Familienheimfahrten zwischen Familienwohnsitz und Kfz-Abstellplatz (Firmengelände) bei Benützung der Lkw-Schlafkabine?
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RV/7103045/2012-RS1 | Besteht für den Stpfl. eine kostenlose Schlaf- oder Wohnmöglichkeit am auswärtigen Beschäftigungsort, fehlt ein notwendiges Kriterium einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung. Mangels Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung können in diesen Fällen zwangsläufig auch keine Familienheimfahrten im steuerlichen Sinne vorliegen.
Eine kostenlose Schlafmöglichkeit an der Arbeitsstätte in Form einer LKW-Schlafkabine, führt deshalb nicht zu einem zweiten Wohnsitzes am Tätigkeitsort, wie es für eine doppelte Haushaltsführung und damit zusammenhängende Familienheimfahrten Voraussetzung ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter, Mag. Dieter Fröhlich über die als Beschwerde geltende Berufung des Bf., A. whft., vom 23.8..2012 wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011 des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2011 bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art 133 Abs. 4 B‑VG i.V.m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (in der Folge Bf. genannt) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als LKW-Fernfahrer. Der Firmensitz seines Arbeitgebers befindet sich in B.. Dem Bf. ist als Fahrzeug ein Silo-Sattelzug, der mit einer Schlafkabine ausgestattet ist zugewiesen. Mit dem Fahrzeug werden in der Regel für einen Hauptkunden seines Arbeitgebers, der Firma C. D. GmbH in K., Kunststoffgranulate im internationalen Güterverkehr transportiert.
Mit dem Arbeitgeber und der Firma C. ist abgesprochen, dass der Bf. den Sattelzug am Betriebsgelände der Firma C. während der Wochenendruhe abstellt. Der wöchentliche Arbeitsablauf des Bf. beginnt in der Regel mit der Anfahrt von seinem Familienwohnsitz in L. mit seinem Pkw zur Firma C. in F.. Dort nimmt er den Sattelschlepper in Betrieb und beginnt seine fünftägige Reisetour. Am Ende der Arbeitswoche stellt er den Sattelzug wieder am Werksgelände der Firma C. ab und fährt übers Wochenende mit seinem Pkw zum Familienwohnsitz in L. zurück.
Der Bf. lebt am Familienwohnsitz gemeinsam mit seiner Ehegattin, die in L. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (2011 Euro 15.762) erzielt. Die Entfernung zwischen dem Familienwohnsitz in L. und dem – vom Arbeitgeber aufgetragenen - LKW-Abstellplatz bei der Firma C. in F. beträgt rund 165 km, die Fahrzeit mit dem Pkw beträgt rund 2 Stunden.
Der Bf. erhobt mit Schriftsatz vom gegen den ESt-Bescheid 2011 Berufung, weil das Finanzamt die erklärten Familienheimfahrten (begrenzt mit dem höchsten Pendlerpauschale von Euro 3.672) nicht berücksichtigt hatte. Begründend führte er aus, dass er jede Woche mit seinem eigenen Pkw vom Lkw-Abstellort in F. zu seiner Familie nach L. fahre; meistens Freitags spätabends oder Samstags frühmorgens. Am Sonntag abends, ca. 19:00 Uhr fahre er wieder nach F. retour. Für die Fahrten bekomme er kein Entgelt. Er beantrage eine erklärungsgemäße Veranlagung.
Der Bf. legte eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers vom vor, in welcher bestätigt wurde, dass vom Bf. der Lkw in F. – vor der Wochenendheimfahrt – abgestellt werde. Für die Heimfahrt erhalte er keine Ersatzleistungen.
Mit BVE vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, weil die Kosten für die wöchentlichen Fahrten vom Familienwohnsitz zur Arbeitsstätte und zurück mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten seien. Der Tatbestand einer Familienheimfahrt für Fahrten zwischen Familienwohnsitz und Wohnsitz am Tätigkeitsort liegt nicht vor, da die Schlafkabine eines Lkw keinen Wohnsitz im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG darstelle. Die Berücksichtigung von Familienheimfahrten sei daher nicht möglich und die Berufung abzuweisen.
Dagegen brachte der Bf. fristgerecht den Vorlageantrag vom ein. Der Bf. legt den Sachverhalt nochmals dar und wendet ein, dass nach der Rz. 354 der Lohnsteuerrichtlinien nicht entscheidend sei, ob die Wohnmöglichkeit am Arbeitsort einen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO darstelle. Auch eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Schlafstelle - wie dies auch die Schlafkabine im Lkw darstelle – rechtfertige steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten. Die Begründung des FA, dass die LKW-Schlafkabine keinen Wohnsitz am Tätigkeitsort darstelle und der Tatbestand für Familienheimfahrten nicht erfüllt werde, sei daher nicht zutreffend.
