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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.10.2015, RV/3100966/2015

Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes bei rechtswidrig unterlassener Beschwerdevorentscheidung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache des Bf., gegen die Bescheide des Finanzamtes X vom betreffend Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 beschlossen:

I. Es wird die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festgestellt. 
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Abgabepflichtige hatte seinen Hauptwohnsitz vom bis in B, C-Straße. Am erließ das für ihn örtlich zuständige Finanzamt Y Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007, gegen die am fristgerecht Berufung erhoben wurde (der Streitpunkt bezog sich auf ein fremdfinanziertes Rentenversicherungsmodell). Mit Berufungsvorentscheidungen vom wurde der Berufung vom vom Finanzamt Y Folge gegeben, die Berufungsvorentscheidungen sind rechtskräftig geworden. Am erließ das Finanzamt Y auch einen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008, der ebenfalls rechtskräftig geworden ist.

Am verlegte der Abgabepflichtige seinen Hauptwohnsitz nach D, E-Straße, den er dort bis innehatte. Im Zuge dessen wurde der Veranlagungsakt des Abgabepflichtigen am an das für ihn örtlich zuständige Finanzamt X abgetreten. Am erließ das Finanzamt X Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO, mit denen die rechtskräftigen Berufungsvorentscheidungen vom (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007) und der rechtskräftige Bescheid vom (betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden. Mit gleichem Datum erließ das Finanzamt X neue Berufungsvorentscheidungen betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007 und einen neuen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008.

Mit Schreiben vom (vgl. auch das diesbezüglich klarstellende Schreiben vom ) erhob der Abgabepflichtige fristgerecht „Berufung“ gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008) und gegen die Sachbescheide vom (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008). Soweit sich diese „Berufung“ gegen die „Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom “ richtete und demnach auf die Berufungsvorentscheidungen vom bezog, ist sie als Vorlageantrag zur seinerzeitigen Berufung des Abgabepflichtigen vom zu werten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die „Berufung“ des Abgabepflichtigen vom gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 vom Finanzamt X als unbegründet abgewiesen. Dagegen wurde vom Abgabepflichtigen am fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht. Die „Berufung“ vom gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008) ließ das Finanzamt X demgegenüber bis dato unerledigt. In Ermangelung einer Berufungsvorentscheidung (Beschwerdevorentscheidung) konnte hinsichtlich dieser Bescheide auch kein rechtswirksamer Vorlageantrag seitens des Abgabepflichtigen gestellt werden.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt X die verfahrensgegenständlichen „Berufungen“ vom und , die ab dem als Bescheidbeschwerden zu behandeln sind, dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Diese Feststellungen beruhen auf der dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenlage, auf Abfragen aus dem Zentralen Melderegister und auf dem Ermittlungsverfahren des Bundesfinanzgerichtes (vgl. das Ergänzungsersuchen vom ).

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG iVm § 1 Abs. 1 BFGG obliegen dem Bundesfinanzgericht ua. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO in der ab dem anzuwendenden Fassung des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat gemäß § 262 BAO zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt (Abs. 2), wenn in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird (Abs. 3) und schließlich, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat (Abs. 4).

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Gemäß § 265 Abs. 2 BAO hat die Vorlage der Bescheidbeschwerde jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.

Im Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass (unter Hinweis auf § 291 Abs. 1 BAO) der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde unterliegt. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde.

Das Finanzamt X legte dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom die Bescheidbeschwerde vom (gegen die Bescheide vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007) und die Bescheidbeschwerde vom (gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 und gegen den Bescheid vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008) zur Entscheidung vor. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Finanzamt X über die Bescheidbeschwerde vom (gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008) nicht mittels - zwingender - Beschwerdevorentscheidung abgesprochen hat.

Dabei ist festzuhalten, dass eine in § 262 BAO in der ab dem anzuwendenden Fassung des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, geregelte Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung der Abgabenbehörde, über Bescheidbeschwerden mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen, im Beschwerdefall nicht vorliegt, zumal die Bescheidbeschwerde am - somit vor Inkrafttreten dieser Bestimmung - eingebracht wurde (vgl. dazu die Vorgängerbestimmung des § 276 BAO in der vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, geltenden Fassung). Ist die „Berufung“ gegen einen Abgabenbescheid zum bei der Abgabenbehörde anhängig, ohne dass diese bereits darüber entschieden hat, ist ab dem nach Maßgabe der neuen Verfahrensvorschriften zu entscheiden (§ 323 Abs. 37 BAO). Die Abgabenbehörde hat daher (grundsätzlich zwingend) eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen (vgl. Ehrke-Rabel/Schinnerl, Übergangsbestimmungen, in Ehrke-Rabel (Hrsg.), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013), Rz VI/2).

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen kommt im Hinblick auf die Bescheidbeschwerde vom (gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008) eine Entscheidung in der Sache durch das Bundesfinanzgericht mangels Vorliegens eines entsprechenden (fakultativen) Vorlageantrages als Reaktion auf eine zuvor erlassene Beschwerdevorentscheidung nicht in Betracht (vgl. ; ; vgl. auch Unger, Konsequenzen einer Direktvorlage von Beschwerden, in BFGjournal 2015, 249).

Da hinsichtlich der angefochtenen Sachbescheide vom (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007) und vom (betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008) vom Finanzamt X Beschwerdevorentscheidungen erlassen und vom Abgabepflichtigen Vorlageanträge gestellt wurden, liegt insoweit grundsätzlich eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes vor, weshalb der vorliegende Beschluss auch nur die Beschwerdeverfahren betreffend die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO betrifft.

Werden sowohl der Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO als auch der neue Sachbescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten, ist zunächst über die Bescheidbeschwerde gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO zu entscheiden und wäre eine vorrangige Erledigung der Bescheidbeschwerde gegen den neuen Sachbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. Ritz, BAO5, § 299 Tz 45; vgl. auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 307 BAO, zB ; ; ). Aus diesem Grund kommt im Streitfall eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerden gegen die Sachbescheide vom (betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007) und vom (betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008) vorerst nicht in Betracht.

Das Finanzamt X hat im fortzusetzenden Verfahren seine Entscheidungspflicht gemäß § 262 Abs. 1 BAO durch Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der (auch angefochtenen) Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 wahrzunehmen und im Falle des Einlangens eines Vorlageantrages durch den Abgabepflichtigen die Beschwerde samt Akten dem Bundesfinanzgericht gemäß §§ 265 f BAO erneut vorzulegen. Im Hinblick auf die vorhin angeführte, von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorgegebene Reihenfolge der Entscheidungen im Streitfall hat das Finanzamt X - alternativ zur vorstehend beschriebenen Vorlage der Beschwerdevorentscheidung samt eingebrachtem Vorlageantrag - im Falle des Unterbleibens eines Vorlageantrages diesen Umstand dem Bundesfinanzgericht unverzüglich gemäß § 265 Abs. 6 BAO mitzuteilen, um eine Erledigung der Beschwerdeverfahren gegen die Sachbescheide zu ermöglichen.

Im Übrigen wird der Abgabepflichtige auf die Möglichkeit der Einbringung einer Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht in Form der Unterlassung der Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt X nach Ablauf von sechs Monaten ab Einlangen der Beschwerde hingewiesen.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 133 Abs. 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Verpflichtung des Finanzamtes X zur Beschwerdevorentscheidung unmittelbar aus dem Gesetz (§ 262 Abs. 1 BAO) ergibt, das Nichtvorliegen eines in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO normierten Ausnahmetatbestandes eine reine Sachverhaltsfrage darstellt und schließlich die nicht vorhandene Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/15/0001, entspricht, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100966.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at