Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2015, RV/3100405/2014

Vorliegen des in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides angeführten Wiederaufnahmegrundes

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100405/2014-RS1
Hat das Finanzamt den Wiederaufnahmebescheid mit dem Verweis auf eine (bei einer Außenprüfung verfassten) Niederschrift begründet, wird aber in dieser Niederschrift der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund (hier: Hervorkommen neuer Tatsachen) nicht gesondert angeführt und lässt sich dieser Wiederaufnahmegrund aus den darin getroffenen Feststellungen auch nicht folgern, dann wurde vom Finanzamt die Wiederaufnahme nicht auf das Vorliegen des herangezogenen Wiederaufnahmegrundes gestützt und damit gerechtfertigt. Der angefochtene Wiederaufnahmebescheid war deshalb ersatzlos zu beheben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache  X, WAdr., vertreten durch die StBGmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß  § 303 Abs. 1 lit. b BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2010, zu Recht erkannt: 

1. Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Wiederaufnahmebescheid wird ersatzlos aufgehoben.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Für X langte elektronisch die Einkommensteuererklärung 2010 ein, worin der Gesamtbetrag der Einkünfte mit 8.863,31 € ausgewiesen wurde. Mit Bescheid vom erfolgte abgesehen von einer für den Beschwerdefall nicht relevanten Abweichung eine erklärungsgemäße Einkommensteuerveranlagung 2010.

Das Finanzamt führte zur „Nachbescheidkontrolle 2010“ bei X eine abgabenbehördliche Prüfung („Erhebung“) durch. Die darüber aufgenommene Niederschrift vom enthielt im Wesentlichen folgende Ausführungen:


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„Erhebungsauftrag   X
Geschäftsführer GmbH und Vermietungen St. Nr. Z1 - BV 22 Grund: Nachbescheidkontrolle 2010 bzw. Erkl. Prüfung 2011 Kontrolle Nachversteuerung § 11a ( wegen Verjährung)  Einbringung gem. Art III UmGrStG zum Einbringung des bisherigen Einzelunternehmens lt. Einbringungsbilanz in YGmbH rückwirkend auf lt. Vertrag angezeigt incl. der betrieblich genutzten Gebäudeteile Adr. in Form eines Baurechtes (d.h. die Grundstücke wurden in das Privatvermögen übernommen).
 
Kapital lt. Bilanz Einzelfirma per
77.315,42
Unbebautes Grundstück nicht übergeben ges. Gst 5.398 qm
-40.999,63
hievon aktiviert:
 
Zukauf A TMJ 755 qm incl. NK          29.849,86 Zukauf B TMJ2 107 qm incl. NK     11 149,77
 
Kapital Übergabe
36.315,79
hievon gegen Rückbezogene Entnahme
-30.000,00
Kapital
6.315,79
Einbringungsbilanz
 
Kapital 1.1. lt. Einbringungsbilanz
6.315,79
Ausweis Stille Reserve Firmenwert lt. Unternehmensbewertung
366.684,21
gegen nicht gebundene Kapitalrücklage
373.000,00
Lt. Erhebung wurden damit eigenkapitalmindernd im Rückwirkungszeitraum gebucht:
 
die Entnahme des Grundstückes
40.999,63
und die rückbezogenen Entnahmen
30.000,00
Summe des letzten zu berücksichtigenden Eigenkapitalabfalles
70.999,63
Nur diese betreffen den Rückwirkungszeitraum bis Vertragsabschluss und sind noch dem Einbringenden zuzurechnen- rückwirkende Einlagen wurden nicht dargestellt nicht erfasst. ( Ev. Einlagen nach Vertragsabschluss wären auch nicht zu berücksichtigen !!!)
 


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Berechnung der Nachversteuerung 2010
 
Bildung 2007
28.337,24
12,72
3.604,50
Bildung 2008
67.352,71
18,76
 
hievon Auflösung
42.662,39
 
8.003,46
Bildung 2009
19.699,57
17,44
 
Summe Bildung 2007-09
158.051,91
 
 
Nachversteuerungsbetrag für 2010 lt. Erhebung
11.607,96
Diese erhöhte sich durch Einbeziehung der eigenkapitalmindernden Grundstücksentnahme lt. Rücksprache mit dem Fachbereich (bisher lt. Mail nur rückbezogene Entnahmen beurteilt).
 
