Säumniszuschlag: 1. Fälligkeit bereits vor der Zahlungsfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO eingetreten 2. bei Rechnungsberichtigung kommt Herabsetzung nach § 217 Abs. 8 BAO in Betracht
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7100479/2016-RS1 | wie RV/0415-W/05-RS2 Da der Gesetzgeber bezüglich der Gutschriften aus der Veranlagung bzw. der Gutschriftszinsen, welche andere Abgaben als die den Säumniszuschlag auslösenden Vorauszahlungen bzw. Nachforderungszinsen sind, die sinngemäße Anwendung des § 217 Abs. 8 BAO aus Rechtsschutzerwägungen anordnet, erscheint eine Ausdehnung der Anwendung der sinngemäßen Geltung der Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages auch auf Umsatzsteuerberichtigungen gemäß § 16 Abs. 3 UStG geboten, weil sich die wohl aus verwaltungsökonomischen Zwecken vorgenommene Konstruktion der Berücksichtigung der Änderung der Bemessungsgrundlage erst im Zeitraum der Änderung ebenfalls nicht zu Lasten von Rechtsschutzinteressen auswirken sollte, zumal die Umsatzsteuer für einen uneinbringlich gewordenen Umsatz zufolge der Bestimmung des § 16 UStG ex nunc wegfällt, der hiefür verhängte Säumniszuschlag ansonsten jedoch erhalten bliebe. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, vertreten durch ECA Schreiner und Schreiner Steuerberatung GmbH, Wiener Straße 74, 3500 Krems an der Donau, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 BAO zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Säumniszuschlag auf € 0,00 herabgesetzt.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt einen Säumniszuschlag in Höhe von € 662,60 fest, da die Umsatzsteuer 2011 mit einem Betrag von € 33.129,88 nicht bis zum Fälligkeitstag, dem , entrichtet worden sei.
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Beschwerdeführer (Bf.) ein, dass die Umsatzsteuer 2011 laut Buchungsmitteilung erst am fällig gewesen sei.
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Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass der Säumniszuschlag gemäß § 217 Abs. 1 BAO verwirkt sei, wenn eine Abgabe nicht spätestens zum Fälligkeitstag entrichtet werde. Das heiße, dass alleine die Tatsache der verspäteten Entrichtung für die Säumniszuschlagsvorschreibung ausschlaggebend sei, wobei aufgrund des Formalschuldcharakters der Säumniszuschlagsverpflichtung die Gründe, die zur Säumnis geführt hätten, als nicht maßgeblich zu erachten seien.
Die gesetzlichen Fälligkeiten der Umsatzsteuer seien in § 21 Abs. 1 UStG geregelt, das bedeute, dass die Fälligkeit der Umsatzsteuer für das Jahr 2011 der gewesen sei (nicht veränderbare gesetzliche Frist).
Da die Umsatzsteuer 2011 zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet gewesen sei, sei sie mit Bescheid vom und in Folge auch der Säumniszuschlag für die nicht rechtzeitige Entrichtung vorgeschrieben worden.
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Der Bf. beantragte am rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass der Säumniszuschlag aufgrund einer Umsatzsteuerfestsetzung im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2010-2012 festgesetzt worden sei. Die Betriebsprüfung habe festgestellt, dass im Prüfungszeitraum die Stornierungen von Teil- und Akontorechnungen mit einem Formalfehler durchgeführt worden seien und deshalb die Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung festzusetzen gewesen sei. Mit der Betriebsprüfung und der zuständigen betrieblichen Veranlagung sei abgeklärt worden, dass die Korrektur dieser Umsatzsteuerfestsetzung im ersten Voranmeldungszeitraum nach Abschluss der Prüfung im Mai 2015 durch Rechnungsberichtigungen und der entsprechenden Gutschrift korrigiert werde.
