Wiederaufnahme von Amts wegen - Hervorkommen neuer Tatsachen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RR
in der Beschwerdesache
BF, Adr1, vertreten durch ST, Adr2, gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom , St.Nr. xxxx, über die Wiederaufnahme betreffend Einkommensteuer 2006
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) bezog bis November 2005 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit für die Firma AG GmbH sowie ab Dezember 2005 für die Firma DG. X.
2. Wie in den Vorjahren machte er auch im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2005 das Werbungskostenpauschale für Vertreter gemäß § 1 Z 9 der Verordnung BGBl II 382/2010 (Vertreterpauschale) geltend.
3. Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom wurde das für die Monate 1-12/2005 beantragte Vertreterpauschale aliquot nur für die Monate 1-11/2005 anerkannt, da der Bf ab Dezember 2005 für die Fa. DG. X tätig gewesen war.
Mit einer dagegen gerichteten Berufung vom wurde eine "Bestätigung Außendienst – für das Monat Dezember 2005" der nunmehrigen Arbeitgeberin (DG. X) vorgelegt, wonach der Bf als Projektleiter für Kundenprojekte und als Consultant für IT Systeme zuständig sei. Diese Tätigkeit werde überwiegend im Außendienst in den Werken des Unternehmens und bei dessen Kunden im In- und Ausland durchgeführt. Sie umfasse die Beratung und Betreuung für IT-Lösungen für die Kunden in allen Phasen der EDV-Projekte von der Analyse, der Projektierung und Implementierung bis zur Abnahme und Übergabe an die Supportorganisation des Kunden und im Haus.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung unter Hinweis darauf, dass Außendiensttätigkeiten, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen sei, nicht zur Vertretertätigkeit zählen würden und die Tätigkeit des Bf's laut vorgelegter Bestätigung des Dienstgebers nicht das Berufsbild eines Vertreters erfülle, als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsvorentscheidung wurde rechtskräftig.
4. In seiner am elektronisch abgegebenen Einkommensteuererklärung 2006 machte der Bf abermals das Vertreterpauschale für die Monate 1-12/2006 in Höhe von 2.190,00 Euro geltend, welches ihm im Einkommensteuerbescheid 2006 vom auch gewährt wurde.
5. In einem gemäß § 293b BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13.03.3009 wurde anstatt des Vertreterpauschales nur mehr das allgemeine Werbungskostenpauschale in Höhe von 132,00 Euro berücksichtigt, wobei der Bescheid damit begründet wurde, dass eine nach der Verordnung geforderte ausschließliche Vertretertätigkeit nicht vorliege. Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen sei, zähle nicht als Vertretertätigkeit. Vertreter seien Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig seien.
6. In seiner Berufung vom wies der Bf darauf hin, dass es sich bei der Anerkennung des Vertreterpauschales im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2006 um keinen Ausfertigungsfehler gehandelt habe, sondern ihm dies aufgrund seiner ausschließlichen Tätigkeit im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung im Rahmen von Projekten zur Einführung von Unternehmersoftware korrekt zuerkannt worden sei, zumal ihm dieses bereits ab 1998 gewährt worden sei und sich seine Tätigkeit bis Ende 2008 nicht geändert habe.
7. Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung vom Finanzamt mit der Begründung, dass bei der Tätigkeit des Bf's als Systemberater keine ausschließliche Vertretertätigkeit vorliege, als unbegründet abgewiesen.
8. Aufgrund eines Vorlageantrages vom wurde die Berufung ebenso wie die Berufungen gegen die vor und nach diesem Zeitraum liegenden Einkommensteuerbescheide, die zum Teil im Wege der Abänderung gemäß § 295 BAO, zum Teil im Bescheidaufhebungs- und zum Teil im Erstverfahren ergangen waren, dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
9. Mit Vorhaltsschreiben vom befragte der Unabhängigen Finanzsenat den Bf unter anderem zur Tätigkeit des Bf's für die Fa. DG., für welche dieser ab Dezember 2005 sowie im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2006 tätig gewesen war.
Über Ersuchen des Unabhängigen Finanzsenates erläuterte der Bf in seiner Vorhaltsbeantwortung vom seine Aufgabengebiete unter Angabe der zeitlichen Komponenten näher. Es sei seine Aufgabe gewesen, Beratungsteams mit dem notwendigen Know-How für die Verkaufsverhandlungen zusammenzustellen, was auch sämtliche kaufmännische Verantwortung des IT-Teilbereiches umfasst habe. Dies Presales-/Sales-Tätigkeiten bei DG. hätten ca. 70-75% seiner Gesamttätigkeit umfasst. Die verbleibende Beratungstätigkeit (ca. 25%) habe die interne Beratung der vorwiegend europäischen Standorte betroffen. Laut vom Bf im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beim Unabhängigen Finanzsenat vorgelegten Dienstvertrag vom mit DG. war er dort als "Best Practices Finance coordinator" beschäftigt.
