Eine Kinderbetreuerin wird durch die Absolvierung des Seminars mit dem Titel "Auf den Spuren Maria Montessoris" beim BFI nicht zur pädagogisch qualifizierten Person im Sinne des § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache A gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Im Zuge der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 beantragte der Beschwerdeführer unter anderem Kinderbetreuungskosten in Höhe von Euro 1.252 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. In einer Vorhaltsbeantwortung gibt er bekannt, dass es sich dabei um Kosten für die Betreuung seines Sohnes B, geboren 2009, handeln würde. Der Betrag setze sich zusammen aus Euro 1.180, bezahlt an Frau C für September bis Dezember 2010, und Euro 72, bezahlt an Frau D für Mai bis August 2010. Zum Nachweis der pädagogischen Qualifikation wird ausgeführt, dass Frau D über das Babysitter-Zertifikat (Oma-Opa-Update) verfügen würde und Frau C vom Oktober 2010 bis März 2011 einen Montessori-Lehrgang am BFI Graz (Auf den Spuren Maria Montessoris) besucht habe. Das Kursprogramm wurde beigelegt. Von den insgesamt 80 Lehrgangsstunden seien im Jahr 2010 bereits 44 zu absolvieren gewesen. Frau C habe keine Einheit versäumt. Im März 2011 sei der Kurs zu Ende gewesen. Eine Bestätigung wurde beigelegt.
Das Finanzamt gewährte die an Frau D gezahlten Kinderbetreuungskosten in Höhe von Euro 72 als außergewöhnliche Belastung und verweigerte das weitere Begehren des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid mit der Begründung, dass Frau C im Jahr 2010 über keine ausreichende, abgeschlossene Ausbildung verfügt habe.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wendet der Beschwerdeführer ein, dass ihm bekannt sei, dass für erwachsene Personen bereits 8 Unterrichtseinheiten zur Erlangung des sogenannten Babysitter-Zertifikates ausreichend seien. Dieses sei als erforderliche pädagogische Qualifizierung anerkannt. Der von Frau C absolvierte Montessori-Lehrgang umfasse die in diesen Kursen vermittelten und für die Qualifizierung erforderlichen Inhalte zur kindlichen Erziehung jedenfalls, und zwar bereits im abgelaufenen Jahr 2010. Daher sei Frau C im Sinne der gesetzlichen Bestimmung pädagogisch qualifiziert.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte begründend aus, dass pädagogisch qualifizierte Personen Personen seien, die folgende Ausbildungserfordernisse erfüllen würden:
Lehrgänge für Tageseltern nach den diesbezüglichen landesgesetzlichen Vorschriften
Ausbildung zum Kindergartenpädagogen, zum Horterzieher, zum Früherzieher, zum Familienarbeiter (-helfer)
Pädagogisches Hochschulstudium an einer Universität, einer Pädagogischen Akademie oder einer vergleichbaren Einrichtung (z.B. Pädagogische Hochschule) sowie ein pädagogisches Teilstudium (zB Wirtschaftspädagogik)
Elternbildungsseminare oder Ausbildungsseminare in der Kinderbetreuung im Ausmaß von 8 bzw. 16 Stunden an den vom BMWFJ genannten Ausbildungsstätten.
Das von Frau C besuchte Seminar „Auf den Spuren Maria Montessoris“ entspreche nicht den vom Gesetzgeber erforderlichen Kriterien einer pädagogisch qualifizierten Ausbildung. Die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten hätten somit nicht anerkannt werden können.
Nach Einbringung des Vorlageantrages legte das Finanzamt die Beschwerde zur Entscheidung an den Unabhängigen Finanzsenat, nunmehr Bundesfinanzgericht, vor.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.
Gemäß § 34 Abs. 9 EStG 1988 gelten Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2.300 Euro pro Kind und Kalenderjahr unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:
1. Die Betreuung betrifft ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder ein Kind im Sinne das § 106 Abs. 2, das sich nicht ständig im Ausland aufhält.
2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 für das Kind, das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
3. Die Betreuung erfolgt in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder in einer privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung, die den landesgesetzlichen Vorschriften über Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht, oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige.
