Nachsicht von Aussetzungszinsen und Säumniszuschlägen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Dr. Franz Karl Juraczka, Alser Straße 32/15, 1090 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Nachsicht § 236 BAO zu Recht erkannt:
Die Bescheidbeschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf), ihr die vorgeschriebenen Aussetzungszinsen von € 14.129,28 sowie die vorgeschriebenen Säumniszuschläge von zusammen € 2.617,35 gemäß § 236 f BAO durch Abschreibung nachzusehen.
Zur Begründung führte die Bf wie folgt aus:
Der Antragstellerin wurde mit der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ RV/2304-W/06, Str.Nr. Z1 , Erf.Nr. Z2 , die Erbschaftsteuer mit € 81.262,66 festgesetzt, dem Stiftungsrat frühestens zugestellt am . Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der mit dieser Entscheidung festgesetzte Mehrbetrag bereits am fällig war. Die Steuerpflichtige hat den Mehrbetrag von € 65.433,68 am bezahlt.
Die Einhebung der vorgeschriebenen Aussetzungszinsen von € 14.129,28 sowie die vorgeschriebenen Säumniszuschläge von zusammen € 2.617,35 wäre nach der Lage des Falles unbillig.
Die Steuerpflichtige hat gegen die oben angeführten Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ RV/2304-W/06, am fristgerecht eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG wegen Verletzung von verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Der Verfassungsgerichtshof hat inzwischen mit Beschluss vom , Zl B 137/13, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Er hat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, dass die Bf durch den angefochtenen Bescheid in ihren sonstigen Rechten verletzt worden ist.
Mit der Verfügung vom , Zl. 2013/16/0063-2, hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingeleitet.
Die Bf hat inzwischen mit Schriftsatz vom ihre Beschwerde auftragsgemäß entsprechend ergänzt.
Gleichzeitig hat die Bf einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG eingebracht, über welchen bis heute nicht entschieden wurde. Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt. Der Verwaltungsgerichtshof begründet diesen Einstellungsbeschluss entgegen ständiger Judikatur damit, dass die Überschrift nicht "Beschwerdepunkte" gelautet hätte.
Der Beschluss wurde der Antragstellerin am zugestellt.
Damit wurde der Antragstellerin eine Entscheidung vor einem inländischen Gericht durch einen ungesetzlichen Vorgang verwehrt.
Ungeprüft geblieben ist daher insbesondere, dass der rückwirkend festgesetzte Mehrbetrag bereits am fällig gewesen sein soll, grob rechtswidrig ist.
Über den Aufschiebungsantrag hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht entschieden.
Die Frist für eine Individualbeschwerde gemäß Art 25 an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist noch offen.
Mit der Buchungsmitteilung vom wurde der Steuerpflichtigen aufgetragen, die rückständige Erbschaftssteuer bis zum 28. Jänner2013 zu bezahlen.
Weiters wurden der Steuerpflichtigen Aussetzungszinsen seit vorgeschrieben.
Die Steuerpflichtige kann für die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer nicht verantwortlich gemacht werden. Bei der Steuerpflichtigen handelt es sich um eine x gemeinnützige Stiftung.
Die Voraussetzungen für die Einhebung eines Säumniszuschlages liegen gemäß § 217 Abs 4 BAO nicht vor und ist grob unbillig.
Über die Aufschiebungsanträge hätte der Verfassungsgerichtshof bzw Verwaltungsgerichtshof entscheiden müssen.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. ein 1. Säumniszuschlag von 2 % von der weiteren Erbschaftssteuer von € 65.433,68 gemäß § 217 Abs 1 und 3 BAO von € 1.308,67 festgesetzt.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. ein 2. Säumniszuschlag von 1% von der weiteren Erbschaftssteuer von € 65.433,68 gemäß § 217 Abs 1 und 3 BAO von € 654,34 festgesetzt.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. ein 3. Säumniszuschlag von 1 % von der weiteren Erbschaftssteuer von € 65.433,68 gemäß § 217 Abs 1 und 3 BAO von € 654,34 festgesetzt.
Durch die Einhebung der noch offenen Beträge würde auch der Gleicheitsgrundsatz verletzt werden.
Das Finanzamt wies das Ansuchen mit Bescheid vom ab.
