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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2015, RV/7100933/2014

Aufwendungen im Zusammenhang mit Folgeerkrankungen von Diabetes als außergewöhnliche Belastung


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Miterledigte GZ:
RV/710932/2014

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2016/13/0010. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7100858/2019 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., B-Straße, NÖ, Beschwerden gegen die Bescheide des Finanzamtes XY vom betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011 zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird stattgegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den beiliegenden Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Bescheidspruches.

Die Einkommensteuer 2010 wird mit € 10.179,00, die Einkommensteuer 2011 mit € 9.863,00 festgesetzt.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Bf. (idF: Bf.) bezog in den Jahren 2010 und 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 machte er außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung wie folgt geltend:

- pauschaler Freibetrag wegen eigener Behinderung, Grad der Behinderung: 30 %

- pauschaler Freibetrag für Diätverpflegung

- unregelmäßige Ausgaben für Kosten der Heilbehandlung im Betrag von € 2.777,38 (2010) und € 4.854,88 (2011).

Die Veranlagungen zur Einkommensteuer 2010 und 2011 erfolgten zunächst erklärungsgemäß.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. nachträglich aufgefordert, die "zusätzlichen Krankheitskosten" im Betrag von € 2.777,38 (2010) und € 4.854,88 (2011) anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen, sowie Vergütungen durch die Krankenkasse bzw. eine private Versicherung ebenso wie eventuelle Förderungen (Land etc.) anzuführen.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom legte der Bf. folgende Unterlagen in Kopie vor:

a. Einkommensteuer 2010:

- Dr.A , Facharzt für Unfallchirurgie, Arzt für Allgemeinmedizin, Sportarzt:

Honorarnote vom , Diagnose "Sublux tali supinat sin"(Teilverrenkung im Sprunggelenk und Außenbandriß links); "Bursitis subacromialis dext" (Schleimbeutelentzündung der rechten Schulter), Honorar € 80,00 bar erhalten.

- Bandagist B , Rechnung vom für Bein-Fuß-Bandagen im Betrag von € 27,40,

- Dr.A, Honorarnote vom , Diagnose "Bursitis subacromialis dext", Honorar € 50,00 bar erhalten,

- Wahlarztverordnung Dr.A vom für "10x HG Fr. H ",

- SH - Physiopraxis U , Rechnung vom über 10 mal Einzelheilgymnastik (20.8. bis ) im Betrag von insgesamt € 450,00 und Erlagscheinabschnitt vom über die Einzahlung dieses Betrages,

- L-GmbH , O , Rechnung vom , Selbstbehalt von € 150,57 für einen Aufenthalt vom 6.7. bis mit Zahlungsbestätigung,

- L-GmbH, O, Rechnung vom für ein Kinesiotape im Betrag von € 20,50 mit Zahlungsbestätigung,

- RM , Heilpraktiker, D , Diagnose "Venopathie, LWS-Syndrom", Liquidation vom über € 600,00 für 4 Behandlungen,

- Dr.S. , Praktischer Arzt, Kassa-Eingangsbestätigung vom über € 10,00,

- Dr.AA. , Praktische Ärztin, Rechnung vom über € 180,00 (Homäopathie + Therapiegespräch + unleserlich),

- Apotheke , Rezeptgebührenbestätigung vom und Auflistung der verrechneten Gebühren wie folgt:


