Sind bei Dienstbarkeitsverträgen auf unbestimmte Dauer mit beiderseitigem Kündigungsverzicht auf 10 Jahre in die Bemessungsgrundlage auch Betriebskosten, Versicherungsprämien und übernommene öffentliche Abgaben einzubeziehen?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.Dr. Hedwig Bavenek-Weber in der Beschwerdesache Bf.****Adr. vertreten durch Mag. Markus Seidl, Kaiser-Josef-Platz 32, 4600 STADT, gegen die zwei Bescheide des Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , zu je ErfNr. x1**** und StNr. x2**** betreffend Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen (RV/7102860/2014 und RV/7102872/2014).
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Sind bei Dienstbarkeitsverträgen auf unbestimmte Dauer mit beiderseitigem Kündigungsverzicht auf 10 Jahre in die Bemessungsgrundlage auch Betriebskosten, Versicherungsprämien und übernommene öffentliche Abgaben einzubeziehen?
1. Verfahrensgang
Mit Notariatsakt vom wurden Dienstbarkeitsverträge betreffend die Einräumung von Fruchtgenussrechten zwischen jeweils Frau FRAU*MAG und der Bf. und Herrn HERR*MAG und der Bf. geschlossen.
Mit Schreiben vom wurde der Inhalt des Notariatsaktes durch den öffentlichen Notar Mag. Markus Seidl dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (FA) angezeigt und um bescheidmäßige Vorschreibung der Rechtsgeschäftsgebühr unter Zugrundelegung nachstehender Details ersucht:
Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP 9 GebG 1957
Bemessungsgrundlage sei die Summe der für die fruchtgenussgegenständlichen Liegenschaften geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung (AfA), und zwar
STRASSE*1 € 3.121,32 jährlich (GRUNDSTÜCK*1)
STRASSE*2 € 1.428,04 jährlich (GRUNDSTÜCK*2)
STRASSE*3 € 5.173,91 jährlich (GRUNDSTÜCK*3)
Kapitalisierungszeitraum aufgrund des vorgesehenen Kündigungsrechtes seien 10 Jahre
Nach Beantwortung der Ersuchen um Ergänzung des FA vom und betreffend die laut Punkt "Drittens a)" und "Viertens a)" erwähnten Kosten (Reparatur- und Erhaltungskosten, Betriebskosten, Heizkosten etc.) zu den vertragsgegenständlichen Objekten durch den steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom und und gleichzeitiger Bekanntgabe der entsprechenden Beträge, ergingen die diesbezüglichen Gebührenbescheide vom .
In diesen wurde die Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG 1957 wie folgt festgesetzt:
Betreffend Dienstbarkeitsvertrag vom mit HERR*MAG zu
GRUNDSTÜCK**2, eine Gebühr von € 1.774,22 aufgrund einer Bemessungsgrundlage von gerundet € 88.711,20.
Begründung: "Dauer- unbefristet, erste Kündigungsmöglichkeit erst am - daher bestimmte und unbestimmte Dauer - somit 18 facher Jahreswert
GRUNDSTÜCK*2* Fruchtgenuss € 3500,-- + Afa € 1428,04 = 4928,40 x 18fach = BMG 88711,20"
und betreffend Dienstbarkeitsvertrag vom mit FRAU*MAG zu
GRUNDSTÜCK**3 und GRUNDSTÜCK**1 eine Gebühr von € 9.038,60 aufgrund einer Bemessungsgrundlage von gerundet € 451.930,14.
Begründung: "Dauer- unbefristet, erste Kündigungsmöglichkeit erst am - daher bestimmte und unbestimmte Dauer - somit 18 facher Jahreswert
GRUNDSTÜCK*3* Fruchtgenuss € 9480,-- + Afa € 5173,91 + GRUNDSTÜCK*1* Fruchtgenuss € 7332,-- + Afa € 3121,32 = 25107,23 x 18fach = BMG 451930,14"
Hiergegen wurden mit Schreiben vom Beschwerden erhoben und die Bescheide in all ihren Punkten angefochten. Es wurde ausgeführt, dass mit Dienstbarkeitsvertrag vom FRAU*MAG und HERR*MAG der Bf. mit Sitz in STADT ein Fruchtgenussrecht an mehreren Liegenschaften einräumten.
