Kein Vertreterpauschale, wenn Aufwendungen dem Grunde nach nicht angefallen sind
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr. gegen den Bescheid des FA Judenburg Liezen vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird wie in der Berufungsvorentscheidung vom abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind der Berufungsvorentscheidung (Korrektur der Sachbezüge lt. Lohnzettel) zu entnehmen und bilden einen integrierenden Bestandteil dieses Spruches.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2012 als Handelsreisender das Vertreterpauschale und legte eine Bestätigung des Arbeitgebers vor. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Finanzamt gab er an, dass er über einen Dienst-PKW verfüge und der Arbeitgeber auch die Kosten für das Dienst-Handy und die Diäten bezahle, sein einziger Aufwand sei die Kleidung.
Im Einkommensteuerbescheid 2012 (Arbeitnehmerveranlagung) vom wurde vom Finanzamt das beantragte Vertreterpauschale nicht gewährt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass auf Grund der Verordnung des BMF über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, könnten ohne Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen Werbungskosten auf Grund von Erfahrungswerten geltend gemacht werden. Lägen keine Aufwendungen vor, würden keine Pauschbeträge nach dieser Verordnung in Betracht kommen. Es sei nicht Sinn der Pauschalierung fiktive Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Rechtfertigung für eine Pauschalierung läge in der Verwaltungsvereinfachung und setze voraus, dass sie den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe komme. Der Bf. verfüge über einen Dienst-PKW, Dienst-Handy und für im Außendienst anfallende Kosten (Diäten) habe der Dienstgeber Ersätze geleistet.
Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. rechtzeitig die Berufung (nach der derzeit geltenden Rechtslage Beschwerde genannt) ein mit der Begründung, dass die Bescheidbegründung den Lohnsteuerrichtlinien widerspreche, wonach Kostenersätze gemäß § 26 EStG nicht auf das Vertreterpauschale anzurechnen wären. Er beantragt das Vertreterpauschale in Höhe von 2.190 € bei der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2012 zu berücksichtigen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Höhe der Sachbezüge korrigiert, da der Dienst-PKW von 10/2012 bis 12/2012 nicht mehr für Privatfahrten zur Verfügung stand. Das Vertreterpauschale wurde wiederum nicht zuerkannt. Die BVE wurde damit begründet, dass für den Bf. auf Grund der vorgelegten Dienstgeberbestätigung die Verordnung des BMF über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, grundsätzlich anzuwenden und ein Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 5% der betreffenden Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sei. Da aber nach eigenen Angaben keinerlei Aufwendungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit erwachsen wären, die der Bf. selbst zu tragen gehabt habe. dem Bf. darüber hinaus vom Arbeitgeber ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei, welches bis auch für private Zwecke genutzt werden konnte und steuerfreie Bezüge (Diäten) in Höhe von 6.267,52 € vom Arbeitgeber ausbezahlt worden seien, könnten auch keine pauschalierten Werbungskosten für die Tätigkeit als Vertreter in Abzug gebracht werden. Es sei nicht Sinn der Pauschalierung fiktive Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Rechtfertigung für eine Pauschalierung läge in der Verwaltungsvereinfachung und setze voraus, dass sie den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe komme. Die Berücksichtigung von fiktiven, nicht erwachsenen Werbungskosten wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung Einzelner oder einzelner Gruppen von Steuerpflichtigen (-I/07 und -I/06).
Dagegen stellte der Bf. den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit der Begründung, da er im Jahr 2012 Vertreter im Außendienst gewesen sei, stehe ihm das Vertreterpauschale zu, die im Ausmaß von 2.190 € nicht berücksichtigt worden sei. Die Bescheidbegründung sei fachlich falsch und widerspreche den Lohnsteuerrichtlinien (LSTR 406 und 423). Demnach seien Kostenersätze gemäß § 26 EStG nicht auf das Vertreterpauschale anzurechnen.
Ab wurde der Unabhängige Finanzsenat durch das Bundesfinanzgericht abgelöst.