4. Der Steuerpflichtige gibt in der Einkommensteuererklärung die Betreuungskosten unter Zuordnung zu der Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder der Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) des Kindes an. Steuerfreie Zuschüsse, die gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b von Arbeitgebern geleistet werden, kürzen den Höchstbetrag von 2.300 Euro pro Kind und Kalenderjahr nicht. Soweit Betreuungskosten durch Zuschüsse gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b abgedeckt sind, steht dem Steuerpflichtigen keine außergewöhnliche Belastung zu.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind somit nur jene Kinderbetreuungskosten abzugsfähig, die entweder an eine institutionelle Kinderbetreuungseinrichtung oder an eine "pädagogisch qualifizierte" Person geleistet werden.
Das Erfordernis der gegenständlich strittigen pädagogischen Qualifikation einer Betreuungsperson ist im Gesetz nicht näher definiert. Den Gesetzesmaterialien (vgl. 54 BlgNR XXIV. GP) ist dazu Folgendes zu entnehmen:
„Die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten ist an die Voraussetzung geknüpft, dass sie durch institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen (zB Kindergärten, Kinderkrippen, Kindertagesheime) oder durch pädagogisch qualifizierte Personen (z.B. ausgebildete Tagesmütter) erfolgt. Private institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen müssen den diesbezüglichen landesgesetzlichen Vorschriften entsprechen.“
Der Klammerausdruck in den Gesetzesmaterialien nach der Wortfolge „pädagogisch qualifizierte Personen (z.B. ausgebildete Tagesmütter)“ lässt darauf schließen, dass nur ähnlich wie Tagesmütter ausgebildete Personen als pädagogisch qualifizierte Personen anzusehen sind. Der durch das Bundesministerium für Finanzen in den Lohnsteuerrichtlinien erfolgten Interpretation, so wie vom Beschwerdeführer eingewendet, wonach eine bestimmte "Ausbildung" von 8 Stunden bereits ausreicht, um als pädagogisch qualifizierte Person iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 zu gelten, kann sich das Bundesfinanzgericht nicht anschließen (siehe auch RV/1801-W/11 vom , wonach sich das Qualifikationsniveau der Einzelperson an jenem der Mitarbeiter der institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen zu orientieren haben und zumindest jenen Umfang aufweisen müssen wird, der der Ausbildung von Tagesmüttern und -vätern im jeweiligen Bundesland entspricht). Auch in der Fachliteratur wird diese Ansicht vertreten (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, Tz 50 zu § 34 Abs. 6 bis 9).
Im gegenständlichen Fall hat die Kinderbetreuerin beim BFI ein 80-stündiges Seminar mit dem Titel "Auf den Spuren Maria Montessoris", inhaltlich mit 18 Unterrichtseinheiten Kinderhaus/Stille, 15 Unterrichtseinheiten Mathematik, 15 Unterrichtseinheiten Sprache, 8 Unterrichtseinheiten Kosmische Erziehung, 15 Unterrichtseinheiten Theorie und 9 Unterrichtseinheiten Hospitationen absolviert. Als Ziel wird das Kennenlernen der Schwerpunkte der Montessori-Pädagogik und das Erarbeiten der Grundlagen und Prinzipien genannt. Als Zielgruppe sind genannt KindergartenpädagogInnen, LehrerInnen, HortpädagogInnen, SozialpädagogInnen, Tagesmütter/-väter, KinderbetreuerInnen, Eltern und alle pädagogisch interessierten Personen.
Die Ausbildung der Tagesmütter/Tagesväter ist in der Steiermark in der Kinderbetreuungs-Ausbildungsverordnung geregelt.
