ausgehend vom Garagierungs-Ort in Deutschland, über das Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im Inland verfügt hat, während auf Dauer die Verfügungsmacht über das Kfz beim in C wohnhaften, die Anschaffungs- und Erhaltungsaufwendungen tragenden Zulassungsbesitzer gelegen war, dass keine Kraftfahrzeugsteuerpflicht eingetreten ist. Aber auch wenn das erkennende Gericht der zweizitierten BFG-Rechtsprechung folgen würde, wäre das Ergebnis dasselbe. Denn das Gericht sieht es auf Grund der vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogenen Erstangaben der Bf, ergänzt um die nachfolgend getroffenen Einzelfeststellungen, welche auf den jeweils in Klammer zu einzelnen Feststellungen angeführten Beweisen beruhen, als erwiesen an, dass die Bf über das Kraftfahrzeug im maßgeblichen Zeitraum lediglich in mehrfach eingeschränkter Weise (nämlich auf kurzen Strecken im Inland, bloß tageweise bzw gelegentlich nach Einzelabsprache mit dem Fahrzeughalter und vor allem lediglich bei Bedarf und leihweise, sohin abgeleitet und keineswegs durchgehend) verfügt hat, während die dauernde und originäre Verfügungsmacht beim in Deutschland ansässigen, die Kosten von Anschaffung und Erhaltung tragenden Fahrzeughalter lag, sodass es nie mehrere Tage hintereinander durchgehend und schon gar nicht überwiegend im Inland verwendet worden ist, weshalb es dahin gestellt bleiben kann, ob die Bf den in § 82 Abs. 8 KFG geforderten Gegenbeweis erbracht hat:

  • Die Bf hat das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen seit der Pensionierung ihrer Mutter im September 2007 wiederholt im Inland genutzt. Für eine solche Nutzung vor dem September 2007 gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Auch für eine "regelmäßige" Nutzung während des gesamten strittigen Zeitraumes gibt es keine Hinweise. Die gegenteilige Feststellung der Abgabenbehörde ist aktenwidrig (Niederschrift vom , Berufung vom ; Bestätigungen des Fahrzeughalters vom und ; Bestätigung der Mutter der Bf vom ). Die Bf hat dieses Wort nicht verwendet. Sie hat sich gegen seine Verwendung bei der Protokollerstellung mit Erfolg gewendet.

  • Erwerber, Zulassungsbesitzer und die Kosten tragender Verfügungsberechtigter des Kfz war der in Deutschland wohnhafte Vater der Beschwerdeführerin (Rechnungen, Zulassung, Bestätigungen vom und ). Das Wunschkennzeichen des Fahrzeughalters ist ein starkes Indiz für das Zutreffen seiner Darstellung, bringt es doch ein persönliches Naheverhältnis des Fahrzeughalters zum Fahrzeug zum Ausdruck.

  • Das Fahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen wurde in der Regel bzw auf Dauer in Deutschland (C iA) garagiert und üblicherweise in Deutschland verwendet (Beschwerdevorbringen, Bestätigung des Fahrzeughalters vom und vom ).

  • Das Fahrzeug wurde im gesamten fraglichen Zeitraum von mehreren Personen, nämlich vom Fahrzeughalter und dessen Frau laufend selbst, von deren  Sohn vereinzelt sowie gelegentlich auch von der Bf genutzt. Die gelegentliche Nutzung durch die Bf erfolgte auf Leihbasis und setzte eine entsprechende Einzelabsprache, sohin die jeweilige Zustimmung des Fahrzeughalters, voraus. Nach der jeweils kurzfristigen und anlassbezogenen Nutzung brachte die Bf das Fahrzeug wieder zurück zum Wohnort bzw zur Garage des dauerhaft verfügungsberechtigten Fahrzeughalters.

  • Bis zum Mai 2009 verfügte der Fahrzeughalter nur über das in Rede stehende Kraftfahrzeug, sodass die Möglichkeiten zur Nutzung durch andere Personen aus diesem praktischen Grund bereits stark eingeschränkt war.

  • Ab Mai 2009 erwarb der Fahrzeughalter einen zweiten, größeren Wagen, der von ihm insbesondere für größere Reisen verwendet wurde, während er und seine Gattin das kleinere und kostengünstiger Auto weiterhin im Alltag nutzten.

  • Die Bf hatte im gesamten strittigen Zeitraum ihren Hauptwohnsitz in Österreich (WohnortBf.). Über ein eigenes Kfz verfügte sie nicht. Die Fahrten zu ihrem Arbeitsort in D unternahm sie meist wie folgt. Von ihrem  österreichischen Wohnort zum deutschen ihrer Eltern, wo sie gelegentlich auch nächtigte, fuhr sie mit dem Bus. Von C iA nach D nahm sie eine Mitfahrgelegenheit eines namentlich genannten Arbeitskollegen mit Wohnort in B wahr (Niederschrift vom ).

