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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2016, RV/5100098/2015

Voraussichtliche Unfähigkeit des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom zu VNR 001, betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung des Kindes K, VNR 002, für den Zeitraum ab März 2014 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog für das am geborene Kind K bis einschließlich Februar 2014 erhöhte Familienbeihilfe.

1) Bescheinigungen des Sozialministeriumservice

In der Beihilfendatenbank finden sich insgesamt vier Bescheinigungen bzw. den diesen zugrunde liegenden ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumservice) vom , , , und , denen zufolge das Kind seit Geburt am Dandy Walker Syndrom leidet. Das Kleinhirn ist vergrößert und verlagert, es bestehen nur zwei Verbindungen zwischen den Großhirnhälften. Es liegen motorische Schwächen und ein schwacher Muskeltonus mit einer Hypermobilität der Gelenke vor. Auch ein leichter Autismus wurde festgestellt. Seit dem zweiten Lebensjahr wurden diverse Therapien (u.a. Tauchtherapie) gemacht.

Im Gutachten vom wurde zum Entwicklungsstand ein "angepasstes Verhalten" festgestellt und weiter ausgeführt, dass beim Kind eine "Sprache nach der Schrift" auffällig sei; dabei bestehe ein abgehacktes Sprachbild, zum Teil Vorbeireden, gestellte Fragen würden nicht adäquat beantwortet, insgesamt liege ein kindliches Verhalten vor. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 %, voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend bestimmt. Eine Nachuntersuchung sei in 5 Jahren erforderlich. Der Untersuchte sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Das Gutachten vom ist im Wesentlichen gleichlautend. Auch in diesem wurde zum Entwicklungsstand ein "angepasstes Verhalten" und ein psychomotorischer Entwicklungsrückstand aufgrund des Dandy-Walker Syndroms festgestellt. Der Grad der Behinderung wurde wieder mit 50 % bestimmt. Der Untersuchte sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Im Gutachten vom wird in der Anamnese ausgeführt, dass das Kind eine Facharbeiterkurzausbildung beim BFI absolviert habe. Die Ausbildung habe er ganz "normal" abgeschlossen, der Abschluss gelte als Gesellenprüfung. Der zeit sei er arbeitsuchend, er könne unter Umständen bei der Fa. X oder bei der Fa. Y in Z zu arbeiten beginnen, bei der Arbeitssuche helfe ihm Fr. V von der Volkshilfe, sie würde auch einmal pro Woche die Betreuung am Arbeitsplatz übernehmen. Er habe nur zwei Gehirnverbindungen; wenn er arbeite, arbeite er gut, aber er bekomme von seiner Umgebung nicht viel mit. Es könne derzeit nicht gesagt werden, ob er "ausreichend" arbeiten könne oder nicht, es müsse erst ein Arbeitsversuch gestartet werden. Der Grad der Behinderung wurde in diesem Gutachten nur mit 40 % festgestellt, und dies damit begründet, dass das Kind zuletzt eine Facharbeiterkurzausbildung mit einer Gesellenprüfung absolviert habe. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sei er gut kontaktfähig gewesen und habe dem Gespräch gut folgen können. Der Untersuchte sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Im Gutachten vom wurde der schulische Werdegang des Kindes und die bisherige Ausbildung näher dargestellt (siehe dazu unten Punkt 2). Leider habe das Kind bis dato keine Möglichkeit gehabt, Ausbildung und Können praktisch umzusetzen, da bisher keine Praktikums- oder Arbeitsstelle, weder vom AMS noch von der Volkshilfe gefunden worden sei. Das Kind selbst glaube am ersten Arbeitsmarkt bestehen zu können, was aber ebenso wie eine eigenständige Lebensführung noch nicht versucht worden sei. Zum Entwicklungsstand wurde festgestellt, dass der Patient gut kontaktfähig sei mit angepasstem Verhalten. Der Patient spreche hochdeutsch mit abgehacktem Sprachbild, weshalb die Antworten länger dauern würden (Sprechapraxie); die Kommunikation sei aber einwandfrei möglich. Der Grad der Behinderung wurde in diesem Gutachten (abweichend vom Gutachten vom bzw. entsprechend den Gutachten vom und ) mit 50 % bestimmt. Begründet wurde dies mit einer leichten kognitiven Einschränkung, einer motorisch deutlichen Sprachstörung und einer mäßigen sozialen Anpassungsstörung in der Berufsausbildung und fraglichen Eigenversorgung. Der Untersuchte sei voraussichtlich nicht dauernd außerstand, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