In Folge wurden vom Bundesfinanzgericht Ermittlungen durchgeführt, die ergaben, dass der Bf. seit im Unternehmen als Außendienstmitarbeiter beschäftigt gewesen sei und nach der Tätigkeitsbeschreibung, die ab Mai 2010 vereinbart wurde, im Streitjahr 2012 als Bezirksleiter mit folgenden Hauptaufgaben betraut gewesen sei:
„Umsatzverantwortung für seinen Verkaufsbezirk,
Betreuung des Einzelhandels,
Betreuung der zugewiesenen Direktkunden,
Durchsetzung der Ziel- und Leistungsvorgaben,
Erhöhung der Marktanteile/Distribution,
Koordination kundenspezifischer Aktionen,
Erstellung der Tourenpläne nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip,
Merchandising,
Umsetzung der festgelegten Verkaufsförderungsmaßnahmen,
Information von Kunden/Markt/Wettbewerb/Preisentwicklung,
Verbesserungsvorschläge/Anregungen,
Neukundenakquisition,
Analyse und Optimierung von Listung und Distribution,
Sonderaufgaben nach Maßgabe von Verkaufsleiter,
Berichtswesen.“
Lt. telefonischer Auskunft des Personalleiters des Arbeitgebers sei die Bezeichnung „Bezirksleiter“ ev. irreführend, da dem Bf. hierarchisch im Unternehmen keine (Außendienst-) Mitarbeiter unterstellt seien, er sei in seinem Bezirk allein verantwortlich für den Umsatz und erstelle nur seine eigenen Tourenpläne. Er sei als Reisender jeden Tag unterwegs und fahre jeden Tag eine andere Tour in seinem Bezirk.
In einem Telefonat gibt der Bf. gegenüber dem Bundesfinanzgericht noch an, dass auch die Kosten für den Laptop und den Drucker vom Arbeitgeber übernommen werden, lediglich minimale Stromkosten würden von ihm bezahlt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 idgF sind Werbungskosten allgemein die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gemäß § 17 Abs. 6 EStG 1988 können zur Ermittlung von Werbungskosten vom Bundesminister für Finanzen Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:
"Auf Grund des § 17 Abs. 6 EStG 1988 wird verordnet:
§ 1 Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:
…
Z 9 Vertreter
5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 EUR jährlich.
Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."
Vertreter sind Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Der Arbeitnehmer muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 17 Tz 71).
Voraussetzung für die Zuerkennung des genannten Werbungskostenpauschales ist somit nach dem klaren und eindeutigen Verordnungswortlaut, dass die Vertretertätigkeit ausschließlich ausgeübt wird und der Außendienst in zeitlicher Hinsicht gegenüber dem Innendienst vorherrschend ist.
Die Pauschalierung von Werbungskosten dient der Verwaltungsvereinfachung, weil § 17 Abs. 6 EStG 1988 den Bundesminister für Finanzen (nur) ermächtigt, in Fällen, in denen die genaue Ermittlung von Werbungskosten mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, Durchschnittsätze für Werbungskosten im Verordnungswege festzulegen (vgl. z. B. ). Die Verordnung darf aber in verfassungskonformer Auslegung nicht dazu dienen, Werbungskosten (in pauschaler Höhe) auch in Fällen zuzuerkennen, in denen derartige Werbungskosten gar nicht anfallen können.
Voraussetzung für den Abzug von Werbungskosten (auch in pauschaler Höhe) ist demnach, dass der Abgabepflichtige als Werbungskosten abzugsfähige Ausgaben und/oder Aufwendungen überhaupt aus versteuertem Einkommen zu tragen hat. Dies erfordert einen entsprechenden Nachweis durch den Abgabepflichtigen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0041, zur Betriebsausgabenpauschale ausgesprochen, dass Pauschalierungsregelungen zum einen der Verwaltungsvereinfachung dienen, zum anderen bieten sie dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die jeweils steuerlich günstigere Variante zu wählen. In der Regel wird der Steuerpflichtige seine tatsächlichen Betriebsausgaben mit dem Betriebsausgabenpauschale vergleichen und das Pauschale nur dann geltend machen, wenn es höher ist.
Laut der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Tätigkeitsbeschreibung und den Angaben des Personalleiters ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zwar als Vertreter iSd oben angeführten Verordnung anzusehen ist, allerdings hat das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass er alle ihm im Zusammenhang mit der Dienstverrichtung erwachsenden als Werbungskosten abzuziehenden Ausgaben und Aufwendungen (unversteuert) ersetzt erhält, sodass er – außer den minimalen Stromkosten für den Drucker, die vom allgemeinen Pauschbetrag von 132 € nach § 16 Abs. 3 EStG 1988 abgedeckt werden - keine zusätzlichen Ausgaben und/oder Aufwendungen aus seinem versteuerten Einkommen zu tragen hat.
Soweit der Beschwerdeführer auf die Lohnsteuer-Richtlinien verweist, lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, denn ein BMF-Erlass stellt keine für das Bundesfinanzgericht verbindliche Rechtsquelle dar. Abgesehen davon wird dennoch darauf hingewiesen, dass auch nach Rz 396 der LStR 2002 keine Pauschbeträge nach der Verordnung in Betracht kommen, wenn keine Aufwendungen vorliegen.
Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes und der gesetzlichen Bestimmungen war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungs- / Verfassungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH /VfGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Durchschnittssätze für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100661.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at