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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.08.2014, RV/2100475/2012

Beseitigung eines Hochwasserschadens am Zauntor eines Maschendrahtzaunes: keine Zwangsläufigkeit iSd § 34 EStG 1988 gegeben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache der Bf., Adr. gegen den Bescheid des FA Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 beantragte Frau Bf. (in der Folge nach der derzeit geltenden Rechtslage auch Beschwerdeführerin / Bf. genannt) als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 einen Katastrophenschaden in Höhe von 847 €.

Aufgrund der Ermittlungen des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin eine Rechnung der Fa. X GmbH Metallbau-Schlosserei über die Anfertigung, Lieferung und Montage eines Abschlusstores aus Quadratformrohren, zwei Torbänder und drei Stück Zaunsäulen in Höhe von 865,20 €, laut Zahlungsbeleg bezahlte die Bf. nach Abzug des Skonto 847 €. Im Schreiben vom bestätigte die Stadtgemeinde A., dass am im Gemeindegebiet ein Hochwasserereignis stattgefunden hat. Weiters wurde von der Bf. eine Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft B. vom über die Besprechung beim Anwesen Bf betreffend Schäden, die durch die Abarbeitung der Katastrophenschäden durch das Bundesheer und etwaige Privatfahrzeuge entstanden sind, vorgelegt. Die Bf. legte auch vier Fotos mit Abbildungen des beschädigten Zauntores und der Verwüstungen des Grundstückes bei und führte auszugsweise aus, dass ihre gesamte Zaunanlage ca. 100 Meter lang sei, der südliche Teil sei vom Hochwasser bis auf das Fundament weggespült worden, der nördliche Teil sei bei der Hilfsaktion am Fundament und am Eingangstor schwer beschädigt worden, für den nördlichen Teil sei von ihr beim Bezirksgericht B. eine Klage auf Entschädigung eingebracht worden und derzeit noch nicht ganz abgeschlossen.

Im Schreiben vom teilte die Bezirkshauptmannschaft B. dem Finanzamt mit, dass die Bf. keine Meldung bzw. auch keinen Antrag auf Entschädigung entstandener Schäden iSd Katastrophenfonds-Richtlinie Steiermark nach der Hochwasserkatastrophe 2009 bei der Gemeinde A. und in weiterer Folge bei der Bezirkshauptmannschaft B. gestellt worden sei. Vielmehr seien beim Anwesen der Bf. aufgrund der Aufräumarbeiten am Bach sowie beim Aufbau einer Notbrücke durch das Bundesheer Schäden entstanden (Erneuerung des Zaunfundamentes und des Zaunes, Austausch von beschädigten Thujen, Reparatur des Einfahrtstores, Wiederherstellung des Grünstreifens entlang des Zaunes, usw.). Die Bezahlung der Forderung der Bf. über die entstandenen Schäden von 38.869,12 € wurde vom Land abgelehnt und wurde dieser Betrag von der Bf. eingeklagt. Diesem Schreiben wurden die Beschlüsse des Bezirksgerichtes B. und des Landesgerichtes für ZRS C beigelegt.

Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom anerkannte das Finanzamt den Katastrophenschaden nicht. In der Begründung wurde ausgeführt, dass es sich laut Bezirkshauptmannschaft B. lediglich um bei der Aufräumarbeit entlang des Baches entstandene Schäden handle, welche in erster Linie durch das Land beglichen werden bzw. bei Gericht eingeklagt wurden. Die Aufwendungen für das Tor würden daher keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 darstellen.

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. die Berufung (nach der derzeit geltenden Rechtslage Beschwerde genannt) ein und begründete diese damit (auszugsweise), dass sie durch das Hochwasserereignis 2009 folgende Schäden erlitten habe: zwei Tore hätten einen Totalschaden, davon habe sie ein Tor neu anfertigen lassen, welches sie in der Arbeitnehmerveranlagung 2010 als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 geltend gemacht habe. Ca. 30 Meter Maschendrahtzaun samt Metallstehern seien weggespült worden. Für diese Sachschäden habe sie keinerlei Zuwendungen aus Versicherungen oder von der Bezirkshauptmannschaft erhalten. Für die Schäden durch die Hilfsaktion habe sie beim Bezirksgericht B. eine Klage eingebracht, das Gerichtsverfahren sei inzwischen durch einen Vergleich (Zahlung eines Betrages von 16.098,71 €) abgeschlossen.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Ab wurde der Unabhängige Finanzsenat durch das Bundesfinanzgericht abgelöst.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1  EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, sofern sie die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen kumulativ (d.h. sämtliche Merkmale gemeinsam) erfüllen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst.
Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Abgabepflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Von einer wesentlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist auszugehen, wenn die Kosten einen nach den Bestimmungen des § 34 Abs. 4 bzw. Abs. 5 EStG 1988 berechneten, von der Einkommenshöhe des Abgabepflichtigen abhängigen Selbstbehalt übersteigen (§ 34 Abs. 2 bis 5 EStG 1988).

