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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2014, RV/1100013/2012

Zulässigkeit einer Bescheidänderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache Bf , gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2005 bis 2008  zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008  wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

2. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen wird abgewiesen.

3. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen

Die Bf. vermietet seit dem Jahr 1987 eine Wohnung in H.. Die daraus erzielten Ergebnisse wurden vom Finanzamt bis zum Jahr 2010 ohne Prüfung, ob dieser Tätigkeit Einkunftsquelleneigenschaft zukam oder nicht, sowohl einkommen- als umsatzsteuerrechtlich anerkannt.

Mit Bescheiden vom änderte das Finanzamt die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 gemäß § 295a BAO in der Weise ab, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Festsetzung der Einkommen- und Umsatzsteuer keine Berücksichtigung mehr fanden. Die Einkommensteuern für diese Jahre wurden nur mehr aufgrund der von der Bf. erzielten Einkünfte aus Gewerbetrieb (aus einer Beteiligung an einer KEG) und aus nichtselbständiger Arbeit (Pensionszahlungen) festgesetzt, während die Umsatzsteuerfestsetzungen mit Null erfolgten. Mit Bescheiden vom selben Tag setzte das Finanzamt Anspruchszinsen für die aufgrund der Bescheidänderungen erfolgten Einkommensteuernachforderungen fest.

Zur Begründung für diese Bescheidänderungen wurde auf ein zwischen dem Finanzamt und dem steuerlichen Vertreter der Bf. geführtes Telefongespräch verwiesen. Ein Aktenvermerkt über dieses Gespräch ist in den Akten nicht enthalten, ihnen ist aber zu entnehmen, dass die Bescheidänderungen auf eine nunmehr erfolgte Liebhabereibeurteilung der Vermietungstätigkeit zurückzuführen war.

Das Finanzamt hatte zwischenzeitig eine Prognoserechnung über die Ertragsaussichten der Vermietungstätigkeit der Bf. angefordert und von diese auch bekommen. Diese Prognoserechnung wies am Ende eines Beobachtungszeitraumes von 30 Jahren (1987 bis 2016) einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten in Höhe von 6.363 € auf, innerhalb der ersten 20 Jahre (1987 bis 2007) war das Gesamtergebnis mit
-13.278 € negativ.

In der gegen diese Bescheide rechtzeitig erhobenen Berufung wandte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung zusammengefasst ein, das Finanzamt habe die Vermietungstätigkeit bis zur Veranlagung 2010 nie auf Liebhaberei hin geprüft. Selbst ein Gesamtüberschuss der Werbungskosten über die Einnahmen nach 20 Jahren (2007) in Höhe von -13.277,69 € und weitere negative Ergebnissen in den Jahren 2008 (-2.964,10 €) und 2009 (-3.557,21 €) habe zu keiner Liebhabreibeurteilung geführt. Dem Finanzamt seien die tatsächlichen Ergebnisse der Vermietungstätigkeit somit bekannt gewesen und es sei daher kein nachträgliches Ereignis vorgelegen, das eine rückwirkende Bescheidänderung gemäß § 295a gerechtfertigt hätte. Auch habe das Finanzamt nicht angegeben, auf welches Ereignis iSd § 295a es sich stütze.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab. Zur Begründung dieser Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, die Prognoserechnung habe für den Zeitraum von 1987 bis 2016 einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten in Höhe 6.363 € ausgewiesen. Die jährliche Miete sei für das Jahr 2010 mit 9.417 € und ab dem Jahr 2011 bis zum Jahr 2016 mit jährlich 16.000 € in Anschlag gebracht worden. Mit Schreiben vom sei dem Finanzamt von Seiten des steuerlichen  Vertreters der Bf. mitgeteilt worden, dass sich die jährliche Miete ab dem Jahr 2012 nicht wie prognostiziert bei jährlich 16.000 €, sondern weiter bei jährlich 9.417 € bewegen würde. Diese Mitteilung stelle ein Ereignis dar, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand und Umfang des Abgabenanspruches habe. Denn bei jährlichen Mieteinnahmen in Höhe von 9.417 € ab dem Jahr 2010 sei nach der vorliegenden Prognoserechnung ein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nicht erzielbar und liege somit Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 Liebhabereiverordnung vor.

Im am gestellten Vorlageantrag wandte die Steuervertretung der Bf. gegen die Ausführungen des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung neuerlich ein, die tatsächlichen Vermietungsergebnisse seien dem Finanzamt bekannt gewesen. Die Vermietung habe sich weder in Bezug auf die Mieteinnahmen, noch auf die Mieter noch auf das Mietobjekt geändert. Die rechtliche Würdigung des Finanzamtes sei daher nicht nachvollziehbar, da nur Umstände, die dem Finanzamt im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht bekannt seien, ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstellten.

Gemäß Art. 151 Abs 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Bundesfinanzgericht über. Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Das Verfahren betreffende Anbringen wirken ab auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

B. Der Entscheidung zugrunde gelegter Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

Die Bf. vermietet seit dem Jahr 1987 eine Wohnung. Im Jahr 2011 wurde zum ersten Mal eine Prognoserechnung für die Jahre 1987 bis 2016 abgegeben, die bis zum 29. Jahr der Vermietung einen Gesamtverlust auswies. Die Prognoserechnung beruhte bis einschließlich 2010 auf den tatsächlich erzielten Ergebnissen aus der Vermietung. Diese tatsächlich erzielten Ergebnisse waren dem Finanzamt im Zeitpunkt des Erlassens der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2008 bekannt.

