Berechnung der Gläubigergleichbehandlungsquote bezogen auf einzelne Monate
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch
Ri
in der Beschwerdesache F,
vertreten durch V,
gegen den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Haftung gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO
nach der am im Beisein der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde am zum alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer der im Jahr 2003 errichteten T.GmbH bestellt (Firmenbuchauszug FN 01).
Mit dem Beschluss des Landesgerichtes A vom wurde über die T.GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Der Konkurs wurde mit dem Beschluss des Landesgerichtes vom nach Schlussverteilung (Konkursquote 0,83 %) aufgehoben.
Die Gesellschaft wurde mittlerweile gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.
Mit dem Vorhalt vom wurde der Bw. vom Finanzamt unter Hinweis auf die im Rückstandsausweis als uneinbringlich anzusehenden aushaftenden Abgabenrückstände der Gesellschaft aufgefordert, eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen beizubringen, sollte die GmbH zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt haben. In der Aufstellung müssten alle (auch die zur Gänze bezahlten) damaligen Gläubiger der Gesellschaft sowie die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem seien alle liquiden Mittel anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.
In der Vorhaltsbeantwortung vom wies der Bf. darauf hin, dass der weitaus überwiegende Teil der offenen Abgabenverbindlichkeiten aus der Periode stamme, in der nicht der Bf., sondern D die Geschäftsführung inne gehabt habe. Beginnend ab August 2007 bis zur Insolvenzeröffnung Anfang April 2009 seien nahezu sämtliche Abgabenverbindlichkeiten berichtigt worden. Vergleiche man diese Situation mit der Gläubigerstruktur laut Anmeldeverzeichnis des Insolvenzverwalters, sei davon auszugehen, dass die Abgabenbehörde gegenüber den anderen Gläubigern nicht nur nicht benachteiligt, sondern über Gebühr und vorrangig befriedigt worden sei.
Die vom Insolvenzverwalter ausgeschüttete Quote habe noch nicht Berücksichtigung gefunden.
Daraufhin wurde der Bf. seitens des Finanzamtes darüber in Kenntnis gesetzt, dass sämtliche haftungsrelevanten Beträge bereits um die Konkursquote von 0,83 % vermindert wurden und neuerlich aufgefordert, einen zahlenmäßigen Nachweis der behaupteten Gläubigergleichbehandlung vorzulegen.
In den Eingaben vom 28. Juni und gab der Bf. bekannt, es lägen ihm lediglich die Buchhaltungsunterlagen und Belege der Gesellschaft für das Jahr 2009 vor; die Unterlagen zum Haftungszeitraum 2. und 3. Quartal 2007 und 1. Quartal 2010 lägen nicht vor; diese befänden sich offenbar noch beim Insolvenzverwalter.
Mit dem Haftungsbescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom wurde der Bf. als Haftungspflichtiger gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der T.GmbH im Ausmaß von 16.883,06 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Das Finanzamt führte aus, der Bf. habe keine Unterlagen vorgelegt, aus denen eine Gläubigergleichbehandlung hervor gehe.
Die Ausbezahlung von Löhnen ohne konkrete Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer stelle in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten im Sinne des § 78 Abs. 3 EStG 1988 dar.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. in der Eingabe vom das Rechtsmittel der Berufung und beantragte dessen ersatzlose Aufhebung.
Die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer persönlichen Haftung gemäß § 9 BAO lägen bereits in formeller Hinsicht nicht vor. Da dem Bf. die Abgabenbescheide nicht übermittelt worden seien, stehe ihm nicht die Möglichkeit offen, Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren geltend machen. Werde der Haftungspflichtige nicht darüber aufgeklärt, dass die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden, liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Folge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar sei.
Sollten hingegen Abgabenbescheide nicht ergangen sein, sei die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv bestehe, zwingend als Vorfrage im Haftungsverfahren zu klären.
Da dem Bf. bis dato keine Abgabenbescheide zugestellt worden seien, bestreite er die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung.