2) Ausbildung des Kindes

Aus den Anmerkungen in der Beihilfendatenbank, den Feststellungen in den oben genannten Gutachten sowie den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass das Kind zunächst 5 Klassen Volks- und 4 Klassen Hauptschule in Integrationsklassen mit Betreuungslehrerin nach dem Sonderschullehrplan besuchte. Danach wurde freiwillig ein 10. Schuljahr in der Polytechnischen Schule absolviert.

Anschließend wurde im Berufsausbildungszentrum A für beeinträchtigte Jugendliche eine vierjährige "Anlehre" im Metallbereich/Schlosser absolviert. Über Vermittlung des Arbeitsmarktservice beim Berufsförderungsinstitut OÖ konnte in der Zeit von Juni 2012 bis Februar 2014 eine Facharbeiterkurzausbildung zum Maschinenbautechniker abgeschlossen werden. Dem vorgelegten Zeugnis des BFI vom ist zu entnehmen, dass das Kind die Inhalte der theoretischen Prüfung für den Lehrberuf Maschinenbautechniker abgeschlossen und die Prüfung abgelegt hat. In einem Zeugnis-Zusatz des BFI vom wurde festgehalten: "Herr K , geboren am , leidet am Dandy-Walker-Syndrom, hat aber in der Ausbildung das nötige Fachwissen zum Maschinenbautechniker erlernt. Sein Problem liegt in der verbalen Wiedergabe seines erworbenen Fachwissens, das im folgendem heißt, dass er für Antworten im verbalen und praktischen Bereich mehr Zeit benötigt, als andere Prüflinge. Wenn es im Bereich der Möglichkeit steht, wäre es von Vorteil, wenn man bei der Prüfung darauf Rücksicht nehmen könnte."

3) Stellungsbeschluss

Laut Stellungsbeschluss der Stellungskommission des Militärkommandos für Oberösterreich vom war das Kind untauglich zum Wehrdienst. Diesem Beschluss lag das Gutachten des Amtsarztes vom zugrunde. In diesem wurde eine psychomotorische Retardierung mit motorischer Koordinationsstörung und Ataxie bei bestehendem Dandy Walker Syndrom festgestellt.

4) Verwaltungsverfahren

Da die Berufsausbildung des Kindes (Facharbeiterkurzausbildung zum Maschinenbautechniker) im Februar 2014 abgeschlossen wurde, stellte das Finanzamt die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe mit Ende Februar 2014 ein.

Der Beschwerdeführer stellte daraufhin mittels Formblättern Beih 1und Beih 3, beim Finanzamt eingelangt am , den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung seines Sohnes ab März 2014.

Daraufhin wurde vom Finanzamt die Einholung eines ärztlichen Gutachtens vom Bundessozialamt veranlasst, welches am erstellt wurde (siehe oben Punkt 1).

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge vom für das Kind K ab März 2014 ab. In der Bescheidbegründung wurde zwar zutreffend auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG hingewiesen, wonach ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder besteht, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Sodann wurde jedoch (offenbar versehentlich) lediglich darauf hingewiesen, dass laut Gutachten des Bundessozialamtes beim Kind rückwirkend ab ein Grad der Behinderung von (nur) 40 % festgestellt worden sei.

Tatsächlich entscheidend war jedoch die Feststellung in diesem Gutachten, dass das Kind voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Auch finden sich im Gutachten keine Anhaltspunkte, dass der Grad der Behinderung von 40 % rückwirkend ab festgestellt worden wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Begründet wurde diese damit, dass im Zuge der Ausstellung des Behindertenpasses für das Kind ein weiteres Gutachten des Bundessozialamtes erstellt worden sei, welches der Beschwerde angeschlossen wurde. In diesem Aktengutachten vom wurde der Grad der Behinderung aufgrund der psychomotorischen Entwicklungsstörung bei vorliegendem Dandy-Walker- Syndrom mit 50 % bestimmt. Die Einstufung werde "aus dem FLAG-Gutachten unverändert mit 50 % übernommen". Gemeint war damit aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges offenkundig das oben zitierte Gutachten vom ; jenes vom lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Weiters wurde in diesem Aktengutachten festgestellt, dass "der Untersuchte infolge des Ausmaßes seiner funktionellen Einschränkungen zumindest zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb geeignet ist". Aufgrund der vorliegenden Befunde sei eine rückwirkende Bestätigung des Grades der Behinderung seit Geburt – 1991 möglich.