C. Rechtslage

1. Bescheidänderung gemäß § 295a BAO

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruch hat.

Ereignisse iSd § 295a sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 295a Anm 13 (Stand , rdb.at).

Die Rückwirkung von Ereignissen muss sich aus Abgabenvorschriften ergeben. § 295a ist nur Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. Es ist daher eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches) zukommt. Tritt ein derartiges Ereignis vor Bescheiderlassung ein, so ist es im Bescheid zu berücksichtigen. § 295a ist hingegen anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheids ) eintritt (vgl. Ritz, BAO5, § 295a, Rzn 3-5).

2. Festsetzung von Anspruchszinsen

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheid zu verzinsen.

Die Anspruchszinsen betragen 2% über dem Basiszinssatz (§ 205 Abs. 2 BAO).

D. Rechtliche Würdigung

1. Bescheidänderung gemäß § 295a BAO

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist sowohl für Zeiträume vor Inkrafttreten der Liebhabereiverordnungen 1990 und 1993 als auch für Zeiträume, in welchen diese Liebhabereiverordnungen zur Anwendung kommen, eine Liegenschaftsvermietung dann als Liebhaberei zu qualifizieren, wenn nach der konkret ausgeübten Art der Vermietung nicht innerhalb eines Zeitraumes von ca. 20 Jahren ein Gesamtgewinn bzw. Gesamteinnahmenüberschuss erzielbar ist (vgl. z.B. , ).

Die Eignung einer Vermietungstätigkeit, einen solchen Gewinn bzw. Einnahmenüberschuss zu erzielen, ist durch eine Prognoserechnung nachzuweisen.

Die von der Bf. im Jahr 2011 vorgelegte Prognoserechnung beruht bis zum Jahr 2010 auf den tatsächlich erzielten Vermietungsergebnissen. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Ergebnisse wurde bis den Jahren 2004 bis 2008 jeweils ein Gesamtverlust (2004: -9.463 €, 2005: -7.082 €, 2006: -9.795 €, 2007: -13.278,00 €, 2008: -21.816,00 €) erzielt. Der Gesamtverlust stieg in den folgenden Jahren 2009 und 2010 weiter auf -19.799 € bzw. -21.816 €. Diese kumulierten Ergebnisse waren dem Finanzamt im jeweiligen Zeitpunkt der Erlassung der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2010 bekannt. Das Finanzamt hätte daher bereits in diesen Zeitpunkten zum Ergebnis Liebhaberei annehmen und diese bei der Bescheiderlassung berücksichtigen können.

Die vom Finanzamt zur Begründung seiner Entscheidung angeführte Mitteilung der Steuervertretung, die angestrebte Mieterhöhung könne doch nicht durchgeführt werden und werde die Wohnung wie zum bisherigen Mietpreis weitervermietet, kommt als „Ereignis“ im Sinne des § 295a BAO schon deshalb nicht Betracht, weil auch mit dieser Mieterhöhung innerhalb eines Zeitraumes von ca. 20 Jahren kein Gesamteinnahmenüberschuss erzielt worden wäre (die Prognoserechnung weist vielmehr auch nach 29 Jahren bei durchgeführter Mieterhöhung immer noch einen kumulierten Werbungskostenübschuss in Höhe von -2.385 € auf). Zudem kann in einer Nichterhöhung einer Miete schon begrifflich kein Ereignis iS des § 295a BAO gesehen werden. § 295 a BAO spricht nämlich ausdrücklich nur von einem Ereignis, das eintritt, und nicht auch von einem, das nicht eintritt.

Da im Beschwerdefall somit kein rückwirkendes Ereignis vorlag, das eine Bescheidänderung gemäß § 295a gerechtfertigt hätte, waren die vom Finanzamt erlassenen Änderungsbescheide unzulässig. Sie waren daher ersatzlos aufzuheben.

Durch die Aufhebung der angefochtenen Änderungsbescheide treten die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2008 wieder im Umfang vor Erlassen der Änderungsbescheide, das heißt unter Berücksichtigung der Umsätze und Einkünfte aus der Vermietung, in Geltung.

2. Festsetzung von Anspruchszinsen

Die Berufung gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen war hingegen als unbegründet abzuweisen.

Ein Anspruchszinsenbescheid ist an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung oder Gutschrift gebunden. Wegen dieser Bindung kann ein Anspruchszinsenbescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, die maßgebende Einkommen- oder Körperschaftsteuer sei inhaltlich rechtswidrig. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen. § 295 Abs. 3 BAO bietet dafür die verfahrensrechtliche Grundlage (vgl. ).

D. Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dass Umstände, die bereits bei der Erlassung der ursprünglichen Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide berücksichtigt werden konnten, eine Bescheidänderung iSd § 295a nicht begründen können, ist durch die Rechtsprechung des VwGH geklärt (vgl. ). Dass eine nicht durchgeführte Mieterhöhung, noch dazu dann, wenn auch mit dieser Mieterhöhung die Vermietungstätigkeit als Liebhabereibetätigung eingestuft werden hätte müssen, kein Ereignis iSd § 295a BAO darstellt, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz selbst und bedarf keiner Klärung durch ein Höchstgericht.

Auch in Bezug auf die Festsetzung von Anspruchszinsen beruht die Beschwerdeentscheidung auf einer gesicherten Rechtsprechung der Höchstgerichte.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Vermietung
Wohnung
nicht durchgeführte Mieterhöhung
Ereignis
Bescheidänderung
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.1100013.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at