Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2016, RV/6100003/2011

Nachträgliche Anschaffungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse , gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See vom betreffend Einkommensteuer 2008 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) war im Streitjahr bei der Fa. S-GmbH beschäftigt und bezog daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Bf war mit einem Geschäftsanteil entsprechend einer zur Hälfte bar einbezahlten Stammeinlage von € 24.500 und DH mit einem Geschäftsanteil entsprechend einer zur Hälfte bar einbezahlten Stammeinlage von € 10.500 an der H-GmbH beteiligt.

Mit Notariatsakt vom traten die beiden Gesellschafter ihre Geschaftanteile an die R-GmbH ab.

Als Abtretungspreis wurde ein Betrag in Höhe von € 75.000 vereinbart. Die Vertragsparteien kamen weiters überein, wie der Urkundenverfasser mit dem treuhändig hinterlegten Abtretungspreis zu verfahren hatte: Zunächst sollte das aushaftende Stammkapital einbezahlt werden. In der Folge waren sämtliche Forderungen aus der beiliegenden Gläubigerliste (Beilage./A) in Höhe von € 23.456,20 zu begleichen und der Betrag von € 2.322,91 (Beilage./B) auf das Konto der GA-GmbH zu überweisen. Der verbleibende Restbetrag von € 31.720,89 war auf das Konto der H-GmbH zur Abdeckung des Sollstandes zu überweisen.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die aus dem Verkaufspreis getilgten Verbindlichkeiten der GmbH nicht als Anschaffungskosten abzuziehen sind, weshalb sich positive Einkünfte aus Beteiligungsveräußerung ergeben würden. Dem Beteiligungsanteil entsprechend wurden die Einkünfte mit € 40.250 festgesetzt.

Innerhalb offener Frist wurde dagegen Berufung erhoben und eingewendet, dass der Treuhänder im Namen der abtretenden Gesellschafterin die Schulden der GmbH und die ausstehenden Einlagen zu bezahlen hatte. Diese anteiligen Zahlungen im Namen der Bf seien als Gesellschafterzuschuss der Altgesellschafterin zu qualifizieren und würden daher nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung im Sinne des § 31 EStG (Hinweis: Doralt, Einkommensteuergesetz KO, Band II, § 31 Rz 129,2004) darstellen. Die Bf habe zu keinem Zeitpunkt über den Veräußerungserlös frei verfügen können bzw. seien ihr keinerlei Mittel daraus zugeflossen. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sei der Wert der Beteiligung im Zeitpunkt des Verkaufs negativ gewesen. Es werde daher beantragt, die Einkünfte nach § 31 EStG mit 0 festzusetzen.

Das Finanzamt erließ eine teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung. Dem Berufungsbegehren wurde, abgesehen von Korrekturen bei den Werbungskosten, insofern stattgegeben, als für den gesamten Abtretungsvorgang € 35.000 als nachträgliche Anschaffungskosten anerkannt wurden. In der Berufungsvorentscheidung wurden Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen in Höhe von € 28.000 festgesetzt.

Fristgerecht wurde dagegen der Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Darin wird der Ansatz eines Veräußerungsgewinnes bekämpft und zur Begründung ergänzend ausgeführt:

Der anteilige Veräußerungserlös (70%) betrug € 52.500. Die anteiligen Anschaffungskosten wurden vom Finanzamt mit € 24.500, das entspricht dem anteilig einbezahlten Stammkapital, angesetzt. Die Feststellung in der Berufungsvorentscheidung, dass darüber hinaus keine Anschaffungskosten vorliegen würden, sei nicht begründet worden. Über dem anteilig einbezahlten Stammkapital hinaus würde noch ein Gesellschafterzuschuss in Höhe von € 40.250 vorliegen. Der Gesellschafterzuschuss sei eine Form der Finanzierung, der durch die gesellschaftliche Verbindung des Gesellschafters zur Gesellschaft begründet ist. Dadurch werde eine Fremdkapitalaufnahme vermieden bzw. wie in diesem Fall Fremdkapital der Gesellschaft zurückbezahlt. Der Treuhänder hatte die Verpflichtung im Namen der abtretenden Gesellschafterin die oben genannten Schulden der GmbH zu bezahlen. Der Gesellschafterin selbst ist aus dem Veräußerungserlös nichts zugeflossen. Die aus dem Erlös bezahlten Verbindlichkeiten waren solche der Gesellschaft und nicht Verbindlichkeiten der Gesellschafterin. Die Gesellschafterin einer GmbH haftet persönlich nicht für Schulden der GmbH. Wenn die Gesellschafterin dennoch weitere Zahlungen (im konkreten Fall aus dem Veräußerungserlös) für die GmbH leistet, so sei das aus der gesellschaftlichen Verbindung zur Gesellschaft geschehen und als Gesellschafterzuschuss zu qualifizieren. Dieser Gesellschafterzuschuss sei als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung gem. § 31 EStG zu beurteilen (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz - Kommentar, Band II, § 31 Rz 129, 2004; VwGH 90/13/0228 vom ; VwGH 99/13/0254 vom ; vgl. Wiesner, Ertragsteuerliches rund um Beteiligungen, RWZ 2010, 294), welche bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes entsprechend zu berücksichtigen sind (vgl. UFS RV/0054-G/02 vom ). Der Wert der Beteiligung im Zeitpunkt des Verkaufs sei negativ gewesen. Weiters hätte die Erwerberin aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht einen Veräußerungserlös für einen Anteil mit negativem Verkehrswert bezahlt, wenn es nicht die vertragliche Verpflichtung der abtretenden Gesellschafter gegeben hätte, diesen Betrag in die Gesellschaft in Form eines Gesellschafterzuschuss einzuzahlen und für den Abbau der Schulden der Gesellschaft zu verwenden. Es werde daher beantragt, die Einkünfte nach § 31 EStG für 2008 mit 0 festzusetzen.