Zur Begründung führte das Finanzamt wie folgt aus:
Gemäß § 236 BAO können Abgabenschuldigkeiten nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lages des Falles unbillig wäre. Die Einhebung von Aussetzungszinsen ist nicht sachlich unbillig (auch nicht bei einer langen Dauer des Berufungsverfahrens), da die Vorschreibung der Nebengebühr eine allgemeine Auswirkung einer generellen Norm darstellt, die jeden Abgabepflichtigen trifft, der die Aussetzung der Einhebung von Abgaben aus Anlass eines Berufungsverfahrens beantragt.
Eine Minderung der festzusetzenden Aussetzungszinsen kann durch eine jederzeit mögliche vorzeitige Einzahlung durch den Abgabepflichtigen erreicht werden.
Die Festsetzung eines Säumniszuschlages bei verspäteter Entrichtung der Abgabenschuld ist jedoch gewollt. Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung sicherzustellen.
Nachdem auch hier lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft, war Ihr Ansuchen abzuweisen.
In der dagegen eingebrachten Berufung führt die Bf wie folgt aus:
Diese Entscheidung wird ihrem gesamten Inhalt nach angefochten.
Die Erstbehörde hat die gesetzlichen Bestimmungen auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet sowie das ihr zukommende Ermessen unrichtig ausgeübt.
Im einzelnen wird folgendes ausgeführt:
1. Nach § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für das in § 236 BAO vorgesehene Ermessen.
Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005, kann die Unbilligkeit persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2 der Verordnung lautet:
"Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabenpflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zurnutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme."
§ 3 der Verordnung lautet:
"Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben ( insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von den Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2 . in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhalte bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."
2. Die Erstbehörde hat sich mit dem dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt nicht abschließend auseinandergesetzt und die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht abschließend geprüft.
2.1. Mit Bescheid vom wurde die ErbSt mit € 15.828,98 festgesetzt. Dieser Betrag wurde auch bezahlt.
Mit der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ RV/2304-W/06, Str.Nr. Z1 , Erf.Nr. Z2 , die Erbschaftsteuer mit € 81.262,66 festgesetzt, dem Stiftungsrat frühestens zugestellt am .
Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der mit dieser Entscheidung festgesetzte Mehrbetrag bereits am fällig war.
Die Fälligkeit der weiteren ErbSt kann erst mit Rechtskraft des endgültigen Erbschaftssteuerbescheides eingetreten sein, das ist frühestens der .
Die Steuerpflichtige hat den Mehrbetrag von € 65.433,68 inzwischen am bezahlt.
2.2. Die Einhebung der vorgeschriebenen Aussetzungszinsen von € 14.129,28 sowie der vorgeschriebenen Säumniszuschläge von zusammen € 2. 617,35 wäre nach der Lage des Falles sowohl persönlich als auch sachlich unbillig.
Die Steuerpflichtige hat gegen die oben angeführten Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ RV/2304-W/06, am fristgerecht eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG wegen Verletzung von verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.
Der Verfassungsgerichtshof hat inzwischen mit Beschluss vom , Zl B 137/13, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Er hat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, dass die Bf durch den angefochtenen Bescheid in ihren sonstigen Rechten verletzt worden ist.
Mit der Verfügung vom , Zl. 2013/16/0063-2 hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingeleitet.
Die Beschwerdeführerin hat inzwischen mit Schriftsatz vom ihre Beschwerde auftragsgemäß entsprechend ergänzt.
Gleichzeitig hat die Bf einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG eingebracht, über welchen bis heute nicht entschieden wurde.
2.3. Die Bf hat mit dem ergänzenden Schriftsatz geltend gemacht, dass sie in den nachstehenden sonstigen Rechten verletzt wurde (= Beschwerdepunkte) :
Der obzierte Berufungsbescheid des Unabhängigen Finanzsenates für Wien vom verstößt insbesondere gegen
(1) die einschlägigen EU-rechtlichen Bestimmungen, da die im ErbStG für Privatstiftungen normierten Begünstigungen auch für die gegenständliche gemeinnützige liechtensteinische Privatstiftung anzuwenden sind; der Begriff "inländische juristische Person" in § 8 Abs 3 ErbStG wurde unrichtig ausgelegt;
(2) unrichtige Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der betreffenden Bestimmungen des ErbschaftssteuerG und zwar Nichtanwendung des linearen Steuersatzes nach § 8 (3) a und b ErbStG; da es sich im vorliegenden Fall um eine gemeinnützige Stiftung handelt, hätte gemäß § 8 Abs 3 a der begünstigte Steuersatz von 2,5 % angewendet werden müssen.
