Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2016, RV/5100710/2015

1) Bestandverhältnis von bestimmter Dauer trotz Aufnahme der Kündigungsgründe des § 30 MRG in den Vertrag. 2) Gegenbeweis im Sinne des § 17 Abs. 2 GebG hinsichtlich der Bestandfläche zulässig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr, betreffend Bestandvertragsgebühr zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise dahingehend stattgegeben, dass die Rechtsgeschäftsgebühr 41.970,24 € beträgt.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

1. Bestandvertrag vom 

Die BG, Bestandgeberin, =BG, und die Bf, Bestandnehmerin, =BN, haben hinsichtlich einer Geschäftsfläche in dem von der BG betriebenen Einkaufszentrum den folgenden Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit (mit Kündigungsverzicht der BG bis ) geschlossen:

§ 1 Mietgegenstand
... ein Geschäftslokal in der unteren Verkaufsebene im Ausmaß von rund 757 m²...

§ 2 Ausstattung ...

§ 3 vorläufige und endgültige Bestandflächen
1. alle in diesem Vertrag genannten Flächenangaben sind nach den derzeitigen Plänen erstellt.
2. Maßänderungen der vorläufigen Bestandpläne bis zu 10 % werden vom Mieter akzeptiert.
Darüberhinausgehende Änderungen bedürfen der Zustimmung des Mieters.
3. Die Höhe des Hauptmietzinses und der Betriebskostenschlüssel werden bis zum  Vorliegen der Bestandspläne, mit denen sie endgültig festgelegt werden, nach den jeweils aktuellen Plänen ermittelt.

§§ 4 bis 6 Mietzweck, Übergabe, Eröffnungstermin ...

§ 7 Mietzeit ...

§ 8 Auflösung aus wichtigem Grund
1. Der Vermieter kann den Vertrag auch während des vereinbarten Kündigungsverzichtes auflösen, wenn der Mieter:

  • mit Zahlungen in Höhe von einer Monatspauschale ... in Verzug ist,

  • die in § 4 genannte Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Geschäftsbetriebes nicht erreicht bzw. einhält,

  • den Mietgegenstand ... vertrags-oder widmungswidrig gebraucht,

  • die in § 28 genannten Rechtsgeschäfte ohne Zustimmung der BG abschließt,

  • ohne Zustimmung der BG genehmigungspflichtige bauliche Veränderungen vornimmt,

  • sich ... grob ungehörig ... verhält,

  • rechtskräftige behördliche Auflagen oder gesetzliche Bestimmungen ... nicht erfüllt,

  • die Überprüfung der Umsatzmiete verwehrt,

  • ihrer Betriebspflicht nicht nachkommt, oder

  • sich die Vermögensverhältnisse der BN schwerwiegend nachteilig verändern.

3. Diese Auflösungsgründe rechtfertigen jedenfalls eine Kündigung des Bestandverhältnisses aus wichtigem Grund gemäß § 30 MRG bzw. gelten sie als vereinbarte Kündigungsgründe im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 13 MRG.

Die §§ 9 bis 33 enthalten detaillierte Regelungen hinsichtlich Entgelt, Werbekostenbeitrag, Umsatzaufzeichnung, Betriebspflicht, bauliche Maßnahmen und Vieles mehr. Hingewiesen sei im Besonderen nur darauf, dass die Untervermietung des Mietgegenstandes  an die vorherige schriftliche Zustimmung des Vermieters gebunden ist.

2. Vereinbarung vom

Im Jahr 2006 hat die BN ihre Geschäftsfläche verkleinert und haben BG und BN daher betreffend der Rückgabe einer Teilfläche des Geschäftslokales die folgende Vereinbarung geschlossen:

Die BN gibt an die BG eine Fläche, gemäß Plan, von ca. 80-85 m² zurück. Die Berechnung erfolgt anschließend nach tatsächlichen Planmaßen.
...
Ab dem Zeitpunkt der Rückgabe wird die Bestandzinsvorschreibung der BN aliquot der zurückgegebenen Fläche reduziert.