So sei es weder zur Nachzahlung der festgesetzten Umsatzsteuer noch zu einer Auszahlung eines Guthabens gekommen. Es habe sich nur um einen geringfügigen Formalfehler gehandelt, der keine Zahlungsauswirkung gehabt habe. Es liege damit kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vor. Der Bf. habe ein äußerst geordnetes Rechnungswesen und komme seinen steuerlichen Verpflichtungen immer pünktlich nach.
Er beantrage daher, den Säumniszuschlag nach § 217 Abs. 7 BAO nicht festzusetzen, da ihn kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung treffe.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten. Gemäß Abs. 2 beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Der Entscheidung wurde folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Anlässlich einer Betriebsprüfung (Bericht vom ) über die Jahre 2010-2012 wurde (unter anderem) für das gegenständliche Jahr 2011 eine Mietzinserhöhung für die Vermietung von Gebäudeeinheiten, Freiflächen und Maschinen an den Sohn des Bf. vorgenommen (Umsatzsteuernachforderung € 840,00) sowie eine Umsatzsteuerschuld kraft Rechnungslegung von € 32.289,88 infolge zu viel ausgewiesener Umsatzsteuer wegen Nichtabzugs der Anzahlungsrechnungen in der Schlussrechnung festgestellt und nachverrechnet. Dabei verwies die Betriebsprüfung darauf, dass diese Umsatzsteuerschuld nur bis zur Rechnungsberichtigung verbleibe.
Die Nachforderung an Umsatzsteuer 2011 von somit insgesamt € 33.129,88 erfolgte mit Bescheid vom . Für die Zahlung wurde eine Nachfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO bis gesetzt. Dieser Betrag wurde in mehreren Teilzahlungen und mit sonstigen Gutschriften bis entrichtet.
Der Unternehmer hat gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat.
Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. Enden mehrere Veranlagungszeiträume in einem Kalenderjahr (§ 20 Abs. 1 und 3 UStG), so sind diese zusammenzufassen. Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben, die alle in diesem Kalenderjahr endenden Veranlagungszeiträume zu umfassen hat (§ 21 Abs. 4 UStG 1994).
Durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung wird keine von Abs. 1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet (§ 21 Abs. 5 UStG 1994).
Werden Abgaben, ausgenommen Nebenansprüche, später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzt, so steht gemäß § 210 Abs. 4 BAO dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung der Abgabennachforderung eine Nachfrist von einem Monat ab der Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides zu.
Der Fälligkeitstag für die Umsatzsteuervorauszahlungen wird durch § 21 Abs. 1 erster Satz UStG bestimmt. Gemäß § 21 Abs. 3 UStG hat eine festgesetzte Vorauszahlung den im Abs. 1 genannten Fälligkeitstag. Kommt es auf Grund der Veranlagung zu einer Umsatzsteuernachforderung, so wird für diese gemäß Abs. 5 leg. cit. keine von Abs. 1 und Abs. 3 abweichende Fälligkeit begründet. Bescheidmäßig festgesetzte Nachforderungen an Umsatzsteuer stellen unabhängig davon, auf welchem verfahrensrechtlichen Titel der Bescheid beruht, rückständige Umsatzsteuervorauszahlungen dar, für deren Fälligkeit § 21 Abs. 1 erster Satz UStG gilt.
Da es sich bei der Umsatzsteuerveranlagung (diesfalls der ), sei es mit Erstbescheid oder mit einem im Wege der Wiederaufnahme abgeänderten Bescheid, um eine Abgabenfestsetzung nach der Fälligkeit (diesfalls der ) handelt, ist die Anlastung eines Säumniszuschlages mangels Zahlung bis zur Fälligkeit gerechtfertigt (vgl. Ruppe, UStG, 2. Auflage, § 21 Tz 41 f).
Die Zahlung innerhalb der Nachfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO (ein Monat nach Bekanntgabe des Bescheides) kann lediglich die Setzung von Vollstreckungsmaßnahmen verhindern, nicht aber die Verwirkung des Säumniszuschlages.
