Teilweise Nachsicht, da in der mündlichen Verhandlung das Angebot der Teilzahlung deutlich erhöht wurde
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101058/2013-RS1 | Im Rahmen des Ermessens ist der durch eine teilweise Nachsicht bewirkten Sanierung eines Unternehmens und der damit verbundenen Weiterexistenz des Steuersubjektes der Vorrang gegenüber einem Insolvenzverfahren, im Rahmen dessen die Finanzverwaltung nur eine Quote erhalten würde, zu geben. |
RV/7101058/2013-RS2 | Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der verfahrensgegenständlichen Abgaben gefährdet wäre (vgl. ; , mwN). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M. in der Beschwerdesache Stiftung, Wien, vertreten durch HFP Steuerberatungs GmbH, Wien, über die Beschwerde der Abgabepflichtigen vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom über die Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit von Vorstand, B. als steuerlicher Vertreterin, HR Dr. als Vertreter des Finanzamtes sowie der Schriftführerin zu Recht erkannt:
Der in der mündlichen Verhandlung modifizierten Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Der Stiftung wird gemäß § 236 BAO die teilweise Nachsicht eines Betrages von € 109.359,81 unter der Bedingung gewährt, dass - nach am erfolgter Zurückziehung der Beschwerden gegen die Abgabenbescheide - ein Teilzahlungsbetrag von € 241.702,99 binnen 14 Tagen nach Zustellung des Erkenntnisses auf das Abgabenkonto entrichtet wird.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom beantragte die Stiftung (in weiterer Folge: Bf.) eine Nachsicht mit der Begründung, dass im Zuge einer Betriebsprüfung die Gemeinnützigkeit der Bf. aberkannt worden sei mit der Konsequenz, dass die abgabenrechtlichen Begünstigungen (10% USt, keine Köst) rückwirkend verwehrt worden seien. Des Weiteren sei der Vorsteuerabzug 2008 gestrichen worden, weil die Stiftung nach Meinung der Betriebsprüfung seit 2006 keine betriebliche Tätigkeit mehr entfaltet habe.
Die Betriebsprüfung sei formal am abgeschlossen worden. Die dazugehörigen Bescheide seien ebenfalls mit erlassen worden. Die Frist zur Einbringung einer Berufung gegen diese Bescheide sei bis gewährt worden.
Der nunmehr auf dem Abgabenverrechnungskonto ersichtliche Rückstand in Höhe von € 318.440,95 setze sich wie folgt zusammen:
Steuernachzahlungen
UST 2004, 2005, 2007, 2008: € 210.219,37
Köst 2004, 2005, 2006, 2007, 2008: € 87.973,15
WA 2004, 2005: € -3.947,79
€ 294.244,73
Nebengebühren
Anspruchszinsen 2004, 2006: € 14.211,56
Säumniszuschlag 2005 – 2009: € 4.225,92
Stundungszinsen 2012: € 6.306,11
€ 24.743,59
Zwischensumme: € 318.988,32
Köst 2009: € -347,37
Köst 2010:€ -200,00
Rückstand vom : € 318.440,95
Aufgrund der Nachzahlungen It. Betriebsprüfung zeige die Bilanz zum eine buchmäßige Überschuldung von € -256.678,75.
Im Zuge einer am stattgefundenen Vorstandssitzung (siehe Beilage) sei unter TO 5 die Liquiditätsproblematik und der Fortbestand der Stiftung vom Stiftungsvorstand diskutiert und folgende Beschlüsse gefasst worden:
a. Die derzeitigen Aktivitäten zur Neuakquisition von Aufträgen und Umsätzen werden weiter verstärkt
b. Die Rechnungskorrekturen betreffend Umsatzsteuer sind unverzüglich umzusetzen
c. Mit der Finanzbehörde werden unabhängig von der internen Evaluierung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittelverfahrens Verhandlungen über eine Teilnachsicht und eine Ratenzahlungsvereinbarung geführt
d. Weiters werden mit der Finanzbehörde Verhandlungen zur weiteren Vorgehensweise für den Fall geführt, dass die Verhandlungen zu lit. c. ergebnislos verlaufen. Insbesondere ist dabei zwischen einem Insolvenz- oder einem Liquidationsverfahren abzuwägen.
