Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 21.10.2015, RV/7101553/2014

Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Senat in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RA, als Masseverwalter, gegen die Bescheide des FA betreffend Zurückweisung einer Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 in der Sitzung am zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt erließ am und am die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 mit denen die Besteuerungsgrundlagen des Beschwerdeführers (Bf.) wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden sind. Die streitgegenständlichen Bescheide wurden an die Wohnadresse des Bf. adressiert.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des Bf. eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. Am wurde durch den Masseverwalter Berufung gegen die oben angeführten Bescheide mit folgender Begründung erhoben:

„Der Schuldner gab dem Masseverwalter gegenüber mehrmals an, dass ihm folgende Bescheide (kurz "Bescheide")insbesondere wegen postbekannter Ortsabwesenheit (Beilagen ./A und ./D), niemals rechtswirksam zugestellt wurden:
a)..,
e) Umsatzsteuerbescheid 2009 vom , und
f) Einkommenssteuerbescheid 2009 vom , und
g) Umsatzsteuerbescheid 2010 vom , und
h) Einkommenssteuerbescheid 2010 vom .

Die Bescheide gingen dem Masseverwalter erstmals als Beilage zur Forderungseinschränkung des Finanzamts vom am zu und wurden ihm am vom Finanzamt nochmals direkt übermittelt.

Der Masseverwalter muss daher auf der Grundlage der Angaben des Schuldners davon ausgehen, dass dem Schuldner bzw. dem Masseverwalter die Bescheide – wenn überhaupt – dann frühestens am zugestellt wurden, weswegen der Masseverwalter davon ausgeht, dass die Berufungsfrist hinsichtlich der Bescheide zum Zeitpunkt der Berufung vom noch offen war.
Beweis:
- Bestätigung Abwesenheitsmitteilungen des Steuerschuldners, Beilage./A.!“

Mit Bescheiden vom wies das Finanzamt die Berufung gegen die obengenannten Bescheide gemäß § 273 Abs. 1 BAO zurück, da sie nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswirksam am bzw. am dem Bf. selbst zugestellt worden.

Gegen diese Bescheide erhob der Masseverwalter Berufung mit folgender Begründung:

….
4.1 Berufungen rechtzeitig
Die Berufung(en) vom erfolgten allesamt fristgerecht, weil der
a) Umsatzsteuerbescheid 2009 vom , und
b) Einkommenssteuerbescheid 2009 vom , und
c) Umsatzsteuerbescheid 2010 vom , und
d) Einkommenssteuerbescheid 2010 vom .
dem Schuldner wegen postbekannter Ortsabwesenheit (Beilagen .l/A und ./D), niemals rechtswirksam zugestellt wurde (siehe dazu auch Punkt 2).
……
Die Post bestätigt mit dem als Beilage./D angeschlossenen Schreiben vom , dass der Schuldner vom bis durchgehend ortsabwesend war und er dies auch der Post gegenüber bekannt gegeben habe.

Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 am , des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2009 am , des Einkommen­steuerbescheides 2010 am und des Umsatzsteuerbescheides für 2010 am ist daher denkunmöglich und die angefochtenen Bescheide vom sind unrichtig und aufzuheben.
Beweis:
- Bestätigung Abwesenheitsmitteilungen des Steuerschuldners, Beilage./A;
- E/A-Rechnung 2009 des Steuerschuldners, Beilage./B;
- E/A-Rechnung 2010 des Steuerschuldners. Beilage./C;
- Schreiben der Post AG (Ortsabwesenheit) vom , Beilage./D.

4.2 Bemessung unrichtig:
Die gegenständliche Berufung ist relevant, weil sowohl die angefochtenen Bescheide aus obigen Gründen, aber insbesondere auch die mit Berufung vom (nicht wie irrtümlich in den angefochtenen Bescheiden angenommen: Berufung vom ) bekämpften Bescheide (ua Umsatzsteuerbescheid 2009 vom , der Einkommenssteuerbescheid 2009 vom , der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom und der Einkommenssteuerbescheid 2010 vom ) unrichtig sind.
Die Bemessungsgrundlagen wurden vom Finanzamt unrichtig ermittelt und sind tatsächlich wesentlich geringer. Die mit den Bescheiden vorgeschriebenen Abgaben sind daher überhöht und unrichtig errechnet.
Die Einkommensteuerbescheide für 2009 und 2010 lassen keine logische Basis erkennen:
- Die Schätzung des Einkommens 2009 mit EUR 51.593,20 entspricht dem 2,4-fachen des Jahresumsatzes, jene des Jahres 2010 schon fast dem 4-fachen.
- Nachweislich ergab sich beim Umsatz 2008 bereits ein Jahresüberschuss von nur noch EUR 5.176,29, der jedenfalls bereits deutlich unter der Einkommensteuergrenze lag.