Der Bf. habe des weiteren unmittelbar vor der Aufnahme seiner Geschäftsführungstätigkeit telefonisch beim zuständigen Finanzamt Rücksprache gehalten und wegen einer allfälligen Haftung für rückständige Abgaben nachgefragt. Dem Bf. sei die Auskunft erteilt worden, er hafte nur für jene Abgaben, die während seiner Geschäftsführertätigkeit entstünden und in Folge seines Verschuldens nicht entrichtet würden. Der Hinweis, dass die Haftung auch für jene Abgaben bestehe, deren "Zahlungstermine" in die Zeit seiner Vertretertätigkeit fielen, sei unterblieben.
Hinsichtlich der Abgabenschuldigkeiten Umsatzsteuer 06/2007, Lohnabgaben 07/2007 sowie Kraftfahrzeugsteuer 04-06/2007 und 07-09/2007 sei dem Bf. daher eine unrichtige Rechtsauskunft erteilt worden und habe er sich diesbezüglich in einem Rechtsirrtum befunden.
Weiters habe der Bf. den Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten und die Abgabenverbindlichkeiten ohne Bevorzugung anderer Gläubiger bedient.
Mit der Berufungsvorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Berufung als unbegründet ab.
Im Haftungsbescheid seien nur Beträge angeführt, die seitens der abgabepflichtigen GmbH selbst bzw. von ihrem steuerlichen Vertreter gemeldet worden seien. So seien etwa die Umsatzsteuererklärungen für 06/2007 und 01/2009 elektronisch eingebracht worden. Ebenso seien die Lohnabgaben 07/2007 sowie die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume 04-06/2007 und 07-09/2007 vom Unternehmen selbst gemeldet worden. Die Erlassung von Abgabenbescheiden sei nicht erforderlich gewesen, da keine Änderungen der Selbstberechnung vorzunehmen gewesen seien. Die Beilage von Abgabenbescheiden sei deshalb unterblieben.
Ein Nachweis des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht erbracht worden.
Daraufhin beantragte der Bf. in der Eingabe vom die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom wurde Folgendes vorgebracht:
Im Zeitraum (Beginn der Geschäftsführertätigkeit des Bf.) bis unmittelbar vor Konkurseröffnung am seien Abgabenverbindlichkeiten in der Höhe von 164.088,99 € entstanden. Davon habe die Gesellschaft 146.790,37 € (89,46%) bezahlt. Im Zeitraum der Geschäftsführung des Bf. seien daher rund 90% der angefallenen Abgaben entrichtet worden.
Demgegenüber habe die T.GmbH ihre Verbindlichkeiten im Durchschnitt mit einer Quote von 78,26% bezahlt.
Aus dieser Rechnung ergebe sich, dass der Abgabengläubiger im Betrachtungszeitraum besser gestellt worden sei. Es sei daher weder ein Quotenschaden eingetreten noch liege ein pflichtwidriges Verhalten des Bf. vor.
In der durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der Bf. ergänzend vor, er habe sich, bevor er die Geschäftsführertätigkeit übernommen habe, beim Finanzamt telefonisch erkundigt, weil auch sein Vater vor Jahren als Geschäftsführer eingesprungen und in diesem Zusammenhang zur Haftung herangezogen worden sei. Ihm sei die Auskunft erteilt worden, er hafte nicht für die vor seiner Geschäftsführungstätigkeit entstandenen Abgaben. Diesbezüglich habe er auch dem vorigen Geschäftsführer D nicht die Entlastung erteilt. Er sei mit dem Finanzamt in laufendem Kontakt gestanden. Ihm sei immer versichert worden, es sei alles in Ordnung, weil die Selbstberechnungsabgaben entrichtet würden. An der Nichtabfuhr der haftungsgegenständlichen Abgaben sei ihm daher kein Verschulden anzulasten.
Hinsichtlich der Monate August und November 2007 sowie März 2009 legte der Bf. eine Quotenberechnung vor.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da nach der Aktenlage das über das Vermögen der T.GmbH eröffnete Konkursverfahren mit dem Beschluss des Landesgerichtes A vom aufgehoben und die Gesellschaft mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist somit ausgeschlossen.
Unbestritten ist weiters, dass der Bw. im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der T.GmbH war und damit zu den im § 80 genannten Personen zählt, die gemäß § 9 BAO zur Haftung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben herangezogen werden können.
Umsatzsteuer 06/2007 und 01/2009:
Nach der Aktenlage erließ das Finanzamt am und am die Umsatzsteuerjahresbescheide 2007 und 2009.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe und die dort zitierte Vorjudikatur) liegt, wenn der Haftungspflichtige nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt worden sind, infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid - nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht- nicht sanierbar ist.