...

3. Zusatzvereinbarungvom

Mit Zusatzvereinbarung zum Bestandvertrag vom haben BG und BN sodann letzteren Vertrag in einzelnen Punkten wie folgt abgeändert:

§ 7 Bestandnahmezeit

  • (1) bleibt unverändert

  • (2) Das Bestandverhältnis wird auf bestimmte Zeit abgeschlossen und endet durch Zeitablauf am , ohne dass es einer Kündigung bedarf.

  • Die Punkte (3) und (4) entfallen.

  • (5) Die BG räumt der BN die Option ein, mittels schriftlicher Erklärung, die die BG bis spätestens erhalten haben muss, die Dauer des Bestandverhältnisses bis zum zu verlängern. In diesem Fall endet das Bestandverhältnis am , ohne dass es einer Kündigung bedarf.

  • (6) Ungeachtet der vertraglichen Befristung ist die BG bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 30 MRG berechtigt, den Bestandvertrag unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Monatsletzten aufzukündigen, wobei eine Kündigung aufgrund eines von der BN gesetzten Kündigungsgrundes erst nach erfolgloser Mahnung und Setzung einer angemessenen Nachfrist von mindestens 10 Werktagen zulässig ist.
    Während dieses Zeitraumes kann es nur aus wichtigem Grund gemäß § 8 dieses Bestandvertrages seitens der BG aufgelöst werden.

§ 11 Hauptbestandzins
ab monatlich 35 €/m²
voraussichtlich ab März 2016 monatlich 37 €/m²
ab Optionsannahme () monatlich 39 €/m²
zuzüglich Mehrwertsteuer.

§ 14 Wertsicherung ...

Im Übrigen, soweit mit dieser Zusatzvereinbarung keine neuen Regelungen getroffen werden, sollte der Bestandvertrag vom mit sämtlichen Rechten und Pflichten unverändert und vollinhaltlich bestehen bleiben. Ausdrücklich wird vorangestellt: "§ 1 Bestandsgegenstand, bleibt unverändert".

Diese Zusatzvereinbarung hat die BG beim Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel (GVG) zur Vergebührung angezeigt.

4. Gebührenbescheid vom

Das GVG hat für obige Zusatzvereinbarung - vorläufig - gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG die 1 %-ige Bestandvertragsgebühr in Höhe von 47.131,43 € festgesetzt.

Dafür hat das GVG die Bemessungsgrundlage in Höhe von 4,713.142,56 € ausgehend von einer bestimmten Dauer des Bestandverhältnisses von 120 Monaten und einer Bestandfläche von 757 m² wie folgt ermittelt:


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14 Monate
35 €
370.930
46 Monate
37 €
1,288.414
60 Monate
39 €
1,771.380
Mindestpacht
 
3,430.724
Verwaltungskosten
0,22/Monat
19.985
Betriebskosten
5,25/Monat
476.910
 
 
3,927.619
20 % USt
 
785.524
 
 
4,713.143

5. Beschwerde vom

Dagegen hat die BN, nunmehrige Beschwerdeführerin, =Bf., rechtzeitig Beschwerde erhoben.

Als Bemessungsgrundlage sei eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren (5 Jahre Vertragsverlängerung + 5 weitere Jahre Option) herangezogen worden. Tatsächlich sei der Vertrag jedoch als unbefristet anzusehen, weil die BG im Sinne des § 30 MRG bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündigen könne. Die Bf. verweist diesbezüglich auf das Erkenntnis des und die Gebührenrichtlinie (GebR) des Rzn. 705-714.

