Außergewöhnliche Belastung und Schadenersatz
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/6100539/2012-RS1 | Schadenersatzleistungen als Folge von Verkehrsunfällen fehlt die Zwangsläufigkeit, wenn der Unfall vom Steuerpflichtigen grob fahrlässig verursacht wurde. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Dr. Maria Luise Wohlmayr und die weiteren Senatsmitglieder Dr. Bruno Hübscher, Dipl. Ing. Rainer Herbrich und Dr. Otmar Sommerauer im Beisein der Schriftführerin Helene Premm in der Beschwerdesache Bf, Adresse, vertreten durch G & S Steuerberatungs GmbH, Uferstraße 18, 5110 Oberndorf, und Rachinger Steuerberatung GmbH, Stadtplatz 24, 5230 Mattighofen, gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land vom , und betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2012 in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) ist als Versicherungsvertreter tätig und bezog daraus nichtselbständige sowie gewerbliche Einkünfte.
Im Dezember 2010 schlossen der Bf und sein Bruder mit Herrn MG einen Vergleich mit folgendem auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:
“Festgehalten wird, dass mit Urteil des Bezirksgerichtes O vom rechtskräftig per zur GZ 7 C 01 /81 festgestellt wurde, dass ………. (der Bf) und ……. (der Bruder) zur ungeteilten Hand gegenüber Herrn MG für alle künftigen Schäden aus dem Unfall haften, die MG als Insasse des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen S- XY vom auf der Bundesstraße Nr. 2 , Höhe A , Gemeinde L , Kreis B , erlitten hat.
Nach Ausschöpfen der Haftpflichtversicherungssumme der Versicherung bestehen weitere umfassende Ansprüche des Herrn MG gegenüber den Brüdern …… Diese werden im nachstehend angeführten Umfang von ……. (der Bf) und ……… (der Bruder) anerkannt. Die Brüder ………….. verpflichten sich gegenüber MG zur ungeteilten Hand zur umgehenden Zahlung sämtlicher nachstehend dargestellter Ansprüche, dies bei sonstigen Verzugszinsen von 8 %:
1...............
2.............
3............
4.............."
Die Vertragsparteien kamen ferner überein, dass sich die Brüder von den im Vergleich anerkannten Ansprüchen 1-4 befreien konnten, wenn sie einen Gesamtbetrag von 210.000 Euro, zahlbar in drei gleichen Jahresraten, plus Anwaltskosten, zeitgerecht nach einem genau festgelegten Zahlungsplan leisten.
In Erfüllung dieser Vereinbarung wurden vom Bf nachstehende Beträge entrichtet:
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Jahr | Teilzahlung (Euro) | Anwaltskosten (Euro) | Summe (Euro) |
2010 | 70.000 | 10.000 | 80.000 |
2011 | 70.000 | 1.200 | 71.200 |
2012 | 70.000 | 70.000 |
Diese Zahlungen machte der Bf in den jeweiligen Streitjahren als außergewöhnliche Belastung (in der Folge kurz: ag. Belastung) geltend.
Die ag. Belastung wurde vom Finanzamt nicht anerkannt und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, dass Schadenersatzleistungen und damit zusammenhängende Anwaltskosten nicht absetzbar seien, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (unter Hinweis auf ). Den Bf würde grobes Verschulden treffen, dies gehe aus der Strafverfügung des Bezirksgerichtes hervor. Ein Überholvorgang mit überhöhter Geschwindigkeit würde diese Bedingung erfüllen, zumal dem Bf die Ortsverhältnisse als damaliger Bewohner nicht unbekannt gewesen sein konnten. Mangels Zwangsläufigkeit seien die Voraussetzungen für eine ag. Belastung nicht gegeben.
Fristgerecht wurde gegen die Bescheide Berufung bzw. Beschwerde erhoben und eingewendet, dass die Annahme des Finanzamtes, der Bf hätte grob fahrlässig gehandelt, nicht richtig sei. Laut Strafverfügung habe der Bf das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung begangen. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und den gesamten Senat entscheiden zu lassen.
Die Berufung bzw. Beschwerden wurden vom Finanzamt mit Berufungs- bzw. Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet abgewiesen.
