Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.04.2016, RV/5100443/2016

Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100443/2016-RS1
Eine Partei, die der in § 8 Abs. 1 ZustG normierten Mitteilungspflicht nicht nachkommt, hat die Gefahr zu tragen, dass Zustellungen durch Hinterlegung ohne Zustellversuch erfolgen, weil ihre geänderte Abgabestelle für die Behörde nicht feststellbar war ( mwN; ). Es ist daher Sache der Partei, entsprechende Vorsorge zu treffen, dass dem Gericht im laufenden Verfahren ihre jeweilige korrekte Abgabestelle bekannt ist ().

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache Bf., Adresse unbekannt, gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu Steuernummer: 123/4567, mit dem die Haftung gemäß §§ 9,80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Fa. N. GmbH, FN 11111, im Ausmaß von 355.983,03 Euro geltend gemacht wurde, beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Über das Vermögen der Firma N. GmbH, Firmenbuchnummer 11111, Adresse1 wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom ein Konkursverfahren eröffnet.

Am erging der angefochtene Haftungsbescheid an die Beschwerdeführerin (Bf.), in welchem sie für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma N. GmbH im Ausmaß von 355.983,03 Euro mit der Aufforderung, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung zu entrichten in Anspruch genommen wurde. Der Bescheid wurde nach dem vorliegenden Formular 3/1 zu § 22 des Zustellgesetzes durch Hinterlegung am (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Die Zustelladresse der Bf. lautete Adresse2.

Mit Schriftsatz vom , eingelangt bei der belangten Behörde am , brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Rechtsanwalt Herrn A., gegen den angefochtenen Bescheid Berufung (nun: Beschwerde) beim Finanzamt Linz ein und behauptete darin, ohne dies näher auszuführen, das Rechtsmittel werde "binnen offener Frist" erhoben. Die Beschwerde wurde nach dem vorliegenden Briefkuvert am zur Post gegeben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , der Bf. zugestellt am , erfolgte die Zurückweisung der Bescheidbeschwerde durch die belangte Behörde mit der Begründung, dass der Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist bereits mit eingetreten sei. Gemäß § 245 BAO betrage die Beschwerdefrist einen Monat, die Erhebung des Rechtsmittels der Beschwerde am durch die Bf. erfolgte daher verspätet.

Am wurde rechtzeitig der Vorlageantrag der Bf., vertreten durch Herrn A., eingebracht. Gleichzeitig erfolgte die Einbringung des Vorlageantrages durch Herrn B., der sich auf den Beschluss der OÖ. Rechtsanwaltskammer vom berief, als bestellter Stellvertreter des Herrn A. einzuschreiten.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt.

Mit wurde der bisher festgestellte Sachverhalt der Bf., zu Handen Herrn B., zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses eine Stellungnahme abzugeben und allfällige Beweise vorzulegen. In der Begründung wies das Gericht darauf hin, dass vor Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen ist, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn Umstände auf einen solchen hinweisen, oder der Bf. die offenbare Verspätung des Rechtsmittels vorzuhalten ist (). Da kein Hinweis auf einen Zustellmangel bestehe, sei der Bf. Gelegenheit zu geben, durch geeignete Unterlagen zu beweisen, dass das Rechtsmittel dennoch nicht verspätet ist.

Mit Schreiben des Herrn B. vom wies dieser darauf hin, dass der Vorlageantrag vom ohne Berufung auf eine ihm erteilte Vollmacht und lediglich unter Berufung auf seine Eigenschaft als mittlerweiliger Stellvertreter des Herrn A. gestellt wurde. Die Bf. habe seiner Kanzlei nach wie vor keine Vollmacht erteilt, weshalb eine Zustellung an seine Kanzlei keine Rechtswirkungen gegenüber der Bf. auslösen würde.

Daraufhin erfolgte die Zustellung des Beschlusses am direkt an die Bf. unter der Adresse Adresse.2. Der Beschluss langte mit beim BFG mit dem Vermerk „Verzogen“ am adaptierten Formular zu § 22 des Zustellgesetzes ein.

Am erfolgte die Anfrage aus dem Zentralen Melderegister durch das BFG aus welcher hervorging, dass die Bf. vom bis unter der Adresse Adresse2 gemeldet war. Eine aktuelle Meldeadresse ist nicht vermerkt.

Rechtslage

§ 245 der Bundesabgabenordnung (BAO) in der Fassung BGBl. I 2013/14 lautet:

"(1) Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.

(2) Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

(3) Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.

(5) Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß für Anträge auf Verlängerung der Frist des § 85 Abs. 2 bei Mängeln von Beschwerden."

§ 260 BAO in der Fassung BGBl. I 2013/14 lautet:

"(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde."

§ 278 BAO in der Fassung BGBl. I 2013/14 lautet: 

"(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86 a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist."