Die in dieser Niederschrift angeführten Feststellungen wurden ausführlich besprochen. Ein Exemplar dieser Niederschrift wurde ausgefolgt.“
 

Das Finanzamt nahm auf Grund der „Prüfungsfeststellungen“ mit Bescheid vom das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2010 wieder auf. Zugleich erließ es einen Einkommensteuerbescheid 2010, womit (neben dem erklärten Gesamtbetrag der Einkünfte) erstmals die „Nachversteuerung § 11a EStG 1988“ im Betrag von 11.607,96 € vorgenommen wurde.

Der Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens wurde hinsichtlich des Wiederaufnahmegrundes wie folgt begründet:

Anlässlich einer nachträglichen Prüfung Ihrer Erklärungsangaben sind die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen.“

Dieser (im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene) Einkommensteuerbescheid enthielt diesbezüglich nachstehende Begründung:
Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der Feststellungen der Nachbescheidkontrolle, die der darüber aufgenommenen Niederschrift vom (ho. Anmerkung: die Niederschrift wurde am unterfertigt) zu entnehmen sind“.

Mit Eingabe vom , eingelangt am , brachte X (im Folgenden: Bf.) u.a. gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010 die gegenständliche Berufung (Beschwerde) ein. Gegen die Rechtmäßigkeit der erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens wird ins Treffen geführt, die in der Niederschrift angeführte Nachversteuerung des nicht entnommenen Gewinnes beruhe auf der Entnahme des unbebauten Grundstückes sowie rückbezogener Entnahmen. Dieser damit einhergehende Eigenkapitalabfall sei aus den bei der Einbringung der Einzelfirma X in die YGmbH am eingereichten Unterlagen eindeutig ersichtlich und damit offengelegt. Aus der Gegenüberstellung der offengelegten Bilanz Einzelunternehmen X zum vor Umgründungsmaßnahmen und der Einbringungsbilanz X zu steuerlichen Buchwerten zum / gehe der in der Niederschrift angegebene Eigenkapitalabfall von 70.999,63 € offensichtlich hervor. Mit dem Erhebungsverfahren seien nach der in der Berufung zitierten VwGH- Rechtsprechung keine Tatsachen neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen würden.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung wurde letztlich damit begründet, aus der Nachbescheidkontrolle für 2010 habe sich ergeben, dass die rückbezogenen Entnahmen mit 30.000 € kapitalmindernd gebucht worden seien und dies zu einer eigenkapitalabfallbedingten Nachversteuerung führen würde. Nach Einsichtnahme und Auswertung der Einbringungsunterlagen 2010 im Veranlagungsakt der YGmbH in Verbindung mit der Auswertung der letzten Bilanz der Einzelfirma für 2009 habe sich ergeben, dass zusätzlich auch zwei nicht eingebrachte Grundstücke zu einem weiteren Eigenkapitalabfall geführt hätten. Dies sei durch die vom Steuerberater am (Tag der durchgeführten Erhebung) erstmals vorgelegten Verrechnungskonten zur Umgründung bestätigt worden (= konkretisierter Wiederaufnahmegrund).