Weiters hätte für das Grunderwerbssteueräquivalent (§ 8 Abs 4 ErbStG) die für gemeinnützige Privatstiftungen geltenden Befreiungsbestimmungen zur Anwendung gelangen müssen.
Der festgesetzte Mehrbetrag wurde nachträglich bereits mit fällig gestellt;
(3) Die Beschwerdeführerin als x gemeinnützige Stiftung erfüllt auch die Erfordernisse gemäß § 34 BAO idgF. Der Umstand, dass die Bf eine gemeinnützige Stiftung ist, wurde von der belangten Behörde nicht ausreichend aufgeklärt.
(4) Die von der erkennenden Behörde zitierten Stiftungssteuerrichtlinien (Rz 306) wurden auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet. Die StiftR 2001 stellen lediglich einen Auslegungsbehelf für die Besteuerung von Stiftungen dar, sind jedoch nicht rechtsverbindlich.
( 5) Weiters hat die Berufungsbehörde die betreffenden Bestimmungen des ErbStG gleichheitswidrig angewendet und dadurch "Willkür" geübt;
6) Schließlich wurde der Bf auch der verfassungsmäßig gewährleistete Anspruch auf ein "faires" Verfahren nach Artikel 6 EMRK verwehrt.
2.4. Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt. Der Verwaltungsgerichtshof begründet diesen Einstellungsbeschluss entgegen ständiger Judikatur damit, daß die Überschrift nicht "Beschwerdepunkte" gelautet hätte. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am zugestellt.
Damit wurde der Antragstellerin eine Entscheidung vor einem inländischen Gericht durch einen ungesetzlichen Vorgang verwehrt.
Ungeprüft geblieben ist daher insbesondere, dass der rückwirkend festgesetzte Mehrbetrag bereits am fällig gewesen sein soll, grob rechtswidrig ist.
Über den Aufschiebungsantrag hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht entschieden.
Die Erstbehörde hat sich mit den Ausführungen im ergänzenden Schriftsatz vom an den Verwaltungsgerichtshof nicht auseinandergesetzt, weshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, welcher zu einer unrichtigen Entscheidung geführt hat.
Hätte sich die Erstbehörde damit auseinandergesetzt wäre sie zu der von der Berufungswerberin angestrebten Entscheidung gelangt, weshalb der angefochtenen Entscheidung eine erhebliche Mangelhaftigkeit anzulasten ist.
Beweis: ergänzender Schriftsatz an Verwaltungsgerichtshof vom ;
Die Bf erhebt diese Ausführungen im ergänzenden Schriftsatz vom an den Verwaltungsgerichtshof auch zu ihren Berufungsausführungen. Dieser bildet um Wiederholungen zu vermeiden ein integrierender Bestandteil.
2.5. Mit der Buchungsmitteilung vom wurde der Steuerpflichtigen aufgetragen, die rückständige Erbschaftssteuer bis zum zu bezahlen.
Weiters wurden der Steuerpflichtigen Aussetzungszinsen seit vorgeschrieben.
Die Steuerpflichtige kann für die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer nicht verantwortlich gemacht werden.
Bei der Steuerpflichtigen handelt es sich um eine x gemeinnützige Stiftung.
Über die Aufschiebung der vorgeschriebenen weiteren ErbSt hatte der Verfassungsgerichtshof bzw Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden.
Die Voraussetzungen für die Einhebung eines Säumniszuschlages liegen gemäß § 217 Abs 4 BAO nicht vor und ist grob unbillig.
Über die Aufschiebungsanträge hätte der Verfassungsgerichtshof bzw Verwaltungsgerichtshof entscheiden müssen.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. ein 1. Säumniszuschlag von 2% von der weiteren Erbschaftssteuer von € 65.433,68 gemäß § 217 Abs 1 und 3 BAO von € 1.308,67 festgesetzt.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. ein 2. Säumniszuschlag von 1% von der weiteren Erbschaftssteuer von € 65.433,68 gemäß § 217 Abs 1 und 3 BAO von € 654,34 festgesetzt.