Aufgrund dieser Beschwerde forderte das Finanzamt am eine neuerliche Bescheinigung des Sozialministeriumservice an. Der Anforderung ist zu entnehmen, dass die gegenständliche Beschwerde mit E-Mail an das Sozialministeriumservice übermittelt werde und die Frage zu klären sei, ob das Kind voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Daraufhin wurde vom Sozialministeriumservice das bereits oben zitierte Gutachten vom erstellt.

Anschließend wies das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, da in diesem Gutachten festgestellt worden sei, dass das Kind voraussichtlich nicht dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag vom . Der Beschwerdeführer wies in diesem darauf hin, dass sein Sohn aufgrund der festgestellten Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Seit fast einem Jahr sei es trotz größter Bemühungen, zahlreichen Bewerbungen und Unterstützung durch "JASS" (gemeint wohl: JAASS, Jugend-Arbeits-Assistenz der Volkshilfe, die jungen Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Arbeitssuche hilft) für ihn unmöglich, einen Arbeitsplatz zu finden. Durch seine Behinderung habe er schlichtweg nicht die erforderliche grundlegende soziale Kompetenz und Flexibilität, die am Arbeitsmarkt notwendig sei.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Eingabe vom legte der Beschwerdeführer dem Finanzamt zum zusätzlichen Nachweis der behaupteten dauernden Erwerbsunfähigkeit seines Sohnes die arbeitsmarktpolitische Stellungnahme des AMS vom vor. In dieser wurde die schulische Laufbahn des Kindes und dessen soziale Situation näher beschrieben und eine gutachtliche Stellungnahme der Berufsberatung abgegeben. Darin wurde ausgeführt, dass seitens des AMS aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen des Kindes eine Vermittlung am freien Arbeitsmarkt ohne vorherige intensive Betreuung und Unterstützung kaum möglich sei. Derzeit erscheine eine Unterbringung am freien Arbeitsmarkt im Anlern- bzw. Lehrberufsbereich wenig aussichtsreich, erste Arbeitsstellen am freien Arbeitsmarkt seien aufgrund der Einschränkungen gescheitert.

In einem nachträglichenAnbringen an das Bundesfinanzgericht vom legte der Beschwerdeführer das bereits oben unter Punkt 3 erwähnte amtsärztliche Gutachten vor, das der Untauglichkeitsbescheinigung der Stellungskommission zugrunde lag. Weiters wurde das unter Punkt 2 erwähnte Zeugnis samt Zeugniszusatz vorgelegt. Ferner wurde neuerlich die ebenfalls bereits zitierte arbeitsmarktpolitische Stellungnahme des AMS übermittelt.

Ergänzend zu diesen bereits aktenkundigen Unterlagen wurde eine Stellungnahme der Volkshilfe vom vorgelegt. Darin wurde bestätigt, dass das Kind des Beschwerdeführers von bis im Zuge der Arbeitsassistenz für Jugendliche betreut worden war. Eine Vermittlung des Kindes am ersten Arbeitsmarkt sei derzeit nicht möglich. Dafür würden mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Vorrangig sei die durch das Dandy Walker Syndrom hervorgerufene verlangsamte Arbeitsweise bzw. Aufnahme- und Umsetzungsfähigkeit, die während des "Schnupperns" festgestellt worden sei und mehr gezählt habe als die Ausbildungsbestätigungen, die vorgewiesen werden könnten. Daher werde ein langfristiges Projekt mit Arbeitsbegleitung empfohlen, bei dem das Kind Zeit habe, sich in einen Betrieb zu integrieren.