6. Beschwerdevorentscheidung vom  

Das GVG hat die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gemäß der Zusatzvereinbarung vom sei die Bestandnahmezeit von unbestimmter Dauer auf bestimmte Dauer (von 5 Jahren) geändert worden. Weiters räume die BG der Bf. die Option ein, die Dauer des Bestandverhältnisses um weitere 5 Jahre zu verlängern. Eine Kündigung des Bestandverhältnisses durch die BG sei nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 30 MRG bzw. gemäß § 8 des Bestandvertrages vorgesehen.
Nach ständiger Judikatur des VwGH bestehe das Unterscheidungsmerkmal zwischen auf bestimmte und auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht. Was eine Kündigungsmöglichkeit in einzelnen im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Fälle betreffe, müsse dies nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit der Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall beurteilt werden. Alle hier in Betracht kommenden Auflösungsgründe stünden nicht im Belieben der BG, sondern seien ihrem Einfluss entzogen, weil sie auf das Verhalten der Bf. eingeschränkt seien. Sie seien auch von ihrer Gewichtung nicht so bedeutend, dass sie dem erklärten Willen der Vertragsteile, die Bestandzeit ausdrücklich erst zu einem bestimmten Zeitpunkt enden zu lassen, entgegenstünden. Dem VwGH Erkenntnis liege ein anderer Sachverhalt zugrunde.

7. Vorlageantrag vom

Daraufhin hat die Bf. den Antrag gestellt, die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorzulegen.

Das Finanzamt habe die unter § 30 MRG angeführten Kündigungsgründe einer Prüfung nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit unterzogen. Diese Kündigungsmöglichkeiten seien aber keine "einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Fälle" , vielmehr treffe diese Annnahme auf die unter § 8 des Bestandvertrages aufgezählten Auflösungsgründe zu. Nach der Judikatur des VwGH (, 86/15/0102) stelle die Vereinbarung aller Kündigungsgründes nach § 30 MRG keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten dar, sodass in einem solchen Fall ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen sei. Auch sei der Eigengebrauch (§ 8 Z 9) ein allein im Einflussbereich der BG liegender Kündigungsgrund. Nicht zuletzt ziehe die Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Befreiung beider Vertragsparteien von ihren eingegangenen Verpflichtungen nach sich ().

Das GVG hat die Beschwerde am dem BFG unter ausführlicher Darlegung seiner Rechtsansicht vorgelegt. Es kommt zu dem Schluss, dass nicht alle Kündigungsgründe des § 30 MRG vereinbart worden seien, weil sie teilweise nur auf Wohnungen zutreffen würden und daher nicht in Betracht kämen. Im Übrigen seien die Kündigungsgründe auf ein Fehlverhalten der Bf. abgestellt, sodass sie nicht von so umfassender Natur seien, dass die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses gegeben sei. 

8. Verfahren vor dem BFG

ergänzende Stellungnahme der Bf. vom

Die Bf. hat in der Folge einen Rechtsvertreter beigezogen, welcher dem BFG weitere rechtliche Ausführungen zur Begründung der Beschwerde nachgereicht hat.

Die Vereinbarung aller Kündigungsmöglichkeiten iSd. § 30 Abs. 2 MRG stelle keine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf "Ausnahmefälle" dar (mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des VwGH auch zu Geschäftsraummieten), sodass ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen sei. Dem sei auch das BFG gefolgt (zB RV/7101940/2011). Bei einer Vereinbarung des Kündigungsrechts gemäß § 30 Abs. 2 MRG entfalle die Einzelfallprüfung ( und , 88/15/0040). Hinzu komme noch, dass in der Zusatzvereinbarung vom über die in § 8 des Mietvertrages vereinbarten Gründe hinaus zusätzlich eine Erweiterung der Kündigungsgründe auf die Gründe nach § 30 Abs. 2 MRG vorgenommen worden sei. Es sei erkennbare Absicht der Vertragsparteien gewesen, die gesetzlich eingeräumten Kündigungsmöglichkeiten zu erweitern (und nicht: bestehende gesetzliche Kündigungsmöglichkeiten durch § 8 des Mietvertrages einzuschränken). Das vereinbarte Kündigungsrecht sei auch nicht wirtschaftlich erschwert. Es werde daher ein derartiges Maß an Ungewissheit hinsichtlich der Vertragsdauer erreicht, dass von Anfang an von einer unbestimmten Dauer des Vertragsverhältnisses auszugehen sei.

