Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2015, RV/1100439/2012

Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten bei einer Entfernung von 107 km und einer Fahrtzeit von 1 Stunde und 17 Minuten

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Yvonne Primosch in der Beschwerdesache der Bf. , Str. , Gde. , vertreten durch B , Steuerberater, Str.1 , Gde.1 , gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 vom wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Spruchbestandteil dieses Erkenntnisses.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (ab Beschwerdeführerin) bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie war in der Schweiz bei der S , gde , Str.2 , beschäftigt. Ihr inländischer Wohnsitz befand sich in Gde. , Str. .

Am brachte sie ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 elektronisch beim Finanzamt ein. Darin begehrte sie ua. im Zusammenhang mit einer weiteren Wohnsitznahme in der Schweiz, Kosten für Familienheimfahrten (Kennzahl 300) in Höhe von 262,08 € und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.408,45 € als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde die Bf. zur Einkommensteuer 2010 veranlagt. Dabei berücksichtigte das Finanzamt die Kosten für Familienheimfahrten (Kennzahl 300) in Höhe von 262,08 € und Kosten für doppelte Haushaltsführung (Kennzahl 723) in Höhe von 2.408,45 € nicht als Werbungskosten. Begründend führte es dazu aus, dass die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten, da die einfache Wegstrecke vom Hauptwohnort zum Beschäftigungsort unter 120 km läge.

Mit Berufung vom wandte sich die steuerliche Vertretung der Bf. gegen diesen  Einkommensteuerbescheid 2010 vom und begehrte, die Kosten für die doppelte Haushaltsführung (Miete für 2,5 Monate iHv 2.408,45 €) und monatliche Familienheimfahrten in Höhe von 262,08 € als Werbungskosten anzuerkennen und führte dazu begründend Folgendes aus:
Aufgrund der großen Entfernung - einfache Wegstrecke von 104 km - zwischen dem österreichischen Wohnsitz ( Str. , Gde. ) und dem Beschäftigungsort in der Schweiz ( Str.2 , gde ) habe sich die Berufungsführerin ab in der Nähe des Beschäftigungsortes eine Wohnung angemietet. Gemäß den Einkommensteuerrichtlinien seien die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung absetzbar, wenn der Beschäftigungsort so weit vom Familienwohnsitz entfernt sei, dass eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne (dies sei jedenfalls ab einer Entfernung von 120 km gegeben; bei Begründung auch darunter). Gemäß der Fahrplanauskunft der ÖBB sei ersichtlich, dass die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zwischen F und M eine Fahrzeit von mindestens 2,43 Stunden bei mehrmaligem Umsteigen erfordere. Daher sei der Beschwerdeführerin  ein tägliches Pendeln zwischen dem Wohnsitz in Österreich und dem Beschäftigungsort in der Schweiz nicht zumutbar.
Mit dem Berufungsschriftsatz wurde gleichzeitig der Mietvertrag vom , eine Fahrplanauskunft der ÖBB und ein Ausdruck, wonach die Entfernung Str , Gde. - Str.2 , gde , 104,3 km betrage, vorgelegt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und zwar mit folgender Begründung:
Laut Schreiben und Beilage 1 des steuerlichen Vertreters beträgt die einfache Wegstrecke vom Wohn- zum Beschäftigungsort 104 km. Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist lt. Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt ist. In begründeten Fällen kann auch bei kürzeren Entfernungen Unzumutbarkeit anzunehmen sein, wie z.B. bei schwierigen Straßenverhältnissen (nicht ausgebauten Berg- und Passstraßen), was im gegenständlichen Fall nicht vorliegt. Im Berufungsschreiben wird vom steuerlichen Vertreter festgehalten, dass gem. Fahrplan der ÖBB die Fahrtzeit mit öffentlichem Verkehrsmittel 2,43 Stunden betrage und dazu ein 4- bis 6-maliges Umsteigen erforderlich sei. Wäre die Berufungswerberin mit dem Privatauto gefahren, wäre die einfache Wegstrecke von 107 km in 1 Stunden und 17 Minuten (laut google-maps) zu bewältigen gewesen. Dies wäre jedenfalls zumutbar gewesen (siehe auch UFSS, GZ RV/0668-S/06 vom ).“

Mit Schreiben vom begehrte die steuerliche Vertretung der Berufungsführerin, die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorzulegen, und wiederholte im Wesentlichen das bisherige Berufungsvorbringen. Ergänzend führte sie noch aus, dass die Berufungsführerin eine alleinstehende Person sei, weshalb die Geltendmachung der doppelten Haushaltsführung sowie der Familienheimfahrten ohnehin mit sechs Monaten beschränkt sei.

Am legte das Finanzamt die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (Unabhängigen Finanzsenat) zur Entscheidung vor.

Gemäß § 323 Abs. 38 der Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl. I Nr. 70/2013 sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Folgender Sachverhalt steht fest:


Die Beschwerdeführerin bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie war in der Schweiz bei der S , gde , Str.2 , beschäftigt. Ihr inländischer Wohnsitz befand sich in Gde. , Str. . Die im Inland gelegene Wohnung befand sich im Eigentum der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin war alleinstehend. Ab mietete sie eine in der Nähe zum Schweizer Beschäftigungsort liegende Wohnung an. Die Strecke inländischer Wohnsitz - ausländischer Beschäftigungsort betrug 107 km. Die Fahrzeit mit dem PKW zwischen dem inländischen Wohnsitz und dem ausländischen Beschäftigungsort dauerte 1 Stunde und 17 Minuten ( lt. Routenplaner Google Maps).

Strittig ist allein, ob die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die monatlichen Familienheimfahrten (für einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten) deshalb nicht als Werbungskosten anerkannt werden können, da im Streitjahr der (Familien-)Wohnsitz vom Beschäftigungsort nicht mehr als 120 km, sondern konkret “nur“ 107 km, entfernt gelegen war.

Rechtlich ist dazu Folgendes zu sagen:


Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Zu den Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung. Dazu zählen die Kosten für die Wohnung am Arbeitsplatz sowie die Kosten für Familienheimfahrten. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort (doppelte Haushaltsführung) ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann (vgl. zB Jakom/Lenneis EStG, 2015, § 17 Rz 56, Stichwort: Doppelte Haushaltsführung).

Was das Kriterium der Unzumutbarkeit anlangt, geht das Bundesfinanzgericht von der auf höchstgerichtlicher Rechtsprechung () basierenden Verwaltungspraxis (Lohnsteuerrichtlinien 2002, idF des Wartungserlasses 2014, Rz 342) aus, wonach die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (vgl. dazu auch ).

Nachdem unstrittig ist, dass der inländische (Familien-)Wohnsitz vom Schweizer Beschäftigungsort 107 km entfernt gelegen war und die Fahrzeit (mit dem PKW) mehr als eine Stunde betragen hat, war gegenständlich von einer Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr vom Schweizer Beschäftigungsort an den inländischen (Familien-)Wohnsitz auszugehen und waren die geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.408,45 €; (Miete für 2,5 Monate; siehe dazu auch den Mietvertrag vom ) und monatliche Familienheimfahrten in Höhe von 262,08 € [die Höhe der absetzbaren Kosten ist durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 begrenzt; dabei ist diese jährliche Höchstgrenze auf Monatsbeträge umzurechnen (hier: monatlich 281,00 €, wobei ein voller Monatsbetrag auch für angefangene Kalendermonate der auswärtigen Berufstätigkeit zusteht] als Werbungskosten anzuerkennen.

Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die zu lösende Rechtsfrage wird von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Mittendorfer in ecolex 2019/393
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.1100439.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at