Für bestimmte Aufwendungen erlaubt § 34 Abs. 6 EStG 1988 einen Abzug auch ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes. Dazu gehören u.a. Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten.

Eine außergewöhnliche Belastung wegen Katastrophenschäden iSd § 34 Abs. 6 EStG 1988 kommt nur in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 vorliegen, es müssen auch die allgemeinen Merkmale der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit verwirklicht sein ().

Der - engere - Begriff „Katastrophenschäden“ ist im § 34 Abs. 6 EStG 1988 nicht definiert. Das Gesetz erwähnt nur Beispiele schädigender Ereignisse, wie Hochwasser, Erdrutsch, Vermurung, Lawinenabgänge, die noch durch weitere ergänzt werden können, wie zB Flächenbrände, Strahleneinwirkung, Erdbeben, Felssturz, Steinschlag, Hagel, Schnee und Sturm (vgl. Schuch in ÖStZ 6/1976, 55 f). Es muss sich um außergewöhnliche Schadensereignisse handeln, die nach objektiver Sicht aus dem regelmäßigen Ablauf der Dinge herausfallen, in der Regel verheerende Folgen nach sich ziehen und von der Allgemeinheit als schweres Unglück angesehen werden () und es muss durch höhere Gewalt eine aufgezwungene Schadenslage herbeigeführt werden, deren Beseitigung grundsätzlich lebensnotwendig ist ( und siehe auch Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG, Rz 4 zu § 34 (6 bis 8).

Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden können grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig erwachsen. Dies ist bei zerstörten Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nur dann der Fall, wenn sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen nicht entziehen kann, die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes somit nicht zuzumuten ist (vgl. und Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG, Rz 9 zu § 34 (6 bis 8)).
Bei Prüfung der Frage, ob die weitere Lebensführung nicht zumutbar wäre, unterbliebe die Wiederbeschaffung der verloren gegangenen Güter, ist nach den allgemeinen Regeln über die Zwangsläufigkeit vorzugehen, also ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. ).

Kosten für die Ersatzbeschaffung zerstörter Gegenstände (ausgenommen PKW), die zur üblichen Lebensführung gehören, sind im Ausmaß des durchschnittlichen Standards in voller Höhe abzugsfähig. Dazu gehören bspw. das Gebäude (nur Hauptwohnsitz), Einrichtungsgegenstände einschließlich Unterhaltungselektronik, Spielwaren und Kleidung, aber auch die Kosten eines Überbrückungsquartiers. (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG16, § 34, Tz 78).

Die Behörde ist nicht verpflichtet, von sich aus weitreichende Ermittlungen durchzuführen, der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung obliegt in erster Linie der Partei (, und Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG16, § 34, Tz 7).

Somit kommt eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nur dann in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen. Es können daher nur solche Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Dass Aufwendungen zwangsläufig erwachsen, unterstellt der VwGH bei zerstörten Wirtschaftsgütern des Privatvermögens jedoch nur dann, wenn dem Steuerpflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes nicht zuzumuten ist, wie dies z.B. bei der Zerstörung einer Wohnungseinrichtung durch Brand, nicht jedoch z.B. bei der hochwasserbedingten Zerstörung einer Fußgängerbrücke, die nicht den einzigen Zugang zum Wohnhaus vermittelt, anzunehmen ist (vgl. und ).

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes handelt es sich bei einem Zauntor eines Maschendrahtzaunes keinesfalls um ein existenznotwendiges Wirtschaftsgut, weil die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes jedenfalls zumutbar ist. Anders wäre der Fall etwa hinsichtlich solcher Sanierungsmaßnahmen zu beurteilen, bei deren Unterbleiben eine Gefährdung für die Bausubstanz des Wohnhauses der Bf. gegeben wäre. Eine derartige Gefährdung wurde jedoch weder von der Bf. behauptet, noch bieten die von der Bf. vorgelegten Unterlagen Anhaltspunkte für die Annahme einer derartigen Gefährdung.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Berufung wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis (einen Beschluss) des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100475.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at