Wie der Vertreter des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wurden dem Bf. die erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über die T.GmbH () ergangenen, an den Masseverwalter der Gesellschaft gerichteten und dem Bf. bisher nicht zugegangenen Jahresumsatzsteuerbescheide 2007 und 2009 im Zuge der Erlassung des Haftungsbescheides nicht zur Kenntnis gebracht.
Der Bf. wurde daher nicht in einer Weise über die Abgabenfestsetzung von Umsatzsteuer 2007 und 2009 in Kenntnis gesetzt, die ihm die Einbringung einer Beschwerde gegen diese Bescheide im Sinne des § 248 BAO ermöglicht hätte.
Hinsichtlich Umsatzsteuer 06/2007 und Umsatzsteuer 01/2009 war der Beschwerde daher stattzugeben.
Kraftfahrzeugsteuer 04-06/2007 und 07-09/2007
Die T.GmbH brachte gemäß § 6 Abs. 4 KfzStG am beim Finanzamt eine Steuererklärung über die steuerpflichtigen Kraftfahrzeuge für das Kalenderjahr 2007 ein.
Nach der Aktenlage verbuchte das Finanzamt am die sich aus dieser Steuererklärung ergebende Gutschrift von 1.311,13 Euro am Abgabenkonto der GmbH. Ein Bescheid wurde gegenüber der Gesellschaft nicht erlassen.
In jenen Fällen, in denen bei Selbstbemessungsabgaben (noch) kein Bescheid erlassen wurde, ist über Einwendungen gegen die Höhe des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren als Vorfrage abzusprechen (siehe und die dort zitierte Vorjudikatur).
Aus welchem Grund eine Bescheiderlassung unterbleibt, ist nicht relevant. Dem Vorbringen des Bf., das Finanzamt hätte die Steuererklärung bescheidmäßig erledigen müssen, ist daher entgegen zu halten, dass ein Bescheid betreffend Kraftfahrzeugsteuer 2007 an die Primärschuldnerin nicht erlassen wurde, weshalb der Bf. Einwendungen gegen die Höhe der gemeldeten Kraftfahrzeugsteuerbeträge ausschließlich im Haftungsverfahren selbst vorbringen konnte.
Diesbezügliche Einwendungen wurden nicht vorgebracht.
Dem Vorbringen des Bf., das Finanzamt hätte ihn im Zuge der Erlassung des Haftungsbescheides darauf hinweisen müssen, dass die Jahreserklärung am Abgabenkonto verbucht wurde, kann nicht beigepflichtet werden, weil der Bf. als Geschäftsführer der GmbH ohnehin durch die Zusendung einer Buchungsmitteilung über die antragsgemäße Verbuchung der Gutschrift aus der Kraftfahrzeugsteuer 1-12/2007 an die Gesellschaft informiert war (siehe Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr. 02, wonach am eine Buchungsmitteilung versendet wurde).
Die Gutschrift in der Höhe von 1.311,13 Euro verminderte nach der Aktenlage die zu diesem Zeitpunkt in der Höhe von 4.266,28 Euro aushaftende Kraftfahrzeugsteuer 10-12/2006 auf 2.955,15 Euro (siehe Rückstandsaufgliederungen StNr. 02 vom 11. und vom ). Beim diesbezüglichen Vorbringen des Bf., die Gutschrift sei von den Haftungsbeträgen der Kraftfahrzeugsteuer 04-06/2007 und 07-09/2007 in Abzug zu bringen, handelt es sich um ein Verrechnungsproblem, das nicht im Haftungsverfahren zu klären ist. Einwendungen gegen die Gebarung am Abgabenkonto sind nämlich nicht im Haftungsverfahren, sondern in einem Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO zu klären (siehe und die dort zitierte Vorjudikatur).
Lohnsteuer 07/2007
Aus den vom Landesgericht A angeforderten Insolvenzakten ist ersichtlich, dass der Lohn an die Dienstnehmerin N im Juli 2007 nur zum Teil ausbezahlt wurde. Auf die im Insolvenzverfahren angemeldete Restforderung entfällt Lohnsteuer in der Höhe von 34,26 Euro. Die im Haftungsbescheid angeführte Lohnsteuer 07/2007 ist daher vorweg um diesen Betrag zu kürzen (1.434,45 - 34,26 = 1.400,19), weil keine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr von Lohnabgaben für nicht ausbezahlte Löhne besteht und den Bf. insoweit auch keine schuldhafte Pflichtverletzung trifft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) ist die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Wird die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen.
