TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2015, RV/3100091/2011

Gefahrenzulage für Ordinationsgehilfin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R****** in der Beschwerdesache B****** gegen die Bescheide des Finanzamtes Landeck Reutte vom betreffend Haftung und Zahlung von Lohnsteuer für die Jahre 2003 bis 2006

zu Recht erkannt: 

I.

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

II.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

III.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1) Verfahrensgang:

Im April 2008 wurde eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben begonnen. Einen Prüfungsschwerpunkt bildete die an eine beim geprüften Arbeitgeber, einem Arzt, als Ordinationshilfe beschäftigte Arbeitnehmerin steuerfrei ausbezahlte Gefahrenzulage. Im Dezember 2009 verfasste das Finanzamt einen Vorhalt an den steuerlichen Vertreter. Im März 2010 wurde dem steuerlichen Vertreter ein Mail mit den "vorläufigen" Prüfungsfeststellungen übermittelt, welches unbeantwortet blieb. Mit Fax vom wurde neuerlich um Stellungnahme ersucht. Eine Reaktion blieb wiederum aus.

Daraufhin erließ das Finanzamt am Haftungsbescheid nach § 82 EStG 1988 und versteuerte die in den Jahren 2003 bis 2006 bisher steuerfrei behandelte Gefahrenzulage nach. In der Begründung zu diesen Bescheiden führte das Finanzamt aus, dass weder ein Nachweis noch eine Glaubhaftmachung erfolgt sei, dass die Arbeitnehmerin während eines überwiegenden Teiles ihrer Arbeitszeit mit Tätigkeiten beschäftigt sei, die zwangsläufig eine Gefährdung mit sich brächten.

Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Berufung erhoben. Zusammengefasst wurde die Ansicht vertreten, dass die Arbeitnehmerin bei der Befragung durch den Prüfer angegeben habe, nicht direkt in unmittelbaren Körperkontakt mit Blut, Harn etc zu kommen, "was selbstverständlich selbst Ärzte und am Patienten arbeitende Assistentinnen tunlichst vermeiden". Die Frage wäre von ihr aber offenbar in einer für die gegenständlichen Zwecke zu engen Interpretation des Begriffes "in Berührung kommen" verstanden worden. Entscheidend sei aber im vorliegenden Fall, "dass man mit den Gefäßen, in denen diese Stoffe lagern und mit Gerätschaften in Berührung kommt, diese entgegen nehmen, verschließen, verpacken, versenden, reinigen etc." müsse. Auch die allgemeine Lebenserfahrung könne ins Treffen geführt werden. Der Ablauf in einer [ärztlichen] Praxis würde sich so darstellen, dass die "Dame an der Rezeption" den Patienten empfange, einen Becher aushändige und diesen, nunmehr gefüllt mit Harn, wieder entgegennehme. Auch wenn ein direkter Kontakt mit Harn bei diesen Tätigkeiten regelmäßig nicht stattfindet, käme es zum Kontakt mit dem Becher, müssten Laborstreifen in den Becher gegeben werden und müsse alles auch wieder entsorgt werden. Gleiches gelte für "Blutröhrchen", die aus dem Arztzimmer kämen und "weiter zu versorgen,verpacken, versenden etc." seien.
Dies bedeute, dass "auch die an der Rezeption befindliche Dame" während der Ordinationszeiten und danach beim Reinigen, Versenden etc. ständig diesen Stoffen ausgesetzt seien. "Natürlich nicht in jeder Sekunde, wenn wir so ins Erbsenzählen kommen", würden irgendwelche Zulagen niemandem mehr zustehen. Potentiell bestünde die Gefahr jedoch zu jeder Zeit. Auch zB Röntgenassistenten wären nicht zu 50% aller Arbeitssekunden Strahlen ausgesetzt, sie befänden sich aber permanent im Gefahrenbereich, wenn die Strahlenbelastung auch nur alle paar Minuten wenige Sekunden lang eintrete. In Wahrheit wären die Damen "vorne an der Rezeption" sogar einer höheren Gefährdung ausgesetzt, als die direkt am Patienten arbeitenden Personen, weil sie im Gegensatz zu Letzteren keine Schutzhandschuhe uÄ tragen könnten. "Vorne an der Budel" sei es nämlich nicht opportun, mit Handschuhen "herumzulaufen". Es sei also für diese Personen - mit Ausnahme der außerhalb der Ordinationszeiten liegenden reinen Schreibzeiten - ganz eindeutig zu jeder Zeit eine entsprechende Gefährdung gegeben. Keine Praxis in der gegenständlichen Größe habe aber einen Anfall an so vielen Schreibarbeiten, dass bei einer 40-Stunden-Woche auch nur annähernd 20 Stunden für solche Arbeiten von Nöten wären.
Zusammengefasst befinde sich während der gesamten Ordinationszeiten von zumindest 21 Wochenstunden und darüber hinaus beim Reinigen, Verpacken, Versenden etc diversester Stoffe permanent in einem Gefahrenbereich, der es nicht nur kollektivvertraglich vorschreibe, sondern auch steuerrechtlich zulasse, ihr eine steuerfreie Zulage zu gewähren.