Zu der Umsetzung dieser Beschlüsse ist Folgendes festzuhalten:
Ad a:
Die bisherigen Bestrebungen des Stiftungsvorstandes, neue Projekte zu akquirieren, auch bedingt durch die gegenwärtige Wirtschaftslage in Österreich, waren nicht von Erfolg gezeichnet.
Ad b.
Die angesprochenen Rechnungskorrekturen mit früheren Kunden, wurden sofern die damaligen Empfänger der Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, vom Stiftungsvorstand sofort durchgeführt. Insgesamt konnte aus diesem Titel ein Liquiditätszufluss von EUR 138.418,60 verzeichnet werden.
Unter Berücksichtigung der darüber hinaus frei verfügbaren Liquidität verbleibt ein Guthaben von EUR 150.000,00, welches jederzeit zur Überweisung gebracht werden kann.
Ad c.
Auch nach Berücksichtigung der zusätzlichen Liquidität aus den Rechnungskorrekturen verbleibt ein Fehlbetrag von EUR 168.000 und somit eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Stiftung. Mit einer Nachstiftung oder der Zufuhr von liquiden Mitteln durch den Stifter ist nicht zu rechnen.
Um die Stiftung fortzuführen ist daher eine Teilnachsicht des vorgeschriebenen Nachzahlungsbetrages unabdingbar. Der Fortbestand der Stiftung hätte aus Sicht der Finanzbehörde den Vorteil, dass keine Kosten für ein Insolvenzverfahren oder die Liquidierung der Stiftung anfallen, die zu Lasten der an die Finanzbehörde zu leistenden Quote (im Falle Insolvenz) bzw. dem Verwertungserlös (im Falle Liquidation) ginge.
Der Vorstand der Bf. bietet daher folgenden Zahlungsvorschlag an:
Einmalige Sofortzahlung von € 150.000,00 mit gleichzeitigem Verzicht auf die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen die Feststellungen der Betriebsprüfung gegen Nachlass des dann auf dem Finanzamtsverrechnungskonto verbleibenden Abgabenrückstandes von rd. € 168.000,00.
Für die Finanzbehörde hätte dies den Vorteil, dass
• der Verzicht auf ein Rechtsmittel keine weiteren Kosten für steuerliche und juristische Beratung verursacht und damit das Zahlungspotential für die Finanzbehörde nicht geschmälert wird,
• der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens vor dem UFS bzw. in der Folge vor dem Verwaltungsgerichtshof ungewiss ist. Weder Vertreter der Finanzbehörde noch wir als Steuerberater haben Entscheidungen bzw. Erkenntnisse zum Thema: "Erfüllt das zur Diskussion stehende Druckwerk die Kriterien für eine Förderung der Allgemeinheit auf geistigem, kulturellem, sittlichen oder materiellen Gebiet. Der Ausgang des Verfahrens ist für alle Beteiligten ungewiss.
• durch den Forderungsnachlass der Fortbestand der Stiftung sichergestellt ist, die Kosten für eine Insolvenz bzw. Liquidierung der Stiftung wegfallen und dadurch das Zahlungspotential an die Finanzbehörde nicht geschmälert wird.
Wir ersuchen unseren Vorschlag mit den zuständigen Fachabteilungen zu besprechen. Für weitere Fragen bzw. Gespräche stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Auszug aus dem beigelegten Protokoll vom :
"Der Vorstand erörtert die Auswirkungen, falls das Berufungsverfahren nicht gewonnen werden kann oder ein Rechtsmittel mangels Erfolgsaussichten nicht eingebracht wird. Bei einer Verbindlichkeit gegenüber der Finanzbehörde in Höhe von € 308.456,29, einer verfügbaren Liquidität auf dem Konto von ca. € 40.000,-- und einer möglichen Zufuhr von weiterer Liquidität aus Rechnungskorrekturen in Höhe von € 110.000,-- würde sich ein Fehlbetrag von ca. € 160.000,00 und somit eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Stiftung ergeben. Mit einer Nachstiftung oder der Zufuhr von liquiden Mitteln durch den Stifter ist nicht zu rechnen.
