Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2016, RV/6200002/2016

Vorschriftswidriges Verbringen eines Beförderungsmittels zum eigenen Gebrauch in das Zollgebiet der Europäischen Union

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerde-sache AA, geb. am 30.00.0000, mit Nebenwohnsitz gemeldet in Anschrift, vertreten durch Herrn BBB, Anschrift2, gegen den Bescheid des Zollamtes Graz vom , GZ: 700000/00000/07/2012, betreffend Entstehung einer Einfuhrzollschuld, nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
 

  • Die Bescheidbeschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
     

Gleichzeitig wird der Spruch des Abgabenbescheides vom , Zahl: 700000/00000/07/2012, wie folgt abgeändert:


"Für Frau AA, geboren am 30.00.0000, mit Nebenwohnsitz gemeldet in Anschrift, ist nach Artikel 202 Abs 1 Buchst a Zollkodex (ZK) in Verbindung mit Artikel 234 Abs 2 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) und § 2 Abs 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Zollschuld hinsichtlich des in der Schweiz unter dem amtlichen Kennzeichen XX00000 angemeldeten Personenkraftwagens der Marke BMW, Typ X6 xDrive30d, Fahrgestellnummer WBA FG X , in Höhe von € 12.800,00 (Zoll: € 4.000,00; Einfuhrumsatzsteuer: € 8.800,00) entstanden. Gemäß den §§ 108 Abs 1 und 80 Abs 2 in Verbindung mit 78 Abs 2 ZollR-DG wird zudem eine Abgabenerhöhung in Höhe von € 3.336,00 vorgeschrieben."

Entscheidungsgründe

Laut eigenen Angaben ist Frau AA erstmals zu Weihnachten 2009 und in weiterer Folge regelmäßig zwei Mal im Monat mit dem in der Schweiz zum Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeug der Marke BMW, Typ X6 xDrive30d, Fahrgestellnummer WBA FG X, nach Österreich eingereist. Zugelassen war das Fahrzeug auf das Schweizer Unternehmen C-AG, Anschrift3. Da Frau A weder einen ausländischen Wohnsitz noch ein Beschäftigungsverhältnis zur C-AG nachweisen konnte, schrieb ihr das Zollamt Graz mit Bescheid vom , Zahl: 700000/00000/07/2012, wegen der widerrechtlichen Verwendung eines ausländischen unverzollten Kraftfahrzeuges die dadurch entstandene Einfuhrzollschuld nach Art 204 ZK zur Entrichtung vor.

Mit Schreiben vom brachte Frau A durch ihren Vertreter beim Zollamt Graz fristgerecht eine Berufung gegen den Abgabenbescheid ein. Diese führte allerdings nicht zum gewünschten Erfolg. Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom , Zahl: 700000/0000/01/2013, wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Daraufhin legte Frau A, vertreten durch Herrn BBB, mit Schriftsatz vom , Blatt 265 bis Blatt 269 des Verwaltungsaktes - VA, beim Zollamt Graz gegen die BVE das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Eingangs des Schriftsatzes vertritt die Beschwerdeführerin (Bf) die Ansicht, der vorliegende Sachverhalt wäre zu ihren Gunsten bereits ausjudiziert. Die Artikel 37 Absatz 2 und 79 ZK würden im gegenständlichen Fall überhaupt nicht zur Anwendung kommen, weil keine Nichtgemeinschaftsware in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht worden sei. Bei der Einreise des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges handle es sich lediglich um einen vorübergehenden internationalen Verkehr. Ihre Argumentation untermauert die Bf, indem sie umfassend Bestimmungen aus dem Kraftfahrgesetz sowie aus dem Normverbrauchsabgabegesetz zitiert. Weiters wird in der Beschwerde ausgeführt, Frau A repräsentiere die C-AG in mehreren Ländern, so auch in Österreich, und habe "natürlich keinen Wohnsitz in der Schweiz" und sei in der Schweiz weder abgabenpflichtig noch arbeite sie dort. Frau A sei in Österreich steuerpflichtig, wenngleich ihr Einkommen unter der Einkommensteuerpflicht liege. A bschließend wird in der Beschwerdeschrift die Ansetzung einer mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung des ergangenen Bescheides und der Berufungsvorentscheidung beantragt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom  wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 85 Abs 2 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgetragen, den Mangel der fehlenden Unterschrift in der Berufung vom  gegen den Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: 700000/00000/07/2012, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Beschlusses zu beheben, andernfalls die Beschwerde als zurückgenommen gelte.