Das Finanzamt legte die Berufung und den entsprechenden Verwaltungsakt an den Unabhängigen Finanzsenat vor.

Gemäß § 323 Abs. 38 1. Satz BAO idF FVwGG 2012, BGBl I Nr. 14/2013, sind die am bei dem Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Nach dem Ergehen der Berufungsvorentscheidung ist noch strittig, ob positive Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen vorliegen.

Unstrittig ist, dass der Veräußerungserlös € 75.000,- beträgt und der Bf im Jahr 2008  anteilig (70 %) zugeflossen ist.

Laut Punkt Drittens des Abtretungsvertrages ist der Abtretungspreis von € 75.000,- von der Erwerberin bereits vor Vertragsunterfertigung auf das Treuhandkonto des mit der Vertragserrichtung betrauten Notars überwiesen worden. Dieser ist angewiesen worden, aus dem treuhändig hinterlegten Abtretungspreis vorab das aushaftende Stammkapital in Höhe von € 17.500,- einzubezahlen, die Verbindlichkeiten der H-GmbH laut Beilagen A und B zum Abtretungsvertrag in Höhe von € 23,456,20 und € 2.322,91 zu begleichen sowie den verbleibenden Restbetrag von € 31.720,89 auf das Konto der H-GmbH beim Bankinstitut-A, zur Abdeckung des Sollstandes zu überweisen.

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes wurden von Seiten des Finanzamtes im Rahmen der Berufungsvorentscheidung Anschaffungskosten in Höhe des Nennwertes der Beteiligung (€ 35.000,-) anerkannt.

Strittig ist, ob die weiteren aus dem Veräußerungserlös geleisteten Zahlungen nachträgliche Anschaffungskosten der abgetretenen Beteiligung darstellen.

Zu den nachträglichen Anschaffungskosten eines Gesellschaftsanteils gehören insbesondere Gesellschafterzuschüsse und kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, ebenso verdeckte Einlagen sowie gesellschaftlich veranlasste Verlustübernahmen und Bürgschaftsübernahmen (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz, 8. Lieferung 2004, § 31 Tz 129; Jakom, EStG 2011, § 31 Tz 35).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft durch den Gesellschafter grundsätzlich als Einlage anzusehen, die auf die Beteiligung aktiviert werden muss. Die Leistungen des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft sind daher als zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandeln (vgl. ; , 2004/13/0050; , 2007/07/2010; , 2009/13/0071).

Mit dem den abtretenden Gesellschaftern zugeflossenen Abtretungserlös wurden neben den noch ausstehenden Stammeinlagen ausschließlich Verbindlichkeiten der Gesellschaft abgedeckt. Bei den strittigen Zahlungen handelt es sich daher um Zuwendungen der abtretenden Gesellschafter (und nicht der übernehmenden Gesellschafterin) zu Gunsten der H-GmbH.

Es liegen mit der im Rahmen der Abtretung erfolgten Begleichung der Schulden der H-GmbH Gesellschafterzuschüsse bzw. Einlagen der veräußernden Gesellschafter und damit nachträgliche Anschaffungskosten vor, die bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes entsprechend zu berücksichtigen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Was die Abgabenberechnung betrifft, wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen. 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.6100003.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at