Ohne die Generierung von zusätzlichem Geschäft kann die Stiftung daher nicht fortgeführt werden. Grundsätzlich sieht der Vorstand dafür zwar ein - wenn auch begrenztes - Potential, jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in dem Umfang, der zur Bedienung der gesamten Verbindlichkeiten erforderlich wäre. Eine Teilnachsicht des vorgeschriebenen Nachzahlungsbetrages in Verbindung mit einer Ratenzahlungsvereinbarung würde die Erfolgsaussichten einer Fortführung deutlich erhöhen. Damit wäre für die Finanzbehörde auch ein höherer Nachzahlungsbetrag erzielbar als im Falle einer sofortigen Insolvenz oder Liquidation.
Schließlich erörtert der Vorstand die Vorgehensweise, wenn die Verhandlungen mit der Finanzbehörde zu einer Teilnachsicht und einer Ratenzahlungsvereinbarung negativ verlaufen. Nach Einschätzung des Vorstandes wäre die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens weder für die Stiftung noch für die Finanzbehörde sinnvoll, da die Finanzbehörde einziger Gläubiger der Stiftung ist und die Kosten eines Insolvenzverfahrens voll zu Lasten der an die Finanzbehörde zu leistenden Quote ginge. Es sollte daher die Abwicklung der Stiftung so erfolgen, dass der Vorstand einen Auflösungsbeschluss fasst, das verfügbare Stiftungsvermögen zur zumindest teilweisen Abdeckung der Verbindlichkeiten bei der Finanzbehörde verwendet wird und die Finanzbehörde im Rahmen des Liquidationsverfahrens ihre Erklärungen so abgibt, dass eine Löschung der Stiftung ermöglicht wird. Bei dieser Vorgangsweise, bei der die Finanzbehörde mitzuwirken hätte, wäre die aus Sicht der Finanzbehörde bestmögliche Verwertung des restlichen Stiftungsvermögens erreicht, wenn schon eine Fortführung der Stiftung nicht möglich wäre."
Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde der Antrag auf Nachsicht der Abgabenschuld der Bf. vom um Bewilligung einer Nachsicht in Höhe von € 168.440,95 abgewiesen.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß § 236 BAO auf Antrag des Abgabenpflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden können, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe könne nach geltender Judikatur eine persönliche oder sachliche sein. Gemäß Verwaltungsgerichtshof müsse Unbilligkeit im Einzelfall vorliegen. Persönliche Unbilligkeit könnte sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabenschuldners ergeben, insbesondere wenn sich daraus die Existenzgefährdung des Abgabenpflichtigen ergeben würde oder zur Entrichtung der Abgabenschuld Vermögenswerte verschleudert werden müssten, um dieser Existenzgefährdung zu entgehen.
Sachliche Unbilligkeit liege dann vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen müsse seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld auslöse, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei (,0265).
Gemäß Verwaltungsgerichtshof (2004/16/0151 vom ; 2000/14/0112 vom ) liege die Nachsicht im Ermessen der Behörde. Aus der Bejahung einer Unbilligkeit ergebe sich somit kein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Nachsicht.
Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung sei, so sei für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, wenn die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneine ().
Sachliche Unbilligkeit werde nicht vorgebracht und würde aufgrund der ordnungsgemäßen Betriebsprüfung auch ins Leere gehen. Es seien lediglich Interpretationsdifferenzen zu einzelnen Geschäftsfeldern aufgezeigt worden. Diese Feststellungen seien Ausfluss der momentan allgemein gültigen Rechtslage; dass es hierzu kaum höchstgerichtliche Erkenntnisse gebe, könne daher nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit im Einzelfall konstruiert werden.
Aus der Formulierung des Ansuchens könnte auf persönliche Unbilligkeit geschlossen werden, wenn nicht der zugrunde liegende materiell-rechtliche Sachverhalt ungeklärt wäre. Es werde lediglich die Möglichkeit angeführt, dass die Forderung der vollen Abgabenforderung zur Vernichtung des Unternehmens führen könnte bzw. nur zum Teil einbringlich gemacht werden könnte.
Dabei werde jedoch völlig außer Acht gelassen, dass die Bundesabgabenordnung Möglichkeiten zu einer Entrichtung ohne unmittelbare Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens vorsehe (z.B. Ratenvereinbarung).
