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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2016, RV/7200053/2015

Anspruchszinsen für Altlastenbeiträge; Anwendung eines Analogieschlusses

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7200053/2015-RS1
Es war die eindeutige und unzweifelhafte Absicht des Gesetzgebers, mit der Bestimmung des § 205 BAO (Gewährung von Anspruchszinsen) eine speziell auf die Besonderheiten der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugeschnittene Regelung zu schaffen, weshalb mangels Vorliegens einer echten Gesetzeslücke eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf andere Abgaben nicht zulässig ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache A. gegen den Bescheid des Zollamt Wien vom , Zl. c. betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die A beantragte beim Zollamt Wien in der Eingabe vom die Festsetzung des Altlastenbeitrages für die Quartale 3/2008 bis 2/2013. Dem Antrag wurde vom Zollamt im Sammelbescheid (Bescheide I. bis VI.) vom , Zl. b. Folge gegeben, die Altlastenbeitragsschuldigkeiten jeweils mit Null festgesetzt und die im Wege der Selbstbemessung entrichtenen Altlastenbeitragsbeträge im Gesamtbetrag von  € 360.814,00 (Gutschriftanzeigen zu Bescheid I: € 19.271,00, zu Bescheid II: € 188.125,00, zu Bescheid III: €  92.666,00, zu Bescheid IV: € 11.760,00, zu Bescheid V: € 32.880,00 und  zu Bescheid VI: € 16.112,00) gutgeschrieben.

Mit Schreiben vom beantragte die A die Festsetzung von Anspruchszinsen in analoger Anwendung des § 205 BAO für den Zeitraum von bis . Sofern das Zollamt Wien weder gemäß § 205a BAO noch in analoger Anwendung zu § 205a BAO Beschwerdezinsen für den Zeitraum von bis festsetzen sollte, werde in eventu in analoger Anwendung des § 205 BAO die Festsetzung von Anspruchszinsen für den Zeitraum von bis begehrt.

Gegenständlich ist vom Bundesfinanzgericht über den Eventualantrag auf Zuerkennung von Anspruchszinsen gem. § 205 Bundesabgabenordnung (BAO) zu befinden.

Die A begründete ihren Antrag auf Gewährung von Anspruchszinsen im Wesentlichen damit, eine analoge Anwendung des § 205 BAO, wonach Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben,…… mit Anspruchszinsen ….. zu verzinsen sind, sei  auch für Altlastenbeiträge geboten. Gesetzesanalogie sei immer dann möglich, wenn - wie, nach Ansicht der Antragstellerin, hier - eine Lückenhaftigkeit anhand der Ziele einer einzigen Rechtsvorschrift festgestellt wird. Nach dem Gesetzeszweck und dem Grundgedanken des § 205 BAO sollen nach dem Dafürhalten der Antragstellerin mögliche Zinsvorteile oder Zinsnachteile, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben, auch beim Altlastenbeitrag ausgeglichen werden. Ein solcher Fall liege vor. Die Selbstbemessung der Altlastenbeiträge sei auf Grund eines rechtswidrigen Standpunktes des Bundesministeriums für Finanzen (BMF), welchem die Antragstellerin zunächst gefolgt sei, erfolgt, um nicht den Tatbestand des Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenverkürzung gem. § 33 Abs. 3 lit. b Finanzstrafgesetz zu verwirklichen. Erst durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2012/07/0032 habe sich die Rechtsansicht der Verwaltung geändert. Durch die falsche Rechtsmeinung des BMF und der belangten Behörde habe die Antragstellerin aus den zu viel bezahlten Altlastenbeiträgen  einen Zinsnachteil vom 3. Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2013 erlitten.
Obwohl es sich konkret nicht um Differenzbeträge aus Einkommensteuer oder Körperschaftssteuer handelt, gebiete nach Ansicht der Antragstellerin der Gesetzeszweck des § 205 BAO eine analoge Anwendung auch auf Differenzbeträge aus Altlastenbeiträgen.