Nach Punkt "Fünftens" dieses Vertrages sei die Bf. für die Dauer des Fruchtgenussrechtes verpflichtet, an ihre Vertragspartner jeweils für die in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften jährlich eine Substanzabgeltung in Höhe der pro Jahr geltend gemachten Absetzung für Abnutzung (Afa) zu bezahlen. Weitere Gegenleistungen seien nicht bedungen worden.
Nur rechtgeschäftlich und entgeltlich eingeräumte Dienstbarkeiten würden Gegenstand einer Gebühr nach § 33 TP 9 GebG 1957 sein können. Eine teilweise unentgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit ("gemischte Schenkung") unterliege mit dem bedungenen Entgelt der Gebühr.
Nach Punkt "Drittens c)" und Punkt "Viertens c)" des Vertrages sei das Fruchtgenussrecht zwar unbefristet. Doch ende das Fruchtgenussrecht durch Kündigung durch FRAU*MAG oder HERR*MAG bzw. deren Erben. Eine erste Kündigungsmöglichkeit sei zum Kündigungstermin vereinbart worden.
Die Dauer des Fruchtgenussrechtes der Bf. sei im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeit somit von unbestimmter Dauer und mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten.
Demnach würde sich nach Aufschlüsselung der einzelnen Berechnungen für sämtliche Verträge eine Gebühr von insgesamt € 1.750,19 ergeben und wurde eine entsprechende Vergebührung beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:
"Im Dienstbarkeitsvertrag wird vereinbart, dass die berechtigte partei für die Dauer der Ausübung des Fruchgenussrechtes sämtliche Reparatur- und Erhaltungskosten, Betriebskosten, Heizkosten, öffentliche Abgaben und Versicherungsprämien bezahlt. Ferner hat die berechtigte partei eine jährliche Substanzabgeltung in Höhe der Afa zu bezahlen. Diese Leistungen stellen das Entgelt für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes dar. Für die Auslegung des Begriffes des Wertes des Entgeltes können grundsätzlich dieselben Überlegungen wie für den "Wert" im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 1 GebG gelten (), ohne dass aber die Sonderbestimmungen insbesondere der Abs. 2 und 3 des § 33 TP 5 GebG zur Anwendung gelangen können. So sind insbesondere Leistungen von unbestimmter Dauer gemäß § 15 Abs. 2 BewG mit dem Neunfachen des Jahreswertes anzusetzen. Zur Dauer ist zu bemerken, dass das Fruchtgenussrecht grundsätzlich unbefristet ist, eine Kündigungsmöglichkeit jedoch erstmals zum möglich ist. Somit liegt bis zum eine bestimmte Dauer vor, darüber hinaus eine unbestimmte."
Mit Schreiben vom wurden gegen diese Beschwerdevorentscheidungen Vorlageanträge gemäß § 264 BAO gestellt.
Das FA fasste im Vorlagebericht zunächst die relevanten Punkte der Dienstbarkeitsverträge und den bisherigen Verfahrensgang zusammen. Weiters führte es rechtlich unter Hinweis auf zahlreiche Judikate im Wesentlichen aus, dass für die Gebührenbemessung der Wert der Gegenleistung, die für die Einräumung der Dienstbarkeit versprochen werde, maßgebend sei. Dies beinhalte auch Leistungen, die der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs dienen sowie Betriebskosten (wie Müllabfuhrgebühren, Wassergebühren, Beheizungskosten, Warmwasserkosten) und die Verpflichtung, das Vertragsobjekt versichern zu lassen und die Prämie aus eigenem zu finanzieren. Aus diesem Grund seien solche, von der Bf. vertraglich übernommenen Kosten, in die Bemessungsgrundlage für die Gebühr einzubeziehen.