Im vorliegenden Fall wurden die der Lohnsteuer 07/2007 zu Grunde liegenden Löhne vom Geschäftsführer D ausbezahlt. Der am zum Geschäftsführer der T.GmbH bestellte Bf. war daher nicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer, sehr wohl aber zur Abfuhr der am fälligen Lohnabgaben verpflichtet. In einem derartigen Fall ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Auszahlung von Löhnen, verbunden mit der Nichtabfuhr der Lohnsteuer, schuldhaftes Verhalten indiziert, nicht anwendbar. Der Bf., der die Abfuhr der Lohnabgaben 07/2007 am unstrittig unterlassen hat, haftet auch hinsichtlich der Lohnsteuer nur in jenem Ausmaß, das sich auch für die übrigen, zu diesem Zeitpunkt fälligen Abgaben errechnet.
Höhe der Haftungsbeträge
Zu den abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines Geschäftsführers einer GmbH gehören insbesondere die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet.
Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als liquide Mittel vorhanden waren.
Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat.
Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes haftet der Geschäftsführer nur mit jenem Teilbetrag, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entrichten gewesen wäre.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt dem Vertreter der Gesellschaft der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zuletzt ).
Da der Nachweis einer Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten ausschließlich bezogen auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt auf Grund von Zufälligkeiten (etwa durch die Entrichtung anderer Verbindlichkeiten unmittelbar vor dem Fälligkeitstag der Abgaben, sodass für diese am Fälligkeitstag keine liquiden Mittel zur Verfügung stehen) sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Vertreters zu groben Verzerrungen der Gleichbehandlung führen kann und mögliche massive Bevorzugungen oder Benachteiligungen des Abgabengläubigers außer Betracht bleiben, führt eine Zeitraumbetrachtung zu sachgerechteren Ergebnissen (siehe dazu ).
Die vom Bf. im Zuge der mündlichen Verhandlung dem Bundesfinanzgericht vorgelegten, auf die einzelnen Monate und nicht ausschließlich auf die Fälligkeitstage der Abgaben bezogenen Berechnungen der Gläubigergleichbehandlung werden daher als geeigneter Nachweis anerkannt.
Hingegen erscheint eine - vom Bf. ebenfalls vorgelegte - den gesamten Haftungszeitraum umfassende quotenmäßige Berechnung der entrichteten Abgabenverbindlichkeiten und der sonstigen Verbindlichkeiten nicht sachgerecht, weil eine solche die laufende Verpflichtung des Bf. zur Abfuhr der Abgaben der Gesellschaft negiert und die Höhe der Quoten maßgeblich vom zufälligen Umfang des Haftungszeitraumes, der nur ein Monat, aber auch mehrere Jahre umfassen kann, abhängig ist.
Die relevanten Fälligkeitstage für die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben sind (ohne Berücksichtigung der Fälligkeiten der Umsatzsteuern) der (Lohnabgaben 07/2007 und Kraftfahrzeugsteuer 04-06/2007) sowie der (Kraftfahrzeugsteuer 07-09/2007).
Im Monat August 2007 erfolgten Zahlungen vom Bankkonto der GmbH - der Bf. wickelte Zahlungen ausschließlich über das Bankkonto der Gesellschaft ab - in der Höhe von 38.316,45 Euro; die Quote der entrichteten Verbindlichkeiten im Verhältnis zu den insgesamt aushaftenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft (670.960,98 Euro) beträgt 5,71%.
Abgabenverbindlichkeiten wurden von der Gesellschaft im August 2007 nicht entrichtet; der Bf. haftet daher für die am fälligen Abgaben in Höhe der Quote, mit der die übrigen Gläubiger bedient wurden (5,71%, daher Lohnsteuer 07/2007 79,95 Euro, Dienstgeberbeitrag 07/2007 30,98 Euro, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2,89 Euro, Kraftfahrzeugsteuer 04-06/2007 209,10 Euro).
