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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.04.2016, RV/7101453/2014

Erhöhte Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf., Adr., gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 2/20/21/22 vom , Abweisungsbescheid betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.

Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf die Familienbeihilfe ab Juli 2013.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am für ihren Sohn F, geb. 2007, einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe.

In dem Gutachten vom , erstellt von einem Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, stellte diese nach Untersuchung von F am  die Diagnose "ADHS"und reihte die Erkrankung unter die Richtsatzposition 030201 der Einschätzungsverordnung vom , BGBl. II Nr. 261/2010 ein. Der Behinderungsgrad wurde mit 30 % festgesetzt und eine Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt.

Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen wies das Finanzamt den Antrag vom mit Bescheid vom für den Zeitraum ab Mai 2013 ab.

Am brachte die Bf. eine Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen den Abweisungsbescheid mit folgender Begründung ein:

Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe

3.1 Gesetzliche Grundlagen

Nach § 2 Abs. 1 lit. b und c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,...

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist...

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.

Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Die Feststellung des Behinderungsgrades eines Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 beantragt wurde, hat somit nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen.

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

3.2. In den Sachverständigengutachten getroffene Feststellungen

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden zwei Sachverständigengutachten erstellt ( und ).

Das Sachverständigengutachten vom enthielt folgende Feststellungen:

"Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten

Betr.:
F.
Vers.Nr.: 00

Untersuchung am 2013-11-06 14:00 im Bundessozialamt Wien

Anamnese:

Es liegt ein Vorgutachten vom 6/2013 auf, Diagnose eines ADHS, Einstufung auf Pos.030201, 30 Grad der Behinderung. Wie im Vorgutachten angegeben, besteht eine Verhaltenstherapie bei K. seit 1/2013, eine Betreuung an der Kinderpsychiatrie wird ab 7/2013 bestätigt, dabei wird allerdings die Diagnose einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert. Der Knabe sollte ab Herbst die Volksschule besuchen, wurde jedoch in die Vorschule rückgestellt, wo er in einer Kleingruppenklasse mit 11 Kindern unterrichtet wird. Die impulsiven Verhaltensweisen treten in der Familie, der Schule und bei Freunden auf. Eine Einstufung auf 50% der Behinderung vor der Erstvorstellung an der Kinderpsychiatrie ist nicht  nachvollzeihber.

Behandelung/Therapie:

Psychotherapie 1x/Woche.

Untersuchungsbefund: 6 1/2 jähriger Knabe in gutem AZ und EZ, interner und grobneurologischer Status unauffällig

Status psychicus/entwicklungsstand:

Verhaltensauffälligkeit mit Aggressionen und erhöhter Impulsivität; besucht Vorschule in Kleingruppenklasse

Diagnose:

Hyperkinetische Störung de Sozialverhaltens

Richtsatzposition: 030202 GdB: 50 % ICD: F90.1

Rahmensatzbegründung:

Wahl der Posititon, da ernsthafte Beeinträchtigung in Schule und Familie, unterer Rahmensatz, da durchgehende Betreuung nicht erforderlich und Besserung durch Psychotherapie gut möglich.

Gesamtgrad der Behinderung : 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend."

Der mit dem Gutachten vom betrauten Fachärztin für Kinder und Jugendheilkunde standen bei der Gutachtenserstellung folgende Befundberichte zur Verfügung:

"2013-11-04 xxx: seit in Behandlung; hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens; impulsives und aggressives Verhalten"

Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung (von 50 vH) sei aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde ab möglich.

3.3. Als erwiesen angenommener Sachverhalt und rechtliche Würdigung

Im vorliegenden Beschwerdefall wird dem Sohn der Bf. im Gutachten vom  ein Behinderungsgrad von 50% ab bescheinigt sowie eine voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt.

Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass das Sachverständigengutachten schlüssig ist und die darin getroffenen Feststellungen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, dies aus folgenden Gründen:

Bei einem im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten handelt es sich um das einzige Beweismittel, das im Verfahren betreffend Zuerkennung von erhöhter Familienbeihilfe vorgesehen ist; der Verfassungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis , aus, dass sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ergebe, dass der Gesetzgeber sowohl die Frage des Grades der Behinderung als auch die Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeigneten Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Die Beihilfenbehörde (sowie nunmehr das Bundesfinanzgericht) hätte bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnte von dieser nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen (sh. zB ; ) der Rechtsansicht des VfGH angeschlossen.

Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 6 FLAG 1967 eine ausdrückliche Beweisregel aufstellt.

Auch das Bundesfinanzgericht hat somit für seine Entscheidung die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens festzustellen, ob die gegenständlichen Gutachten diesem Kriterium entsprechen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein ärztliches Gutachten, soll damit eine Behinderung im Sinne des FLAG dargetan werden, Feststellungen über Art und Ausmaß des Leidens, sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten. Insbesondere muss deutlich sein, welcher Bestimmung der erwähnten Verordnung der festgestellte Behinderungsgrad zugeordnet wird ( unter Hinweis auf ).

Die Gutachten entsprechen diesen Voraussetzungen. In beiden für das Beschwerdeverfahren relevanten im Wege des Sozialministeriumservice erstellten Gutachten wurde auf die Art des Leidens und das Ausmaß der hieraus resultierenden Behinderung des Sohns der Bf. eingegangen.

Die in den Gutachten getroffenen Einschätzungen entsprechen den zum Zeitpunkt der Untersuchung festgestellten Funktionseinschränkungen. Die Sachverständigen haben ihre in den Gutachten getroffenen Feststellungen begründet. Die Gutachten sind vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Bezüglich des Zeitpunkts des Eintritts (des Grades) der Behinderung bzw. der rückwirkenden Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ist die belangte Behörde an das vorliegende Gutachten vom gebunden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da eine Tat­sachen­frage und nicht eine grundsätzliche Rechtsfrage zu klären war.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at