Zur Vertragsdauer wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine bestimmte Dauer vorliege, wenn nach dem Vertragsinhalt beide Vertragsteile auf eine bestimmte Zeit an das Vertragsverhältnis gebunden seien. Bestandsverträge seien dann auf unbestimmte Dauer abgeschlossen, wenn die Vereinbarung auf unbestimmte Zeit laute oder eine Vereinbarung über die Dauer fehle und auch sonst im Vertrag kein Anhaltspunkt enthalten sei, auf welche Dauer sich die Vertragsparteien binden wollten.
Ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag sei gebührenrechtlich als solcher auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden könne oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Fälle beschränkt sei. Auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Verträge, bei denen zunächst für eine bestimmte Zeit ein beiderseitiger Kündigungsverzicht vereinbart worden sei, seien für die Zeit des Kündigungsverzichtes als Verträge mit bestimmter Dauer und für die anschließende unbestimmte Zeit als solche von unbestimmter Vertragsdauer zu vergebühren.
Der Gesamtwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, seien gemäß § 26 GebG iVm § 15 Abs. 1 BewG 1955 die Summer der einzelnen Jahreswerte ohne Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen. Gemäß § 15 Abs. 2 BewG 1995 seien Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten. Der Gesamtwert dürfe das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht übersteigen.
Es sei daher aufgrund des Sachverhaltes der gegenständliche Dienstbarkeitsvertrag als einer mit bestimmter Dauer und für die anschließende unbestimmte Zeit als einer von unbestimmter Vertragsdauer zu vergebühren, jedoch höchstens das Achtzehnfache des Jahreswertes. Es werde daher beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem relevantem Sachverhalt aus:
Mit Notariatsakt vom wurden Dienstbarkeitsverträge betreffend Fruchtgenussrechte an den Liegenschaften
GRUNDSTÜCK*1(STRASSE*1), jedoch nur hinsichtlich der im ersten Stock des Hauses STRASSE*1 gelegenen Räumlichkeiten, verbunden mit dem Recht der Benützung der dem gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner dienenden Räumlichkeiten und der Mitbenützung der Zufahrt zum Haus und des südöstlichen Teils des Gartens,
GRUNDSTÜCK*2 (STRASSE*2) und
GRUNDSTÜCK*3 (STRASSE*3)
zwischen jeweils Frau FRAU*MAG und der Bf. und Herrn HERR*MAG und der Bf. geschlossen und die grundbücherliche Sicherstellung dieser Fruchtgenussrechte vereinbart. Der Bf. wurde das Recht zuerkannt, die fremden Sachen mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkungen zu genießen, sohin auch das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse.
Weiters wurde in den Punkten "Drittens a)" und "Viertens a)" vereinbart, dass die Bf. für die Dauer der Ausübung der Fruchtgenussrechte sämtliche Reparatur- und Erhaltungskosten, Betriebskosten, Heizkosten, öffentliche Abgaben und die Prämie einer wertentsprechenden Gebäudeversicherung hinsichtlich der oben genannten Objekte zu tragen hat. Die Bf. hat zusätzlich an die anderen Vertragsparteien für die jeweils in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften jährlich eine Substanzabgeltung in Höhe der pro Jahr geltend gemachten Absetzung für Abnutzung (Afa) als Gegenleistung zu bezahlen.
Das Fruchtgenussrecht wurde als unbefristet vereinbart. Es wird jedoch durch Kündigung beendet, wobei die erste Kündigungsmöglichkeit zum Kündigungstermin besteht und lediglich durch die Vertragspartner der Bf. bzw. deren Erben möglich ist (Vertragspunkte "Drittens c)" und "Viertens c)").
Die gemäß den Vertragspunkten "Drittens a)" und "Viertens a)" bezeichneten Kosten belaufen sich für die Objekte STRASSE*1 auf jährlich € 7.332,--, STRASSE*3 auf jährlich € 9.480,-- sowie STRASSE*2 auf jährlich € 3.500,--.