Dagegen wurde jeweils innerhalb offener Frist der Antrag gestellt, das Rechtsmittel an den Unabhängigen Finanzsenat bzw. an das Bundesfinanzgericht vorzulegen. Mit dem Vorlageantrag wurde ein Schreiben des Rechtsanwaltes des Bf Dr. H vorgelegt, wonach der Bf nicht grob fahrlässig gehandelt habe, dies gehe aus der in der Strafverfügung zitierten Gesetzesbestimmung (Verurteilung gemäß § 88 Abs. 1 und 4 1. Fall StGB), aus dem Umstand, dass der Fall nur mit Strafverfügung abgehandelt wurde, und aus der Höhe der Strafe (lediglich 11 % des möglichen Höchstausmaßes von 360 Tagessätzen) hervor. Zudem hat die Haftpflichtversicherung bis zur Höhe der vertraglichen Versicherungssumme an den Geschädigten ohne Regress bezahlt, was bei grober Fahrlässigkeit nicht der Fall sei.
Mit den Berichten vom und wurden die Berufung bzw. die Beschwerden samt den Verwaltungsakten an den Unabhängigen Finanzsenat bzw. an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.
In dem vom Berufungsgericht durchgeführten Vorhalteverfahren wurde der Vergleich vom Dezember 2010 übermittelt.
In einer ergänzenden Stellungnahme hat das Finanzamt in rechtlicher Hinsicht auf folgendes hingewiesen:
Der Bf wurde zu Schadenersatz verurteilt und hat sich nach Ende der Versicherungsleistung in einem Vergleich verpflichtet, die Schadenersatzsumme in 3 Teilbeträgen zu begleichen. Es würden daher rechtliche Gründe für die Zahlung vorliegen.
Nach Jakom § 34 Tz 43 würde eine außergewöhnliche Belastung nur dann vorliegen, wenn die rechtliche Verpflichtung nicht auf einen freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist (unter Hinweis auf 98/14/0164). Denn schon die Übernahme der Verpflichtung müsse aus rechtlichen bzw. sittlichen Gründen zwangsläufig erfolgen (unter Hinweis auf UFS RV/1496-W/04).
Für die Anerkennung von ag. Belastungen komme es nicht auf die rechtliche Verpflichtung aus der Verurteilung an, sondern auf das Verhalten, welches zur Verurteilung führt. Und zu einem Verhalten, welches Schaden anrichtet, gebe es keine rechtliche oder moralische Verpflichtung. Ansonsten würde der Allgemeinheit über die ag. Belastung Ausgaben für ein persönliches strafbares Verhalten angelastet, was gegenläufig zum Sinn der Strafe sei. Der Begriff der ‘rechtlichen Gründe‘ sei daher teleologisch auf Fälle der Schuldlosigkeit, Handeln im guten Glauben oder auslösendem Fremdverhalten zu reduzieren.
In der Replik hat der Vertreter des Bf darauf hingewiesen, dass in der Literatur und Judikatur sowohl für den betrieblichen als auch für den Bereich der nichtselbständigen Einkünfte für die Anerkennung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten das Ausmaß des Verschuldens als Maßstab herangezogen wurde. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit würden zur Nichtanerkennung führen. Der Bf hat im Jahr 1980 einen Verkehrsunfall verursacht, welcher die Grundlage für die gegenständliche ag. Belastung ist. Rechtsanwalt Dr. H habe in seinem Schreiben vom dargelegt, warum der Bf nicht grob fahrlässig, sondern nur fährlässig gehandelt habe und der Unfall ein Unfall sei, wie er auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen durchaus einmal unterlaufen kann. Die Haftpflichtversicherung hat innerhalb des vertraglichen Versicherungsschutzes alle Kosten übernommen. Durch die lebenslangen Ansprüche des Unfallopfers war die Versicherungssumme erschöpft und es sei dadurch die ag. Belastung entstanden. Die Haftpflichtversicherung habe abhängig vom Verschulden die Möglichkeit des Regresses, dieser sei nicht eingefordert worden, weshalb daraus das Vorliegen von leichtem Verschulden abzuleiten sei.