Nicht zuletzt sei vertraglich die Staffelmiete von 37 € von bis vorgeschrieben - somit 34 Monate.

ergänzende Bekanntgabe der Bf. vom 

Die Bf. hat darüberhinaus zum Sachverhalt neu vorgebracht, dass seit Herbst 2006 die gemietete Bestandsfläche bloß 671 m² (und nicht 757 m²) betrage. Zum Beweis ihrer Behauptung hat die Bf. die Vereinbarung vom (siehe oben), einen Lageplan mit ausgewiesenen 671 m² und die Betriebskostenabrechnung 2014 übermittelt; letztere weist ebenfalls unter Mieteinheit 671 m² aus.

Das BFG hat am die ergänzenden Schriftsätze der Bf. vom 7.5. und dem GVG zur Kenntnis gebracht und letzterem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Schriftsatz des GVG vom

Zur Bestanddauer verweist das GVG daraufhin im Wesentlichen auf seine Beschwerdevorlage.
Hinsichtlich der verminderten Bestandfläche beruft sich das GVG auf § 17 Abs. 1 GebG, wonach für die Festsetzung der Gebühr der Inhalt der Urkunde maßgebend sei. Der Bestandgegenstand sei in der Zusatzvereinbarung unverändert geblieben und fehle eine Bezugnahme auf die Vereinbarung vom und damit auf die Reduktion der Fläche.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist aufgrund des Akteninhaltes, insbesondere des Inhaltes der zugrundeliegenden Urkunden (Bestandvertrag, Zusatzvereinbarung und Vereinbarung vom samt Plan) erwiesen.

Rechtslage

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG beträgt die Gebühr für Bestandverträge (1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, im allgemeinen 1 vH.

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird nach § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Erwägungen

Bei dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft handelt es sich unstrittig um einen gebührenpflichtigen Bestandvertrag iSd. § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG.

1. Dauer des Bestandverhältnisses

Wesentlicher Streitpunkt im gegenständlichen Fall ist zunächst die Frage, ob ein Bestandvertrag auf bestimmte, wie vom GVG angenommen, oder unbestimmte Dauer vorliegt.

Zur Bewertung von Bestandverträgen hat der VwGH in zwei Erkenntnissen durch jeweils einen verstärkten Senat (; , 143/63) Richtlinien aufgestellt, die durch spätere Erkenntnisse bestätigt worden sind.

Es ist somit von der folgenden Rechtslage (siehe auch Fellner, Band I Stempel- und Rechtsgebühren, § 33 TP 5, Rzn. 130, 131) auszugehen, auf welche sich im gegenständlichen Beschwerdeverfahren einhellig sowohl das GVG als auch die Bf. berufen.

Ob ein Vertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossen ist, hängt davon ab, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein wollen oder nicht.
Ein Bestandvertrag ist als solcher auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist. 
Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss ().
Von einer Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne, im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle (die es rechtfertigen würden, von einer Bindung auf bestimmte Zeit zu reden) kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn im Vertrag alle Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG angeführt sind (, mit der dort angeführten Vorjudikatur).
Während die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit darstellt, vermögen ausnahmsweise bestehende Kündigungsmöglichkeiten die grundsätzliche Bindung einer Vertragspartei an ein nach dem Vertragsinhalt auf bestimmte Dauer abgeschlossenes Bestandverhältnis nicht aufzuheben ().