Eine solche Möglichkeit sei durch das Unternehmen nicht einmal angedacht worden. Und – es handle sich ja auch nicht um Altrückstände, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden sei, weshalb die Finanzbehörde auch aus der vorgebrachten Kosten-Nutzen-Rechnung (sofortige Abstattung des Teilbetrages, dafür kein langwieriges Rechtsmittel) nichts zu gewinnen habe. Laut Angabe würden die Aktivitäten zur Akquirierung neuer Aufträge und Umsätze weiter fortgesetzt, d.h. die unternehmerische Tätigkeit soll fortgeführt und wieder in die Gewinnzone geführt werden. Worin da nunmehr eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung liegen soll, könne die Behörde nicht nachvollziehen.
Das Vorliegen einer Unbilligkeit sei daher zu verneinen.
Außerdem liege es nicht im Sinne des Gesetzgebers, mit dem Nachsichtsverfahren ein Rechtsmittelverfahren zu umgehen, nur weil dies für alle Verfahrensbeteiligten "kostengünstiger" und weniger aufwändig wäre (dabei werde jedoch der Forderungsverzicht der öffentlichen Hand wohlweislich außer Acht gelassen).
In der dagegen eingebrachten Berufung vom wird der Spruch des Bescheides in inhaltlicher Hinsicht angefochten. Es werde beantragt, der Nachsicht stattzugeben und von der Einhebung des Teilbetrages in Höhe von € 170.513,49 antragsgemäß abzusehen.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass im Falle der Bf. die Summe der nachzuzahlenden Abgabenforderungen € 318,440,95 betrage. Eine Einhebung dieses Betrages wäre nach Auffassung der Bf. und bei Kenntnis der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Bf. jedenfalls unbillig im Sinne des Gesetzeswortlautes.
Die ständige Judikatur unterscheide zwischen der persönlichen und der sachlichen Unbilligkeit, wobei es für die persönliche Unbilligkeit genüge, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre. Jedenfalls sei persönliche Unbilligkeit im Falle einer Existenzgefährdung gegeben (; ).
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liege laut regelmäßiger Rechtsprechung des VwGH vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete und es zu einer anomalen Belastungswirkung sowie, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu atypischen Vermögenseingriffen komme (; ) .
Dies sei laut Kommentar zur BAO (Ritz, BAO3, § 236, RZ 11) ,"grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt."
Der aus dieser anomalen Belastungswirkung und im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch einer Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen müsse aus einem außergewöhnlichen Geschehensablauf resultieren, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst habe, die außerdem ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei ().
Wie bereits in dem Schreiben vom kurz erläutert sei die Bf. im Zuge einer Betriebsprüfung die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Die Bf. sei im Jahr 2000 als gemeinnützige Stiftung iSd § 35 BAO gegründet worden. Ihr Vereinszweck bestehe in der Förderung der Allgemeinheit durch die Verbreitung von Informationen in Form von Druckschriften insbesondere zum Thema Bauen, Wohnen und Leben in der Stadt. Mit einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit im Zuge der Betriebsprüfung sei nicht zu rechnen gewesen und es sei in diesem Sachverhalt jedenfalls ein, für die sachliche Unbilligkeit relevanter, außergewöhnlicher Geschehensablauf ersichtlich.
Als Konsequenz der Aberkennung der Gemeinnützigkeit sei der Bf. rückwirkend die abgabenrechtlichen Begünstigungen (10% USt, Befreiung von der KöSt) verwehrt worden. Daraus ergebe sich für die Jahre 2004 - 2008 eine Steuernachzahlung von € 298.192,53.
Weiteres sei im Jahr 2008 der Vorsteuerabzug gestrichen worden, da seitens der Stiftung seit 2006 keine betriebliche Tätigkeit mehr entfaltet worden sei.
In Summe werden durch diesen atypischen, außergewöhnlichen und weder für die Bf. noch für ihre steuerliche Vertretung vorhersehbaren Geschehensverlauf Steuernachzahlungen und Nebengebühren in Höhe von € 318.440,95 fällig. Diese seien nach Meinung der Bf. unproportional hoch im Verhältnis zu dem auslösenden Sachverhalt und begründen folglich eine in diesem Einzelfall auftretende sachliche Unbilligkeit.
Wie bereits im Schreiben vom dargestellt betrage der nunmehr auf dem Abgabenverrechnungskonto ersichtliche Rückstand € 318.440,95, der sich aufgrund zusätzlicher Nebengebühren bis heute auf € 320.513,49 erhöht habe.
Der Rückstand vom beträgt € 320.513,49.