Im Zuge des weiteren vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde die Klage des Unfallopfers, erstellt von Rechtsanwalt Dr. G , welche zum Vergleich vom Dezember 2010 geführt hat, vorgelegt. Das Unfallopfer äußerte sich in einer schriftlichen Stellungnahme. Von der Haftpflichtversicherung wurde das seinerzeitige Behördenprotokoll zu dem Verkehrsunfall übermittelt und mitgeteilt, dass ein Regress nicht geführt wurde, da keine Obliegenheitsverletzungen vorgelegen haben.
Diese Mitteilung der Haftpflichtversicherung samt Behördenprotokoll wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht.
Am fand ein Erörterungsgespräch statt, in dem die Sach- und Rechtslage erörtert, dem Parteienvertreter die schriftliche Stellungnahme des Unfallopfers ausgehändigt und der Termin für die Senatsverhandlung vereinbart wurde.
In der mündlichen Senatsverhandlung wurde ergänzend vorgebracht:
Der steuerliche Vertreter führte aus, dass die Versicherung bestätigt habe, dass gegen den Bf kein Regress geführt wurde, da er sich keiner Obliegenheitsverletzung schuldig gemacht habe. Nach dem Ausschöpfen der Versicherungssumme sei der Bf mit der Klage des Unfallopfers konfrontiert gewesen, der damals 48 Jahre alt war und eine Einmalzahlung sowie eine monatliche Rente von ca. € 3.500 forderte. In der Folge kam es dann zu dem Vergleich vom Dezember 2010, der bereits vorgelegt wurde. Er wies ferner noch einmal auf das Schreiben von Rechtsanwalt Dr. H hin, wonach die Strafverfügung und das Strafausmaß belegen würden, dass die Schuld des Bf lediglich gering gewesen sei und dieser nicht grob fahrlässig, sondern bloß fahrlässig gehandelt habe. Dem Polizeiprotokoll sei zu entnehmen, dass am Auto Totalschaden entstand, aber nicht, dass an der Unfallstelle ein Niveauunterschied zwischen Straße und angrenzendem Grundstück von etwa 4 Metern besteht. Das mehrmalige Überschlagen sei auf eben diesen Niveauunterschied zurückzuführen. Die Straße ist heute um ca. 1,5 m breiter als zum Unfallzeitpunkt (laut Polizeiprotokoll: 6 m). Der VwGH habe in seinem Erkenntnis vom , 97/14/0071, hingewiesen, dass die Folgen aus einem Verkehrsunfall als ag. Belastung abzugsfähig sind. Im Hinblick auf die Expertise von RA Dr. H, des milden Strafurteils und der Tatsache, dass von der Versicherung kein Regress geführt wurde, sei leichte Fahrlässigkeit und damit eine ag. Belastung anzunehmen.
Der Vertreter des Finanzamtes wies darauf hin, dass aus der Strafverfügung die Umstände, die zu dem Unfall geführt haben, zu wenig hervorgehen würden, außerdem fehle eine ausführliche rechtliche Begründung. Die Versicherung würde nur dann Regress führen, wenn eine Obliegenheitsverletzung, zB Alkoholeinfluss, Fahren ohne Führerschein oder unerlaubte Veränderungen am Fahrzeug, vorliegt. Grobe Fahrlässigkeit sei kein Regressgrund, weshalb im gegenständlichen Fall aus dem fehlenden Regress nicht geschlossen werden könne, dass grobe Fahrlässigkeit nicht vorliegt. Bei gefährlichen Straßenverhältnissen, wie der erwähnte Niveauunterschied, sei nach der Rechtsprechung des OGH besondere Vorsicht geboten.
Über Befragen gab der Bf an, dass er den Niveauunterschied weder bei der Hin- noch Rückfahrt bemerkt hätte, da es dunkel war. Die Straße in Deutschland war ihm nicht bekannt und er hätte sich nicht getraut, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zu überschreiten, da die deutsche Polizei sehr streng ist. Er könne nicht mehr sagen, wie schnell er gefahren ist. Die Straße sei etwa 7 m breit gewesen und kurz vor der Kurve, in der der Unfall passierte, wurde die Straße schmäler, das sei sozusagen das Ende der Ausbaustrecke gewesen. An dieser Stelle seien damals viele Unfälle passiert. Ob es damals in der Kurve eine Geschwindigkeitsbeschränkung gab, könne er heute nicht mehr sagen. Der Unfall sei auf seine Unerfahrenheit und auf Fahrfehler zurückzuführen. Er habe erst kurz zuvor den LKW-Führerschein gemacht und ohne eine einzige Fahrstunde mit einem PKW, den B-Führerschein dazu bekommen.