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Medikament
Indikationen
Kosten
Actos Tabletten 45 mg
Diabetes mellitus II (anstelle von Metformin)
5x10 =50,00
Arnica D 6 DHU Globuli
Verletzungen (homöopathisches Mittel)
5,20
Augmentin Filmtabletten 625 mg
Penicillin-Antibiotikum - Infektionen der oberen Atemwege, HNO-Bereich
5,00
Candibene Creme
Pilzinfektionen
5,00
Diclofenac SMED Ret Tabletten 70
entzündungshemmendes Schmerzmittel bei rheumatischen Erkrankungen
5x2= 10,00
Flector EP PFl
Schmerzpflaster
17,95
Glucophage Filmtabletten 1000 mg
Diabetes mellitus II (Metformin)
5x7= 35,00
Janumet Filmtabletten 50 mg/1000 mg
Diabetes mellitus II (Metformin)
5x5= 25,00
Johanniskrautöl
Muskelverspannungen
15,35
Miranax Filmtabletten 550 mg
Anti-Rheumatikum (Schleimbeutel-, Sehnen-, Sehnenscheiden-, Gelenksentzündung)
4,35
Myolastan Filmtabletten 50 mg
Muskelverspannungen
4,90x2= 9,80
Ohropax Soft
Ohrstöpsel
4,00
Omec Hex Kapseln 20 mg
"Protonenpumpenhemmer" zur Verringerung der Magensäure
5x6= 30,00
Pantoprazol 1A MSR Tabletten 40 mg
"Protonenpumpenhemmer" zur Verringerung der Magensäure
5,00
Ratiodolor akut Schmerztabletten
rezeptfreie Schmerztabletten
5,90
Ratiosoft Nasen-Spray 0,1 %
Nasenspray
4,45
Rhinospray plus äther. Öl
Nasenspray
5,60 + 5,85= 11,45
Scottopect Gelee
Einreibung/Inhalation bei Erkältungen
4,40
Sucralfat orale Suspension 1g/5ml Beutel
Schleimhautschutz (Speiseröhre, Magen, Darm)
5x2= 10,00
Thyrex Tabletten 100 mg
Schilddrüsenunterfunktion
1x4,90 + 4x5= 24,90
Triodena Dragees
Verhütungsmittel ("Mikropille")
29,60

Laut Rezeptgebührenbestätigung wurden dem Bf. insgesamt Gebühren im Betrag von € 302,55 verrechnet, davon Kostenanteile/Verrechnung auf Krankenkassenrezept im Betrag von € 190,00 und Verrechnung privat im Betrag von € 112,55.

Der Bf. berechnete die "zusätzlichen Krankheitskosten 2010" wie folgt:


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Entgelte
Fahrtkosten
Dr-S
10 x 13 km
208
Dr-S
10,00
1 x 13 km
13
Dr-A
180,00
1 x 15 km
15
M
600,00
4 x 340 km
1.360
B
27,40
O
150,57
2 x 200 km
400
O
20,50
Rezeptgebühren
302,55
H
450,00
10 x 15 km
150
Dr-A
80,00
2 x 6 km
12
Dr-A
50,00
Summe
1.871,02
2.158 km
x 0,42
€ 906,36
"zus. Krankheitskosten"
€ 2.777,38

b. Einkommensteuer 2011:

- Rezeptgebührenbestätigung der Apotheke vom . Demnach wurden dem Bf. im Jahr 2011 insgesamt Rezeptgebühren im Betrag von € 227,60 verrechnet, welche sich wie folgt zusammensetzen:


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Verrechnung auf Krankenkassenrezept/Kostenanteile
€ 173,40
Präparate, deren Wert unter der Rezeptgebühr lag
€ 11,60
Verrechnung privat
€ 42,60

Diese Rezeptgebührenbestätigung ist nicht nach Medikamenten aufgegliedert.

- RM, Heilpraktiker, "Liquidation" vom über € 750,00 für 5 Behandlungen/ Diagnose "Venopathie, LWS-Syndrom",

- RM, Heilpraktiker, "Liquidation" vom über € 1.510,00 für 10 Behandlungen/ Diagnose "Diabetes mellitus".

Der Bf. berechnete die "zusätzlichen Krankheitskosten 2011" wie folgt:


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Fahrtkosten
Entgelte
Diäten
Dr-S
18 x 13 km
234 km
Dr.L.
1 x 50 km
50 km
Dr-N
1 x 50 km
50 km
M
5 x 340 km
1.700 km
750,00
M
10 x 340 km
3.400 km
1.510,00
Rezeptgebühren
Summe:
227,69
Summe
5.434 km
+ Km-Geld
x 0,42
2.282,28
2.487,60
165,00°
Krankheitskosten
4.854,88

(°Taggelder für Fahrten zu Hrn. M: 5 x 5 Std. und 10 x 5 Std. à € 2,20 = € 165,00)

Über Ergänzungsersuchen vom legte der Bf. mit Vorhaltsbeantwortung vom ein Schreiben des Bundessozialamtes vom vor, worin die Gesundheitsschädigungen beim Bf. nachfolgend beurteilt wurden:


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Art der Gesundheitsschädigung
Minderung der Erwerbsfähigkeit
1
Diabetes mellitus Typ II
30%
2
Schilddrüsenunterfunktion
10%
3
posttraumatische degenerative Veränderungen, rechtes Handgelenk nach Kahnbeinbruch
10%
4
Bursitis trochanteria rechts (Schleimbeutelentzündung Hüfte)
10%
5
Gastritis
10%