Das Zollamt Wien wies im Bescheid vom , Zl.  c. , den Antrag auf Gewährung von Anspruchszinsen als unbegründet ab, worauf gegen diese anweisende Entscheidung des Zollamtes im Schriftsatz vom Beschwerde erhoben wurde, in welcher die Beschwerdeführerin (Bf.) ihr Vorbringen im Antrag vom wiederholte. Nach Erlassung einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom , Zl.  d. , in welcher das Zollamt auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen hatte, begehrte die Bf. im Vorlageantrag vom ohne zusätzliches Vorbringen die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 ABGB darf einem Gesetze in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Nur wenn sich ein Rechtsfall weder aus den Worten noch aus dem natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden lässt, müsste § 7 1. Satz ABGB zufolge auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. Bliebe der Rechtsfall dann noch zweifelhaft, so müsste solcher gemäß § 7, 2. Satz leg. cit. mit Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden.
Analogie ist die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften auf ähnlich gelagerte Sachverhalte. Sie ist kein Mittel der Auslegung, sondern eine besondere - wegen der Problematik der Ähnlichkeit weitreichende - Ermächtigung zur Rechtsschöpfung an das zur Rechtsanwendung berufene Organ (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, Rz 136). Ein Analogieschluss setzt das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (). Eine Lücke ist nur dort anzunehmen, wo das Gesetz - gemessen an der mit seiner Erlassung verfolgten Absicht und seiner immanenten Teleologie - unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechtes als beabsichtigt anzusehen ().

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind nur Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden, b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt und c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 BAO  erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

Bereits das Zollamt führte im angefochtenen Bescheid zutreffend begründend aus, dass der Wortlaut des § 205 Abs. 1 BAO explizit von Differenzbeträgen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, auf die diese Bestimmung anzuwenden ist, spricht. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, dass diese Norm auch auf andere Steuern und Abgaben Anwendung finden sollte, so hätte er darin nicht ausdrücklich die Einkommen- und Körperschaftsteuer genannt, sondern allgemeine Begriffe wie "Steuern und Abgaben" verwendet. Das Bundesfinanzgericht teilt uneingeschränkt die Ansicht der belangten Behörde, dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden kann, dass er sich dermaßen unklar ausdrückt, wenn er in § 205 BAO von Einkommen- und Körperschaftsteuer spricht, jedoch eigentlich eine Anwendung dieser Norm auf Steuern im Allgemeinen beabsichtigt hätte. Eine echte Gesetzeslücke, die einen Analogieschluss rechtfertigen könnte, erkennt auch das Bundesfinanzgericht diesbezüglich nicht.
Nach den Gesetzesmaterialien (311 BlgNR 21. GP, 196; ebenso BMF1 AÖF 2001/226, Abschn. 2) soll die Verzinsung von Nachforderungen Anträge auf Herabsetzung von Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen unattraktiver machen sowie der Tendenz entgegenwirken, zu Nachforderungen führende Abgabenerklärungen möglichst spät und zu Gutschriften führende Erklärungen möglichst früh einzureichen (vgl. Ritz, BA0 5. Aufl. 2014, § 205, Rz 2).

Demzufolge war es die eindeutige und unzweifelhafte Absicht des Gesetzgebers, mit der Bestimmung des § 205 BAO eine speziell auf die Besonderheiten der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugeschnittene Regelung zu schaffen. Die Bf. irrt, wenn sie meint, der Gesetzeszweck des § 205 BAO gebiete eine analoge Anwendung auch auf Differenzbeträge aus Altlastenbeiträgen. Der der Beschwerde zugrunde liegende Sachverhalt lässt sich daher nicht mit Hilfe der Gesetzesanalogie, Rechtsanalogie oder durch die Heranziehung der natürlichen Rechtsgrundsätze unter den Tatbestand des § 205 Abs. 1 BAO subsumieren.

Zum Umstand, dass die Bf.in ihrem Schriftsatz vom hinsichtlich der Geltendmachung von Anspruchszinsen einen Eventualantrag gestellt hatte, wird festgehalten, dass d ie Knüpfung eines Antrages an eine innerprozessuale Bedingung grundsätzlich zulässig war. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl.  Zl. 2005/21/0041). Das Bundesfinanzgericht hatte daher seine Entscheidung in Bezug auf den Eventualantrag zur Geltendmachung von Anspruchszinsen erst nach seiner Entscheidung in Bezug auf die Geltendmachung von Beschwerdezinsen für den Zeitraum vom bis zu treffen.

Der Antrag auf Festsetzung von Anspruchszinsen nach § 205 BAO für den Zeitraum vom bis war aus den oben dargestellten Erwägungen abzuweisen.
Der Eventualantrag auf Festsetzung von Anspruchszinsen für den Zeitraum bis war zum einen abzuweisen, weil zu Recht von der Abgabenbehörde weder gem. § 205a BAO noch in  analoger Anwendung zu § 205a BAO Beschwerdezinsen festzusetzen waren (siehe Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7200054/2015 ), und zum anderen zudem aus den oben dargestellten Erwägungen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur dann zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen liegen gegenständlich nicht vor.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7200053.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at