Das Finanzamt legte die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat im Feber 2011 ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zur Entscheidung vor. Diese war am noch unerledigt anhängig und ist daher nach § 323 Abs 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde iSd Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen.

2) Sachverhalt:

Die in Rede stehende Arbeitnehmerin ist beim Beschwerdeführer lt Dienstvertrag als Ordinationshilfe in einem Vollzeitdienstverhältnis beschäftigt. Die an sie auf Basis des anzuwendenden Kollektivvertrages ausbezahlte Gefahrenzulage wurde im Rahmen der Lohnverrechnung (für elf Monate im Kalenderjahr) steuerfrei abgerechnet.
Zur Beschreibung der von der Arbeitnehmerin durchgeführten Tätigkeiten hat der Beschwerdeführer angegeben, dass diese für den Versand von "Material" (Harn, Blut, Abstriche), die Annahme von durch die Patienten mitgebrachtem "Harnmaterial" bzw für die Vorbereitung der Harnanalyse, den Transport des "Materials" (Harn, Blut, Abstriche) zum hauseigenen Labor, die Mithilfe bei Endoskopien, die tägliche Reinigung des Harnmessgerätes sowie die Patientenanmeldung, Telefondienst und das Schreiben von Befunden sowie den weiteren Schriftverkehr zuständig sei. Darüber hinaus würde die Arbeitnehmerin sowohl den Beschwerdeführer als auch dessen ebenfalls ärztlich tätige Gattin außerhalb der (offiziellen) Ordinationszeiten bei Untersuchungen assistieren. Diese Stellungnahme wurde sowohl vom Beschwerdeführer, als auch von der betroffenen und einer weiteren Arbeitnehmerin unterzeichnet.
Mit der Dienstnehmerin wurde - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt - im April 2008 ein Telefongespräch geführt. In der Begründung der bekämpften Bescheide ist dann von einem Gespräch mit dem Beschwerdeführer und der betroffenen Arbeitnehmerin vom zu lesen. Über den genauen Inhalt dieser Gespräche liegen aktenkundig keine Beweismittel vor, insbesondere wurden keinerlei Niederschriften aufgenommen. Es befinden sich im Akt lediglich handgeschriebene Notizen, welche offensichtlich nachträglich mit der Überschrift "H. A****** + Fr. X****** am " versehen wurden. Wenn in der Begründung der bekämpften Bescheide weiters zu lesen ist, dass die Assistenz der Arbeitnehmerin bei [ärztlichen] Eingriffen aus dem Gespräch mit dem Beschwerdeführer nicht hervorgegangen sei, ist dies mangels vorliegender Unterlagen nicht zu verifizieren. Es bleibt aber, dass der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen und von beiden Arbeitnehmerinnen mitunterzeichneten Stellungnahme den Sachverhalt so geschildert hat und sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt, dass in ärztlichen Ordinationen die anwesenden Hilfskräfte regelmäßig Assistenz zu leisten haben. Durch den Hinweis auf letztlich undokumentierte "Gespräche" kann das Finanzamt die Angaben des Beschwerdeführers nicht erschüttern und die Sachverhaltsangaben, welche für das Bundesfinanzgericht durchaus plausibel erscheinen, nicht in Zweifel ziehen. Vom Finanzamt wurde den Angaben substantiell nichts entgegengesetzt, weshalb diese der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde zu legen sind.

3) Rechtslage:

Nach § 68 Abs 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis € 360,00 monatlich steuerfrei.
Unter Gefahrenzulagen sind nach Abs 5 der genannten Gesetzesstelle jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.
Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie auf Grund einer in Abs 5 genannten "lohngestaltenden Vorschrift" gewährt werden.