Der Beschwerdeführer ergänzte dazu, dass es für sein Kind aufgrund seiner Behinderung unmöglich gewesen sei, am ersten Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen. Trotz intensiver Betreuung durch die JAASS über eineinhalb Jahr hindurch seien die zahlreichen Bewerbungen erfolglos gewesen.

Weiters wurde vom Beschwerdeführer ein Versicherungsdatenauszug vorgelegt, aus dem ersichtlich sei, dass nie ein Dienstverhältnis zustande gekommen sei. Das Kind habe nur ein einmaliges Schnupperpraktikum von einer Woche absolvieren können.

Ferner wurde neuerlich das bereits im Zuge der Beschwerde vorgelegt Aktengutachten des Sozialministeriumservice vom übermittelt und diesem eine Ablichtung des Behindertenpasses angeschlossen.

Zusätzlich wurde der Leistungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom vorgelegt, demzufolge dem Kind ab die Hauptleistung Geschützte Arbeit in einem Betrieb nach § 11 Abs. 2 Zif. 2 OÖ Chancengleichheitsgesetz im Ausmaß von 38 Wochenstunden bewilligt wurde. Die geschützte Arbeit beginne mit einer Arbeitserprobung, die meistens drei Monate dauere und auf maximal sechs Monate verlängert werden könne. Am Ende der Arbeitserprobung werde darüber ein Bericht geschrieben. Der Antragsteller bekomme geschützte Arbeit in einem Betrieb nur dann, wenn dieser Arbeitserprobungsbericht positiv sei. Der Antragsteller könne geschützte Arbeit in einem Betrieb dann auf Dauer bekommen. Der Antragsteller erfülle die (übrigen) Voraussetzungen für geschützte Arbeit in einem Betrieb aufgrund des Ergebnisses der Assistenz-Konferenz vom , des Assistenzplanes vom und des (bereits erwähnten) AMS-Gutachtens vom , demzufolge eine Arbeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich sei.

Der Beschwerdeführer ergänzte dazu, dass die Phase der Arbeitserprobung aktuell bis Februar 2016 verlängert worden sei.

Schließlich wurde vom Beschwerdeführer auf die im Beihilfenverfahren eingeholten Gutachten des Sozialministeriumservice aus den Jahren 2009 und 2014 verwiesen.

In einem Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom wurden dem Sozialministeriumservice die Stellungnahme des AMS vom , die Stellungnahme der Volkshilfe vom und der Leistungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom zur Kenntnis gebracht. Unter Hinweis auf das Aktengutachten vom wurde um Ergänzung bzw. Präzisierung der vorliegenden FLAG-Gutachten zur Frage der voraussichtlichen Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes dahingehend ersucht, ob aufgrund der Behinderung die Ausübung einer Erwerbstätigkeit am ersten (allgemeinen) Arbeitsmarkt möglich erscheine, oder das Kind voraussichtlich nur zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb geeignet sei, wie dies im Aktengutachten vom zum Ausdruck gebracht wurde.

In der angeforderten Gutachtenergänzung des Sozialministeriumservice vom wurde unter Bezugnahme auf die vom Bundesfinanzgericht übermittelten Unterlagen ausgeführt, dass diese dem Kind nur eine Arbeitsfähigkeit am geschützten Arbeitsmarkt bescheinigen würden. Die Unterlagen seien nachvollziehbar. Aus ärztlicher Sicht sei daher der Schluss zulässig, dass die Arbeitsfähigkeit am Ersten Arbeitsmarkt nicht gegeben sei. Eine Anstellung in einem Integrationsbetrieb oder geschützten Arbeitsplatz sei notwendig.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes vom , im Zuge dessen dem Beschwerdeführer diese Gutachtensergänzung zur Kenntnis gebracht wurde, führte dieser in der Stellungnahme vom aus, dass die Arbeitserprobung seines Sohnes positiv abgeschlossen worden sei und mit ein befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB) abgeschlossen worden sei. Während der Arbeitserprobung habe sein Sohn nur ein monatliches Taschengeld von 135,30 € erhalten (auf den vorgelegten Gehaltsabrechnungen finden sich zusätzlich noch Essenzuschüsse und Fahrtkostenersätze).

