Ist die Aufnahme als ordentlicher Hörer als reiner Formalakt ausreichend, um im ersten Studienjahr von einer Berufsausbildung ausgehen zu können?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., W., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2014 bis Februar 2015, soweit dieser über den Zeitraum Juli bis Dezember 2014 abspricht, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf) bezog für seine Tochter T., geb. am 1991, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen forderte das Finanzamt vom Bf. mit Bescheid vom die für den Zeitraum Juli 2014 bis Februar 2015 bezogenen Beträge zurück und verwies auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung.
Der Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass seine Tochter bis Juni 2014 die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien besucht habe. Danach habe sie ab September 2014 die Universität Wien besucht. Das Abschlusszeugnis der Pädagogischen Hochschule sowie Inskriptionsbestätigung und Studienblatt der Universität würden beiliegen. Ab habe Nathalie in einer Volksschule zu arbeiten begonnen und habe nicht mehr als die in § 5 Abs. 1 FLAG genannte Grenze in Höhe von EUR 10.000,00 verdient. Deshalb sei im Jahr 2014 keine Familienbeihilfe zurückzuzahlen.
Ab Jänner 2015 sei dem Finanzamt mitgeteilt worden, dass die Tochter Vollzeit angestellt sei und dass er keine Familienbeihilfe mehr erhalten dürfe. Zurückzuzahlen seien nun die Beträge für Jänner und Februar 2015 in Höhe von insgesamt EUR 434,60. Diese werde er gerne überweisen. Er ersuche um Richtigstellung.
Die Abgabenbehörde übermittelte an den Bf. einen mit datierten Ergänzungsauftrag; ersucht wurde um Nachweis, dass das Bachelorstudium Bildungswissenschaften ab Oktober 2014 ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde (abgelegte Prüfungen; Prüfungsantritte - auch negative; etc...) sowie um Bekanntgabe, w ann das Studium tatsächlich abgebrochen worden sei.
Der Bf. beantwortete den Vorhalt wie folgt:
"Meine Tochter ... hat sich als ordentliche Studentin in das Bachelorstudium an der Universität Wien Anfangs September eingetragen. Anbei finden Sie die Studienbestätigung sowie die Zahlungsvorgänge auf ihrem Studienbeitragskonto, um klar zu stellen, dass meine Tochter sehr wohl vorhatte, dieses Studium in Angriff zu nehmen.
Ebenso senden wir Ihnen einen Screenshot über die besuchten Lehrveranstaltungen. Bevor das Studium tatsächlich begonnen werden kann muss zuerst jeder Student die Module der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) erfolgreich absolvieren. Auf dem zweiten Screenshot sehen Sie, dass meine Tochter in dieser Lehrveranstaltung Teilnehmerin war.
Die STEOP endet mit einer Prüfung. Diese Prüfung fand am von 11:30 - 13:30 Uhr statt, somit hat meine Tochter nicht die Möglichkeit gehabt diese Prüfung zu absolvieren. Anbei finden Sie die Prüfungstermine. Die Prüfung konnte nicht angetreten werden, da meine Tochter bereits ab ihr Dienstverhältnis angetreten ist. Somit kann Ihrem Ansuchen über positiv absolvierte Prüfungen oder angetretenen Prüfungen nicht entgegen gekommen werden, da zur besuchten Zeit keine Prüfungen stattfanden."
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und § 3 Studienförderungsgesetz 1992 mit der Begründung ab, dass die Tochter laut eigenen Angaben in der Vorhaltsbeantwortung zur STEOP-Prüfung am nicht antreten habe können, da sie bereits mit ein Dienstverhältnis eingegangen sei. Somit müsse angenommen werden, dass das Studium lediglich von Oktober 2014 bis tatsächlich betrieben worden sei. Des weiteren sei die Tochter mit vom Studium abgemeldet worden. Da eine bloße Inskription keine Berufsausbildung darstelle, die Tochter die Berufsausbildung mit abgeschlossen habe und ab voll beschäftigt sei, sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Bf stellte einen Vorlageantrag und verwies zunächst auf § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967. Darüber hinaus führte er aus, dass seine Tochter ihre Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen habe; das bedeute im September. Somit stehe für die Monate Juli 2014 bis August 2014 Familienbeihilfe zu. Die Ausbildung sei im September fortgesetzt worden, da von der Stadt Wien keine Möglichkeit in Sicht gewesen sei eine Anstellung als Lehrer zu erhalten. Erst als eine Stelle frei geworden sei, habe seine Tochter diese in Anspruch genommen und ihre Berufsausbildung aufgegeben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Gesetzliche Bestimmungen
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten […].Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen […].