  • Nach dem strittigen Zeitraum erwarb die Bf ein eigenes Kfz und meldete es in Österreich an. Als Begründung gibt sie berufliche Veränderungen an. Dieses Vorbringen ist nicht zuletzt deshalb plausibel, weil der Vater der Bf den Marke weiterhin in Obhut und Nutzung behielt (Vorlageantrag , Bestätigung vom ).

  • Der Umstand, dass die Bf im gesamten strittigen Zeitraum über kein eigenes Fahrzeug verfügte, spricht  zunächst unter Bedachtnahme auf allgemeine Lebenserfahrungen tendenziell dafür, dass sie von der Möglichkeit, das fremde Fahrzeug zu nutzen, relativ häufig nutzte. Allerdings ist in einem zweiten Schritt zu bedenken, dass die Bf vor September 2007 nicht einmal die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug zu nutzen, dass sie aber auch schon damals über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügte. In diesem Zusammenhang weisen die vorgelegte Fahrradrechnung und ihre Mitgliedschaft im Alpenverein auf eine sportliche und umweltbewusste Einstellung und damit auf eine vom Durchschnittsverhalten abweichende Nutzung.

Aus der Schilderung des Verfahrensgangs und der danach dargestellten Rechtslage wird deutlich, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren der Beantwortung der Fragen zentrale Bedeutung zukommt, wo der dauernde Standort des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen nr im fraglichen Zeitraum war, wie sich zum einen die kurz nach der jeweiligen Einbringung ins Inland auch wieder erfolgte Ausbringung ins Ausland auf die Fristberechnung auswirkt und wie sich zum anderen die überwiegende Nutzung des Fahrzeuges im Ausland auf die Kraftfahrzeugsteuerpflicht auswirkt. Denn die Bf hat in ihrer Sachverhaltsdarstellung, und zwar beginnend bei der ersten Befragung, in sich stimmig und zT mit einer Bestätigung des Zulassungsbesitzers sowie Fahrzeugbrief, Zulassungspapieren und Reparaturrechnungen belegt, vorgebracht, sie habe das Fahrzeug jeweils nur tageweise von ihrem Vater ausgeliehen, es dann gelegentlich kurzfristig im Inland verwendet, zuletzt aber immer wieder dem Zulassungsbesitzer übergeben und an dessen Wohnsitz in Deutschland zurückgebracht, wo es insgesamt überwiegen, von ihr freilich wiederum nur zu einem geringen Teil genutzt worden ist. Aus diesem Sachverhaltsvorbringen hat die Bf den Schluss gezogen, zum einen sei der dauernde Standort des Kfz in C iA, also in Deutschland gelegen, und zum anderen sei das Kraftfahrzeug nur zu einem sehr geringen Teil im Inland genutzt worden. Dieses Vorbringen wurde von den Behörden in faktischer Hinsicht nicht in Zweifel gezogen, es wurde allerdings für rechtlich bedeutungslos beurteilt. Das BFG misst diesem mit verschiedenen Beweisen untermauerten Vorbringen vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage eine andere rechtliche Bedeutung, nämlich die von der Bf in ihren Schriftsätzen vorgetragene, bei.

Dem BFG ist bekannt, dass das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg mit Erkenntnis vom , GZ, ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz bestätigt hat, in welchem der Bf ein Verstoß gegen das KFG, nämlich die widerrechtliche Verwendung eines im Ausland zugelassenen Kfz im Inland, zur Last gelegt worden ist. An den in diesem Erkenntnis spruchmäßig festgestellten Sachverhalt, nicht jedoch an dessen steuerliche Beurteilung, war das BFG gebunden (Ritz, BAO5, § 116 Tz 14; ; ). Soweit dieses Erkenntnis des BFG von dem erwähnten Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg abweicht, liegt der Grund in der unterschiedlichen steuerrechtlichen Beurteilung, die ihrerseits vor allem auf der zwischenzeitlich erfolgten Weiterentwicklung der rechtlichen Beurteilung durch höchstgerichtliche (; ) und erstinstanzliche (; BFG1.2.2016, RV/1100150/2013) Rechtsprechung, was die zeitliche Ausgestaltung der Verwendung betrifft, und der Berücksichtigung EU-rechtlicher Vorgaben () beruht. Dem Spruch des Landesverwaltungsgerichtes sind keine Feststellungen (insbesondere hinsichtlich der Ausbringung und der überwiegenden Nutzung des Kraftfahrzeuges) zu entnehmen, die der gegenständlichen Beurteilung entgegenstehen. Dies gilt sinngemäß auch für die abweichende Beurteilung im Verhältnis zu den Bescheiden der Abgabenbehörde.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis weicht insbesondere von dem angefochtenen Bescheid dahingehend ab, als in ihm unter Würdigung der weiterentwickelten Rechtsprechung, nach Durchführung ergänzender Ermittlungen, in freier Beweiswürdigung die Feststellung getroffen wird, dass das streitgegenständliche Kraftfahrzeug im fraglichen Zeitraum überwiegend im Ausland verwendet wurde. Dies stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. 

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3 Z 2 KFZStG, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1952, BGBl. Nr. 110/1952
§ 36 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.1100413.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at