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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.10.2015, RV/5100235/2013

§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1. Ursprünglich geplantes Studium wurde nicht begonnen; das tatsächliche Studium wurde nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen 2. subjektive Gründe für einen späteren Beginn des Studiums können nicht berücksichtigt werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bw., vertreten durch RA , gegen den Bescheid des Finanzamt Y vom , betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für K1, für die Zeit von Februar 2012 bis September 2012 in Höhe von Euro 1.688,80 für zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt hat mit Bescheid vom die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für die Tochter des Beschwerdeführers für die Zeit von Februar 2012 bis September 2012 in Höhe von Euro 1.688,80 (FB: Euro: 1.221,60; KG: Euro 467,20) unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 zurückgefordert, weil die Tochter die Matura im Jänner 2012 abgelegt habe und mit dem Studium erst im WS 2012/2013 begonnen habe.

Die dagegen eingebrachte Berufung vom wird wie folgt begründet:

"Mit dem bezeichneten Bescheid werden die im Zeitraum Februar 2012 bis Sep tember 2012 bezogene Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Tochter K1a vom Berufungswerber zurückgefordert.
Begründet wird dies unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. d Familienlastenausgleichsg esetz.
Die Entscheidung der Behörde beruht jedoch auf einem mangelhaft ermittelten Sachverhalt, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wird daher der Bescheid in seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten.
Richtig ist, dass der Einsehreiter für seine Tochter K1a im Zeitraum vom Februar 2012 bis September 2012 Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bezogen hat.
Dies deshalb, da die Tochter im Jänner 2012 die Matura abgelegt hat, die Unterlagen mit welchen bestätigt wurde, dass die Matura bestanden wurde und daher der Nachweis der erfolgreichen Absolvierung der Mittelschule jedoch erst im Februar zugestellt wurden und damit davon auszugehen ist, dass die Schulausbildung im Februar 2012 abgeschlossen war.
Zur Weitergewährung der Familienbeihilfe wurden bereits ehemals Erkundigungen von Seiten der Erstinstanz eingeholt und wurde dieser mitgeteilt, dass die Tochter beabsichtige eine Berufsausbildung an der Fachhochschule FH OÖ. StudienbetriebsGmbH, Fakultät für XX zu ab­solvieren, wobei behördennotorisch bekannt ist, dass ein Studienbeginn an dieser Fachhochschule nur mit dem Wintersemester möglich ist und daher ein "Quereinstieg" im Sommersemester nicht möglich ist.
Von wesentlicher Bedeutung ist, dass aufgrund des Umstandes, dass die Tochter bereits vorher einmal bei der Matura gescheitert ist und auch aufgrund persönlicher Differenzen mit einer bestimmten Lehrerin befürchtet hatte, dass sie den zweiten Anlauf nicht schaffen würde sich dies bereits in psychischen Problemen auswirkte, sodass eine psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen wurde.
Beweis: beiliegende Therapiebestätigung.
Um den Zeitraum bis zum möglichen Antritt der Berufsausbildung zu nutzen, hat die Tochter auch Kontakt zu den Studenten der von ihr angestrebten Fachrichtung gesucht und sich näher mit den beruflichen Erfordernissen und Zukunftsperspek tiven auseinandergesetzt.
Ebenso erfolgte eine weitergehende Studienberatung.