Am fand an der Außenstelle Graz des Bundesfinanzgerichts die beantragte mündliche Verhandlung statt. Im Wesentlichen wurden von den beiden Parteien zum Abgabenverfahren die bekannten Standpunkte ausgetauscht. Für das Bundesfinanzgericht ergaben sich daraus keine neuen Aspekte zur Entscheidungsfindung.

Da dem Auftrag zur Mängelbehebung nicht nachgekommen wurde, erklärte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde (frühere Bezeichnung: Berufung) mit Beschluss vom , GZ. RV/4200150/2013, gemäß § 85 Abs 2 iVm § 2a BAO als zurückgenommen.

Mit Schreiben vom bestätigte der Vertreter der Beschwerdeführerin den Erhalt des Beschlusses zum Mängelbehebungsauftrag vom . Das Schreiben sei zwischenzeitlich in Verstoß geraten. Es sei offenbar zwischen Autositz und Lehne auf den rückwärtigen Fahrzeugboden gefallen. Dort habe er heute (Anmerkung des BFG: am ) den Beschluss gefunden. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts, den er als unvorhersehbares und nicht abwendbares Ereignis sehe, beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gleichzeitig behob er den Mangel durch Übersendung einer unterfertigten Kopie der Berufung vom .

Mit Beschluss vom , GZ. RV/6200001/2016, bewilligte das BFG gegen die Versäumung der Frist zum Mängelbehebungsauftrag vom die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 310 Abs 3 erster Satz BAO).

Übergangsbestimmungen

Mit wurde der Unabhängige Finanzsenat (UFS) aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG auf das BFG über. Dementsprechend normiert § 323 Absatz 38  BAO, dass die am beim UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom BFG als Beschwerden im Sinne des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen sind.

Über die Bescheidbeschwerde wurde erwogen

Die Beschwerdeführerin unterliegt in ihrer Argumentation einem grundlegenden Irrtum, der sie zu falschen Schlussfolgerungen führt. Das Kraftfahrgesetz sowie das Normverbrauchsabgabegesetz finden verfahrensgegenständlich keine Anwendung. Gerade das Kraftfahrgesetz 1967 hätte die Bf auf die richtige Spur führen können; nach § 79 KFG ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadetzollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften (Hervorhebung durch das BFG) nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten werden. Unter welchen Bedingungen diese Einbringung zulässig ist geht ausschließlich aus dem Zollrecht hervor. Die verfahrensgegenständlich relevante Rechtslage stellt sich wie folgt dar.

Gemäß Art 202 Abs 1 Buchst a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine ein­fuhr­ab­gaben­pflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Nach § 2 Abs 1 ZollR-DG gelten das im § 1 genannte Zollrecht der Union, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex), weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Gemäß Art 214 Abs 2 ZK ist, wenn der Zeitpunkt, in dem die Zollschuld entsteht, nicht genau bestimmt werden kann, für die Bestimmung der für die betreffenden Ware geltenden Bemessungsgrundlage der Zeitpunkt maßgebend in dem die Zollbehörden feststellen, dass diese Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen.
Können die Zollbehörden jedoch aus ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld vor dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sie diese Feststellung getroffen haben, so wird der Betrag der auf die betreffende Ware zu erhebenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für die Ware in dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt galten, für den das Bestehen der sich aus dieser Lage ergebenden Zollschuld anhand der verfügbaren Angaben festgestellt werden kann.

Wie Art 232 Abs 1 ZK-DVO bestimmt, können Zoll­an­mel­dungen zur vorübergehenden Verwendung für folgende Waren durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 nach Maßgabe des Artikels 579 abgegeben werden, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden:

[...]

b) in Artikel 556 bis 561 genannte Beförderungsmittel;

[...]"

Ergibt sich bei einer Kontrolle, dass die Willens­äuße­rung im Sinne des Artikels 233 erfolgt ist, ohne dass die ver­brachten oder ausgeführten Wa­ren die Voraussetzungen der Artikel 230 bis 232 erfüllen, so gelten diese Waren nach Art 234 Abs 2 ZK-DVO als vor­schrifts­wi­drig verbracht oder ausgeführt.