Vom BFG wurde am beim Arbeitgeber (Herrn X) der Arbeitsablauf des Bf. telefonisch abgefragt und so wie vorstehend ausgeführt bestätigt.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der vorstehende Sachverhalt ist unstrittig und liegt der rechtlichen Beurteilung zu Grunde. Strittig ist die Rechtsfrage, ob dem Bw. für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Familienwohnsitz und dem Abstellort seines LKW`s – wo er jeweils Sonntags vor Antritt der fünftägigen Tour in der Schlafkabine nächtigt - Werbungskosten zustehen.
Familienheimfahrten im Sinne der §§ 16 Abs. 1, 16 Abs. 1 Z. 6 und 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG sind Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeitsort) und dem Familienwohnsitz. Die LStR 2002 RZ 354 erklären hierzu, dass für die Anerkennung von Familienheimfahrten nicht entscheidend sei, ob die Wohnmöglichkeit am Arbeitsort einen Wohnsitz nach § 26 BAO vermittle; auch eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Schlafstelle oder ein angemietetes Hotelzimmer rechtfertigen steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten.
Diese Erlassregelung wendet sich an die Finanzämter und sollte von diesen im Interesse eines gleichmäßigen Abgabenvollzugs grundsätzlich beachtet werden. Erlässe entfalten aber gegenüber dem BFG keine normative Wirkung und sind daher für sich allein auch keine ausreichende Argumentationsgrundlage.
Das BFG sieht daher keinen Anlass von seiner bisherigen Rechtsprechung zu der steuerrechtlichen Beurteilung der Fahrtkosten von Wochenpendlern abzugehen (zu LKW‑Fernfahrern, UFS, , RV/2434-W/06):
Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird. Nach herrschender Meinung liegt keine Arbeitsstätte vor, wenn das Aufsuchen der Betriebsstätte ausschließlich mittelbar durch berufliche Obliegenheiten (z.B. Abholen von Unterlagen oder Waren, Wechseln des Fahrzeuges) veranlasst ist. Zum Beispiel kann ein angestellter Vertreter, der stets seine Reisetätigkeit von seiner Wohnung aus antritt und die Betriebsstätte lediglich zur Abgabe und Entgegennahme von Unterlagen anfährt, für die Fahrtstrecke von der Wohnung zur Betriebsstätte Fahrtkosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG geltend machen.
Hinsichtlich des Dienstantrittes entspricht aber die tatsächliche und rechtliche Stellung eines Berufskraftfahrers nicht der eines Handelsvertreters. Während die kollektivvertraglichen Bestimmungen beim Handelsvertreter die Wohnung als Dienstantrittsort vorsehen, bildet beim Kraftfahrer der LKW-Abstellplatz den Dienstantrittsort. Vor allem hat der Kraftfahrer auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften vor Antritt der Fahrt sein Fahrzeug und die Ladung zu überprüfen. Diese Überprüfungshandlungen sind bereits Ausübung unmittelbarer beruflicher Obliegenheiten. Daher wurde auch vom VwGH, E 2001/08/0229 vom der Kfz‑Abstellplatz als Dienstantrittsort und Arbeitsstätte im Sinne des EStG qualifiziert. Ebenso hat der BFH (Urteil VI R 15/04 vom ) die Fahrten eines Busfahrers zum Busabstellplatz auf Grund des nachhaltigen Tätigwerdens an diesem Ort als Fahrten zur Arbeitsstätte beurteilt.
Die Kosten des Bw. für die Fahrten vom Familienwohnsitz zum – vom seinem Arbeitgeber aufgetragenen LKW-Abstellort und zurück, betreffen daher Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6. EStG 1988 idF BGBl 111/2010. Hierfür erhält der Bw. den Verkehrsabsetzbetrag. Bis einschließlich der Veranlagung 2012 erhält der Bw keine zusätzliche Pendlerpauschale, weil er die tatbestandsmäßige Voraussetzung "des überwiegenden Zurücklegens dieser Fahrtstrecke im Lohnzahlungszeitraum" nicht erfüllt. Der Bw. erklärt wöchentlich – also vier bis fünf Mal im Kalendermonat - zu pendeln, hingegen erfordert die Tatbestandsverwirklichung des Pendlerpauschales mindestens 11 Fahrten im Monat. Erst mit BGBl. 2013/53 wurde die Möglichkeit eines anteiligen Pendlerpauschales geschaffen.