Mit Bescheid vom wurde der Bf. ein 3. Säumniszuschlag von 1% von der weiteren Erbschaftssteuer von € 65.433,68 gemäß § 217 Abs 1 und 3 BAO von € 654,34 festgesetzt.
Durch die Einhebung der noch offenen Beträge würde auch der Gleicheitsgrundsatz verletzt werden.
Aus all diesen Gründen stellt die Steuerpflichtige den Antrag an die zuständige Behörde II. Instanz, diese möge der Berufung Folge geben und dem Nachsichtsansuchen in Ausübung des besseren Ermessens stattgeben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.
Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.
Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Ihm obliegt es im Sinne seiner Mitwirkungspflicht, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann.
Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.
Nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () stellt der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO nicht auf die Vorschreibung, sondern auf die Einhebung ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinne von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides kann daher ein Nachsichtsansuchen nicht mit Erfolg gestützt werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheides mit den von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid zu bekämpfen ist. Zweck des § 236 BAO ist es grundsätzlich hingegen nicht, einen Abgabenbescheid in einem weiteren (zusätzlichen) Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, es sei denn, es wäre die zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausnahmsweise unverschuldetermaßen nicht möglich gewesen (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, Seite 585). Ein Verfahren nach § 236 BAO ist nicht das geeignete Mittel für eine nachträgliche inhaltliche Kontrolle der im Abgabenverfahren ergangenen Entscheidungen. Ein Nachsichtsverfahren ersetzt daher weder ein Rechtsmittelverfahren noch ein Beschwerdeverfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes und dient auch nicht der nachprüfenden Kontrolle dieser Verfahren.
Nur wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes, also durch einen inhaltlich rechtmäßigen Bescheid, ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, ist die Einziehung "nach der Lage des Falles" unbillig (vgl. ).
Nach dem Beschwerdevorbringen liege die Unbilligkeit darin, dass die Bf zwar gegen den inhaltlich rechtswidrigen, den Abgabenbescheiden zugrundeliegenden Bescheid Berufung sowie gegen die Berufungsentscheidung Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erhoben hätten, vor dem Verwaltungsgerichtshof aber wegen formalistischer prozeßrechtlicher Bestimmungen nicht durchgedrungen wären.
Abgesehen davon, dass mit Nachsichtsansuchen vom lediglich die Nachsicht der Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge begehrt wurde, sodass das Vorbringen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Berufungsentscheidung des , ebenso wie der Hinweis auf das Vorbringen im ergänzenden Schriftsatz an den schon aus diesem Grund nicht zielführend ist, kann d er Bescheid nicht im Wege eines Nachsichtverfahrens einer neuerlichen Kontrolle auf inhaltliche Rechtmäßigkeit unterzogen werden. Der angefochtenen Bescheid, mit denen das Finanzamt die behauptete Unbilligkeit als nicht gegeben erachtete, entspricht daher dem Gesetz, zumal jedenfalls die Art der Prozeßführung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht als (unverschuldete) Unmöglichkeit der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angesehen werden kann .
Auch über die Rechtmäßigkeit der nachsichtsgegenständlichen ersten und zweiten Säumniszuschläge wurde bereits mit Berufungsentscheidungen des und RV/1732-W/13, abgesprochen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () muss der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.
Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst werden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa ). Vor dem Hintergrund, dass es in der Ingerenz des Abgabepflichtigen liegt, das Entstehen der Aussetzungszinsen in gegebenenfalls beträchtlicher Höhe durch Entrichtung der ausgesetzten Abgaben zu verhindern, kann auch eine allfällige lange Dauer des Berufungsverfahrens keine sachliche Unbilligkeit in der Einhebung der dadurch aufgelaufenen Aussetzungszinsen begründen, denen außerdem der Aspekt des Zinsengewinnes durch den Zahlungsaufschub beim Abgabepflichtigen gegenübersteht.
Auch hinsichtlich der Säumniszuschläge im Sinne des § 217 BAO ist eine sachliche Unbilligkeit nicht anzunehmen, weil ein Säumniszuschlag eine objektive Rechtsfolge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe darstellt (vgl. etwa ).
Mangels Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 236 BAO konnte die beantragte Nachsicht somit nicht gewährt werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt. Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7100574.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at