Gemäß Art 137 ZK können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nicht­ge­mein­schafts­waren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.

Wie Art 138 ZK bestimmt, wird die Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auf Antrag der Person erteilt, welche die Waren verwendet oder verwenden lässt.

In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen das Verfahren der vor­über­gehen­den Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Ein­fuhr­ab­ga­ben in Anspruch genommen werden kann, wird gemäß Art 141 ZK nach dem Aus­schuss­verfahren festgelegt.

Die betreffend Beförderungsmittel ergangenen Durchführungsvorschriften finden sich in den Art 555 bis 562 der Zollkodex-Durch­führungsverordnung.

Artikel 555 Abs 1 ZK-DVO lautet auszugsweise:

„Für diesen Unterabschnitt gelten folgende Definitionen:

a) „gewerbliche Verwendung": die Verwendung eines Beförderungsmittels zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur industriellen oder gewerblichen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt;

b) „eigener Gebrauch": eine andere als die gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels;

[…]"

Art 558 Abs 1 ZK-DVO lautet auszugsweise:

„Die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel bewilligt, die

a) außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind; in Ermangelung einer amtlichen Zulassung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die betreffenden Fahrzeuge einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person gehören;

b) unbeschadet der Artikel 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet werden […]"

Artikel 561 Abs 2 ZK-DVO lautet:

"Die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben wird bewilligt, wenn Beförderungsmittel, die einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person gehören, von einer bei dieser Person angestellten oder anderweitig von ihr zur Verwendung ermächtigten natürlichen, im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Person gewerblich oder zum eigenen Gebrauch verwendet werden sollen.

Eigener Gebrauch ist gestattet, sofern er im Anstellungsvertrag vorgesehen ist.

[...]."

In der Gemeinschaft ansässige Personen sind im Fall einer natürlichen Person in Art 4 Z 2 ZK legal definiert als eine Person, die in der Gemeinschaft ihren normalen Wohnsitz hat. Gemäß § 4 Abs 2 Z 8 ZollR-DG bedeutet im Zollrecht „normaler Wohnsitz“ oder „gewöhnlicher Wohnsitz“ jenen Wohnsitz (§ 26 der Bundesabgabenordnung) einer natürlichen Person, an dem diese wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle einer Person ohne berufliche Bindungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb des Zollgebiets der Union aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt.

§ 108 Abs 1 ZollR-DG lautet:

"Entsteht außer den Fällen des Abs 2 eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Zollbehörde selbst ein überwiegendes Verschulden an der Entstehung der Zollschuld oder an der Nacherhebung oder am entstandenen Nebenanspruch trifft. § 80 Abs 1 ist sinngemäß anwendbar. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Verwaltungsabgaben nach § 105 bleibt unberührt."

 

Der maßgebliche Sachverhalt ist im gegenständlichen Verfahren nicht strittig. Laut eigenen Angaben ist Frau AA erstmals zu Weihnachten 2009 für drei Wochen und in weiterer Folge regelmäßig zwei Mal im Monat mit dem verfahrensgegenständlichen, unverzollten, in einem Drittland zum Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeug nach Österreich eingereist. Strittig ist die Frage, ob die Einbringung und anschließende Verwendung im Zollgebiet der Europäischen Union nach den zollrechtlichen Vorschriften zulässig war.

Im Beschwerdefall ist von einem eigenen Gebrauch des Beförderungsmittels im Sinne des Art 555 Abs 1 Buchst b ZK-DVO auszugehen, da unstrittig kein Fall einer Per­so­nen­be­för­derung gegen Entgelt vorliegt.

Die Bewilligung der vorübergehenden Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben setzt nach Art 558 Abs 1 Buchst b ZK-DVO voraus, dass das betreffende Beförderungsmittel von einer außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union an­sässi­gen Person verwendet wird. Frau A nannte am in der niederschriftlich festgehaltenen Einvernahme durch die Finanzpolizei die Adresse, Schweiz, als ihre Wohnanschrift. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass es sich bei dieser Adresse um die Firmenanschrift der C-AG handelt, behauptete die Bf erstmals im Berufungsschreiben vom  "natürlich keinen Wohnsitz in der Schweiz" zu haben. Die widersprüchlichen Angaben der Bf zum Wohnsitz gipfelten schließlich in der Aussage "Es tut mir leid, aber ich weiß einfach nicht wo ich wohne" (Seite 5 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 des Finanzstrafgesetzes vom , Blatt 90 des VA). Somit ist der Wohnsitz von Frau A zum Zollschuldentstehungszeitpunkt April 2010 in freier Beweiswürdigung nach den gesetzlichen Vorgaben des § 4 Abs 2 Z 8 ZollR-DG von Amts wegen zu ermitteln.

