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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2016, RV/3100677/2015

keine Aufrollung vergangener Lohnzahlungszeiträume bei Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre (§ 67 Abs. 8 lit. c EStG)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter_A in der Beschwerdesache Beschwerdeführer_Adresse, gegen den Bescheid des Finanzamtes_A vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2012 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.) Verfahrensgang:
Das Finanzamt_A veranlagte den Beschwerdeführer mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 (mit Ausfertigungsdatum ) antrags- und erklärungsgemäß. In der hiergegen fristgerecht erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) vom führte der Abgabepflichtige unter Verweis auf ein Schreiben der Arbeiterkammer vom aus, die Einkommensteuervorschreibung begründe sich im Jahreslohnzettel 2012 der Arbeitgeber_1 (bzw. Arbeitgeber_1). Der Oberste Gerichtshof (OGH) habe mit Urteil vom , FZ._1, seine damalige Arbeitgeberin Arbeitgeber_1 zur Zahlung einer Erschwerniszulage verpflichtet. Diese Zahlung sei kein Lohn, sondern stelle eine steuerfreie Erschwerniszulage dar. Ihm sei nicht bekannt, warum die Arbeitgeber_1 die Zulage im Jahreslohnzettel steuerpflichtig behandelt habe.

Das Finanzamt_A begründete die abweisende Berufungsvorentscheidung vom damit, Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen würden, seien nach Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge und weiters des steuerfreien Teiles von einem Fünftel des Differenzbetrages gemäß § 67 Abs. 10 des Einkommen-
steuergesetzes 1988 zu versteuern. Die Abrechnung der Bezüge und die Übermittlung des Jahreslohnzettels 2012 seien daher vom Dienstgeber Arbeitgeber_1 ordnungsgemäß erfolgt. Die Berechnung des Einkommensteuerbescheides 2012 sei daher richtig.

Der Abgabepflichtige begehrte mit Schreiben vom fristgemäß die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte im Vorbringen vom unter Beilage des FZ._1, ergänzend aus, dem Urteil sei zu entnehmen, dass der ausbezahlte Betrag die Erschwerniszulage betroffen hätte. Er sei zu diesem Zeitpunkt schon in Pension gewesen.

II.) Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Der Abgabepflichtige war bis bei der Arbeitgeber_1 als Busfahrer im Linienverkehr in Ort_A beschäftigt (Lenker eines Busbezeichnung_A mit 25 Sitz- und 31 Stehplätzen; Gesamtlänge 10m). Mit FZ._1, wurde die Arbeitgeber_1 verpflichtet, dem  Abgabepflichtigen für den Zeitraum Juni bis November 2010 eine Erschwerniszulage nach der Lohnordnung des Kollektivvertrages in Höhe von 1.076,88 € auszubezahlen. Mit Schreiben vom begehrte der Abgabepflichtige bei seinem ehemaligen Arbeitgeber die Ausbezahlung der Erschwerniszulage für die Monate Dezember 2010 (für 196,08 Stunden zu je 0,84 € pro Stunde) bis September 2011 (für insgesamt 1.457,49 Stunden zu je 0,86 € pro Stunde). Die Arbeitgeber_1 brachte an den Abgabepflichtigen im Jahr 2012 einen Bruttobezug (210) von 2.439,82 € zur Auszahlung (SV-Beiträge für laufende Bezüge (230) 370,89 €, steuerpflichtige Bezüge (245) 1.655,14 €; siehe Lohnzettel vom ).   

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus den unstrittigen Beschwerdeausführungen in Verbindung mit oben angeführten Schriftstücken.

III.) Rechtslage:
Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind nach § 68 Abs. 1 EStG insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei. Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind nach Abs. 5 dieser Bestimmung jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die
-   in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
- im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder
- infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.
Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie
1. auf Grund gesetzlicher Vorschriften,
2. auf Grund von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen,
3. auf Grund aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
4. auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,
5. auf Grund von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,
6. auf Grund von Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden,
7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern gewährt werden.

Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, sind gemäß § 67 Abs. 8 lit. c EStG, soweit sie nicht nach Abs. 3 oder 6 mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Soweit die Nachzahlungen laufenden Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr betreffen, ist die Lohnsteuer durch Aufrollen der in Betracht kommenden Lohnzahlungszeiträume zu berechnen.
Sonstige Bezüge, die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen, sind nach § 67 Abs. 10 EStG wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Diese Bezüge erhöhen nicht das Jahressechstel gemäß Abs. 2. Die Abs. 1, 2, 6, 7 und 8 sind nach Abs. 11 dieser Bestimmung auch bei der Veranlagung von Arbeitnehmern anzuwenden. Die auf Bezüge, die mit festen Steuersätzen zu versteuern sind, entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 sind vor Anwendung der festen Steuersätze in Abzug zu bringen (§ 67 Abs. 12 EStG).

Die Besteuerung von ua. Nachzahlungen erfolgt nach dem Steuertarif, jedoch bleibt ein Fünftel der Bezüge als Progressionsmilderung steuerfrei. Die Nachzahlungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge und des steuerfreien Teiles von einem Fünftel gemäß § 67 Abs. 10 EStG nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern. Die Steuerfreiheit des steuerfreien Teiles von einem Fünftel als pauschale Berücksichtigung für allfällige steuerfreie Zulagen und Zuschläge oder sonstige Bezüge sowie als Abschlag für einen Progressionseffekt durch die Zusammenballung von Bezügen bleibt auch bei einer allfälligen Veranlagung erhalten (ErlRV 311 BlgNR XXI. GP; ). Bei der Lohnsteuerberechnung gemäß § 67 Abs. 10 EStG ist ein monatlicher Lohnzahlungszeitraum zu unterstellen. Erfolgt die Nachzahlung nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses, ist ein gesonderter Lohnzettel für diesen Kalendermonat auszustellen.
Kostenersätze gemäß § 26 EStG und steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 EStG (sofern sie ohne Rücksicht auf die Höhe anderer Bezugsteile und ohne Rücksicht auf die Modalitäten der Auszahlung bzw. Gewährung steuerfrei sind) behalten ihre Steuerfreiheit. Dies gilt aber nicht für steuerfreie Beträge, wenn einzelne Lohnzahlungszeiträume aufgerollt werden müssten, um eine steuerlich relevante Zuordnung dieser (steuerfreien) Lohnbestandteile auf die jeweiligen Lohnzahlungszeiträume zu ermöglichen. Gelangen steuerfreie Bezugsteile (Zulagen und Zuschläge) gemäß § 68 EStG zur Nachzahlung, so sind diese zusammen mit der (übrigen) Nachzahlung zu erfassen und gemäß § 67 Abs. 10 EStG zu versteuern (; Doralt, EStG14, § 67 Rz. 76ff; Jakom/Lenneis, EStG 2015, § 67 Rz. 28). Sind die nachgezahlten Lohnbestandteile Lohnzahlungszeiträumen des laufenden Kalenderjahres zuzuordnen, so erfolgt bei Nachzahlung laufender Bezüge zwingend eine Aufrollung (Doralt, EStG14, § 67 Rz. 88).

Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre sind dann begünstigt zu besteuern, wenn sie nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen. Dabei handelt es sich um die Zahlung von Bezügen, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses schon in früheren Lohnzahlungszeiträumen hätten ausbezahlt werden müssen, deren rechtzeitige Auszahlung aber aus Gründen, die nicht im Belieben des Arbeitgebers gestanden sind, unterblieben ist (). Nach der Verwaltungspraxis gelten auf arbeitsgerichtliche Entscheidungen beruhende Nachzahlungen nicht als willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes (Doralt, EStG14, § 67 Rz. 87; Jakom/Lenneis, EStG, 2015, § 67 Rz. 31).