10. Diese Ergebnisse des Vorhaltsverfahrens wurden am zur Wahrung des Parteiengehörs auch dem Finanzamt zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt.
11. Mit Berufungsentscheidung vom , RV/0727-L/09, RV/1182-L/09, RV/0877-L/11, entschied der Unabhängige Finanzsenat unter anderem über die Berufung des Bf's gegen den gemäß § 293b BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid 2006 vom und hob diesen mangels Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der Rechtswidrigkeit infolge "Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen" auf. Diese Entscheidung gründete er im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
Aus der im Akt aufliegenden "Bestätigung Außendienst – für das Monat Dezember 2005" könne nicht auf eine offensichtliche Unrichtigkeit der Beantragung des Vertreterpauschales in der Einkommensteuererklärung 2006 geschlossen werden. Einerseits könne nämlich aus der Bestätigung für einen bestimmten Monat des Vorjahres nicht mit der nötigen Gewissheit darauf geschlossen werden, dass dieselben Sachverhaltselemente auch im folgenden Jahr vorlägen. Andererseits hätte es für die Annahme der nötigen Gewissheit der unrichtigen Annahme der Vertretertätigkeit unbedingt noch weiterer Sachverhaltsermittlungen bedurft, zumal laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () andere Tätigkeiten in bloß untergeordnetem Ausmaß für die Vertretertätigkeit nicht schädlich seien und die Kundenbetreuung als Nebenprodukt durchaus als Teil der Vertretertätigkeit angesehen werden müsse. Die Bestätigung habe lediglich erhebliche Zweifel am Vorliegen einer Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung aufkommen lassen müssen (siehe Seite 27 der Berufungsentscheidung).
Auf Seite 24ff seiner Berufungsentscheidung legte der Unabhängige Finanzsenat dar, dass die vorliegende Bestätigung zwar die Außendiensttätigkeit des Bf's (= damals Berufungswerbers) bestätige, aber nichts darüber aussage, ob bzw. inwieweit der bestätigten Beratungs- und Betreuungstätigkeit (auch) eine Vertretertätigkeit mit den dieser eigenen typischen Vermittlungs- und Verkaufsfunktionen inne gewohnt habe. Ebenso sei aus der Bezeichnung "Projektleiter" nichts zu gewinnen gewesen. Allein diese Bestätigung habe sohin keinen ausreichenden Nachweis dafür gebildet, dass der Bf tatsächlich eine Tätigkeit ausgeübt habe, die ihn dazu berechtigt hätte, das sog. "Vertreterpauschale" als Werbungskosten geltend zu machen. Eine genauere Prüfung bzw. Beschreibung der konkreten Tätigkeit sei daher unumgänglich gewesen.
Diese Prüfung wurde im Ermittlungsverfahren beim Unabhängigen Finanzsenat (Vorhaltsschreiben vom , Vorhaltsbeantwortung vom ) durchgeführt.
Dabei kam die Berufungsbehörde zum Ergebnis, dass die Tätigkeit des Bf's für die Fa. DG. keine Vertretertätigkeit darstellte, die die Gewährung des Vertreterpauschales bewirken konnte.
Wie der Unabhängige Finanzsenat in seiner Berufungsentscheidung (Seite 25f) darlegte, müsse die Vertretertätigkeit ausschließlich ausgeübt werden; nur eine andere Tätigkeit in völlig untergeordnetem Ausmaß sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht schädlich. Ein Ausmaß von 15 – 20% der gesamten Arbeitszeit könne nicht mehr als völlig untergeordnet angesehen werden, auch wenn der Steuerpflichtige dabei wieder überwiegend im Außendienst tätig sei. Im gegenständlichen Fall stehe aufgrund der eigenen Angaben des Bf's fest, dass er cirka ¼ seiner Gesamttätigkeit für Beratungstätigkeit in Form der internen Beratung der vorwiegend europäischen Standorte aufgewendet habe, Presales-/Sales-Tätigkeiten hätten nur 70-75% seiner Gesamttätigkeitumfasst. Bei diesem Ausmaß an anderer ausgeübter Tätigkeit könne nicht mehr von einer ausschließlichen Vertretertätigkeit ausgegangen werden, die zur Geltendmachung des Vertreterpauschales berechtigt hätte. Auch die Berufsbezeichnung eines "Best Practices Finance coordinators" im Dienstvertrag und die Titulierung "Projektleiter" in der Bestätigung des Arbeitgebers würden darauf hindeuten, dass das Berufsfeld des Bf's nicht nur in der Akquisition von Aufträgen nach dem Bild eines typischen Vertreters gelegen sei.