§ 8 des Zustellgesetzes (ZustG) in der Fassung BGBl. 1982/200 lautet:

§ 8. „(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.“

Erwägungen

Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 245 Abs. 1 BAO einen Monat. Bei schriftlichen Bescheiden beginnt die Frist am Tag von dessen Zustellung. Die Zustellung des Haftungsbescheides erfolgte am durch Hinterlegung, daher endete die Beschwerdefrist nach einem Monat, somit am . Die Beschwerdeeinbringung am war jedenfalls verspätet.

Vor Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet hat das Gericht entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Beschwerdeführer die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten ().

Ein Zustellmangel liegt nach der Aktenlage offenbar nicht vor.

Die Bf. erlangte durch die Begründung der Beschwerdevorentscheidung, auf welche sie mittels Einbringung eines Vorlageantrages reagierte, davon Kenntnis, dass die Erhebung ihrer Beschwerde nicht rechtzeitig erfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zu (vgl. ; ). Weiters sollte mit der Bf. nochmals die offenbare Verspätung des Rechtsmittels vorgehalten werden. Die Zustellung blieb aufgrund geänderter Abgabestelle erfolglos.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. § 8 Abs. 2 ZustellG regelt die Folgen der Unterlassung der Mitteilung der Änderung der Abgabestelle in jenen Fällen, in denen die Behörde zwar von der zu veranlassenden Zustellung – zB infolge eines fehlgeschlagenen Zustellversuchs – von der Änderung weiß, die neue Abgabenstelle aber nicht kennt bzw. kennen konnte. Ein Unterlassen der Mitteilung einer geänderten Abgabenstelle geht danach zu Lasten der Partei, wenn die Behörde die geänderte Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten in Erfahrung bringen kann (vgl. Raschauer in Raschauer/Sander/Wessely (Hrsg.), Österreichisches Zustellrecht Kommentar, § 8 ZustG Rz 9). Eine Partei, die der in § 8 Abs. 1 ZustG normierten Mitteilungspflicht nicht nachkommt, hat die Gefahr zu tragen, dass Zustellungen ohne Zustellversuch an ihrer früheren Abgabestelle erfolgen, weil ihre geänderte Abgabestelle für die Behörde nicht feststellbar war ( mwN; ). Es ist daher Sache der Partei, entsprechende Vorsorge zu treffen, dass dem Gericht im laufenden Verfahren ihre jeweilige korrekte Abgabestelle bekannt ist ().

Wird die Änderung iSd § 8 Abs. 1 ZustG der Behörde nicht unverzüglich mitgeteilt, darf nach § 8 Abs. 2 ZustG hinterlegt werden. Voraussetzung (vgl. , , 2001/20/0050; , 2005/20/0217) für die als Zustellung geltende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG ist

  • die Änderung der bisherigen Abgabestelle;

  • die Unterlassung der Mitteilung hievon;

  • die Unmöglichkeit der Behörde, eine andere oder neue AbgabesteIle ohne Schwierigkeiten festzustellen;

  • die Prozessfähigkeit der Partei ().

Die der Behörde auferlegte Ermittlungspflicht, findet ihre Grenze darin, wo die Ermittlung der neuen Abgabenstelle „ohne Schwierigkeiten“ festgestellt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist die Behörde so lange zu Ermittlungen verpflichtet, als sie sich einfacher Hilfsmittel zur Ausforschung einer neuen Abgabenstelle bedienen kann (). Das BFG erfuhr erst durch den ergebnislosen Zustellversuch von einer Änderung der Abgabestelle der Bf. Daraufhin versuchte es durch Abfrage des Zentralen Melderegisters die geänderte Abgabenstelle zu ermitteln. Da das BFG mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte, die neue Abgabestelle auszuforschen, dies aber ergebnislos blieb, liegen folglich die Voraussetzungen gem. § 8 Abs. 2 ZustG vor.

Eine Hinterlegung gemäß § 8 ZustG bedarf einer entsprechenden behördlichen Anordnung gemäß § 23 Abs. 1 ZustG, welcher eine Prüfung der Voraussetzungen voranzugehen hat (vgl. ).

Eine Hinterlegung ohne Zustellversuch gem. § 23 Abs. 1 ZustG bedeutet, dass eine Hinterlegung durchzuführen ist, ohne dass vorerst versucht werden müsste, den Empfänger an einer Abgabestelle anzutreffen. Keinesfalls kann aber auch auf die Hinterlegung selbst verzichtet werden. § 23 Abs. 1 ZustG spricht ausdrücklich davon, dass die hinterlegte Sendung bei der Behörde zur Abholung bereitzuhalten ist; gem. Abs. 2 ist die Hinterlegung von der Behörde "auf andere Weise" (zB. durch Aktenvermerk; ) zu beurkunden. In Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale hat die Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 23 ZustG durch Hinterlegung zu erfolgen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 8 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 23 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5100443.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at