Als Replik auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung wurde im Vorlageantrag im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtliche in der Niederschrift angeführten Beträge (Entnahme Grundstück, rückbezogene Entnahmen, Eigenkapital vor- und nach der Einbringung) lückenlos und klar aus den im Zuge der Umgründung bereits offengelegten Unterlagen ersichtlich gewesen seien. Der die Grundlage für die Nachversteuerung bildende und in der Niederschrift dargestellte Eigenkapitalabfall in Höhe von 70.999,63 € (Entnahme Grundstück: 40.999,63 €, rückbezogene Entnahmen: 30.000 €) würde sich nämlich aus der Gegenüberstellung des jeweiligen Kapitals des Einzelunternehmens vor und nach der Einbringung rechnerisch ergeben. Aus jenen mit Anzeige der Einbringung vorgelegten Unterlagen gehe aber nachvollziehbar hervor, dass unbebaute Grundstücke mit einem Buchwert von 40.999,63 € nicht eingebracht und rückbezogene Entnahmen gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 UmgStG als Passivpost berücksichtigt wurden. Diese Werte hätten sich somit nicht erst im Zuge der Nachbescheidkontrolle/Erhebung ergeben, weshalb in diesen bereits vorher aktenkundigen Umständen keine neu hervorgekommen Tatsachen liegen würden.

Über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2010 hat das Bundesfinanzgericht erwogen:

1. Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF. FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 Abs. 1 BAO der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Behörde.

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides des Finanzamtes gebildet hat. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid, wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens, wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde.

Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes bei der Entscheidung über eine Beschwerde gegen die amtswegige Wiederaufnahme ist es daher zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen wiederaufgenommen werden durfte. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. , , ).

2. Die maßgeblichen Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides anzuführen bzw. müssen auf sonstige Weise daraus (z. B. durch Verweis auf einen Betriebsprüfungsbericht) zu entnehmen sein. Diesbezüglich ist es Aufgabe des Finanzamtes, die von ihm verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (). Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel darzustellen (). Eine derart konkretisierte Bezeichnung des Wiederaufnahmegrundes ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) damit die zu entscheidende „Sache“ iSd § 279 Abs. 1 BAO bestimmt/begrenzt wird, wobei das Bundesfinanzgericht bei seiner Entscheidung dann lediglich zu prüfen und zu beurteilen hat, ob die vom Finanzamt angeführten Gründe die verfügte Wiederaufnahme rechtfertigen oder nicht.

3. An Sachverhalt liegt dem Beschwerdefall zugrunde, dass mit Eingabe vom dem Finanzamt gemäß § 13 UmgrStG die Einbringung des Einzelunternehmens X (St. Nr. Z1 ) in die YGmbH (St. Nr. Z2 ) mit Rückwirkung zum gemeldet wurde. Dieser Meldung beigeschlossen war der notarielle Sacheinlagevertrag, die „Einbringungsbilanz X zu steuerlichen Buchwerten zum /“, die „Einbringungsbilanz der YGmbH nach UGB zum /“ und eine Unternehmensbewertung des Einzelunternehmens X und der YGmbH .

Das Finanzamt nahm im Einkommensteuerbescheid vom die Einkommensteuerveranlagung 2010 des X (mit Ausnahme einer für den Beschwerdefall nicht relevanten Änderung) entsprechend seiner am elektronisch eingelangten Einkommensteuererklärung vor. Als Folge der Einbringung erklärte im Veranlagungsjahr 2010 X nunmehr Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (bis 2009 ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb). Das Finanzamt führte am Erhebungen betreffend „Nachbescheidkontrolle 2010 bzw. Erkl. Prüfung 2011, Kontrolle Nachversteuerung § 11a (wegen Verjährung)“ durch. Das Ergebnis dieser Erhebungen wurde in der (eingangs inhaltlich wiedergegebenen) Niederschrift vom festgehalten. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2010 wieder auf, wobei als Begründung des Wiederaufnahmegrundes angeführt wurde, anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsangaben seien die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel neu hervorgekommen. Die Begründung des Einkommensteuerbescheides lautete diesbezüglich wie folgt: „Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der Feststellungen der Nachbescheidkontrolle, die der darüber aufgenommenen Niederschrift vom (gemeint wohl: ) zu entnehmen sind.“

4. Wie oben bereits ausgeführt ist es Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes bei der Entscheidung über eine Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wiederaufgenommen werden durfte. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals , ).