In der Folge wurde der Bf. im wiederaufgenommenen Verfahren mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2010 und nach Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO mit Bescheid vom gleichen Tag zur Einkommensteuer 2011 veranlagt, wobei die geltend gemachten Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen wie folgt beurteilt wurden:

a. Einkommensteuer 2010:

Mit dem Hinweis, dass als Kosten der Heilbehandlung Arztkosten, ärztlich verordnete Therapiekosten und Kosten für Medikamente nur gelten, wenn sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, wurden von den Rezeptgebühren nur die Kostenanteile für Krankenkassenrezepte im Betrag von € 190,00 anerkannt. Weiters wurden Fahrtkosten für 16 Fahrten zu Dr-S im Betrag von € 87,36 berücksichtigt.

In Summe wurden nur € 277,36 als Kosten der Heilbehandlung im Zusammenhang mit Diabetes anerkannt. Die restlichen Krankheitskosten im Betrag von € 2.500,02 wurden als Krankheitskosten gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 mit Selbstbehalt berücksichtigt, welche sich steuerlich nicht auswirken. Eine Kürzung der Fahrtkosten betreffend Fahrten zu RM (310 km laut google-maps anstelle 340 km lt. Bf.) erfolgte dabei nicht.

In seiner Beschwerde vom beantragte der Bf., folgende Kosten als "zusätzliche Krankheitskosten" ohne Selbstbehalt anzuerkennen, da sie ausschließlich mit seiner 30%igen Behinderung aus Diabetes und Schilddrüsenerkrankung in Zusammenhang stünden, und die Venopathie eine durch Diabetes verursachte Venenerkrankung sei:


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Rehabilitationsaufenthalt in O
150,57
Fahrtkosten O (2 x 200 km x 0,42)
168,00
Heilpraktiker M, Venopathie: 2 Behandlungen (laut Rechnung: Venopathie und LWS, 4 Behandlungen)
300,00
Fahrtkosten zu Herrn M = 2 x 310 km x 0,42
260,40
zusätzliche Rezeptgebühren
39,00
Summe
917,97
bisher
277,38
Krankheitskosten ohne Selbstbehalt
1.195,95

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2010 abgeändert. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass, abgesehen von der 30%igen Behinderung wegen Diabetes, alle anderen Gesundheitsschädigungen wie zB. Schilddrüsenunterfunktion, Gastritis, Schleimbeutelentzündung der Hüfte, laut Beschluss des Bundessozialamtes jeweils eine 10%ige Behinderung ergaben. Da diese Behinderungen unter 20% (richtig: unter 25 %) liegen, könnten damit zusammenhängende Kosten nur mit Selbstbehalt berücksichtigt werden. Von den Rezeptgebühren/Kostenersätzen wurden nur € 140,00 als Kosten der Heilbehandlung im Zusammenhang mit Diabetes anerkannt. Die restlichen Rezeptgebühren im Betrag von € 162,55 wurden wie die übrigen geltend gemachten Krankheitskosten nur mit Selbstbehalt berücksichtigt. Diese Aufwendungen im Gesamtbetrag von € 2.550,02 kommen aufgrund des Abzuges des Selbstbehaltes steuerlich nicht zum Tragen.

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf., die Honorarnoten des Heilpraktikers M und die betreffenden Fahrtkosten insoweit anzuerkennen, als sie die Diagnose "Venopathie" betrafen, da Venopathie ausschließlich eine Folgeerkrankung der Diabeteserkrankung des Bf. sei. Auch der Rehabilitationsaufenthalt in O im Jahr 2010 sei ausschließlich wegen Diabetes erfolgt.

b. Einkommensteuer 2011:

Da laut google-maps die Entfernung vom Wohnort des Bf. zur Adresse des Heilpraktikers M in D nicht 340, sondern 310 km beträgt, wurde die Berechnung der Fahrtkosten vom Finanzamt entsprechend gekürzt.

Als Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung wegen Diabetes wurden anerkannt:


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Honorarnote Heilpraktiker M vom wegen Diabetes
1.510,00
Fahrtkosten zu Herrn M: 10 Behandlungen x 310 km = 3.100 km x 0,42
1.302,00
Fahrtkosten zu Dr-S = 18 x 13 km = 234 km x 0,42
98,28
Rezeptgebühren/Kostenanteile für Krankenkassenrezept
173,40
Summe
3.083,68

Die restlichen Krankheitskosten (davon Fahrtkosten zu Herrn M berechnet mit 5 x 310 km x 0,42 = € 651,00) im Betrag von € 1.497,20 wurden als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt und blieben steuerlich ohne Auswirkung.