Gemäß § 323 Abs. 38 1. Satz BAO idF FVwGG 2012, BGBl I Nr. 14/2013, sind die am bei dem Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Das Bundesfinanzgericht hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Sachverhalt
Der Bf, geb. am T.M.1962, hat am um 23.30 Uhr als Lenker des Fahrzeugs, VW-Scirocco GTI, mit dem amtlichen Kennzeichen S - XY, einen Unfall verursacht. Auf der B 2 von F kommend in Richtung L, in Höhe von A (km 122,5), verlor der Bf die Herrschaft über das Fahrzeug und kam im Auslauf einer langgezogenen Linkskurve rechts von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrmals im angrenzenden Grundstück. Am Pkw entstand Totalschaden, alle vier Insassen, der Bf und drei weitere Personen, darunter Herr MG erlitten schwerste Verletzungen.
Laut Polizeibericht ereignete sich der Unfall bei Dunkelheit, bei trockener Fahrbahn und in einer absteigenden Kurve.
Als Unfallursache wurde überhöhte Geschwindigkeit anlässlich eines Überholvorganges von 2 Pkw's angenommen. Eine Alkoholüberprüfung des Lenkers fand nicht statt.
Das Fahrzeug war auf den Bruder, Herrn GE, zugelassen und bei der L-Versicherung (Rechtsnachfolgerin: Versicherung AG) haftpflichtversichert.
Herr MG reichte eine Schadenersatzklage gegen den Bf, den Zulassungsbesitzer und die Haftpflichtversicherung (für diese begrenzt mit der Deckungssumme) ein. Am erging am BG O zu GZ. C 01/81 ein Versäumungsurteil.
Mit Strafverfügung des BG O vom , GZ. U YZ/81, wurde festgestellt, dass der Bf "auf der Straße von F nach L /BRD als Lenker des PKWs VW Scirocco GTI, S XY dadurch, daß er im Zuge eines Überholvorganges mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr und in der Folge nach rechts lenkte und von der Straße abkam, die Mitfahrenden ............... schwer, jeweils fahrlässig am Körper verletzt und hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4. 1. Fall StGB begangen" hat. Für dieses Vergehen wurde er zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je S 50, sohin insgesamt S 2.000, verurteilt.
Die Versicherung erfüllte die Ansprüche des Unfallopfers bis zum Ausschöpfen der Haftpflichtversicherungssumme, es kam zum sog. Deckungskonkurs.
Im Vergleich vom Dezember 2010 verpflichten sich der Bf und sein Bruder, rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H, die weiteren umfassenden Schadenersatzansprüche des Herrn MG in 3 Teilbeträgen abzugelten.
Der Bf hat als Lenker und Verursacher die entsprechenden Zahlungen in den Streitjahren geleistet.
Strittig ist nun, ob diese Schadenersatzleistungen eine außergewöhnliche Belastung darstellen.
Rechtslage
A) § 34 EStG 1988, "Außergewöhnliche Belastung", hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) ..........
(5) ..........
(6) ..........
(7) ..........
(8) ..........
(9) .......... "
§ 34 räumt einen Rechtsanspruch ein. Voraussetzung ist, dass sämtliche Merkmale des § 34 kumulativ gegeben sind. Die Anerkennung einer ag. Belastung stellt auch keine Ermessensentscheidung dar (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 8. Auflage 2015, § 34 Rz 5, mit weiteren Nachweisen [kurz: mwN]).
Die Ausgaben müssen, weil sie zu Lasten der Allgemeinheit gehen, zwangsläufig erwachsen (siehe Abs. 3).