Das Finanzamt hat den Wiederaufnahmebescheid mit dem Verweis auf die in der Begründung des gleichzeitig erlassenen Einkommensteuerbescheides 2010 angeführten neu hervorgekommenen Tatsachen begründet. Die Begründung dieses Einkommensteuerbescheides verweist wiederum auf die in der Niederschrift vom getroffenen Feststellungen. Daraus geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass das Finanzamt die verfügte Wiederaufnahme auf den Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO (sogenannte „Neuerungstatbestand“) gestützt hat.

Es ist nicht rechtswidrig, in der Begründung eines Bescheides auf unzweifelhaft der Partei zugegangene Schriftstücke Bezug zu nehmen. Dass ein derartiger Verweis zulässig ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( und ). Wenn daher das Finanzamt den beschwerdegegenständlichen Wiederaufnahmebescheid schlussendlich mit dem Verweis auf die Niederschrift begründet hat, dann kommt dem Umstand entscheidungsrelevante Bedeutung zu, ob in dieser Niederschrift die „neu hervorgekommenen Tatsachen“ dargetan wurden, denn nur dann wird durch den erfolgten Verweis der maßgebliche Wiederaufnahmegrund angeführt und dadurch der angefochtene Wiederaufnahmebescheid begründet. Entscheidend ist im Beschwerdefall daher, ob in der Niederschrift solche Tatumstände festgehalten sind, die dem Finanzamt im Zeitpunkt der Bescheiderlassung () noch nicht bekannt waren und somit als im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommene Tatsachen die vorgenommene Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO rechtfertigen.

5. Das Finanzamt hat den Wiederaufnahmebescheid letztendlich mit einem Verweis auf die Niederschrift begründet. Diesbezüglich ist jedoch anzuführen, dass der Prüfer in der Niederschrift zur Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens keine gesonderten Feststellungen getroffen  und damit betreffend des Vorliegens  eines Wiederaufnahmegrundes keine Angaben gemacht hat. Insbesondere wird darin nicht festgehalten, welche festgestellten Tatumstände im Zuge der Erhebung neu hervorgekommen sind, die eine auf den Neuerungstatbestand gestützte Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen und begründen würden. Damit bleibt noch abzuklären, ob sich gegebenenfalls aus den (sonstigen) Feststellungen der Niederschrift der vom Finanzamt angenommene Neuerungstatbestand nachvollziehbar folgern und ableiten lässt. Allerdings lassen die Ausführungen in der Niederschrift keine Anhaltspunkte erkennen, welche die diesbezügliche Auffassung des Finanzamtes, anlässlich der nachträglichen Prüfung seien Tatsachen neu hervorgekommen, stützen würden. Dagegen spricht nämlich Folgendes. Die Niederschrift trifft hinsichtlich des die Nachversteuerung gemäß § 11a EStG 1988 bedingenden Eigenkapitalabfalles im Wesentlichen folgende relevanten Feststellungen. Das Kapital lt. Bilanz Einzelfirma per von 77.315,42 € verringerte sich wegen der Entnahme des Grundstückes (40.999,63 €) und der rückbezogenen Entnahmen (30.000 €) auf das Kapital 1.1. lt. Einbringungsbilanz von 6.315,79 €. „Laut Erhebungen“ wurden damit eigenkapitalmindernd im Rückwirkungszeitraum gebucht die Entnahme des Grundstückes (40.999,63 €) und die rückbezogenen Entnahmen (30.000,00 €), Summe des zu berücksichtigenden Eigenkapitalabfalles damit 70.999,63 €. Von diesem Betrag wurde dann gemäß §11a Abs. 3 Z 2 EStG der Nachversteuerungsbetrag in Höhe von 11.607,96 € berechnet. Diese für die Feststellung des Eigenkapitalabfalles ins Treffen geführten relevanten Umstände, nämlich das Kapital der Einzelfirma zum , deren Kapital zum lt. Einbringungsbilanz, die ins Privatvermögen entnommenen Grundstücke und die rückbezogenen Entnahmen ergeben sich zum einen aus den Beilagen jenes Schreibens, mit denen am dem Finanzamt die Einbringung der Einzelfirma X in die YGmbH rückwirkend zum gemeldet wurde. Aus der „Einbringungsbilanz X zu steuerlichen Buchwerten zum /“ geht nämlich hervor, dass die unbebauten Grundstücke bei den Aktiva mit 0 €, bei den Passiva das Kapital 1.1 mit 6.315,79 € und die rückbezogenen Entnahmen mit 30.000 € angesetzt waren. Punkt 1 der beigeschlossenen Unternehmensbewertung hält ausdrücklich fest, dass der bisher dem Einzelbetrieb dienende Grund und Boden von der Einbringung ausgenommen und in das Privatvermögen übernommen wurde. In diesem Zusammenhang wurden erstmals in der Einkommensteuererklärung 2010 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Am wurde der Jahresabschluss der Einzelfirma X (Bilanz zum ) eingereicht. Darin sind die unbebauten Grundtücke mit 40.999,63 € bei den Aktiva und bei den Passiven das Kapital mit 77.315,42 € ausgewiesen. Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung () waren somit sachverhaltsmäßig sämtliche für die Feststellung des Eigenkapitalabfalles relevanten Tatumstände bzw. Ansätze dem Finanzamt so vollständig bekannt gewesen, dass es schon in diesem Verfahren bei entsprechender rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (vgl. , ). Mit diesem Kenntnisstand hängt wohl auch zusammen und erklärt, weshalb der Prüfer in der Niederschrift zu der im Rahmen der „Nachbescheidkontrolle 2010“ verfahrensrechtlich entscheidende Bedeutung zukommenden Frage einer möglichen Wiederaufnahme des Verfahrens keine gesonderten Feststellungen getroffen hat. Wurde aber dem Finanzamt in der Meldung vom samt Beilagen ausdrücklich der Umstand mitgeteilt, dass die bisherige Einzelfirma X mit Rückwirkung zum in die YGmbH eingebracht worden ist, dann musste bei dieser speziellen Sachverhaltskonstellation dem Finanzamt aufgrund seiner zweifellos vorliegenden Fachkenntnis durchaus bewusst gewesen sein, dass im Einkommensteuerverfahren 2010 des X den in der Schlussbilanz zum gegenüber jenen in der Einbringungsbilanz zum abweichenden Ansätzen eine etwaige steuerlich relevante Bedeutung zukommen kann, weshalb auch der sich aus der Schlussbilanz zum ergebende Wissensstand für das Einkommensteuerfahren 2010 jedenfalls maßgebend war und damit für die Beurteilung des Neuhervorkommens von Tatsachen heranzuziehen war.