In seiner Beschwerde vom beantragte der Bf., folgende Kosten als "zusätzliche Krankheitskosten" ohne Selbstbehalt anzuerkennen:


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Heilpraktiker M, Venopathie, 3 von 5 Behandlungen(laut Rechnung: 5 Behandlungen Venopathie, LWS)
450,00
Fahrtkosten zu Herrn M: 3 x 310 km x 0,42
390,60
Taggeld betreffend Fahrten zu Herrn M: 5 x 5 Std. x € 2,20
55,00
Fahrtkosten zu Dr.L. /Schilddrüsenuntersuchung
21,00
Fahrtkosten zu Dr-N /Augenuntersuchung
21,00
Summe Mehraufwand
937,60

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Fahrtkosten zu Dr-N (Augenarzt) ebenfalls den Krankheitskosten ohne Selbstbehalt zugerechnet. Diese betragen somit insgesamt € 3.104,68, die Krankheitskosten mit Selbstbehalt reduzieren sich auf € 1.476,20. Betreffend die geltend gemachten Diäten wurde darauf hingewiesen, dass Taggelder "nur im Sinne von Reisekosten zustehen".

Im Vorlageantrag vom beantragte der Bf., die Kosten des Heilpraktikers M aus der Diagnose "Venopathie" und die betreffenden Fahrtkosten ohne Selbstbehalt anzuerkennen.

Das Finanzamt legte die Beschwerden mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, wobei es nach der am mit dem Bf. stattgefundenen Erörterung davon ausging, dass die Kosten für den Rehabilitationsaufenthalt in O im Jahr 2010 im Zusammenhang mit der Zuckerkrankheit des Bf. stehen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist, welche Aufwendungen des Bf. Kosten der Heilbehandlung ("zusätzliche Krankheitskosten") im Zusammenhang mit seiner Diabetes-Erkrankung sind, die gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996 als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen sind.

Die maßgebenden Bestimmungen lauten:

§ 34 EStG 1988:

(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

§ 35 EStG 1988:

(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

-……

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung)…..

(3) Es wird jährlich gewährt


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bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von
ein Freibetrag von Euro
25% bis 34%
75

(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

(7) Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.

Durch die (ab 1996 geltende) Verordnungsermächtigung im letzten Satz des § 34 Abs. 6 wurde der materielle Gehalt der §§ 34 und 35 insofern geändert, als entgegen § 35 Abs. 5 Mehraufwendungen ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 bzw. entgegen § 34 Abs. 6 TS 4 und 6 ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996 (auch in der ab der Veranlagung 2011 geltenden Fassung des BGBl. II 430/2010) lauten:

§ 1 (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

-….

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um ….einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 2 (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei

- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro

- …..

pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

(2) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25 % sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.

§ 4 Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel …. sowie Kosten der Heilbehandlungen sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Kosten der Heilbehandlung sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztlich verordnete Kuren, Therapien, Medikamente, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen, weiters dabei anfallende Fahrt- bzw. Transportkosten im tatsächlichen Ausmaß bzw. in Höhe des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des eigenen Kraftfahrzeuges (Jakom/Baldauf, EStG, 2015, § 35 Rz 27).

All diese Kosten sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen (aao., § 35 Rz 25).

Unstrittig ist, dass dem Bf., bei welchem vom Bundessozialamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Diabetes mellitus in Höhe von 30 % festgestellt wurde, gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 ein jährlicher Freibetrag von 75 Euro zusteht und weiters gemäß § 2 der Verordnung BGBl. 303/1996 Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung im Zusammenhang mit seiner Zuckerkrankheit ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten im Betrag von monatlich 70 Euro, das sind jährlich 840 Euro anzusetzen sind.

Strittig ist, welche zusätzlichen Aufwendungen als Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen sind.

Der Bf. machte in den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 eine Vielzahl von Aufwendungen geltend, welche jedoch vom Finanzamt überwiegend als Krankheitskosten gemäß § 34 EStG 1988 unter Abzug eines Selbstbehaltes behandelt wurden, da ein unmittelbarer Zusammenhang mit Diabetes nicht erkennbar sei.