Im genannten Arbeitsvertrag vom wird zur Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt, dass dieses jedenfalls mit dem Tag endet, der einer allfälligen Übernahme bei einem Partnerbetrieb (des Vereins zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung) vorausgeht. Zum Arbeitsort wird ausgeführt, dass aufgrund der Zielsetzung des Arbeitsverhältnisses ein Einsatz in den Betriebsstätten des Arbeitgebers und bei Partnerbetrieben, die der Arbeitgeber festlege, in Betracht komme. Der Arbeitnehmer werde als "Mitarbeiter des FAB Pro.Work gemäß Chancengleichheitsgesetz" verwendet. Als "Anfangsbezug" sei ein Monatsgehalt von 525,30 € brutto, vierzehn mal jährlich, vereinbart. Die Normalarbeitszeit betrage 38 Stunden pro Woche (5 Tage pro Woche).

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vorgelegten und oben erwähnten Aktenteilen, dem ergänzenden Vorbringen des Beschwerdeführers in den zitierten Eingaben, der eingeholten Gutachtensergänzung des Sozialministeriumservice, sowie den in der Beihilfendatenbank gespeicherten Anmerkungen, insbesondere den dort abgelegten und unter Punkt 1 zitierten ärztlichen Sachverständigengutachten.

Rechtslage

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (§ 8 Abs. 6 FLAG).

Rechtliche Beurteilung

Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG hat der Gesetzgeber die Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (z.B. mwN). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung der Beihilfenbehörden an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig anzusehen sind (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 mwN; ebenso z.B. ; ; ).

In sämtlichen im vorliegenden Fall erstellten Gutachten wurde festgestellt, dass der Untersuchte voraussichtlich nicht dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine Unschlüssigkeit dieser in allen Gutachten übereinstimmend getroffenen Feststellung liegt für das Bundesfinanzgericht aus folgenden Gründen nicht vor:

Einleitend ist zunächst festzuhalten, dass die oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen auf die Möglichkeit abstellen, eine berufliche Tätigkeit auszuüben und sich dabei nicht nur auf den sogenannten ersten Arbeitsmarkt beschränken. Vielmehr ist entscheidungsrelevant, ob das anspruchsvermittelnde Kind eine Arbeitsleistung gegen ein angemessenes Entgelt erbringen kann, und in der Lage ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. etwa mit Hinweis auf Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 23). Aus dem Umstand allein, dass eine Erwerbstätigkeit nur im "geschützten Bereich" möglich ist, kann daher noch nicht auf eine zwingend damit verbundene Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, geschlossen werden (vgl. dazu etwa ). In der eingeholten Gutachtensergänzung vom wurde zwar nur eine Arbeitsfähigkeit am geschützten Arbeitsmarkt bescheinigt, jedoch nicht ausgesprochen, dass das Kind deswegen voraussichtlich dauernd außerstande wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

§ 11 Abs. 2 Zif. 2 OÖ Chancengleichheitsgesetz unterscheidet bei der geschützten Arbeit zwischen geschützten Arbeitsplätzen in Betrieben und geschützter Arbeit in geschützten Werkstätten. Dem Kind des Beschwerdeführers wurde laut vorgelegtem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eine geschützte Arbeit in einem Betrieb bewilligt.