Im konkreten Fall ist nach dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung vom  von einer vertraglichen Befristung des Bestandverhältnisses auszugehen. Der Bf. stehen während der Laufzeit keinerlei Kündigungsmöglichkeiten offen. Lediglich die BG ist - ungeachtet der vertraglichen Befristung - nach § 7 (6) der Zusatzvereinbarung berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 30 MRG den Bestandvertrag aufzukündigen.

Für die BG kommen somit (verkürzt) die folgenden wichtigen Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG in Betracht:

"Als ein wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn
1. der Mieter ... mit der Bezahlung des Mietzinses ... im Rückstand ist;
2. der Mieter, dessen vereinbarter Mietzins ganz oder teilweise in eigenen Dienstleistungen besteht, die bedungenen Dienste vertragswidrig verweigert;
3. der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht;
4. gewisse Fälle von Untervermietung;
5. Tod des bisherigen Mieters;
6. die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses ... regelmäßig verwendet wird;
7. die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen ... geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden;
8. Eigenbedarf hinsichtlich Wohnräume;
9. der Vermieter den Mietgegenstand dringend für sich selbst benötigt und dem Mieter Ersatz beschaffen wird;

10. der Vermieter den Mietgegenstand zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes dringend benötigt;
11. ein dem Bund, einem Bundesland oder einer Gemeinde gehöriger Mietgegenstand ... ;
12. Untermietverhältnisse;
13. ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der ... als wichtig und bedeutsam anzusehen ist;
14. 15. Abbruch oder Umbau eines Miethauses im öffentlichen Interesse;

16. Verweigerung einer Standardverbesserung."

Diesbezüglich gilt es bezogen auf den Fall zu bedenken, dass die Bestimmungen des MRG primär auf Wohnraummiete abstellen, aber auch bei einer bloß sinngemäßen Auslegung gewisse Kündigungsmöglichkeiten auf den vorliegenden Fall einer Geschäftsraummiete zwischen zwei Gesellschaften gar nicht anwendbar sind. Insbesondere die Ziffer 2 des § 30 Abs. 2 MRG kommt nicht in Betracht, weil der Mietzins nicht in Dienstleistungen besteht. Die Ziffern 4, 5, 6, 8, 10 und 12 stellen auf Wohnräume, ein dringendes Wohnbedürfnis uä. ab, was ihre Anwendung auf das gegenständliche Bestandverhältnis de facto ausschließt. Auch ist für den Betreiber des Einkaufszentrums ein dringender Eigenbedarf im Sinne der Ziffer 9 nicht vorstellbar und scheidet somit auch dieser Kündigungsgrund auf Grund des Sachverhaltes von vornherein aus. Die Ziffer 11 gilt nur für Bund, Länder oder Gemeinden. Unter den schriftlich vereinbarten Kündigungsgründen nach Ziffer 13 sind die Gründe nach § 8 des Vertrages aus dem Jahr 2004 zu verstehen, welche jedoch zeitlich nur sehr eingeschränkt und ausschließlich aus von der Bf. zu vertretenden Umständen zur Anwendung kommen. Die Ziffern 14, 15 und 16 betreffen ein "Miethaus" bzw. eine "Wohnung der Ausstattungskategorie D" und somit einen anderen Mietgegenstand. Darüberhinaus werden die Kündigungsmöglichkeiten hinsichtlich einer Untervermietung (Z 4, 12) schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil nach § 28 des Bestandvertrages die Untervermietung an die Zustimmung der BG gebunden ist, die Bf. für ein vertragskonformes Verhalten des Untermieters einzustehen hat und für die Berechnung des Hauptmietzinses die Vertragsbedingungen auch für den Unterbestandnehmer gelten.
Es verbleiben der BG somit im Wesentlichen die Kündigungsgründe der Ziffern 1 (Mietrückstand), 3 (erheblich nachteiliger Gebrauch) und 7 (Leerstand). Keinesfalls wurden aber alle Kündigungsgründe des MRG, wie die Bf. vermeint, vereinbart (vgl. auch , und ).