Die Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des Einzelfalls (siehe ), und nicht in wirtschaftlicher oder gar in typisierender Betrachtungsweise zu beurteilen; der Steuerpflichtige darf sich dem Aufwand aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen können (). Keine ag. Belastung bilden daher Aufwendungen, die (1) freiwillig geleistet werden (zB Zahlungen auf verjährte Ansprüche, ); – (2) auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden (); – (3) sonst die unmittelbare Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken, dh freiwillig (), entschlossen hat (; zur Grenzziehung siehe ), zB Aufwendungen, die die Folge der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung, der Einwilligung in eine einvernehmliche Scheidung oder der Annahme einer Schenkung sind (); – (4) sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen bzw. einem Nahestehenden übernommenen Unternehmerwagnisses darstellen (; vgl. Jakom/Baldauf EStG, 8. Auflage 2015, § 34 Rz 41).
Rechtliche Gründe entspringen (wie sittliche Gründe) dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen (). Sie können sich grundsätzlich aus dem Gesetz, einer vertraglichen Vereinbarung, einem Verwaltungsakt oder einem Urteil ergeben, doch darf die rechtliche Verpflichtung nicht auf einen freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein (). Schon die Übernahme der Verpflichtung muss aus rechtlichen bzw. sittlichen Gründen zwangsläufig erfolgen (; ; WGW/Wanke § 34 Rz 28), der Steuerpflichtige darf die entsprechenden Gründe nicht selbst gesetzt haben (siehe BFH , III R 178/80, BStBl II 86, 745; vgl. Jakom/Baldauf EStG, 8. Auflage 2015, § 34 Rz 43).
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2010/15/0148, zur Verschuldensfrage bei einem Verkehrsunfall wie folgt ausgeführt:
"Verstöße im Straßenverkehr können im Einzelfall als entschuldbare Fehlleistungen, leichte oder grobe Fahrlässigkeit gewertet werden. Leichte Fahrlässigkeit nahm die Judikatur der Arbeitsgerichte beispielsweise bei einem Auffahrunfall an (vgl. Fucik/Hartl/Schlosser, Handbuch des Verkehrsunfalls, 6. Teil, 21f).
Nach der Judikatur des OGH erfordert grobe Fahrlässigkeit, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Sie setzt eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus, die sich über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt, wobei der Schaden als wahrscheinlich voraussehbar ist. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Verstoß gegen das normale Handeln auffallend und der Vorwurf in höherem Maß gerechtfertigt ist (vgl. mit weiteren Nachweisen ).
Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig bei Alkoholisierung anzunehmen (vgl. mit weiteren Hinweisen das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0153).Von einem grob fahrlässigen Verhalten ist der Verwaltungsgerichtshof auch im Falle von den Straßenverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit und herabgesetzter Fahrtüchtigkeit ausgegangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/15/0193). Auch das Überholen in einer unübersichtlichen Kurve bei unklaren Straßenverhältnissen hat der Verwaltungsgerichtshof als Inkaufnahme eines hohen Unfallrisikos beurteilt, das der Berücksichtigung von unfallbedingten Werbungskosten entgegensteht (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0071).
Zu Aufmerksamkeitsdefiziten infolge des Bedienens eines Autoradios liegt noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. Der OGH hat sich hingegen bereits wiederholt mit dieser Frage befasst. Er hat das Verhalten des Lenkers als grob fahrlässig beurteilt, wenn zur Bedienung des Autoradios weitere Fehlhandlungen des Lenkers (insbesondere überhöhte Geschwindigkeit) hinzukamen, die für den Unfall kausal waren (vgl. , mit weiteren Nachweisen)."
B) Zur Bindung der Abgabenbehörden an Entscheidungen anderer Behörden und der Gerichte wird auf die einschlägige Bestimmung des § 116 BAO verwiesen, welche lautet:
"(1) Sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, sind die Abgabenbehörden berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen.
(2) Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, sind von der Abgabenbehörde im Sinn des Abs. 1 zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war."
Nach der Judikatur des VwGH ist die Abgabenbehörde an die im Spruch des die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteils (erster Instanz) festgestellten Tatsachen bzw. an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen dieser Spruch beruht, gebunden (zB ; , 2002/16/0006, 0007; , 2007/16/0161; die Judikatur betrifft verurteilende Entscheidungen); bei Freisprüchen besteht keine solche Bindung (zB ; , 2008/15/0045; , 2007/15/0227; , 2007/13/0152). Die Bindung ist auch für rechtskräftige Strafverfügungen zu bejahen (). Diese Bindung besteht nur bei Entscheidungen, die den rechtskräftig Verurteilten – nicht aber Dritte – berühren (Walter, in Koja-FS, 632 f; ). Die Bindung betrifft nur den festgestellten Sachverhalt, nicht jedoch dessen steuerliche Beurteilung (; vgl. Ritz, BAO, 5. Auflage, § 116 Tz 14).