Die geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung (Afa) belaufen sich für die Objekte STRASSE*1 auf jährlich € 3.121,32, STRASSE*3 auf jährlich € 5.173,91 sowie STRASSE*2 auf jährlich € 1.428,04.
3. Beweiswürdigung
Die Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des vorgelegten Aktes, insbesondere dem aufliegendem Notariatsakt vom , den Schreiben des steuerlichen Vertreters vom , und betreffend die Afa sowie die Kosten der Vertragspunkte "Drittens a)" und "Viertens a)" und dem Vorbringen der Bf. und dem FA, welche den Sachverhalt nicht bestreiten, sondern lediglich betreffend dessen rechtliche Würdigung uneinig sind.
4. Rechtliche Erwägungen
§ 26 GebG, BGBl 267/1957 idgF führt aus wie folgt:
Für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände gelten, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, mit der Maßgabe, daß bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind und daß bei wiederkehrenden Leistungen die Anwendung der Bestimmungen des § 15 Abs. 1 über den Abzug der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen und des § 16 Abs. 3 des vorerwähnten Gesetzes ausgeschlossen ist. (BGBl. Nr. 7/1951, Art. I Z 7; BGBl. Nr. 116/1957, Z 2; BGBl. Nr. 148/1955, § 86 Abs. 2 und 3.)
Gemäß § 33 TP 9 GebG 1957 unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Rechtsgebühr von 2 v. H. von dem Werte des bedungenen Entgeltes.
§ 15 BewG, BGBl. 148/1955 idgF normiert:
(1) Der Gesamtwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, ist die Summe der einzelnen Jahreswerte abzüglich der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen. Dabei ist von einem Zinssatz in Höhe von 5,5 v. H. auszugehen. Der Gesamtwert darf das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht überstiegen.
(2) Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind mit dem Achtzehnfachen des Jahreswertes, Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 16 mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten.
(3) Beruhen die wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen auf der Überlassung von Rechten im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 4 oder auf der Überlassung von gewerblichen Erfahrungen und von Berechtigungen oder auf der Gestattung der Verwertung solcher Rechte, so gilt als gemeiner Wert der gesamten Nutzungen und Leistungen das Dreifache des Jahreswertes.
4.1. Rechtliche Qualifikation des Notariatsaktes
"Dem Fruchtnießer steht § 509 zufolge das Recht zu, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu gebrauchen, wobei ihm durch § 513 die Pflicht zur sorgsamen ökonomischen Wirtschaftsführung ("als guter Haushälter") auferlegt ist. Aus diesem Grund darf er nicht über die Sache rechtlich verfügen oder deren Zweckbestimmung oder Bewirtschaftungsart ändern. Dem Nießbraucher stehen als Rechtsbesitzer alle Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse zu. Da er damit hinsichtlich der Benützung jene Rechte ausüben darf, die sonst nur der Eigentümer auszuüben berechtigt ist, nähert sich seine Stellung Dritten gegenüber der Position des Eigentümers an" (Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 509 ABGB (Stand , rdb.at).
Die Gebührentatbestände des § 33 GebG verwenden im Allgemeinen die Begriffe des Zivilrechtes. Für die Abgrenzung unterschiedlich geregelter gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte voneinander ist daher deren zivilrechtliche Einordnung maßgebend. Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (vgl. mwN ).
Ergibt sich aus dem Vertragszweck eine eindeutige rechtliche Qualifikation, kommt der Regelung von Nebenbestimmungen des Vertrages bei dessen rechtlicher Zuordnung keine Bedeutung zu. Weder die Vereinbarung eines periodisch zu entrichtenden Entgeltes und der Tragung der Betriebskosten durch den Beschwerdeführer noch die vertragliche Einräumung von Kündigungsmöglichkeiten sprechen gegen die Qualifikation eines Vertrages als Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit (mwN ).