Im November 2007 wurden am Abgabenkonto Zahlungen in der Höhe von 8.207,39 Euro geleistet (Buchungsabfrage KtoNr. 02). Die fälligen Abgaben betrugen 46.484,53 Euro, sodass von den Verbindlichkeiten des Finanzamtes 17,65% bezahlt wurden.
Die Gesamtverbindlichkeiten der GmbH im November 2007 betrugen 739.217,62 Euro; vom Bankkonto wurden Zahlungen in der Höhe von 10.444,98 Euro geleistet. Eine Benachteiligung der Abgabenverbindlichkeiten im November 2007 hat daher nicht stattfunden, weshalb der Bf. zur Haftung für die im November 2007 fällige Kraftfahrzeugsteuer 7-9/2007 nicht heranzuziehen ist.
Ermessen
Der Bf. ist mit seinem Vorbringen im Recht, dass die Abgabenbehörde im Haftungsbescheid die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen nicht aufgezeigt hat.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.
Dem Einwand der Unbilligkeit der Haftungsinanspruchnahme angesichts lange verstrichener Zeit wird nicht zugestimmt. Die Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgte im April 2009 und endete im November 2011; dass zu diesem Zeitpunkt Abgaben aus dem Jahr 2007 aushafteten, kann nicht der Abgabenbehörde angelastet werden. Bereits im März 2012 und damit unmittelbar nach Eintritt der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der T.GmbH wurde der Bf. vom Finanzamt ersucht, zur möglichen Haftungsinanspruchnahme Stellung zu nehmen.
Die Haftungsinanspruchnahme des Bf. (Bescheid vom ) erfolgte bereits ein Jahr nach dem Ende des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft; ein Umstand, der möglicherweise aus Billigkeitsgründen eine Verminderung des Haftungsbetrages - keinesfalls aber ein völliges Absehen von der Haftungsinanspruchnahme - zur Folge hätte, wie die Erlassung eines Haftungsbescheides kurz vor dem Ablauf der Einhebungsverjährungsfrist, liegt daher nicht vor.
Im Allgemeinen überwiegt der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden.
In Abwägung der Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe ist im vorliegenden Fall jedoch zu Gunsten des Bf. zu berücksichtigen, dass das Finanzamt - abgesehen von einer aktenkundigen Vollstreckungsmaßnahme am - selbst nach der den aushaftenden Rückstand der Gesellschaft wesentlich erhöhenden Bekanntgabe der vom Geschäftsführer D nicht gemeldeten Lohnabgaben für Februar bis Juli 2007 durch den Bf. im November 2007 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens im April 2009 keine Vollstreckungsmaßnahmen bei der Gesellschaft durchgeführt, sondern dem Bf. auf seine Anfrage hin vor Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit die vom Vertreter des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung nicht bestrittene Auskunft erteilt hat, er müsse die während der Geschäftsführertätigkeit des D entstandenen Abgaben nicht entrichten. Wenn das Finanzamt, mit dem er nach Übernahme der Geschäftsführerfunktion nach seinen Angaben in laufendem Kontakt stand - ebenfalls unwidersprochen - versichert habe, es sei alles in Ordnung, weil die Selbstbemessungsabgaben laufend entrichtet würden, so trifft das Finanzamt an der Uneinbringlichkeit der vom Bf. am nicht entrichteten Lohnabgaben und der Kraftfahrzeugsteuer 04-06/2007 eine Mitschuld.
Angesichts der Geringfügigkeit des nach Auswertung der erstmals vor dem Bundesfinanzgericht in der mündlichen Verhandlung zur Gleichbehandlung der Abgabenverbindlichkeiten vorgelegten Nachweise verbleibenden Haftungsbetrages in der Höhe von insgesamt 322,92 Euro und des Mitverschuldens des Finanzamtes an der Uneinbringlichkeit dieser Abgaben wird von einer Haftungsinanspruchnahme des Bf. abgesehen.
Revision
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig, weil
in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 BAO die Frage, ob der vom Geschäftsführer zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung der fälligen Abgabenverbindlichkeiten mit den insgesamt fälligen Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch durch Vorlage (monatlicher) Zeitraumbetrachtungen erbracht werden kann, noch nicht beantwortet wurde (siehe zuletzt oder , 2010/16/0019, wonach der Nachweis zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zu erbringen ist).
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100523.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at