Für die Beurteilung der Fähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist entscheidend, ob das Kind trotz der festgestellten körperlichen oder geistigen Behinderung in der Lage ist, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben. Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob die festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigung so gravierend ist, dass eine solche Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Die ärztlich festgestellte Erkrankung ist damit der zentrale Faktor, der eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, begründen muss. Nicht entscheidend ist dagegen, ob es aufgrund anderer Umstände (bisher) nicht gelungen ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. So kann in diesem Zusammenhang etwa einer allgemein angespannten Situation am Arbeitsmarkt keine Bedeutung zukommen. Gleiches gilt aber auch für das im Vorlageantrag ins Treffen geführte über ein Jahr lang erfolglose Bemühen um einen Arbeitsplatz, wenn diesem Bemühen auch zahlreiche Bewerbungen und Unterstützung durch die Jugend-Arbeits-Assistenz der Volkshilfe zugrunde lagen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass es seinem Kind an der grundlegenden sozialen Kompetenz fehlen würde, die am Arbeitsmarkt nötig wäre, ist entgegen zu halten, dass in den Gutachten vom und zum Entwicklungsstand ein "angepasstes Verhalten" festgestellt wurde. Im Gutachten vom wurde ausgeführt, dass der Patient "gut kontaktfähig" sei. Auch im Gutachten vom wurde zum Entwicklungsstand festgestellt, dass der Patient gut kontaktfähig sei mit angepasstem Verhalten. Der Patient spreche hochdeutsch mit abgehacktem Sprachbild, weshalb die Antworten länger dauern würden (Sprechapraxie); die Kommunikation sei aber einwandfrei möglich. Aufgrund dieser Sprachstörung wurde eine sozial mäßige Anpassungsstörung in der Berufsausbildung und fraglichen Eigenversorgung festgestellt. Bei dieser ärztlich festgestellten sozial mäßigen Anpassungsstörung kann aber noch nicht vom Fehlen der für eine Erwerbstätigkeit notwendigen grundlegenden sozialen Kompetenz ausgegangen werden, wie diese vom Beschwerdeführer behauptet wurde.

Schließlich wird auch durch die im Zuge der Stellungnahme vom ergänzend vorgelegten Unterlagen nicht aufgezeigt, dass das Bundessozialamt in unschlüssiger Weise zur Feststellung der voraussichtlich nicht dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, gelangt wäre. Die Phase der Arbeitserprobung konnte vom Kind des Beschwerdeführers positiv abgeschlossen werden und ein (befristetes) Arbeitsverhältnis mit dem Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung abgeschlossen werden. Zu der in diesem Vertrag angesprochenen Zielsetzung des Arbeitsverhältnisses finden sich noch nähere Informationen auf der Homepage des Vereins FAB. Demnach besteht die geschützte Arbeit in Betrieben in der betreuten Arbeitskräfteüberlassung für Menschen mit Beeinträchtigung, die vorübergehend oder dauerhaft am allgemeinen Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden. Das Team der Arbeitsbegleitung arbeitet mit Unternehmen zusammen, die Arbeitsplätze, welche den Kompetenzen und Interessen der Mitarbeiter entsprechen, zur Verfügung stellen. Das Ziel der Betreuung bestehe in einer dauerhaften Integration auf Arbeitsplätzen in Wirtschaftsbetrieben – sei es durch langfristige Überlassung oder durch die Übernahme in ein Dienstverhältnis. Es ist zwar dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass der derzeit vereinbarten "Anfangsbezug" von 525,30 € zur gänzlich eigenständigen Verschaffung des Unterhaltes noch nicht ausreichen wird. Angesichts des dargestellten Zieles der Betreuung durch den Verein kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft keinesfalls ein höheres Einkommen erzielt werden kann, das zur Abdeckung des notwendigen eigenen Unterhaltes ausreicht. Auch in diesem Zusammenhang sei nochmals betont, dass es in erster Linie darauf ankommt, ob das Kind trotz seiner krankheitsbedingten Einschränkungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Lage ist, mit welcher der eigene Unterhalt bestritten werden kann. Gerade für diese beim Kind des Beschwerdeführers vorhandene Fähigkeit spricht nach der erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung (Facharbeiterkurzausbildung zum Maschinenbautechniker), auf die auch in den Gutachten des Bundessozialamtes wiederholt Bezug genommen wurde, die positiv absolvierte Phase der Arbeitserprobung, der abgeschlossene Arbeitsvertrag und das mit diesem verbundene Ziel entweder einer Übernahme in ein festes Dienstverhältnis in einem Wirtschaftsbetrieb oder einer langfristigen Überlassung an einen solchen.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erweist sich die Feststellung des Bundessozialamtes, dass das Kind des Beschwerdeführers voraussichtlich nicht dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, als nicht unschlüssig.

Da damit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG nicht vorlagen, wies das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid die Anträge vom zu Recht ab, und war damit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es wurde bereits oben eingehend erläutert, dass n ach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindung an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gegeben ist, und diese nur insoweit geprüft werden dürfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend sind (vgl. neuerlich mwN). Da die gegenständliche Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise

VwGH, Ro 2014/16/0053
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5100098.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at