Im Zuge dessen und insbesondere auch aufgrund der Erfahrungen in der psychotherapeutischen Behandlung stellte sich dann heraus, dass offensichtlich das aufgrund der zuerst angestrebten Berufsausbildung sich ergebende Berufsbild nicht mit der psychischen Konstitution und den Talentlagen der Tochter in Überein­stimmung stehen. Vielmehr hat sich dann herauskristallisiert, dass die Interessens­neigung eher zu einer geisteswissenschaftlichen Richtung tendiert und erfolgte insbesondere aufgrund mehrerer Gespräche mit anderen Studenten, der Studien­beratung und weiterführenden Informationen der Entschluss, diesen eher ge gebenen Talenten nachzugehen und eine geisteswissenschaftliche  Studienrichtung zu absolvieren.
Dies wurde insbesondere bestätigt durch die im Rahmen der psychothera peutischen Behandlung sich ergebenden Veränderungen und Ergebnisse.
Es erfolgte daher im Wintersemester fristgerecht die Anmeldung bei der Uni zur Aufnahme eines Studiums der Rechtswissenschaften.
Richtig ist, dass theoretisch dieses Studium bereits mit dem Sommersemester 2012 bei der Uni begonnen hätte werden können. Zu diesem Zeitpunkt lag dies aber weder in der Zukunfts- noch in der Berufsplanung der Tochter. Es erfolgte erst duch die obgenannten Faktoren eine Umorientierung bzw. Neu orientierung, welche viel mehr den persönlichen Interessen und Fähigkeiten der Tochter entsprach.
Durch die Studienaufnahme bei der Uni entstand insofern auch keine Verzögerung im Verhältnis zum beabsichtigten Studium an der Sozialfachhochschule.
Es wurde die Berufsausbildung zu dem im ursprünglichen Zeitpunkt erstmöglichen Termin begonnen.
Es würde zu einer völligen Ungleichbehandlung führen, wenn in jenem Zeitraum, welcher gesetzlich akzeptiert wird, da ein früherer möglicher Ausbildungsbeginn nicht möglich ist, eine Umorientierung stattfindet und dann eine andere adäquate Berufsausbildung zum gleichen Termin begonnen wird und diese dann zum Verlust der Transferleistungen führt. Dies würde dazu führen, dass man Betroffene zwingen würde, die bereits erkannte falsche Berufsausbildung für ein Semester auszuüben und sodann einen Universitäts-/Berufsausbildungswechsel durchzuführen. ln diesem Fall wäre jedenfalls ein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben.
Darüber hinaus ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass aufgrund der psychischen Situation ein sofortiger Studienbeginn Mitte März 2012 an der Uni nicht möglich gewesen wäre.
Ebenso ergibt sich, dass zum Zeitpunkt des tatsächlichen Studienbeginnes auch der urspünglich geplante Studienlehrgang begonnen hätte und daher eine Abänderung diesbezüglich nicht eingetreten ist."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Tochter des Beschwerdeführers hat im Jänner 2012 die Matura erfolgreich absolviert. Sie beabsichtigte laut Beschwerdeführer die Aufnahme des Studiums an der Fachhochschule im Herbst 2012. Auf Grund einer psychischen Problematik der Tochter und der erfolgten Psychotherapien ergab sich eine Änderung der Studienrichtung. Sie begann im Herbst 2012 mit einem Studium der Rechtswissenschaften. Ein früherer Studienbeginn mit März 2012 sei ihr auf Grund der gesundheitlichen Probleme nicht möglich gewesen.
Das Finanzamt geht davon aus, dass das Studium der Rechtswissenschaften bereits im März 2012 begonnen hätte werden können.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetztes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 € für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetztes 1967 anzuwenden.