In den Beschwerden und den Vorlageanträgen schränkte der Bf. sodann die geltend gemachten "zusätzlichen Krankheitskosten" ein. Im Ergebnis machte er - zusätzlich zu den vom Finanzamt berücksichtigten Kosten - betreffend die Jahre 2010 und 2011 die Kosten der Behandlung beim Heilpraktiker M wegen Venopathie samt Fahrtkosten und betreffend das Jahr 2010 den Selbstbehalt betreffend den Rehabilitationsaufenthalt in O samt Fahrtkosten geltend.

Jedoch hat das Bundesfinanzgericht von Amts wegen außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, sobald sie ihm bekannt werden. Trägt der Steuerpflichtige einen Sachverhalt vor, der eine Subsumierung unter § 34 nahe legt, muss er daher auch unter diesem Gesichtspunkt beurteilt werden (, Jakom,Baldauf, EStG,2015, § 34 Rz 8).

Medizinisch anerkannt ist, dass Diabetes Folgeerkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion, Angiopathien (Erkrankungen der Arterien und Erkrankungen der Venen/Venopathien), Gelenkserkrankungen (Arthrosen, rheumatische Erkrankungen), Erkrankungen der Nerven, des Magen- Darmtraktes (infolge von Überzuckerung und infolge von Neuropathien), Augenerkrankungen, Pilzerkrankungen und allgemein eine schlechtere Immunabwehr/höhere Infektanfälligkeit nach sich ziehen kann.

Soweit die Aufwendungen des Bf. mit einer derartigen Folgeerkrankung im Zusammenhang stehen, stellen sie - ungeachtet des Umstandes, dass vom Bundessozialamt betreffend einzelne Erkrankungen des Bf. (Schilddrüsenunterfunktion, Gastritis) nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % festgestellt wurde - Kosten der Heilbehandlung iSd § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996, die mit der Behinderung wegen Diabetes in Zusammenhang stehen, dar.

Lediglich betreffend Aufwendungen im Zusammenhang mit allgemeinen Infektionen geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass diese nicht nach § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 absetzbar sind.

Die Aufwendungen werden daher wie folgt beurteilt:

Einkommensteuer 2010:

Die Konsultationen beim praktischen Arzt Dr-S sind im Zusammenhang mit Kontrolluntersuchungen betreffend Diabetes zu sehen.

Betreffend die einmalige Konsultation einer weiteren praktischen Ärztin, Frau Dr-A, im Jahr 2010 ist dieser Zusammenhang bzw. ein Zusammenhang mit Folgeerkrankungen nicht zu erkennen.

Betreffend die Besuche des Bf. bei Herrn M im Zusammenhang mit Venopathie, einer Angiopathie, und LWS-Syndrom, einer Gelenkserkrankung, ist der Zusammenhang mit Diabetes gegeben.

Fahrtkosten für Fahrten zu Herrn M sind (laut google-maps) für eine Entfernung von 310 km (Hin- und Rückfahrt) anstelle von 340 km laut Einkommensteuererklärungen zu berechnen.

Ein Bänderriss im Knöchel ist nicht in Zusammenhang mit Arthrosen oder Arthritis zu sehen, sondern stellt typischerweise eine Sportverletzung dar. Die Erstordination bei Dr-A vom wird im Schätzungsweg zu 50 %, das sind € 40,00, der Behandlung dieser Knöchelverletzung zugeordnet. Die Kosten der Bein-Fuß-Bandagen im Betrag von € 27,40 laut Rechnung Bandagist B vom betreffen ebenfalls die Knöchelverletzung. Diese Kosten sind nur als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 mit Selbstbehalt absetzbar.

Die Behandlung der Schulterverletzung (Erstordination Dr-A vom , 50 % der Kosten = € 40,00, Folgeordination Dr-A = € 80,00, Fahrtkosten im Betrag von € 5,04), die Heilgymnastik bei Frau H im Zusammenhang mit der Schulterverletzung sowie der Aufwand für ein Kinesiotape (Rechnung L-GmbH , O vom 26.7.1010) betreffen eine Gelenkserkrankung des Bf. als Folgeerkrankung von Diabetes.

Der Rehabilitationsaufenthalt in O steht nach den Ermittlungen des Finanzamtes in Zusammenhang mit der Diabetes-Erkrankung des Bf., der Selbstbehalt und die Fahrtkosten sind daher Aufwand gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996.