Gemäß § 217 Abs. 8 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
Allerdings war nunmehr aufgrund des Vorbringens des Bf. auch zu prüfen, ob eine Herabsetzung des Säumniszuschlages aufgrund der Bestimmung des § 217 Abs. 8 BAO vorgenommen werden kann.
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben gemäß § 16 Abs. 1 UStG 1994
1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und
2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.
Dazu ist festzustellen, dass die die überhöhte Umsatzsteuer ausweisende Rechnung vom Bf. nach Prüfungsabschluss gemäß § 16 UStG berichtigt und die Gutschrift mit der Umsatzsteuervoranmeldung 05/2015 geltend gemacht wurde.
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/15/0072, ordnet die Bestimmung des § 16 UStG allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung an. Die Änderungen führen nicht zu einer Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern sind erst im Zeitraum der Änderung zu berücksichtigen.
Nach den Erläuterungen zum Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 2000/142, (ÖStZ 2000, 588) betrifft eine Berücksichtigung von nachträglichen Herabsetzungen der die Säumniszuschlagsverwirkung auslösenden Abgabe Herabsetzungen der maßgebenden Abgabe unabhängig davon, ob sie etwa Folge einer Minderung der Bemessungsgrundlage, einer Anrechnung von Abzugssteuern oder einer Berichtigung der Abgabenberechnung ist. Ob die Herabsetzung der Abgabe ex tunc oder ex nunc wirkt, ist für die Anwendung des § 217 Abs. 8 BAO bedeutungslos.
Die Regelung des § 217 Abs. 8 BAO bildet somit eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass im Einhebungs- und Einbringungsrecht nur auf die Abgabenzahlungsschuld abgestellt wird und der Frage der Rechtmäßigkeit einer Abgabenfestsetzung keine Bedeutung zukommt (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, Bundesabgabenordnung, § 217 Anm. 56).
Eine Ausdehnung der Anwendung der sinngemäßen Geltung der Berechnung der Säumniszuschläge erscheint unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages auch auf Umsatzsteuerberichtigungen gemäß § 16 Abs. 1 UStG geboten, weil sich die wohl auch aus verwaltungsökonomischen Zwecken vorgenommene Konstruktion der Berücksichtigung der Änderung der Bemessungsgrundlage erst im Zeitraum der Änderung ebenfalls nicht zu Lasten von Rechtsschutzinteressen auswirken sollte, zumal die Umsatzsteuer für einen uneinbringlich gewordenen Umsatz zufolge der Bestimmung des § 16 UStG ex nunc wegfällt, der hierfür verhängte Säumniszuschlag ansonsten jedoch erhalten bliebe ().
Es darf auch nicht übersehen werden, dass der Säumniszuschlag rechtspolitisch als Druckmittel für die zeitgerechte Abgabenentrichtung gilt, welches im vorliegenden Fall nicht benötigt wird, da kein mangelnder Zahlungswille, sondern ein Formalmangel vorlag, der zur Umsatzsteuernachforderung führte ().
Da im Beschwerdefall die Nachforderung laut dem Umsatzsteuerbescheid 2011 durch die Vorsteuern laut der Umsatzsteuervoranmeldung 05/2015 in Höhe der Nachbelastung zufolge der Umsatzsteuerschuld kraft Rechnungslegung in Höhe von € 32.289,88 kompensiert wurde, ist der strittige Säumniszuschlag in sinngemäßer Anwendung des § 217 Abs. 8 BAO – selbst unter Berücksichtigung der verbleibenden € 840,00 für die Mieterhöhung - auf Null herabzusetzen, da ein Säumniszuschlag unter € 50,00 gemäß § 217 Abs. 10 BAO nicht festzusetzen ist.
Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind gemäß § 217 Abs. 7 BAO Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Da die Beschwer somit weggefallen ist, war auf das Vorbringen des Bf. hinsichtlich des Nichtvorliegens groben Verschuldens nicht mehr einzugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist zulässig, da die Entscheidung von einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängt, zu der keine Rechtsprechung vorliegt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 21 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 210 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 8 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 21 Abs. 5 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7100479.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at