IV.) Erwägungen:
Mit FZ._1, wurde die Arbeitgeber_1 als (ehemalige) Arbeitgeberin verpflichtet, dem Abgabepflichtigen Erschwerniszulage nach der Lohnordnung des Kollektivvertrages für die Monate Juni bis November 2010 im Gesamtbetrag von 1.076,88 € zu bezahlen. Auf Grundlage der gerichtlichen Verpflichtung machte der Abgabepflichtige mit Schreiben vom weiters die Auszahlung der Erschwerniszulage für die Monate Dezember 2010 bis September 2011 im Gesamtbetrag von 1.418,15 € geltend. Die  Arbeitgeber_1 brachte im Jahr 2012 an den Steuerpflichtigen den (Brutto)Betrag von 2.439,82 € zur Auszahlung.
Im vorliegenden Fall steht für das Bundesfinanzgericht außer Zweifel, dass der streitgegenständlichen Zahlung der Arbeitgeber_1 an den Abgabepflichtigen das arbeitsgerichtliche FZ._1, zugrunde liegt, demzufolge dem Abgabepflichtigen gegenüber seiner ehemaligen Arbeitgeberin -  auch für den Zeitraum nach Urteilsfindung - nach dem Kollektivvertrag ein Anspruch auf Erschwerniszulage zugekommen ist. Die Zahlung betrifft unstrittig die Lohnzahlungszeiträume der Kalenderjahre 2010 und 2011. Der streitgegenständliche Bezug stellt sohin eine (nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhende) Nachzahlung für abgelaufene Kalenderjahre im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. c EStG dar.

Erschwerniszulagen sind nach § 68 Abs. 1 EStG nur dann steuerfrei, wenn diese zusammen mit den ausbezahlten Schmutz- und Gefahrenzulagen sowie Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängenden Überstundenzuschlägen insgesamt 360,00 € monatlich nicht übersteigen. Eine Feststellung, ob nachgezahlte Erschwerniszulagen deswegen steuerfrei sind, weil der monatliche Freibetrag von 360,00 € gemäß § 68 Abs. 1 EStG nicht überstiegen wird, würde eine Aufrollung einzelner Lohnzahlungszeiträume, im vorliegenden Fall für die Monate Juni 2010 bzw. Dezember 2010 bis September 2011 voraussetzen, weil sie eine steuerlich relevante Zuordnung von Lohnbestandteilen auf die einzelnen Lohnzahlungszeiträume erforderlich machen würde. Nur durch entsprechende Aufrollungen könnte überprüft werden, ob und in welchem Ausmaß in den jeweiligen Monaten bereits eine Steuerfreiheit von Bezügen gemäß § 68 Abs. 1 EStG gewährt worden wäre. Im streitgegenständlichen Fall wäre dies unumgänglich, da der Abgabepflichtige in den Jahren 2010 und 2011 bereits zeitnah weitere steuerfreie Bezüge nach § 68 EStG ausbezahlt bekommen hat (siehe die Lohnzettel der Arbeitgeber_1 für die Jahre 2010 und 2011). Ein Aufrollen von Lohnzahlungszeiträumen ist jedoch gemäß § 67 Abs. 8 zweiter Unterabsatz EStG gesetzlich nur vorgesehen, wenn eine Nachzahlung den Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr (wäre im konkreten Fall das Jahr 2012) betreffen würde. Die Aufrollung ist hingegen bei Nachzahlungen für vergangene Kalenderjahre nicht vorzunehmen. Das Einkommensteuergesetz bietet für eine differenzierende, vom einheitlich anzuwendenden Belastungsprozentsatz abweichende Besteuerung keine Handhabe (vgl. ).

Aufgrund obiger Ausführungen kann dem Beschwerdevorbringen nicht gefolgt werden, den streitgegenständlichen Bezug ausschließlich steuerfrei zu behandeln, wäre doch hierfür eine Aufrollung der Lohnzahlungszeiträume 2010 und 2011 erforderlich. Diese Aufrollungen für die Vergangenheit sind jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Eine Besteuerung von Nachzahlungen, einschließlich von Zahlungen gemäß § 68 EStG, für abgelaufene Kalenderjahre hat nach der gesetzlichen Vorgabe des § 67 Abs. 8 lit. c EStG im Kalendermonat der Zahlung – nach Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 EStG sowie des steuerfreien Teiles von einem Fünftel – wie ein laufender Bezug zu erfolgen. Die Arbeitgeber_1 hat im vorliegenden Fall der gesetzlichen Vorgabe des § 67 Abs. 8 lit. c EStG entsprochen und die Bezüge ordnungsgemäß abgerechnet sowie den Jahreslohnzettel 2012 ordnungsgemäß erstellt.

Der bekämpfte Bescheid ist mit keinem Mangel behaftet, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

V.) Zulässigkeit einer Revision: Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur zur steuerlichen Beurteilung von Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Innsbruck, am

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