Der Rückstand lasse sich folgendermaßen aufgliedern:
UST 2004, 2005, 2007, 2008: € 210.219,37
Köst 2004, 2005, 2006, 2007, 2008: € 87.973,15
WA 2004, 2005: € -3.947,79
€ 294.244,73
Nebengebühren
Zinsen 2004, 2006: € 14.211,56
Säumniszuschlag 2004: € 1.787,10
Säumniszuschlag 2005 – 2009: € 4.225,92
Anspruchszinsen 2004: € 285,44
Stundungszinsen 2012: € 6.306,11
€ 24.743,59
Zwischensumme: € 318.988,32
Köst 2009: € -347,37
Köst 2010: € -200,00
Rückstand vom : € 318.440,95
Aufgrund der Abgabennachzahlungen lt. Betriebsprüfung zeigt die Bilanz der Bf. zum eine buchmäßige Überschuldung von EUR -256.678,75.
Die Einhebung der vorgeschriebenen Abgabennachzahlungen stelle bei genauer und umfassender Betrachtung der Ereignisse eine nicht zu billigende Härte dar. Die wirtschaftliche Existenz der Bf. werde gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet, weshalb hier die Nachsicht gemäß § 236 BAO klassischerweise anwendbar sei.
Schließlich soll über die Bestimmung zur Gewährung der Nachsicht der Abgabenbehörde die Möglichkeit eröffnet werden, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern (vgl. ).
Entgegen den Ausführungen in dem Bescheid vom sei die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliege, keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (; , 94/13/0047, 0049, 0050).
Bejahe die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit in der Einhebung der Abgabe, so schließe sich daran die Ermessensentscheidung der Bewilligung der Nachsicht (; , 2004/16/0151).
Die Ermessensentscheidung sei dem § 20 BAO zufolge nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Bei der Ermessensübung werde vor allem das bisherige steuerliche Wohlverhalten sowie die schwierige wirtschaftliche Situation der Abgabenschuldnerin im Sinne der Vermeidung von Härten zu berücksichtigen sein. Außerdem sei seitens der Bf. bereits in dem vorangegangenen Schreiben vom angeboten worden, ihrer Verpflichtung aus der Zahlung von Abgabenrückständen mit einem Betrag von € 150.000,00 nach Kräften nachzukommen. Eine darüber hinausgehende Zahlung würde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Privatstiftung bei weitem überschreiten und zu einer insolvenzrechtlich bedeutsamen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Bf. führen.
Das wirtschaftliche Missverhältnis zwischen der Einhebung der nachzuzahlenden Abgabenbeträge und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen sei offensichtlich und begründe den Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung".
Sollte dieses Rechtsmittel zur Entscheidung an den UFS vorgelegt werden, so werde bereits jetzt die Anberaumung eines Erörterungstermins sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Abschließend werde ersucht, in objektiver Beurteilung der angeführten Sachlage im Sinne des Antrags zu entscheiden.
Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde die Berufung abgewiesen. Nach Darstellung der relevanten VwGH-Judikatur wurde ausgeführt, dass die Bf. mit Stiftungsurkunde vom vom Stifter errichtet worden sei.
Im Zeitraum ab 2003 habe die Betätigung der Bf. insbesondere in der Herausgabe der Monatszeitschrift bestanden, die von 2004 bis März 2005 ausschließlich für die Mieter von Gemeindewohnungen erstellt, produziert und kostenlos verteilt worden sei .
Hauptkosten seien Ausgaben für die redaktionelle Arbeit (Honorarnoten von Redaktionsmitarbeitern und Fremdhonorare), für den Druck und die Verteilung gewesen. Finanziert worden seien die Ausgaben durch Werbeinserate verschiedener Firmen, sowie diversen Beträgen.
Mit Rechnung vom seien die Zeitschriften-Rechte verkauft und das Zeitungsgeschäft eingestellt worden.
Eine Außenprüfung gemäß § 150 BAO für die Jahre 2004 bis 2008 habe zu Abgabennachforderungen in Höhe von etwa € 300.000,00 geführt. Entgegen der Meinung der Bf. sei das Finanzamt nämlich zur Schlussfolgerung gekommen, dass die Tätigkeit dieser Stiftung nicht als gemeinnützig im Sinne der §§ 34 ff BAO anzusehen gewesen sei (für Details siehe Bericht über die Außenprüfung vom ). Dies habe zur Neuberechnung an Körperschaftsteuer (insbesondere für das Jahr 2004) sowie an Umsatzsteuer für 2004 und 2005 geführt, da die erzielten Umsätze nicht dem ermäßigten, sondern dem Normalsteuersatz zu unterwerfen gewesen seien. Außerdem sei der Vorsteuerabzug für das Jahr 2008 versagt worden, da zu diesem Zeitpunkt keine unternehmerische Tätigkeit mehr ausgeübt worden sei.