Aus der Vertragsgestaltung erschließt sich für das BFG zunächst, dass beide Vertragspartner - aber insbesondere auch die BG - ein Interesse an einer langfristigen Vermietung hatten und sich demzufolge bei klarer Regelung von Rechten und Pflichten fix binden wollten. Zu diesem Zweck haben die Vertragspartner mit dem vorliegenden Vertragswerk die Einhaltung der Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Vorgaben für die Vermietung durch detaillierte Regelungen umfassend abgesichert. Für die gewollte Kontinuität des Bestandverhältnisses spricht überdies die Verlängerung durch Zusatzvereinbarung und auch die Einräumung der Option.

Wie oben bereits anhand der höchstgerichtlichen Judikatur ausgeführt, liegt ein Bestandvertrag auf bestimmte Dauer aber nur dann vor, wenn das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann bzw. nur in ausdrücklich bezeichneten Einzelfällen. Ob es sich lediglich um solche "Einzelfälle" handelt, ist nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden zu beurteilen.

Diesbezüglich gilt es zu bedenken, dass die der BG tatsächlich offenstehenden Kündigungsmöglichkeiten (Mietrückstand, erheblich nachteiliger Gebrauch, Leerstand und § 8) bereits ein vertragswidriges (Fehl)verhalten der Bf. voraussetzen und damit dem Einfluss der BG entzogen sind. Die BG kann den Vertrag während der bestimmten Laufzeit - selbst unter Bedachtnahme auf ihre im Vertrag angeführten Kündigungsmöglichkeiten im Sinne des § 30 MRG - somit keinesfalls jederzeit aus freien Stücken einseitig beenden, sodass gebührenrechtlich ein auf bestimmte Dauer abgeschlossenes Bestandverhältnis vorliegt.

Letztlich ist daher für den konkreten Fall von einem beidseitigen Kündigungsverzicht für 5 Jahre auszugehen. 

Dem Einwand der Bf., dass im Falle der Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG eine Einzelfallprüfung zu unterbleiben hat, kommt überdies keine Berechtigung zu, da es nicht im Belieben der Vertragspartner stehen kann, allein durch die unkritische Anführung der "wichtigen Gründe im Sinne des § 30 MRG" in § 7 (6) des Vertrages die grundsätzlich vereinbarte Bindung der Vertragsparteien im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG aufzuheben. Es ist auf den erklärten Vertragswillen und nicht bloß auf die Erklärung abzustellen.

2. Reduzierung der Bestandfläche

Wenn die Bf. überdies einwendet, die Bestandfläche habe sich aufgrund der Vereinbarung vom von 757m² auf 671 m² reduziert, so ist ihr in diesem Punkt zuzustimmen:

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist nach dem Urkundenprinzip für die Gebühren der Inhalt der errichteten Schrift maßgeblich. Wenn aber aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so ist ein Gegenbeweis möglich (§ 17 Abs. 2 GebG).

Gegenstand der Gebühr ist das Rechtsgeschäft, während die Errichtung der Urkunde nur die Voraussetzung bzw. Bedingung ist, bei deren Vorliegen das Rechtsgeschäft gebührenpflichtig wird.
Die Auswirkungen gebührenrechtlicher Vorschriften und ihre Sachlichkeit sind nur zu beurteilen, wenn man davon ausgeht, dass nicht die Beurkundung oder der sie ersetzende Tatbestand, sondern das Rechtsgeschäft selbst Gegenstand der Abgabenerhebung ist. Die Urkunde ist nur steuertechnisches Hilfsmittel, um die tatsächliche Erfassung der Rechtsgeschäfte ohne zu große Weiterungen für das Wirtschaftsleben und Schwierigkeiten für die Verwaltung zu ermöglichen ().
vgl. Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, § 15 Rzn. 3, 38