Die seit in Geltung stehende Fassung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 stellt klar und unmissverständlich auf den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Beginn der weiteren Berufsausbildung ab.

Im zu § 2 Abs. 1 lit. e FLAG (Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen Präsenz-/Zivildienst und dem frühestmöglichen Zeitpunkt des Beginns oder der Fortsetzung der Berufsausbildung) ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0057, hat der Gerichtshof zur Problematik des Beginns der Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt Nachstehendes ausgesprochen:

"Der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG erfordert nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die tatsächliche Fortsetzung oder den tatsächlichen Beginn der Berufsausbildung nach Ende des Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienstes.

Die Möglichkeit, eine bestimmte gewünschte Berufsausbildung zu einem bestimmten (frühen) Zeitpunkt zu beginnen, war auch im Jahr 1980 zur Zeit der Schaffung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG bereits fallweise von einer Bewerbung, von einem Auswahlverfahren und von einer Zulassung zur Ausbildung oder von einer Aufnahme in eine Ausbildungseinrichtung abhängig. Beschränkungen des Zugangs zu einer Berufsausbildung - auch bei Erfüllen der von der Ausbildungseinrichtung geforderten Leistung im Zuge eines Aufnahme- oder Bewerbungsverfahrens - durch die Zahl der zu vergebenden Ausbildungsplätze mögen zwar im Streitzeitraum des Jahres 2007 weit mehr verbreitet gewesen sein als im Jahr 1980, waren aber auch aus der Sicht des Gesetzgebers des Jahres 1980 bereits vorhersehbar und nicht auszuschließen. Fälle, in denen zwar der gewünschte und angestrebte Beginn der frühestmögliche nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes ist, der tatsächliche Beginn der Berufsausbildung aber wegen der erwähnten Beschränkung später erfolgt, oder Fälle, in denen die iSd § 2 Abs. 1 lit. e FLAG frühestmögliche Berufsausbildung zwar gewünscht und angestrebt wird, aber dieser Wunsch nach einem Aufnahme- oder Bewerbungsverfahren tatsächlich nicht oder nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt umgesetzt werden kann, bilden daher keine planwidrige Lücke, die durch Ausdehnen des Tatbestandes des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG auch auf jene Fälle (durch Analogie) geschlossen werden müsste.

Soweit der Beschwerdeführer die von seinem Sohn angestrebte Ausbildung an der Fachhochschule ins Treffen führt, ist der belangten Behörde im Ergebnis Recht zu geben, dass einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgespräches noch keine Ausbildung darstellen und im Falle des Unterbleibens der Ausbildung (weil der Bewerber nicht aufgenommen wurde - wobei es unerheblich ist, ob mangels hinreichender Qualifikation etwa auf Grund eines negativen Testergebnisses bei der Bewerbung oder "lediglich infolge Platzmangels" -) diese Berufsausbildung eben nicht iSd § 2 Abs. 1 lit. e FLAG begonnen wird.

Das Risiko, für einen begehrten Ausbildungsplatz nach einer zeitlich vorgestaffelten Bewerbung nicht aufgenommen zu werden, ist Berufsausbildungen, welche keinen unbeschränkten Zugang haben, immanent. Die von der belangten Behörde angesprochene Möglichkeit, eine andere als die bevorzugte Ausbildung zu beginnen, für welche keine solche Beschränkung besteht, im Beschwerdefall etwa bereits mit dem Sommersemester 2007 an der Wirtschaftsuniversität zu inskribieren, wäre nur eine von mehreren Möglichkeiten gewesen, einem solchen Risiko zu begegnen. Die andere als die bevorzugte Ausbildung erst dann zu beginnen, nachdem sich eine solche Beschränkung als schlagend erwiesen hatte und das Risiko verwirklicht war, stellt lediglich eine weitere Möglichkeit dar, auf solch ein Risiko zu reagieren."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass der tatsächliche Beginn der Berufsausbildung zum objektiv frühestmöglichen Zeitpunkt gefordert ist und andere Umstände wie Zugangsbeschränkungen, etc. unerheblich sind.
Daraus folgt aber auch, dass subjektive Gründe (wie eine Krankheit) nicht berücksichtigt werden können, wenn es darum geht, den frühestmöglichen Zeitpunkt des Beginnes der Berufsausbildung nach Beendigung der Schulausbildung zu ermitteln.  
Anderenfalls würde sich bei Berücksichtigung von subjektiven Gründen für einen späteren Beginn der Berufsausbildung ergeben, dass auch Umstände wie Zugangsbeschränkungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Die würde aber dem Erkenntnis des VwGH widersprechen.  

Die Tochter des Beschwerdeführers konnte daher nach Abschluss der Schulausbildung im Jänner 2012 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität objektiv frühestens mit Beginn des Sommersemesters 2012 im März 2012 beginnen.

Festzustellen ist auch noch, dass die Schulausbildung (Matura) mit dem Tag der Ablegung der Reifeprüfung (hier: ) als abgeschlossen gilt.

Da die Tochter des Beschwerdeführers ihre Berufsausbildung nicht zum in § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 geforderten frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen hat, wurde vom Finanzamt zu Recht die Familienbeihilfe samt den Kinderabsetzbeträgen im Beschwerdezeitraum zurückgefordert.

Über die Beschwerde war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da es zum § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 diesbezüglich noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gibt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5100235.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at