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ergibt sich nun für den gegenständlichen Beschwerdefall folgendes:
Der Bf war aufgrund des Versäumungsurteiles und nach dem Deckungskonkurs aufgrund des Vergleichs vom Dezember 2010 zu Schadenersatzzahlungen rechtlich verpflichtet. Schon die Übernahme dieser Verpflichtung muss zwangsläufig erfolgen.
Der Bf darf sich den Aufwendungen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen können, das ist nur dann der Fall, wenn diese auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden.
Die Schadenersatzleistungen hängen unmittelbar mit dem Verkehrsunfall zusammen, den der Bf im Jahr 1980 verursacht hat und bei dem die Insassen schwer verletzt wurden.
Ein Regress seitens der Haftpflichtversicherung erfolgte mangels Obliegenheitsverpflichtung nach den Haftpflichtbestimmungen (siehe jetzt: § 5 KHVG 1994) nicht.
Das Bundesfinanzgericht ist in seiner Beurteilung an den festgestellten Sachverhalt, jedoch nicht an die strafrechtliche Würdigung, etwa an das verhängte Strafausmaß, in der Strafverfügung gebunden.
Die Sachverhaltsfeststellungen im Spruch der Strafverfügung finden in dem seinerzeitigen Behördenprotokoll Deckung. Das Bundesfinanzgericht stützt sich in seiner Entscheidung auf die ausführlichen und umfangreichen Feststellungen und Ermittlungsergebnisse in diesem Polizeibericht, die darüber Aufschluss geben, wie die Verhältnisse damals waren und welche Umstände zu diesem schweren Unfall geführt haben.
Demnach hat der Bf in der
Dunkelheit
mit überhöhter, den Straßenverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit
zwei Autos in oder knapp vor einer absteigenden Linkskurve überholt,
dies obwohl
ihm die Straßenverhältnisse nicht bekannt waren,
er drei weitere Mitfahrer hatte,
erst am die Lenkerberechtigung erhalten und
ein ihm nicht vertrautes Fahrzeug mit hoher Motorleistung gesteuert hat.
Dadurch ist er beim Lenkmanöver nach rechts über den rechten Straßenrand hinausgekommen und der Wagen hat sich im angrenzenden, tieferliegenden Wiesen- und Waldstück mehrmals überschlagen.
Für einen Autolenker war wegen der zur Tatzeit gegebenen Verhältnisse und der gesamten Rahmenbedingungen eine entsprechende Vorsicht geboten.
Aufgrund dieser Umstände muss im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angenommen werden, dass der Bf ein hohes Unfallrisiko in Kauf genommen hat. Das Verhalten des Bf geht weit über eine Unachtsamkeit hinaus, wie sie im heutigen Straßenverkehr leicht vorkommen kann. Von einem geringfügigen Versehen des Bf, wie es im modernen Straßenverkehr auch einem gewissenhaften Menschen unterlaufen kann, kann daher keine Rede sein.
Der Senat vermag sich daher nicht der Ansicht des Rechtsanwaltes Dr. H anzuschließen, dass es sich um einen Unfall handle, wie er auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen durchaus einmal unterlaufen kann.
Der Bf konnte zudem weder einen tatsächlichen, noch einen rechtlichen, noch einen sittlichen Grund dartun, warum er gezwungen war, in der Dunkelheit bei unklaren Straßenverhältnissen mit überhöhter Geschwindigkeit zwei Pkw's zu überholen, und sich so seinem Verhalten, das den folgenschweren Unfall herbeigeführt hat, nicht entziehen konnte.
Den Schadenersatzzahlungen fehlt es sohin am Merkmal der Zwangläufigkeit.
Die angefochtenen Bescheide entsprechen daher der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt (va ).
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.6100539.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at