Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.12.2015, RV/5100988/2013

Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen Beendigung eines Studiums und Beginn eines weiteren Studiums?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ri. in der Beschwerdesache Bf., Adr1, gegen den Bescheid des FA vom , betreffend Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Beträgen an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind JB, SV-Nr., für den Zeitraum August und September 2012, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Gang des Verwaltungsverfahrens/Sachverhalt

1. Rückforderungsbescheid vom
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer (Bf.) die Familienbeihilfe (FB) und den Kinderabsetzbetrag (KAB) für das Kind JB (im Folgenden kurz: JB)  ( SV-Nr. ), betreffend den Zeitraum August 2012 bis September 2012 als zu Unrecht bezogen gemäß § 26 Abs. 1 Familienlasten­ausgleichsgesetz 1967 FLAG 1967) in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuer­gesetz 1988 (EStG 1988) zurück (305,40€ an FB und 116,80€ an KAB, insgesamt daher 422,20€). Zur Begründung wurde in diesem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt:
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 steht die FB nur dann zu, wenn sich das Kind in Berufsausbildung befindet. Da ihr Sohn JB sein Diplomstudium der Rechtswissen­schaften (im Folgenden kurz: RW) am bestanden hat, steht für den Zeitraum zwischen dem Abschluss dieser Berufsausbildung und dem Beginn einer neuen Berufsausbildung (Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaft; im Folgenden kurz: B-WS) keine FB zu.

2. Berufung vom gegen den Rückforderungsbescheid
Gegen den angeführten Rückforderungsbescheid erhob der Bf. rechtzeitig Berufung (die nunmehr als Beschwerde zu behandeln ist) und begründete diese wie folgt:
Aus dem der Berufung beigelegten Studienblatt sei ersichtlich, dass sein Sohn das B-WS und Wirtschaftsrechts-Studium bereits am aufgenommen habe. Er sei somit auch in den Monaten August und September 2012 in Berufsausbildung gestanden, weshalb für diese Monate Anspruch auf FB bestehe.

3. Berufungsvorentscheidung (BVE) des Finanzamtes vom
Am erließ das Finanzamt eine abweisliche BVE und führte zu deren Begründung zusammengefasst aus:
Eine Berufsausbildung sei grundsätzlich dann abgeschlossen, wenn die letzte Prüfung, die nach den Ausbildungsvorschriften vorgesehen sei, mit Erfolg abgelegt worden ist. JB habe das Diplomstudium der RW mit abgeschlossen, damit ende auch die aufrechte Zulassung zu diesem Studium, diese Ausbildung sei damit abgeschlossen.
Die Meldung zu den neuen Studien B-SW innerhalb der Zulassungsfrist ab dem Wintersemester (WS) 2012 am bewirke die Zulassung ab dem WS; nach dem Universitätsstudiengesetz beginne dieses jedoch erst im Oktober eines Jahres. Trotz dieser weiteren Ausbildung ab Oktober 2012 könne der Zeitraum zwischen dem Abschluss des Erststudiums und der Fortsetzung eines weiteren Studiums im Sinne des FLAG 1967 keinen Anspruch auf FB begründen.

4. Vorlageantrag des Bf.
Mit Eingabe vom stellte der Bf. einen Vorlageantrag und ergänzte die Begründung der Beschwerde wie folgt:
„……...Nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 steht fürvolljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn diese weitere Berufs­ausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, Familienbeihilfe zu. Gleichgelagert ist die Situation meines Sohnes, der nach dem Abschluss seines Studiums der RW im Juli 2012 zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine weitere Berufsausbildung, nämlich die Studien B-WS bzw. Wirtschafts­recht aufgenommen hat. Eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ist daher gerechtfertigt, weshalb für den betreffenden Zeitraum Anspruch auf FB bestand. ….“

5. Sonstiges
Laut Internet-Info der Johannes Kepler Universität (JKU) – an der JB sein Studium betrieb – lief die Zulassungsfrist für das WS 2012/13 vom bis und die Nachfrist für die Zulassung bis .

II . Über die Beschwerde wurde erwogen

1. Streitgegenstand
Strittig ist der Anspruch des Bf. auf FB und KAB für seinen Sohn JB betreffend den Zeitraum August und September 2012.
Das Finanzamt forderte die FB und den KAB für den besagten Zeitraum mit der Begründung zurück, im Zeitraum zwischen der Beendigung einer Berufsausbildung (RW-Studium des JB, das er im Juli 2012 abgeschlossen hat) und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung (Studium B-WS und Wirtschaftsrecht, das JB im WS 2012/13 und somit im Oktober 2012 begonnen hat) keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliege, der Bf. im Streitzeitraum daher keinen Anspruch auf FB (und KAB) für JB habe.
Der Bf. argumentiert dagegen, dass sich sein Sohn nach Abschluss des RW-Studiums im Juli 2012 infolge des Beginnes eines weiteren Studiums (B-WS und Wirt­schaftsrecht) zum frühestmöglichen Zeitpunkt (mit Beginn des WS 2012/13) in einer vergleichbaren Situation befunden habe, wie sie in § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 geregelt werde. Diese gesetzliche Bestimmung sei daher im Streitfall anwendbar, er habe somit für die Monate August und September 2012 Anspruch auf FB und KAB für seinen Sohn JB.

2. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt
Der Sachverhalt ist unstrittig und geht aus der obigen Darstellung des Verwaltungs­geschehens hervor:
Mit erfolgreicher Absolvierung der letzten Prüfung des Diplomstudiums der Rechts­wissenschaften am hat der Sohn des Bw. JB dieses Studium (Berufs­ausbildung) beendet.
JB meldete sich an der JKU am – innerhalb der gesetzlichen Zulassungsfrist – zum Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaft sowie Wirtschaftsrecht ab dem WS 2012 an. Nach dem Universitätsgesetz (§ 52) beginnt ein WS jeweils am ersten Oktober eines Jahres. Der Beginn des weiteren Studiums (der weiteren Berufsaus­bildung) des JB war somit der Oktober 2012.

3. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lautet:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben
a) ………
b)
für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ………………“

Im § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 in der bis geltenden Fassung war folgende Regelung enthalten:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben
…………..
d
) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten“

Mit Geltung ab (Budgetbegleitgesetz [BudBG] 2011, BGBl. I 2010/111) lautet die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 wie folgt:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben
…………..
d)
für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.“

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass das von JB bis Juli 2012 absolvierte RW-Studium eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellte und damit bis Juli 2012 für dieses Kind ein Anspruch auf FB und KAB auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmung bestand. JB war zwar ab Juli 2012 zu einem weiteren Studium (B-WS und Wirtschaftsrecht) gemeldet, dieses begann jedoch erst im Oktober 2012, nämlich mit Beginn des WS 2012/13 (siehe oben, P. II.2). Im August und September 2012 betrieb der Sohn des Bf. demnach keine Berufsausbildung (Studium) im Sinne des FLAG, sodass für ihn betreffend diese beiden Monate der FB-Anspruch nicht auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gestützt werden kann.
Der Bf. meint jedoch, dass ein derartiger Anspruch „in analoger Anwendung“ der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 besteht.
Mit der Änderung der zuletzt genannten gesetzlichen Bestimmung durch das BudBG 2011 wurde die zuvor bestehende generelle dreimonatige Verlängerung des FB-Anspruches nach Abschluss einer Berufsausbildung beseitigt. Durch diese bis Februar 2011 geltende Regelung sollte nach den Erläuterungen 312 der Beilage zu den Stenographischen Protokollen des NR (XV. GP – ) dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Kinder oft unmittelbar nach der Berufsausbildung ihre Berufstätigkeit noch nicht aufnehmen können.
Nach dem ab März 2011 geltenden Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 (in der Fassung des BudBG 2011) besteht ein FB-Anspruch für volljährige Kinder die das 24 Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginne einer weiteren Berufsausbildung, sofern diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.
Die Erläuternden Bemerkungen zu GP XXIV, RV 981, Z 4 und 5 zu §§ 2 Abs.1 lit. d und 6 Abs. 2 lit. b begründen den Wegfall der Weitergewährung der Familienbeihilfe für jeweils drei Monate nach jedem Abschluss einer Berufsausbildung mit Gründen der Budgetkonsolidierung. Damit aber während der Zeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn einer weiterführenden Ausbildung familienbeihilfen­rechtlich keine Lücke entsteht, wurde § 2 Abs. 1 lit. d in neuer Fassung in das FLAG aufgenommen. Durch diese Regelung sollte insbesondere die Zeit zwischen der Reifeprüfung und dem frühestmöglichen Beginn eines Studiums abgedeckt werden.
Eine "Schulausbildung" stellt einen besonderen Fall einer "Berufsausbildung" dar. Der Gesetzgeber wollte - dies zeigen auch die Erläuternden Bemerkungen - den bis dahin nach jedem Abschluss einer Berufsausbildung bestehenden Anspruch auf FB für jeweils drei Monate beseitigt und durch einen Anspruch auf FB nur für die Zeit zwischen dem Abschluss der "Schulausbildung" und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung (nicht mehr auf drei Monate beschränkt) ersetzen (siehe auch die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates [UFS) , RV/0534-G/12). Mit dem Begriff „Abschluss der Schulausbildung“ (und nicht „einer Schulausbildung“) in der lit. d des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck dass dieser Verlängerungstatbestand nur einmal im Laufe von verschiedenen Phasen der gesamten Berufsausbildung gewährt werden kann. Damit ist jedoch offensichtlich nicht der Abschluss eines „Studiums“ gemeint, weil sonst etwa zwischen der Ablegung der Reifeprüfung und dem Beginn eines Studiums keine FB zustünde (ebenso Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes [BFG] , RV/7103029/2014 und im Ergebnis Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 130).
Auch nach der Rechtsprechung des UFS und des BFG ist die Absolvierung eines Studiums keine „Schulausbildung“ im Sinne der angeführten Norm (siehe die bereits zitierten Entscheidungen sowie und ).

Die Bf. begehrt im vorliegenden Fall FB für die Zeit zwischen der Beendigung eines Studiums (nicht einer "Schulausbildung" iSd § 2 Abs. 1 lit d FLAG 1967), nämlich des RW-Studiums und dem Beginn einer weiteren Studiums. Für diesen Zeitraum hat aber der Gesetzgeber – wie aufgezeigt - keinen Beihilfenanspruch vorgesehen, sodass der Bf. für seinen Sohn JB betreffend den strittigen Zeitraum August und September 2012 keinen Anspruch auf FB und KAB hatte.

Wer FB und den KAB zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gem. § 26 FLAG 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückzuzahlen. Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht von zu Unrecht bezogenen Beträgen, die von subjektiven Momenten (wie etwa die Gutgläubigkeit des Bezuges dieser Beträge oder deren Verwendung für den Unterhalt des anspruchsvermittelnden Kindes) unabhängig ist.
Der angefochtene Bescheid des Finanzamtes entspricht daher der anzuwendenden Rechtslage, der Beschwerde konnte demnach kein Erfolg beschieden sein.

5. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall insoweit vor, als die Frage, ob (auch) ein Hochschulstudium als Schulausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit d FLAG 1967 angesehen werden kann, in der Judikatur des VwGH bislang noch nicht behandelt wurde.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Berufsausbildung
Schulausbildung
Studium
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5100988.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at