Damit stellen sich diese Nachforderungen jedoch als Auswirkungen generell wirkender Normen dar, sachliche Unbilligkeit sei somit nicht gegeben (siehe auch Ritz, BAO4, § 236, Tz. 13). Auch die Folgen des allgemeinen Unternehmerwagnisses, etwa weil nicht genügend hohe Preise für die Einschaltungen erzielt worden seien, stellen keine sachliche Unbilligkeit dar.
Es wäre also noch zu untersuchen, ob eventuell persönliche Unbilligkeit vorliegen könnte. Dazu sei anzuführen, dass eine allfällige Verschleuderung von Vermögenswerten, wie in der Literatur oft als Beispiel angeführt, vom Antragsteller nicht einmal behauptet worden sei. Auch eine eventuelle Gefährdung der "Existenz des Abgabepflichtigen und seiner Familie" sei im Falle einer Privatstiftung wohl kaum zu gewärtigen, zumal diese Stiftung seit Mitte 2005 keine gewerbliche Tätigkeit mehr ausübe. In diesem Zusammenhang wäre auch noch darauf hinzuweisen, dass die beantragte teilweise Löschung der Abgabenschuldigkeiten keinen Sanierungseffekt hätte, da – abgesehen von der mangelnden gewerblichen Tätigkeit – das Kapital dann immer noch negativ wäre.
Somit sei der vorliegende Nachsichtsantrag mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen abweislich zu erledigen gewesen, für eine Ermessensentscheidung sei kein Raum verblieben.
In dem dagegen eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom führt die Bf. aus, dass ergänzend zu den Ausführungen in der Berufung Folgendes festgehalten werde:
Eine persönliche Unbilligkeit liege jedenfalls dann vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährde oder wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich seien.
Eine Unbilligkeit sei nach Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht sei, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährung nichts änderte.
Die Betriebsprüfung sei am mit einem Mehrergebnis inkl. Nebengebühren von EUR 324.109,48 (Rückstand vom ) abgeschlossen worden. Durch die Berücksichtigung dieses Mehrergebnisses im Jahresabschluss der Privatstiftung sei es nicht nur zu einer buchmäßigen Überschuldung, sondern im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben auch zu einer insolvenzrechtlich bedeutsamen Überschuldung gekommen.
In der Bilanz zum der BF. sei der per fällige Abgabenrückstand mit einem Betrag von EUR 308.456,29 berücksichtigt worden. Daraus resultierte zum ein negatives Eigenkapital von EUR -256.678,75.
Um die Privatstiftung vor einer drohenden Insolvenz zu bewahren, seien Sanierungsschritte in zwei Richtungen getätigt worden:
1. Nachdem die Privatstiftung außer einem Bankkonto über keine weiteren Vermögenswerte verfüge,·die zur Abdeckung der Abgabenschuld kurzfristig herangezogen werden könnten, habe der Stiftungsvorstand soweit es möglich gewesen sei, mit den ursprünglichen Rechnungsempfängern Kontakt aufgenommen und, sofern die Rechnungsempfänger damals und auch heute zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, berichtigte Ausgangsrechnungen ausgestellt. In den berichtigten Ausgangsrechnungen sei der Umsatzsteuersatz von 20% anstelle der 10% angesetzt worden. Die Differenz zwischen der 10%igen USt und der 20%igen USt sei bereits im Zuge der Betriebsprüfung als USt-Nachzahlung vorgeschrieben worden. Insgesamt habe aufgrund der Rechnungsberichtigungen ein Liquiditätszufluss von € 138.418,60 erwirtschaftet werden können.
Das häufig in der Literatur angeführte Beispiel "Notwendigkeit der Verschleuderung von Vermögenswerten" zur Entrichtung der Abgabenschuldigkeit sei im gegenständlichen Fall mangels "versilberbarem" Vermögen nicht anwendbar, aber der Stiftungsvorstand habe alles für ihn erdenklich mögliche unternommen, um Liquidität zu schaffen, um zumindest einen Teil des Abgabenrückstandes, unabhängig von der inhaltlichen Bekämpfung der aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide, abzudecken.