Nach § 2 (Ausbildungsbereiche und Stundenausmaß) dieser Verordnung hat die Ausbildung folgende Ausbildungsbereiche, jeweils nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft, im angegebenen Stundenausmaß zu enthalten:
1. Persönlichkeitsbildung und Kommunikation im Ausmaß von mindestens 57 Stunden mit folgenden Lehrinhalten:
Selbsterfahrung, Selbstkonzept und Rollenbild von Erziehenden, Kommunikationsformen und Kommunikationstechniken, Gesprächsführung, Konfliktmanagement, Teamarbeit, Organisation, Management
2. Entwicklungspsychologie und Erziehungslehre im Ausmaß von mindestens 92 Stunden mit folgenden Lehrinhalten:
Geschichte der Kindheit und der Familie – Lebensbedingungen der Familien heute, Entwicklung des Kindes von der Geburt bis zum 15. Lebensjahr, Grundbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, Körper und Sexualität, Grundlagen der Bindungstheorien, Wirkung von Verlusterlebnissen, Grundbegriffe der Heil- und Integrationspädagogik, Verhaltensauffälligkeiten, Verhaltensstörungen, Sprachentwicklung und sprachliche Bildung, Sozialisation, Geschlechtssensible Pädagogik, Lernformen und Lerntypen, Überdenken der eigenen Kindheit und der eigenen Erziehung, Erziehungsstile und Erziehungskonzepte
3. Praktische Arbeit mit Kindern in den einzelnen Bildungsbereichen im Ausmaß von mindestens 108 Stunden mit folgenden Lehrinhalten:
Soziale und emotionale Erziehung, Spiel und Spielformen, Wahrnehmungs- und Denkförderung, Spracherziehung, Kinder- und Jugendliteratur, Musik und Tanz, elementare Instrumente, Bewegungserziehung, darstellendes Spiel, Rollenspiel, Experimentieren und Erkunden; Naturwissenschaften und Technik, bildnerisches Gestalten und Werken, Umwelt, gesunde Ernährung, Gesundheit, erste Hilfe, religiöse Erziehung, Feste und Brauchtum, interkulturelle Erziehung
4. Spezielle Didaktik der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen im Ausmaß von mindestens 38 Stunden mit folgenden Lehrinhalten:
Didaktische und methodische Prinzipien, Kriterien der Beobachtung, Planung, Umsetzung und Reflexion von Bildungsprozessen, Rahmenbedingungen, Raum- und Zeitstrukturen, Kennenlernen von Bildungs- und Spielmitteln, Materialien und Medien, Sozialformen und Interaktion, Regeln und Ordnungen, Kommunikation und Kooperation mit Eltern, Kooperation mit Institutionen, Bildungsprozesse im sozialen Netzwerk
5. Spezielle organisatorische und rechtliche Fragen der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen im Ausmaß von mindestens 20 Stunden mit folgenden Lehrinhalten:
Kenntnis der einschlägigen Gesetze, Aufgaben der Kinderbildungs- und –betreuungseinrichtungen, Aufgaben der Kinderbetreuerinnen/Kinderbetreuer sowie der Tagesmütter/Tagesväter, Haftungs- und Versicherungsfragen, dienst- und arbeitsrechtliche Fragen; Betriebsmittel, Behördenkontakte, Kinderrechte
6. Praktikum in einer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung im Ausmaß von insgesamt 160 Stunden, verteilt auf mindestens 30 Werktage während der Dauer des Ausbildungslehrganges, wobei mindestens 40 Stunden und höchstens 80 Stunden bei einer Tagesmutter/einem Tagesvater absolviert werden müssen.
Die Ausbildung zur Kinderbetreuerin bzw. des Kinderbetreuers umfasst demnach im Bundesland Steiermark 475 Stunden, das von Frau C besuchte Seminar „Auf den Spuren Maria Montessoris“ lediglich 80 Lehrgangsstunden. Abgesehen vom zeitlichen Umfang unterscheidet sich das von der Kinderbetreuerin besuchte Seminar von der Ausbildung zur Tagesmutter/Tagesvater vor allem in den inhaltlich übermittelten Werten. Während die Tagesmütter/Tagesväter-Ausbildung aufgrund der Ausbildungsinhalte als grundlegende Ausbildung für die Betreuung von Kindern angesehen werden kann, werden als Zielpersonen bei dem von der Kinderbetreuerin des Beschwerdeführers besuchten Seminar bereits pädagogisch qualifizierte Personen, z.B. auch Tagesmütter /Tagesväter, genannt. Es muss demnach davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem in Rede stehenden Seminar nicht um eine mit der Ausbildung für Tagesmütter/Tagesväter vergleichbaren bzw. ähnlichen Ausbildung handelt. Frau C kann somit nicht als pädagogisch qualifizierte Person im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG 1988 angesehen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | pädagogisch qualifizierte Person |
Verweise | Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, Tz 50 zu § 34 Abs. 6 bis 9 UFS, RV/1801-W/11 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100710.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at