Werbungskosten wegen Familienheimfahrten kommen im gegenständlichen Fall nicht in Betracht, weil Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und nicht zwischen Familienwohnsitz und Zeitwohnsitz am Beschäftigungsort vorliegen. Sämtliche Kosten für Fahrten auf dieser Wegstrecke gelten durch den Verkehrsabsetzbetrag kraft unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung abgegolten. § 16 Abs. 1 Z 6 letzter Absatz des EStG lautet: "Mit dem Verkehrsabsetzbetrag ...sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten." Diese Bestimmung schließt als lex specialis einen Werbungskostenabzug für Fahrtkosten nach § 16 Abs. 1 EStG - wozu auch die Familienheimfahrten zählen - aus. Es wäre nämlich auch unsachlich, die Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages, bzw. eines allfälligen Pendlerpauschales, bei zusätzlichen Fahrten auf der Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, etwa für Fortbildungen, zu vertreten ("Buchhalter-Fall"), im gegenständlichen Fall aber nicht. Ebenso schließt die herrschende Meinung bei Identität zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (z.B. bei fallweiser Tele-Heimarbeit) auf Grund des Vorrangs und der Abgeltungswirkung der Regelung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG für die Fahrten zum Betriebsstandort des Arbeitgebers, wo sich eine weitere Arbeitsstätte des Stpfl. befindet, aus.
Wie schon dargelegt fährt der Bw. wöchentlich von seiner Wohnung zum LKW‑Abstellplatz, der eine Arbeitsstätte des Kraftfahrers darstellt und wieder zurück zur Wohnung. Es sind daher eindeutig Fahrten, deren Kosten von der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages erfasst sind. Der Umstand, dass der Bw. an der Arbeitsstätte über eine kostenlose Schlafmöglichkeit verfügt - sei es in der Schlafkabine seines LKW oder in einem Mannschaftsquartier, vermag an der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages als lex specialis nichts zu ändern.
Mit anderen Worten, vom Bw. wurde durch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG mit der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages erfüllt und nicht der Tatbestand einer doppelten Haushaltsführung, der zur Absetzbarkeit der Kosten für Fahrten zwischen Familienwohnsitz und Wohnsitz am Tätigkeitsort (sogenannte Familienheimfahrten) führt.
Die doppelte Haushaltsführung beruht auf dem Grundgedanken, dass dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines Familienwohnsitzes – aus bestimmten Gründen - nicht zumutbar ist und er an seinem weit entfernten Beschäftigungsort einen zweiten Haushalt führen muss. Die Mehrkosten dieser doppelten Haushaltsführung sollen als Werbungskosten berücksichtigt werden. Zum abzugsfähigen Mehraufwand werden außer den „doppelten“ Wohnungskosten auch die Fahrtkosten zwischen dem Zweitwohnsitz am Beschäftigungsort und dem Familienwohnsitz gezählt.
Besteht für den Stpfl. eine kostenlose Schlaf- oder Wohnmöglichkeit am auswärtigen Beschäftigungsort, fehlt dieses notwendige Kriterium einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung. Mangels Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung können in diesen Fällen zwangsläufig auch keine Familienheimfahrten im steuerlichen Sinne vorliegen.
Eine kostenlose Schlafmöglichkeit an der Arbeitsstätte, gegenständlich in einer LKW-Schlafkabine, führt deshalb nicht zu einem zweiten Wohnsitzes am Tätigkeitsort, wie es für eine doppelte Haushaltsführung und damit zusammenhängende Familienheimfahrten Voraussetzung ist. Ansonsten würde auch eine Fahrt mit dem Wohnmobil zur Arbeitsstätte oder eine Schlafmöglichkeit im Büro (z.B. Chouch) vom Anwendungsbereich des Pendlerpauschales und damit von der „Überwiegensklausel“ und der Abgeltungswirkung ausnehmen und könnte einen Anspruch auf Familienheimfahrten begründen.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde keine Folge zu geben.
Unzulässigkeit der Revison
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG). Die Verneinung der strittigen Rechtsfragen – ob eine Lkw-Schlafkabine einen Zweitwohnsitz am Beschäftigungsort darstellt oder auch ohne dem Erfordernis eines Mehrkosten verursachenden zweiten Wohnsitzes Werbungskosten für Familienheimfahrten vorliegen können - folgt der einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, weshalb die Revision für nicht zulässig zu erklären war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7103045.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at