Nach den zuletzt getätigten Aussagen der Frau A, in der Berufung vom und in der Beschwerde vom , verfügte sie nie über einen Wohnsitz in der Schweiz. Laut Zentralem Melderegister waren sie sowie ihre zwei minderjährigen Kinder von bis  in der Anschrift4, dem Wohnsitz der Mutter von Frau A, gemeldet. Vom bis lautete die Meldeadresse Anschrift5. Da Frau A in der niederschriftlichen Einvernahme vom einräumte, das Fahrzeug erstmals zu Weihnachten 2009 drei Wochen lang in Österreich verwendet zu haben und in diesem Zusammenhang aussagte, dass sie ihren Hauptwohnsitz bis in der Anschrift4a, hatte, ist nach Ansicht des BFG der Schluss zulässig, dass sie dorthin bereits nach der Abmeldung in Seiersberg gezogen ist. Die unterlassene Anmeldung am neuen Wohnsitz in Graz musste sie im Februar 2011 nachholen, weil sie am , dem Tag ihrer behördlichen Anmeldung(!), einen Staatsbürgerschaftsnachweis (Blatt 28 des VA) und am einen Personalausweis der Republik Österreich ausgestellt bekam (Blätter 11 und 12 des VA). Da eine berufliche Bindung an einem bestimmten Ort außerhalb des Zollgebietes der Europäischen Union von Frau A nicht nachgewiesen und von der Behörde nicht festgestellt werden konnte, gilt der Ort der persönlichen Bindung als Wohnsitz der Frau A. Und dieser lag nach Ansicht des BFG im maßgeblichen Zeitraum in der Anschrift4a, weil dort ihre beiden minderjährigen Kinder bei ihrer Mutter wohnten und sie sich dort auch - eigenen Angaben zufolge - regelmäßig aufgehalten hat. Als maßgeblicher Zeitraum gilt verfahrensgegenständlich die Zeit zwischen Weihnachten 2009, der laut Angaben von Frau A erstmaligen Verbringung des gegenständlichen Fahrzeugs nach Österreich, und dem , der letztmaligen widerrechtlichen Verwendung des Fahrzeugs im Zollgebiet, bevor es vom Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz beschlagnahmt wurde. Somit kann sich Frau A bezüglich der Verwendung des ausländischen unverzollten Kraftfahrzeugs nicht auf die Befreiungsbestimmung des Art 558 Abs 1 ZK-DVO berufen. 

Soweit die Voraussetzungen des Art 558 Abs 1 ZK-DVO nicht erfüllt sind, ist ein eigener Ge­brauch eines Beförderungsmittels nach Art 561 Abs 2 zweiter Unter­ab­satz nur zulässig, wenn ein Anstellungsverhältnis vorliegt und der eigene Ge­brauch darin ausdrücklich vor­gesehen ist (vgl , Gábor Fekete; ). 

In ihrer ersten Vernehmung in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit sagte Frau A am aus, sie arbeite - mit Unterbrechungen - seit vier Jahren als Projektberaterin für die C-AG. Nach Beendigung eines Projektes werde eine Verrechnung über das Unternehmen vorgenommen und dann bekomme sie den Betrag ausbezahlt. Am beantwortete sie im Rahmen einer finanzstrafbehördlichen Vernehmung die Frage, ob es einen Anstellungsvertrag bei der C-AG gebe, mit einem klaren Nein (Blatt 57 des VA). Im März 2013 übermittelte das Schweizer Unternehmen dem Zollamt Graz eine Kopie eines so genannten Dienstvertrages, abgeschlossen zwischen der C-AG und Frau AA.