§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 lautet:
„Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird."
Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist strittig, ob die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Juli 2014 bis Februar 2015 zu Recht erfolgt.
2. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzunehmen:
Die Tochter des Bf. hat ihre Ausbildung an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien mit Juni 2014 abgeschlossen.
Im Wintersemester 2014/15 war sie an der Universität Wien in der Studienrichtung A 033 645 (Bachelorstudium Bildungswissenschaft) inskribiert. Laut Studienblatt war Studienbeginn der .
Die Tochter steht seit (laufend) in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt Wien (Versicherungsdatenauszug vom ).
Die Tochter des Bf. ist zur STEOP-Prüfung am nicht angetreten.
Ein Nachweis, ob die Tochter Module zur Vorbereitung dieser Prüfung besucht hat, wurde nicht erbracht.
3. Rechtliche Würdigung
Festgehalten wird zunächst, dass der Bf. den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes insoweit nicht anficht, als er über die Monate Jänner und Februar 2015 abspricht, der daher bezüglich dieser beiden Monate in Rechtskraft erwachsen ist.
3.1 Zeitraum Juli bis September 2014:
Nach der oben zitierten Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung.
Nun hat die Tochter des Bf. im Juni 2014 nicht ihre Schulbildung abgeschlossen, sondern bereits ein Studium. Schon aus diesem Grund kann ein Familienbeihilfenanspruch nicht auf § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 gegründet werden, ohne dass näher untersucht werden muss, ob ab Oktober 2014 tatsächlich eine (weitere) Berufsausbildung begonnen wurde.
3.2 Zeitraum Oktober bis Dezember 2014:
Als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr gilt grundsätzlich die Aufnahme als ordentlicher Hörer. Nach der Judikatur des unabhängigen Finanzsenates sowie des Bundesfinanzgerichtes, die in diesem Erkenntnis ausdrücklich geteilt wird, genügt allerdings d as Vorlegen einer Fortsetzungsbestätigung als reiner Formalakt nicht, um im ersten Studienjahr von einer Berufsausbildung ausgehen zu können. Das Ablegen von Prüfungen und der Besuch von Lehrgangsveranstaltungen sind essenzielle Bestandteile, um eine Berufsausbildung als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe anzuerkennen (zB -G/03; ).
Dass die Tochter des Bf. in obigem Zeitraum keine Prüfungen abgelegt hat, ist unbestritten. Der Bf. hat zwar nachgewiesen, dass seine Tochter Teilnehmerin am Modul der STEOP war, nicht aber, dass sie auch die Lehrveranstaltungen, die offensichtlich als Überbrückung bis zur Möglichkeit, eine Berufstätigkeit anzunehmen, gedacht waren, regelmäßig besucht hat. Selbst ein regelmäßiger Besuch würde aber nichts daran ändern, dass jedenfalls keine Prüfungen abgelegt wurden. Mit Aufnahme einer Berufstätigkeit durch die Tochter kann überdies bedenkenlos davon ausgegangen werden, dass sie das Studium nicht weiter ernsthaft verfolgt hat.
Somit besteht für den gesamten Streitzeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
4. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da zur Rechtsfrage, ob die Aufnahme als ordentlicher Hörer allein ausreicht, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG sprechen zu können, noch keine Judikatur des VwGH vorliegt, ist eine Revision gegen dieses Erkenntnis zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7104777.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at