Die Einkommensschätzungen 2009 und 2010 sind jedenfalls überhöht und vollkommen aus der Luft gegriffen, weil nach Ansicht des Schuldners in beiden Jahren denkmöglich keine Einkommensteuerbelastung vorliegen kann.

Die vorgeschriebene Einkommensteuerbelastung für das Jahr 2009 (EUR 16.576, 13) und für 2010 (EUR 11.927,96) sind daher nach Ansicht des Schuldners mit Sicherheit zur Gänze falsch, wodurch ohne zwischenzeitlich aufgelaufene Zusatzkosten der geltend gemachte Steueranspruch um zumindest EUR 28.504,09 zu hoch ausgewiesen ist.

Der Masseverwalter schließt seiner gegenständlichen Mitteilung die vom Schuldner erstellten und ihm übergebenen Einnahmen/Ausgaben-Rechnungen für die Jahre 2009 und 2010 (Beilagen./B und ./C) an, aus welchen sich dies ergibt.
Die entsprechenden Belege befinden sich in der Kanzlei des Masseverwalters und können jederzeit eingesehen oder dem Finanzamt auf Wunsch auch geschickt werden (zwei kleine Ordner).

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

Nach eingehender Prüfung des Sachverhaltes, auch hinsichtlich des Verfahrens, ist die Behörde zu dem Entschluss gekommen, die Beschwerde abzuweisen.
Gem. § 8 Abs. 1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat bzw. Kenntnis haben müsste, ihre bisherige Abgabenstelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
Betreffend der bekannt gegebenen Ortsabwesenheit bei der Post ist festzuhalten, dass lt. Auskunft der Österreichischen Post AG die gemeldeten Ortsabwesenheiten nicht überprüft werden. Eine solche Bestätigung kann daher keinerlei Beweiskraft entfalten.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden
.“

Dagegen stellte der Masseverwalter des Bf. einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend wurde ein Schriftsatz des Bf. mit folgendem Wortlaut übermittelt:

„Zu den abschlägigen Beschwerdevorentscheidungen vom , eingelangt am , beantrage ich die Vorlage meiner Beschwerden an das Finanzgericht, da ich über Veranlassung der Abgabenbehörde in mühevoller Kleinarbeit nachgewiesen habe, dass die Schätzungsbescheide 2009 und 2010 inhaltlich völlig unrichtig sind.
Es ist völlig unverständlich, dass die Abgabenbehörde zuerst die Zusammenstellung dieser Unterlagen fordert, um schlussendlich aus Formalgründen, die schon längst aktenkundig gewesen sein müssen, inhaltlich völlig rechtswidrige Bescheide aufrecht zu erhalten.
In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf den heute eingebrachten Antrag auf die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens.
Einer positiven Erledigung meiner Beschwerden entgegensehend verbleibe ich mit freundlichen Grüßen….“

Es wurde erwogen:

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe von schriftlichen Erledigungen erfolgt im Regelfall durch Zustellung (lit. a).

Vor Bekanntgabe entfaltet ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen und kann daher von der Behörde jederzeit zurückgenommen, abgeändert oder durch eine andere Erledigung ersetzt werden (; ).

§ 98 Abs. 1 BAO normiert, dass Zustellungen, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen sind.

Die Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 vom und vom wurden an die der Behörde bekannte Abgabestelle (Wohnadresse des Bf.) adressiert, die RSb-Schriftstücke sind jedoch mit den Vermerken „Ortsabwesend von bis “ bzw. „zurück – nicht behoben“ an das Finanzamt rückübermittelt worden.

Will das Finanzamt davon ausgehen, die Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 seien durch Hinterlegung zugestellt worden, so trifft es von Amtswegen die Pflicht festzustellen, ob auch tatsächlich durch Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde und ob nicht etwa der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabenstelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Im vorliegenden Fall hat der mit Beschluss vom zum Masseverwalter bestellte Rechtsanwalt wiederholt ins Treffen geführt, die genannten Bescheide seien dem Schuldner niemals rechtswirksam zugestellt worden. Das Finanzamt hat allerdings keine konkreten Feststellungen in Bezug auf das tatsächliche Nichtvorliegen der vom Bf. behaupteten Ortsabwesenheit getroffen, die Ausführungen des Finanzamtes beschränken sich vielmehr auf bloße Mutmaßungen.

Im Hinblick auf die mittlerweile im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen und bereits in Rechtskraft erwachsenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 vom , erübrigen sich im gegenständlichen Verfahren weitere Ermittlungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges und war der Beschwerde bereits aus verfahrens- bzw. verwaltungsökonomischer Sicht stattzugeben und die Zurückweisungsbescheide aufzuheben. 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision war nicht zulässig, da das Erkenntnis im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, demnach keine Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 98 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101553.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at