4) Erwägungen:

Im vorliegenden Fall bestehen keine Zweifel, dass die Auszahlung der gegenständlichen Zulage gemäß den Bestimmungen des einschlägigen Kollektivvertrages erfolgte.

Aus § 68 Abs 5 EStG 1988 ergibt sich, dass unter Gefahrenzulagen Arbeitgeberleistungen zu verstehen sind, welche deshalb bezahlt werden, weil entweder auf Grund direkter Beeinträchtigungen ("infolge der schädlichen Einwirkungen von ...") oder potentieller Gefährdungen ("infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr ...") ein Risiko für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit der Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer besteht.
In diesem Sinn hat auch der Beschwerdeführer in der (damals) Berufung argumentiert. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sich aus der Einhaltung der (arbeitsrechtlichen und sonstigen) Schutzvorschriften ergibt, dass unmittelbare arbeitsbedingte Einwirkungen gesundheitsgefährdender schädlicher Stoffe oder Umstände nur mehr in Ausnahmefällen vorkommen.
Die Bestimmung des § 68 Abs 5 EStG 1988 umschreibt aber ein zweites begünstigungsfähiges Element, nämlich das berufsbedingte Bestehen einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern. Insofern ist es für die Anwendung dieses zweiten Begünstigungstatbestandes nicht unbedingt notwendig, dass sich diese Gefahr durch eine konkrete Beeinträchtigungssituation zeigt. Vielmehr reicht es aus, dass diese Gefahr real besteht. So werden zB auf Brücken oder Hausdächern arbeitende Menschen trotz aller Sicherheitsvorkehrungen real ständig einer Sturzgefahr ausgesetzt sein, auch wenn bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften ein tatsächlicher Absturz nur in seltenen Ausnahmesituationen eintritt. Gleiches gilt auch für zB bei einem Röntgenologen tätige Arbeitskräfte, welche bei Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen einer unmittelbaren direkten Bestrahlung ebenfalls nur in Ausnahmefällen ausgesetzt sein werden. Dennoch besteht während der Arbeitszeit real die Gefahr einer Verstrahlung. Nach Überzeugung des Bundesfinanzgerichtes besteht beim Hantieren mit (möglicherweise) infektiösem Material (Blut, Harn usw) auch dann eine reale Gefahr, welche die Auszahlung einer steuerfreien Zulage dem Grunde nach rechtfertigt, wenn bei Einhaltung der Sicherheitsnormen ein unmittelbares "In-Kontakt-Kommen" nicht regelmäßig der Fall sein wird.
Würde nämlich das (überwiegende) Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 68 Abs 5 EStG 1988 immer dann zu verneinen sein, wenn durch die Einhaltung der entsprechenden Schutzbestimmungen ein tatsächlich unmittelbarer körperlicher Kontakt mit tatsächlich gesundheitsschädigenden Materialen im Regelfall nicht gegeben ist, wäre der sich aus das Bestehen einer Gefahr beziehende Teil der Bestimmung des § 68 Abs 5 EStG 1988 sinnentleert. Die Bezugnahme auf den Begriff "Gefahr" bedeutet aber gerade, dass eine tatsächlich schädliche Einwirkung (noch) nicht erfolgt ist, dies aber möglich ist.

Das Finanzamt hat das Bestehen einer Gefahr im Zusammenhang mit der Tätigkeit der in Rede stehenden Dienstnehmerin letztlich nicht bestritten. Vielmehr führt das Finanzamt in der Begründung der Bescheide sogar ausdrücklich aus, dass nur in jenen Fällen, in welchen eine Dienstnehmerin nicht ausschließlich in einem Bereich oder in einer Funktionseinheit tätig sei, der zwangsläufig "eine permanente, mögliche Gefährdung, im speziellen möglicher Kontakt von infektiösem Material" mit sich bringe, weitere Ermittlungen anzustellen seien. Daraus geht klar hervor, dass das Finanzamt, wenn eine Dienstnehmerin ausschließlich in einem Bereich oder in einer Funktionseinheit tätig und dabei zwangsläufig einer permanenten möglichen Gefährdung, im Speziellen einem möglichen Kontakt mit infektiösem Material ausgesetzt ist, die Steuerfreiheit der Zulage als gegeben angesehen wird. Damit deckt sich die Rechtsansicht des Finanzamtes mit jener des Bundesfinanzgerichtes, dass nämlich alleine das Bestehen einer möglichen Gefahr des "In-Kontakt-Kommens" ausreicht, die Steuerfreiheit der Zulage zu rechtfertigen.

Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof zur Gefahrenzulage ausgesprochen, die Steuerbefreiung habe zur Voraussetzung, dass die zu leistenden Arbeiten - worunter nur die vom Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses schlechthin (insgesamt) zu erbringende Arbeitsleistung verstanden werden kann - überwiegend unter Umständen ausgeführt werden, die zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen. Die Frage ist also nicht allein anhand jener Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Gefährdung verbunden ist. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraums iSd § 77 EStG 1988 zu prüfen, ob sie überwiegend eine solche Gefahrenlage bewirken. Es müssen also in zeitlicher Hinsicht die Tätigkeiten, die mit den besonderen Umständen verbunden sind, überwiegen.

Im Erkenntnis , hat sich der Gerichtshof näher mit der Thematik "Überwiegen" auseinandergesetzt und festgehalten, dass Voraussetzung für die Gewährung der Begünstigung für Zulagen ua ist, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maße eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung zwangsläufig bewirken oder im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die die genannte Verschmutzung zwangsläufig bewirken oder eine außerordentliche Erschwernis darstellen (vgl , mwN).
Dass die eigentliche (Reinigungs-)Tätigkeit der Arbeitnehmer der (damaligen)Beschwerdeführerin unter erschwerenden und verschmutzenden Bedingungen im Sinn des § 68 Abs 5 EStG 1988 stattfand, wird von der belangten Behörde - zu Recht - nicht in Frage gestellt. Ebenso wie etwa Arbeitspausen bei der Überprüfung der Ausschließlichkeit oder des Überwiegens einer Tätigkeit nach § 68 Abs 5 EStG 1988 außer Betracht zu bleiben haben, gilt dies - insoweit anders als im Fall - auch für die mit den qualifizierten Tätigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Hilfstätigkeiten, wie - auf den damaligen Beschwerdefall bezogen - die notwendigen Fahrten zu bzw zwischen verschiedenen Tätigkeitsorten. Diese Fahrzeiten hindern somit nicht die Zuordnung der Tätigkeit insgesamt zu den begünstigten Arbeiten nach § 68 Abs 5 EStG 1988 (und waren daher insofern auch keine Aufzeichnungen über die im einzelnen geleisteten Tätigkeiten erforderlich). Da dies die (damals) belangte Behörde, welche errechnete, dass in maximal 38% der Arbeitszeit begünstigungsfähige Tätigkeiten verrichtet werden, verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Aus diesem Erkenntnis ist somit klar ableitbar, dass bestimmte Arbeitszeiten bei der Betrachtung des Überwiegens auszuklammern sein können, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen.

Im Erkenntnis , hat der Gerichtshof zu einer Sozialversicherungsentscheidung, jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 68 Abs 5 EStG 1988 ausgeführt, dass es nach der Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzung des § 68 Abs 5 EStG 1988 für die Gewährung einer (damals) Schmutzzulage gegeben ist, in Fällen, in denen die Kollektivvertragspartner die Gewährung der Schmutzzulage davon abhängig gemacht haben, dass Arbeiten geleistet werden, die ihrer Auffassung nach üblicherweise (typischerweise) eine außerordentliche Verschmutzung des Arbeitnehmers verursachen, zunächst darauf ankommt, ob diese Einschätzung der Kollektivvertragspartner richtig ist, dh - vor dem Hintergrund des § 68 Abs 5 EStG 1988 - ob Arbeiten wirklich üblicherweise (typischerweise) zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung in erheblichem Maß bewirken. Ist dies der Fall, so ist es unmaßgeblich, ob auch in einem konkreten Einzelfall Arbeiten eine solche Verschmutzung bewirkt haben (vgl ).

Dem letztgenannten Erkenntnis auch für den Bereich des Steuerrechts und der Gefahrenzulagen folgend, kann die Ansicht vertreten werden, dass Ordinationshilfen - insbesondere in kleinen Arztpraxen, in welchen eine strikte Aufteilung der Aufgaben nicht möglich ist - in ständigem Patientenkontakt stehen und laufend mit (möglicherweise) infektiösem Material auch tatsächlich und real in Kontakt kommen können. Somit besteht in allen Zeiten, in welchen Patienten behandelt werden, eine entsprechende Gefahr und kommt es nicht darauf an, ob sich diese Gefahr auch tatsächlich in einer konkreten unmittelbaren Gefährdungssituation manifestiert.