Trotz mehrmaliger Aufforderung durch die belangte Behörde war Frau A entweder nicht in der Lage oder nicht willens das Exemplar mit der notariellen Bestätigung im Original vorzulegen. Darüber hinaus fehlt auf dem angeblichen Dienstgeberexemplar die Unterschrift von Frau A. Abgesehen von der Frage, ob aus diesem Grund überhaupt ein gültiger Vertrag zustande gekommen ist, drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Dienstvertrag gefälligkeitshalber nachträglich erstellt wurde, zumal Frau A in der Niederschrift vom über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 des Finanzstrafgesetzes zu Protokoll gab, sie sei die Freundin des Vorstands und könne mit dem Auto tun und lassen was sie wolle (Blatt 117 des VA). Erhärtet wird der Verdacht durch den Umstand, dass im maßgeblichen Zeitraum keine Zahlungen von der C-AG an Frau A erfolgt sind. In einer Vorhaltbeantwortung (Blatt 208 und 209 des VA) erklärte die C-AG, dass Frau A ihre ersten Provisionen erst nach dem angefragten Zeitraum (Anmerkung des BFG: Zeitraum vom bis ) bezogen habe. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird bezüglich weiterer Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen von Frau A und denen der C-AG auf die Ausführungen in der BVE des Zollamtes Graz vom (Blatt 236 ff des VA), Seite 10 letzter Absatz und Seite 11, verwiesen.

Frau A hat im verfahrensrelevanten Zeitraum von Weihnachten 2009 bis zum kein einziges Projekt für die C-AG abgeschlossen und dafür auch keine Provisionen erhalten. Ein betrieblicher Nutzen für das an sich gewinnorientierte Unternehmen ist somit nicht erkennbar. Aus den genannten Gründen gelangt das BFG, wie schon zuvor die belangte Behörde, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht, dass Frau A für die C-AG niemals beruflich tätig war, sondern ihr die private Nutzung des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeugs aufgrund eines Naheverhältnisses zu einem Arbeitnehmer des Unternehmens, etwa dem Ehemann als angeblichem Vorstandsmitglied, gestattet wurde. Mangels Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen kommt somit auch nach Art 561 Abs 2 ZK-DVO eine vollständige Befreiung von den Eingangsabgaben für das in Rede stehende Fahrzeug nicht in Betracht. Das dazu ergangene strafrechtliche Erkenntnis ist mittlerweile rechtskräftig.

War die vorübergehende Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Ein­fuhr­ab­gaben des Fahrzeuges im Beschwerdefall unzulässig, dann handelte es sich nicht um ein in Art 558 bis 561 genanntes Beförderungsmittel im Sinne des Art 232 Abs 1 Buchst b) ZK-DVO. Die Fiktion des Art 234 Abs 1 ZK-DVO über die Gestellung und Über­las­sung konnte daher nicht greifen.

Da sich somit bei einer Kontrolle ergab, dass die Willensäußerung im Sin­ne des Art 233 ZK-DVO anlässlich der Einfuhr erfolgte, ohne dass der ver­brachte PKW die Vor­aus­setzun­gen des Art 232 Abs 1 Buchst b ZK-DVO er­füll­te, gilt diese Ware ge­mäß Art 234 Abs 2 ZK-DVO als vor­schrifts­widrig ver­bracht mit der Folge, dass die Zollschuld für das Fahrzeug nach Art 202 Abs 1 Buchst a ZK entstanden ist. Aus diesem Grund hatte des BFG den Spruch des Abgabenbescheides mit der vorliegenden Entscheidung entsprechend zu ändern.

Betreffend die Einfuhrumsatzsteuer als sonstige Eingangsabgabe sind nach § 2 Abs 1 ZollR-DG die Bestimmungen des Zollrechts anzuwenden.

Entsteht eine Zollschuld unter anderem nach Art 202 ZK, dann ist gemäß § 108 Abs 1 ZollR-DG eine in dieser Bestimmung näher geregelte Abgabenerhöhung zu entrichten.

Die Festsetzung des Zollschuldentstehungszeitpunktes durch das Zollamt Graz mit ist im Hinblick auf die Bestimmung des Art 214 Abs 2 zweiter Unterabsatz ZK in Verbindung mit Art 221 Abs 3 ZK nicht zu beanstanden.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Verfahren ist eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennbar, zumal das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht sowohl der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes als auch der des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 232 Abs. 1 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1
Art. 555 Abs. 1 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1
Art. 4 Z 2 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
§ 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 561 Abs. 1 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.6200002.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at