6. Aus dem Vorgesagten folgt für die Entscheidung des Beschwerdefalles, dass vom Finanzamt  mit dem Verweis auf die Niederschrift die erfolgte Wiederaufnahme nicht durch die Angabe des gebrauchten Wiederaufnahmegrundes nachvollziehbar begründet und damit gerechtfertigt wurde, ergeben sich doch aus den in der Niederschrift getroffenen Feststellungen keine relevanten Tatumstände, welche in Bezug auf den zur Nachversteuerung führenden Eigenkapitalabfall dem Finanzamt nicht bereits im wiederaufgenommenen Verfahren aus den vorgelegten Unterlagen ausreichend bekannt waren. Lag somit der vom Finanzamt angenommene Neuerungstatbestand nicht vor, dann wurde rechtswidrig die verfügte  Wiederaufnahme auf diesen Wiederaufnahmegrund gestützt. Spruchgemäß war deshalb der angefochtene Wiederaufnahmebescheid ersatzlos zu beheben.

7. Zulässigkeit der Revision

Eine ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, war doch mit diesem Erkenntnis keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Durch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. E. , 2011/13/0067) ist ausreichend geklärt, dass bei Nichtvorliegen des vom Finanzamt angenommenen Wiederaufnahmegrundes der angefochtene Wiederaufnahmebescheid ersatzlos zu beheben ist. Hingegen ist die Beurteilung, ob Tatsachen neu hervorgekommen und damit der vom Finanzamt herangezogene Neuerungstatbestand gegeben ist, eine auf Sachverhaltsebene abzuklärende Tatfrage.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100405.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at