Im vorliegenden Fall wird, wie oben ausgeführt, seitens des Finanzamtes nicht bestritten, dass die betroffene Arbeitnehmerin zumindest zum Teil mit Arbeiten betraut ist, die zwangsläufig auf Grund der Möglichkeit einer Infektion eine Gefährdung von Leben und Gesundheit mit sich bringen.
Das Bundesfinanzgericht kann allerdings die Ansicht nicht teilen, dass sich diese Gefahr nur in einem "geringen Teil der Gesamtarbeitszeit" manifestiert. In der Darstellung des Finanzamtes wird nämlich als "Haupttätigkeit" der administrative Bereich (Patientenverwaltung, Telefondienst und Schreibtätigkeiten) angeführt und damit vorerst der Eindruck erweckt, dass die Dienstnehmerin keinerlei direkten Patientenkontakt hat. Erst in weiterer Folge wird festgestellt, dass die Dienstnehmerin während der Ordinationszeiten für die Patientenannahme und die Annahme des zu untersuchenden Materials zuständig ist. Das Finanzamt berechnet in der Begründung der Bescheide, dass ca 21 bis 24 Mal täglich mit gefährlichem Material hantiert werden würde und geht dabei von 420 bis 480 Patienten monatlich und jeweils einer Probe pro Patient aus. Völlig ignoriert wird dabei, dass in der Eingabe des Beschwerdeführers vom ganz andere Zahlen genannt werden und sich alleine dadurch die Probenanzahl fast verdoppelt. Andere vom Beschwerdeführer bekannt gegebene und ebenfalls mit potentiellen Gefahren verbundene Tätigkeiten (wie zB die Mithilfe bei Patientenbehandlungen) wurden vom Finanzamt bei der Beurteilung zudem völlig ignoriert.
Der Verwaltungsgerichtshof ist im oben genannten Erkenntnis vom zudem zum Schluss gekommen, dass, wenn eine an sich begünstigungsrelevant verschmutzende Tätigkeit vorliegt, bestimmte Zeiten bei der Prüfung des Überwiegens nicht zu berücksichtigen bzw nicht begünstigungsschädlich sind. Dies muss nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes umso mehr für Beschäftigte in Arztpraxen gelten, welche tatsächlich während des überwiegenden Teiles ihrer gesamten Arbeitszeit in direktem Kontakt mit den Patienten stehen. Auch hier sind Zeiten, in welchen Telefonate geführt oder sonstige notwendige Verwaltungstätigkeiten erledigt werden, für die Prüfung des Überwiegens nicht zu berücksichtigen.
Beim vorliegenden Sachverhalt steht fest, dass die betroffene Arbeitnehmerin alleine auf Grund der offiziellen Öffnungszeiten der Ordination (21 Stunden wöchentlich) bereits während mehr als 50% ihrer tatsächlichen Arbeitszeit im direkten Patientenkontakt steht. Zudem entspricht es der allgemeinen Erfahrung, dass sich die Patientenbetreuung regelmäßig nicht auf diese Öffnungszeiten beschränkt, weil die Ordination so lange offen gehalten wird, bis alle wartenden Personen behandelt wurden. Zusätzlich werden nach dem festgestellten Sachverhalt auch Patiententermine gegen Voranmeldung außerhalb dieser Öffnungszeiten wahrgenommen und übt die Arbeitnehmerin dabei Hilfs- bzw Assistenztätigkeiten in direktem Patientenkontakt aus, sodass klar zu errechnen ist, dass die genannten Zeiten weit mehr als 50% der gesamten Arbeitszeit betragen.
Damit ist es aber auch nicht von Belang, dass vom Beschwerdeführer (oder der betroffenen Arbeitnehmerin) keine detaillierten Aufzeichnungen geführt wurden. im vorliegenden Fall und nach oben Gesagten würde sich ohnehin die Frage stellen, welche nicht ohnehin offenkundigen Umstände in derartigen Aufzeichnungen festgehalten werden sollten.
Wenn aber fest steht, dass im Gegensatz zur Ansicht des Finanzamtes, die Gefährdung überwiegend gegeben ist, wurde die ausbezahlte Gefahrenzulage zu Recht steuerfrei abgerechnet.

5) Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht die durch die bestehende und einheitliche Rechtsprechung vorgegeben Grundsätze mit dieser Entscheidung umgesetzt. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, war daher nicht zu lösen, weshalb gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at