2. Trotz der dadurch geschaffenen Liquidität könne durch diese Maßnahme die insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung nicht abgefangen werden. Eine nachhaltige Sanierung, d.h. die Verhinderung einer Insolvenz, sei erst durch die Zustimmung des Finanzamtes hinsichtlich einer Teilnachsicht des Abgabenrückstandes möglich. Daher habe der Stiftungsvorstand mit Schreiben vom um Nachsicht eines Teiles des Abgabenrückstandes ersucht.
Zum weise das Bankkonto der Bf. ein Guthaben von € 181.968,64 aus.
Mit Schreiben vom sei um eine Teilnachsicht von € 170.513,49 ersucht worden. Dieser Betrag habe zu diesem Zeitpunkt einen Stichtagswert dargestellt, der sich noch in geringem Umfang erhöhen/verringern könne.
Aus heutiger Sicht stehe jedenfalls für die Teilabdeckung des Finanzamtsrückstandes zumindest ein Betrag von € 160.000,00 zur sofortigen Bezahlung zur Verfügung. Den Rest auf das ausgewiesene Bankguthaben von € 181.968,64 sei für die Betreibung der Rechtsmittel gegen die aufgrund der Betriebsprüfung ausgestellten Bescheide betreffend die USt.2004, 2005, 2007 und 2008 und die Köst 2004-2008 benötigt worden.
Die Vermutung der Finanzbehörde, dass die beantragte Teillöschung der Abgabenschuldigkeiten keinen Sanierungseffekt hätte, werde mit den zuvor gemachten Erläuterungen widerlegt. Im Falle einer Teillöschung in Höhe von rd € 170.000 wäre das Stiftungskapital leicht positiv. Die insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung wäre dadurch beseitigt und die Sanierung erfüllt.
Dadurch wäre der Fortbestand der Stiftung sicher gestellt.
Im Falle der Nichtgewährung einer Teilnachsicht sei jedenfalls die insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung der Privatstiftung gegeben. Ein Insolvenzantrag wäre vom Stiftungsvorstand beim Handelsgericht einzubringen. Für eine Haftung des Stiftungsvorstandes gemäß § 9 BAO bestehe aus - hier nicht wiedergegebenen - Gründen kein Platz.
Vor Entscheidung durch den UFS beantragen wir bereits jetzt die Anberaumung eines Erörterungstermins sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Es werde um objektive Beurteilung der Berufung und den hier dargestellten ergänzenden Erläuterungen ersucht.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Übergangsregelung, Rechtslage:
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Mit der Einführung des Bundesfinanzgerichtes haben sich auch diverse Bezeichnungen geändert. So wurde das frühere Rechtsmittel der Berufung ab zur Beschwerde. Die Ausdrücke werden in weiterer Folge jeweils angepasst.
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II 2005/435, kann die Unbilligkeit persönlicher oder sachlicher Natur sein. Die Verordnung zählt demonstrativ Beispiele zum unbestimmten Rechtsbegriff der Unbilligkeit der Einhebung auf.
Nach § 2 der Verordnung liegt eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
Nach § 3 der Verordnung liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht.
Festzuhalten ist, dass aufgrund der beantragten mündlichen Verhandlung die Abhaltung eines separat anzuberaumenden Erörterungstermins aus dem Blickwinkel von Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit nicht sinnvoll gewesen wäre, da beiden Parteien ohnehin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung die Möglichkeit offenstand, ihr schon bis dahin erstattetes Vorbringen zu ergänzen.
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes:
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur unter Veräußerung von Vermögen möglich wäre und zusätzlich diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls müsste es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen ().
Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann ().
Ein Nachlass von Abgabenschuldigkeiten kommt dann nicht in Frage, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass die Gewährung des Nachlasses keinen Sanierungseffekt hätte ().
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme () bzw. wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet wäre (vgl. ; , mwN).
Persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insb einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (). Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändert (; ).
Zur persönlichen Unbilligkeit:
Sowohl der oben zitierten Verordnung als auch der ständigen Judikatur ist zu entnehmen, dass eine persönliche Unbilligkeit sich allein an den wirtschaftlichen Auswirkungen der Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgaben orientiert.
Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob eine persönliche Unbilligkeit vorliegt. Hierbei ist jedoch noch keine Ermessensentscheidung zu treffen, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff auszulegen.
In der Berufungsvorentscheidung ist die Finanzverwaltung noch davon ausgegangen, dass die beantragte teilweise Löschung der Abgabenschuldigkeiten keinen Sanierungseffekt hätte, da keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde, wurde doch im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt, dass seit 2006 keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung gab der Vorstand der Bf. jedoch bekannt, dass zwischenzeitig die Bemühungen betreffend Neuaquisition von Aufträgen von Erfolg gekrönt waren und im Rahmen der Bf. ein weiteres Projekt betrieben wird, das im Gegensatz zu dem früheren Projekt allerdings nicht gemeinnützig ist. Zum Beweis dafür wurde ein Exemplar vorgelegt.
Schließlich konnte die steuerliche Vertreterin der Bf. eine Aufstellung über die aktuelle finanzielle Situation der Bf. vorlegen, aus der hervorgeht , dass sich der Teilzahlungsbetrag unter Einrechnung möglicher Rechtsanwaltskosten (Rückstellung) für das Beschwerdeverfahren beim BFG und einem möglichen Revisionsverfahren beim VwGH von ca. € 24.000,00 unter Einrechnung des erwarteten Gewinnes 2014 von gesamt ca. € 262.000,00 ergeben könnte, wenn dem Ansuchen um Teilnachsicht stattgegeben werden sollte.
Im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung ist festzuhalten, dass aufgrund der Ergebnisse und den entsprechenden Abgabennachforderungen der Betriebsprüfung gerade durch die daraus resultierende Einhebung der Abgaben eine Existenzgefährdung verursacht wurde, hat doch die Bf. wiederholt darauf hingewiesen, dass nur eine Teilnachsicht ein Insolvenzverfahren abwenden könnte.
Bei Sanierung eines Unternehmens im Rahmen eines Ausgleiches kann der Verzicht auf die Einhebung von Abgabenschulden zur Sanierung des Unternehmens beitragen, weswegen in einem solchen Fall die Einhebung der (gesamten) Abgabenschulden unbillig sein kann (vgl. ).
Angesichts der Schilderungen der steuerlichen Vertreterin und des Vorstandes in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass durch eine Teilnachsicht ein Sanierungseffekt gegeben ist, der die Existenz des Steuersubjektes sichert.
Für das Bundesfinanzgericht ist somit eine persönliche Unbilligkeit gegeben, die eine Ermessensentscheidung ermöglicht.
Eine nähere Prüfung, ob auch eine sachliche Unbilligkeit vorliegt, war daher obsolet.
Ermessen:
Die Ausübung des Ermessens hat sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Wie oben dargestellt kann in den geltend gemachten Gründen eine persönliche Unbilligkeit erkannt werden.
Es ist daher davon auszugehen , dass die Bf. laut Darstellung der aktuellen Lage wieder Gewinne erzielt, sodass auch in Zukunft entsprechende Abgabenzahlungen zu erwarten sind, wobei allein der Gewinn des Jahres 2014 mit rund € 58.000,00 angegeben wurden.
Angesichts der wiedergewonnen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bf. durch das oben beschriebene neue Projekt ist der Sanierung der Bf. und die damit verbundene Weiterexistenz des Steuersubjektes der Vorrang gegenüber einem aufgrund der ohne Nachsicht bestehenden Überschuldung zu eröffnenden Insolvenzverfahren, im Rahmen dessen die Finanzverwaltung nur eine (nicht abschätzbare) Quote erhalten würde, die jedenfalls unter dem Betrag liegen würde, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung errechnet wurde, zu geben.
Aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen war daher unter der Bedingung, dass die gegen die Abgabenbescheide anhängigen Beschwerden zurückgenommen werden (was in der mündlichen Verhandlung bereits erfolgt ist) der nunmehr auf den neuen Betrag modifizierten Beschwerde stattzugeben und ein Betrag von € 109.359,81 gemäß § 236 BAO unter der Bedingung, dass ein Teilzahlungsbetrag von € 241.702,99 binnen 14 Tagen nach Zustellung des Erkenntnisses entrichtet wird, nachzusehen.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Auf die oben dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101058.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at