Demgemäß gibt es Ausnahmen vom Prinzip der Maßgeblichkeit des Urkundeninhalts. Es knüpft zB nach stRsp des VwGH die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht an die Urkunde an. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage dürfen auch Umstände herangezogen werden, die in der Urkunde gar nicht festgehalten sind (; , 1813/67 und ).
Daraus folgt, dass der Umkehrschluss, wonach alles, was dem Urkundeninhalt deutlich zu entnehmen ist, nicht anders vermutet werden darf, bei Umständen, die gar nicht ausschließlich der Urkunde zu entnehmen sind (also zB Bemessungsgrundlage), ebenso unzulässig wäre.
siehe Twardosz, Geb-ON, § 17 Rzn. 5, 34

Auch Arnold spricht sich dafür aus, in verfassungskonformer Auslegung des § 17 Abs. 2 GebG gegen einen „deutlichen“ (aber unrichtigen) Urkundeninhalt den Gegenbeweis zuzulassen.
"Wollte man meinen, dass dies der klare Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 GebG verbietet, so bestehen gegen die gesetzliche Regel uE verfassungsrechtliche Bedenken. Sollte der Urkundeninhalt tatsächlich unter allen Umständen, auch dann, wenn er durch einen Schreibfehler im für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Bereich (zB durch einen Ziffernsturz) zustande kommt, entscheidend sein und vor dem Inhalt des vom Gesetzgeber als Gebührentatbestand festgelegten Rechtsgeschäftes Vorrang haben, so werden vom Gesetzgeber an ein Fehlverhalten ... geknüpft..." (Arnold/Arnold, Rechtsgebühren, § 17, Rz. 17).

Darüberhinaus enthält die hier zu beurteilende Zusatzvereinbarung vom hinsichtlich des Bestandgegenstandes lediglich den Hinweis "bleibt unverändert". Da aber eine Zusatzvereinbarung, welche eine Modifizierung des ursprünglichen Verpflichtungsgeschäftes darstellt, für die Festsetzung der Gebühr maßgeblich ist, liegt nach Ansicht des BFG in Anbetracht der Vereinbarung vom ein undeutlicher Urkundeninhalt vor. Es kann den Vertragsparteien nicht unterstellt werden, sie hätten einen Bestandvertrag über einen nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmenden Gegenstand schließen wollen. 

Aus all diesen Gründen kommt das BFG daher zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall ein Gegenbeweis nicht nur zulässig, sondern der Bf. auch gelungen ist (siehe auch -K/03). Demnach ist also der beschwerdegegenständliche Bestandvertrag dergestalt zustande gekommen, dass sich das Entgelt für die Einräumung des Benützungsrechtes ausgehend von der seit 2006 tatsächlich in Nutzung befindlichen Bestandfläche von 671 m² bemisst.

3. Bestanddauer und Berechnung der Gebühr

Nicht zuletzt ist das GVG tatsächlich bei der Berechnung der Gebühr irrtümlich von einer falschen Staffelung des Bestandzinses ausgegangen. Das GVG hat in seiner Stellungnahme vom  der diesbezüglichen Berechnung des BFG zugestimmt. Im übrigen bestreitet die Bf. die Art der Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht.

Die Gebühr errechnet sich daher bezogen auf 671 m² Bestandfläche wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
14 Monate (-)
35 €/m²
328.790,00
34 Monate (-)
37 €/m²
844.118,00
72 Monate (-)
39 €/m²
1,884.168,00
Mindestpacht
 
3,057.076,00
Verwaltungskosten
0,22/Monat
17.714,40
Betriebskosten
5,25/Monat
422.730,00
 
 
3,497.520,40
20 % USt
 
699.504,08
 
 
4,197.024,48
1 % Gebühr
 
41.970,24

Die Beschwerde war daher dem Grunde nach abzuweisen, die Berechnung der Gebühr war jedoch teilweise wie vorstehend abzuändern.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen Judikatur des VwGH erfolgt, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 17 Abs. 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 17 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5100710.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at