Für die Zuordnung eines Rechtsgeschäftes zu einem Gebührentatbestand ist das Gesamtbild und nicht einzelne Sachverhaltselemente maßgebend (vgl. mwN ).
Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 GebG 1957 ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) für die Festsetzung der Gebühren maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird. Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.
Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs. 2 GebG ist, dass der Urkundeninhalt nicht deutlich ist (). Die Rechtsvermutung des § 17 Abs. 2 GebG kommt also nur bei unklaren Textierungen des Urkundeninhaltes bzw. dessen Undeutlichkeit oder Mehrdeutigkeit in Betracht ().
Der Inhalt der Urkunde ist im gegenständlichen Fall hinsichtlich der zivilrechtlichen Qualifikation jedoch eindeutig als Dienstbarkeit zu werten. Es entspricht dem erklärten Willen der Vertragsparteien, dass der Bf. durch die vorliegenden Rechtsgeschäfte Fruchtgenussrechte iSd §§ 509 ff ABGB eingeräumt werden sollen, da auf diese Bestimmungen auch im Notariatsakt ausdrücklich Bezug genommen und der Bf. das Recht zuerkannt wurde, die fremden Sachen mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkungen zu genießen, sohin auch das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse. Die Tragung der Betriebskosten und die vertragliche Einräumung von Kündigungsmöglichkeiten steht diesem bei Gesamtbetrachtung der Umstände ebenso wenig entgegen wie die Einschränkung des Fruchtgenussrechtes betreffend die GRUNDSTÜCK**1 auf die Räumlichkeiten des ersten Stockes des Hauses STRASSE*1, verbunden mit dem Recht der Benützung der dem gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner dienenden Räumlichkeiten und der Mitbenützung der Zufahrt zum Haus und des südöstlichen Teils des Gartens. Dies obwohl bei Rechtsgeschäften, welche die Überlassung des Gebrauches einer Wohnung oder eines Hauses gegen Entgelt zum Gegenstand haben, mit Rücksicht auf § 1090 ABGB in der Regel an Mietverträge zu denken ist, wenn sie die für einen Bestandvertrag typischen und charakteristischen Merkmale aufweisen (vgl. auch ).
4.2. Entgeltlichkeit und Inhalt der Bemessungsgrundlage
§ 33 TP 9 GebG 1957 fordert die Entgeltlichkeit der eingeräumten Dienstbarkeit. Ein solches entgeltliches Rechtsgeschäft liegt vor, wenn nach dem Willen der Parteien eine Leistung iS einer subjektiven Äquivalenz durch die andere "vergolten" werden soll. Auf das Vorliegen einer solchen Äquivalenz kann auch aus dem Sachverhalt geschlossen werden (vgl. ; ).
"Bemessungsgrundlage der Gebühr nach § 33 TP 9 GebG ist der Wert des bedungenen Entgelts. Zur Auslegung des Begriffs des Wertes des Entgeltes können grundsätzlich dieselben Überlegungen wie für den "Wert" im Sinne des § 33 TP 5 Abs 1 GebG gelten (vgl ), ohne dass aber die Sonderbestimmungen insbesondere der Abs 2 und 3 des § 33 TP 5 GebG zur Anwendung gelangen könnten. (So sind insbesondere Leistungen von unbestimmter Dauer gemäß § 15 Abs 2 BewG mit dem Neunfachen des Jahreswertes, also nicht etwa mit dem Dreifachen des Jahreswertes, anzusetzen)" (Fellner, Gebühren und Verkehrssteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Stand Juli 2015, § 33 TP 9 Rz 14).
"Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich dargelegt, dass es bei der Feststellung des bedungenen Entgeltes darauf ankommt, was der Berechtigte aufwenden muss, um in den Genuss des Wohnrechtes zu kommen (vergleiche z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 174/61). Die Ansicht, dass die Betriebskosten Teil der Bemessungsgrundlage sind, ohne deren Tragung der Berechtigte nicht in den Genuss der Sache kommt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom Zl. 1624/59 vertreten und dargelegt, dass auch Leistungen, die der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsmäßigen Gebrauches dienen und die der Bestandnehmer erbringen muss, Teil des Wertes sind. Nun fallen unter den Begriff der Betriebskosten z.B. die Kosten der Müllabfuhr, Wassergebühren, Rauchfangkehrerkosten etc. Es handelt sich hierbei zumindest um Kosten, die den Gebrauch der Sache erleichtern. Dass Betriebskosten Teil des gebührenbestimmenden Entgeltes sind hat der Verwaltungsgerichtshof auch in weiterer Folge immer wieder bestätigt (vergleiche z.B. Erkenntnisse vom , Zlen. 974/73 und 367/73)" ().
Hiernach ist nicht nur die in Punkt "Fünftens" des Notariatsaktes als Gegenleistung betitelte Substanzabgeltung für die Afa in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, sondern auch die von der Bf. übernommenen Betriebskosten, die zu zahlenden Versicherungsprämien und sonstige übernommenen öffentlichen Abgaben. Diese Aufwendungen dienen der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsmäßigen Gebrauches und diese hatte die Bf. zu tragen, um in den Genuss der Fruchtgenussrechte zu kommen (vgl. betreffend die Versicherungspflicht; ).
4.3. Vertragsdauer
Betreffend die Vertragsdauer ist anhand derselben Grundsätze auszuführen, dass ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Dauer abgeschlossener Vertrag als ein Vertrag auf bestimmte Dauer anzusehen ist, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist (vgl. ; ). Nach Ablauf dieser Zeit ist von einem Vertrag auf unbestimmte Dauer auszugehen. In solchen Fällen ist die Rechtsgebühr von der Summe der Jahreswerte der bestimmten und der unbestimmten Vertragsdauer zu bemessen (; vgl. mwN Fellner, Gebühren und Verkehrssteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Stand Juli 2015 § 33 TP 5 Rz 145).
Gegenständlich sind die Fruchtgenussrechte zwar unbefristet vereinbart, jedoch bestehen Kündigungsmöglichkeiten der Vertragspartner bzw. deren Erben der Bf. Eine solche erste Kündigungsmöglichkeit wurde für den vereinbart.
Anhand der Bewertungsvorschriften der § 26 GebG 1957 iVm § 15 Abs. 1 und 2 BewG 1955 und aufgrund der fehlenden Möglichkeit durch die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis vor Ablauf dieser Zeit einseitig beenden zu können, ist zunächst von einer bestimmten Vertragsdauer von zehn Jahren bis zum erwähnten ersten möglichen Kündigungstermin am auszugehen und entsprechend zu vergebühren. In weiterer Folge ist der Vertrag als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen zu qualifizieren.
Bei der Berechnung ist hierzu jedoch zu beachten, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des § 15 Abs. 1 und Abs. 2 BewG - wonach letzterer zufolge selbst immerwährende Nutzungen oder Leistungen mit dem Achtzehnfachen des Jahreswertes zu bewerten sind - klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die Bewertung wiederkehrender Nutzungen oder Leistungen im Achtzehnfachen Jahreswert ihre Obergrenze finden soll ().
4.4. Conclusio
Bei Summierung der relevanten Zeiträume war nach dem oben Ausgeführten als Bemessungsgrundlage vom Achtzehnfachen des Jahreswertes des bedungenen Entgelts (samt Betriebskosten etc.) gemäß § 33 TP 9 und § 26 GebG 1957 iVm § 15 Abs. 1 und Abs. 2 BewG 1955 auszugehen und die angefochtenen Gebührenbescheide des FA vom daher vollinhaltlich zu bestätigen.
5. Zulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (, 367/73; ; ; ; ; ; ; ; ), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die Auslegung des Gesetzes ist unstrittig. Damit liegt gegenständlich kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 TP 9 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Pinetz/Schaffer in SWK 26/2019, 1089 Leyrer/Resenig in BFGjournal 2019, 508 Mischkreu/Knesl in BFGjournal 2021, 222 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7102860.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at