Die Medikamente im Zusammenhang mit Diabetes und deren Folgeerkrankungen betrafen:


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Diabetes: Actos, Glucophage, Janumet
110,00
Schilddrüse: Thyrex
24,90
Speiseröhre, Magen, Darm: Omec, Pantoprazol, Sucralfat
45,00
Gelenkserkrankungen:Arnica D6, Diclofenac, Flector, Johanniskrautöl, Miranax, Myolastan
62,65
Pilzerkrankungen: Candibene
5,00
Summe
247,55

Medikamente im Betrag von € 247,55 sind gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 ohne Selbstbehalt, Medikamente betreffend allgemeine Infektionen im Betrag von € 31,20 gemäß § 34 EStG 1988 unter Abzug eines Selbstbehaltes abzugsfähig.

Weiters wurden Rezeptgebühren für Ohropax mit 4 € und für Triodena, ein Verhütungsmittel, mit € 29,60 geltend gemacht. Diese Aufwendungen im Betrag von insgesamt € 33,60 stellen keine außergewöhnliche Belastung dar (vgl. betreffend Verhütungsmittel: Jakom/Baldauf, EStG, 2015, § 34 Rz 90, Stichwort Krankheitskosten).

Einkommensteuer 2011:

Für 2011 sind Fahrtkosten betreffend die Konsultationen beim praktischen Arzt Dr-S (Diabetes-Kontrollen), Dr.L. (Schilddrüse), Dr-N (Augenarzt), und die Honorare sowie Fahrtkosten betreffend Konsultationen bei Herrn M (Diabetes, Venopathie, LWS-Syndrom) gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 absetzbar. Von den Kosten für Medikamente werden im Schätzungsweg entsprechend dem Vorjahr 80 %, das sind € 182,08 den Aufwendungen im Zusammenhang mit Diabetes und Folgeerkrankungen, und 20 %, das sind € 45,52 den allgemeinen Krankheitskosten gemäß § 34 EStG 1988 zugeordnet.

Betragliche Auswirkungen:

Aufwendungen gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 betreffend 2010:


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Dr-S, Honorar
10,00
Fahrtkosten: 17 x 13 km
92,82
M, Honorar
600,00
Fahrtkosten: 4 x 310 km
520,80
Reha O, Selbstbehalt
150,57
Fahrtkosten: 2 x 200 km
168,00
Kinesiotape
20,50
Dr-A, 50 % des Ersthonorars
40,00
Dr-A, Folgehonorar
50,00
Fahrtkosten: 2 x 6 km
5,04
H, Honorar
450,00
Fahrtkosten: 10 x 15 km
63,00
Medikamente
247,55
Summe
2.418,28

Aufwendungen gemäß § 34 EStG 1988 mit Selbstbehalt im Jahr 2010:


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Dr-A
180,00
Fahrtkosten: 1 x 15 km
6,30
Dr-A , 50 % des Ersthonorars
40,00
Bandagist B
27,40
Medikamente
31,20
Summe
284,90

Abzuerkennende Aufwendungen im Jahr 2010:

Ohropax, € 4,00 und Triodena Dragees, € 29,60, insgesamt € 33,60.

Aufwendungen gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 betreffend 2011:


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Dr-S, Fahrtkosten
18 x 13 km
98,28
Dr.L., Fahrtkosten
1 x 50 km
21,00
Dr-N , Fahrtkosten
1 x 50 km
21,00
M, Honorar
750,00
M, Fahrtkosten
5 x 310 km
651,00
M, Honorar
1.510,00
M, Fahrtkosten
10 x 310 km
1.302,00
Medikamente
80 % von 227,60
182,08
Summe
4.535,36

Aufwendungen gemäß § 34 EStG 1988 mit Selbstbehalt im Jahr 2011:

Medikamente: 20 % von 227,60 = 45,52.

In Summe sind als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen:


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2010
2011
gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996
2.418,28
4.535,36
gemäß § 34 EStG 1988 mit Selbstbehalt
284,90
45,52

Die angefochtenen Bescheide waren wie in den beiliegenden Berechnungsblättern dargestellt, abzuändern.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, da sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da zu der Frage, ob Aufwendungen im Zusammenhang mit Folgeerkrankungen von Diabetes gemäß § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996 als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug eines Selbstbehaltes abzugsfähig sind, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Stöger-Frank in BFGjournal 2016, 102
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7100933.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at