Im Vorhaltsverfahren beim Unabhängigen Finanzsenat waren vom Bf an tatsächlichen Aufwendungen des Jahres 2006 jene für die Betriebsratsumlage in Höhe von 290,44 € nachgewiesen worden.
12. a. Mit Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 vom wurde das Einkommensteuerverfahren 2006 wiederaufgenommen; dies mit folgender Begründung:
"Anlässlich einer nachträglichen Prüfung Ihrer Erklärungsangaben sind die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die steuerlichen Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden."
12. b. Am gleichen Tag erging der Einkommensteuerbescheid 2006 vom , mit welchem das Vertreterpauschale nicht gewährt wurde, jedoch Werbungskosten in Höhe von 290,44 € (Betriebsratsumlage) berücksichtigt wurden, wodurch sich eine Einkommensteuernachforderung von 949,78 € ergab.
Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
"Die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO für das Veranlagungsjahr 2006 hatte zu erfolgen, da das im Erstbescheid gewährte Vertreterpauschale nicht abzugsfähig ist. Die für die Entscheidung maßgeblichen Unterlagen wurden im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006, demzufolge erst nach Erstellung des Erstbescheides eingereicht.
Gemäß § 17 EStG 88 ist ein Vertreterpauschale zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer seine Vertretertätigkeit ausschließlich im Außendienst ausübt. Vertreter sind Personen, die im Außendienst zum Zwecke der ANBAHNUNG und des ABSCHLUSSES von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, zählt nicht als Vertretertätigkeit.
Laut vorgelegter Bestätigung des Dienstgebers erfüllen Sie nicht die Voraussetzungen des im § 17 EStG definierten Berufsbildes eines Vertreters, somit besteht auch kein Anspruch auf das Vertreterpauschale.
Die Betriebsratsumlage in Höhe von € 290,44 war anzuerkennen."
13. Mit Fax-Schreiben vom erhob der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter Berufung gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 und begründete dies damit, dass die Feststellung der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Unterlagen im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006, demzufolge erst nach Erststellung des Erstbescheides eingereicht worden wären, nicht den Tatsachen entspreche.
Der belangten Behörde sei die Tätigkeit des Bf's aufgrund der Bestätigung des Dienstgebers aus dem Einkommensteuerverfahren 2005 bereits bei Erlassung des Erstbescheides 2006 am bekannt gewesen. Dies ergebe sich aus der Begründung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom , wo wie folgt ausgeführt werde: "Laut vorgelegter Bestätigung des Dienstgebers erfüllen Sie nicht die Voraussetzungen des im § 17 EStG definierten Berufsbildes eines Vertreters, somit besteht kein Anspruch auf das Vertreterpauschale."
Die belangte Behörde habe somit aktenkundige Umstände bei der Erlassung des Erstbescheides 2006 am nicht beachtet, dieser Verfahrensmangel könne nicht durch eine Wiederaufnahme beseitigt werden.
14. Mit ausführlicher Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde als unbegründet ab. Es wies vor allem darauf hin, dass der Unabhängige Finanzsenat im Vorfeld den gemäß § 293b BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid (mit Nichtanerkennung des Vertreterpauschales) aufgehoben habe, weil das Wissen betreffend Veranlagung 2005 keine offensichtliche Unrichtigkeit für 2006 dargestellt habe. Somit hätten nach Ansicht der Behörde die Erkenntnisse im Berufungsverfahren 2006 erst jene Tatsachen (fehlende Voraussetzungen für die Anerkennung des Vertreterpauschales) ergeben, welche nunmehr als neue Tatsachen zur Wiederaufnahme des Verfahrens geführt hätten.
In der eingereichten Erklärung für 2006 sei lediglich die Beantragung "pauschalierte Werbungskosten Vertreter von 01.01.-31.12." ersichtlich. Der Wissensstand des Finanzamtes hinsichtlich der genauen Bestätigung des Berufungswerbers (= nunmehr Bf) im Jahr 2005 könne nicht auf das Veranlagungsjahr 2006 projiziert werden. Dieser hätte im Jahr 2006 tatsächlich eine reine Vertretertätigkeit ausüben können, trotzdem er im Jahr 2005 die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Vertreterpauschales nicht erfüllen habe können. Ein allfälliges Verschulden des Finanzamtes an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen schließe eine amtswegige Wiederaufnahme nicht aus. Hinsichtlich der Ermessensübung wurde auf den Vorrang des Grundsatzes der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) hingewiesen. Eine unrichtige Ermessensübung sei aus der Aktenlage nicht erkennbar und auch nicht eingewendet worden.
15. Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung und führte ergänzend Folgendes aus:
"Strittig ist, ob bei Erlassung des ESt-Bescheides 2006 am der belangten Behörde der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren richtig entscheiden hätte können.
Der maßgebliche Sachverhalt besteht hier darin, dass dem Berufungswerber für das Jahr 2006 das Vertreterpauschale nicht zugestanden ist.
Der belangten Behörde ist am bei Erlassung des ESt-Bescheides 2006 bekannt gewesen, dass dem Berufungswerber das Vertreterpauschale im Jahr 2006 nicht zugestanden ist; dies ergibt sich aus folgender Überlegung:
In der Berufungsvorentscheidung vom zur ESt 2005 wurde die Berücksichtigung des Vertreterpauschales mit der Begründung abgelehnt, dass laut vorgelegter Bestätigung des Dienstgebers die Voraussetzungen des im § 17 EStG definierten Berufsbildes eines Vertreters nicht vorliegen.
Da der Berufungswerber auch im Jahr 2006 beim gleichen Arbeitgeber wie im Jahr 2005 beschäftigt war und dies der belangten Behörde bekannt war, ist nicht ersichtlich, welches Sachverhaltselement der belangten Behörde für eine richtige Entscheidung hinsichtlich des Vertreterpauschales im Verfahren zur ESt 2006 gefehlt hat."
16. Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Berufung vom Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat als damaliger Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
17. Mit BGBl I 51/2012 (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) wurde im Rahmen der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit das Bundesfinanzgericht eingerichtet und der bisher als Abgabenbehörde zweiter Instanz fungierende Unabhängige Finanzsenat per aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Bundesfinanzgericht über (Art. 129 iVm Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG idF BGBl I 51/2012). Zu diesem Zeitpunkt beim Unabhängigen Finanzsenat anhängige Berufungen sind gemäß § 323 Abs. 38 BAO idF BGBl I 14/2013 (Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012) nunmehr vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Auch die gegenständliche Berufung war daher als Beschwerde zu behandeln und darüber mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes zu entscheiden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
I) Streitpunkt:
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war strittig, ob neu hervorgekommene Tatsachen vorlagen, die das Finanzamt gemäß § 303 BAO zu einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 berechtigten.
II) Sachverhalt:
Aufgrund des dargestellten Verfahrensablaufes ergab sich zusammengefasst folgender für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt:
Der Bf ist seit Dezember 2005 für die Fa. DG. nichtselbständig tätig. Anlässlich der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2005 wurde für Dezember 2005 das beantragte "Vertreterpauschale" vom Finanzamt nicht als Werbungskosten berücksichtigt.
Als Beilage zu der gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid 2005 gerichteten Berufung legte der Bf am eine "Bestätigung Außendienst – für das Monat Dezember 2005" vor, aus der hervorgeht, dass er als Projektleiter für Kundenprojekte und Consultant für IT-Systeme überwiegend im Außendienst in den Werken des Unternehmens und bei Kunden tätig gewesen war. Die Tätigkeit umfasste danach die Beratung und Betreuung für IT-Lösungen in allen Phasen der EDV-Projekte. Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom mangels Vorliegens einer Vertretertätigkeit abgewiesen. Die Berufungsvorentscheidung wurde rechtskräftig.
Mit Bescheid vom wurde der Bf zur Einkommensteuer 2006 veranlagt und das in der Einkommensteuererklärung 2006 beantragte Vertreterpauschale (Antrag "pauschalierte Werbungskosten Vertreter von 01.01.-31.12") von 1-12/2006 berücksichtigt. Außer der mit der Berufung betreffend Einkommensteuer 2005 vorgelegten Bestätigung vom lagen dem Finanzamt keine weiteren diesbezüglichen Unterlagen vor. Der Einkommensteuerbescheid 2006 wurde mit Bescheid vom gemäß § 293b BAO berichtigt und das Vertreterpauschale nicht anerkannt, weil keine Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen sei, vorläge. Dagegen und auch gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2005 (bis 11/2005 Tätigkeit bei einer anderen Dienstgeberin) sowie Einkommensteuer 2007 und 2008 (ab 12/2005 Tätigkeit bei Fa. DG.) erhob der Bf wegen Nichtanerkennung des Vertreterpauschales Berufung und wurden diese Berufungen dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über Ersuchen des Unabhängigen Finanzsenates erläuterte der Bf in seiner Vorhaltsbeantwortung vom seine Aufgabengebiete unter Angabe der zeitlichen Komponenten näher. Danach war es seine Aufgabe gewesen, Beratungsteams mit dem notwendigen Know-How für die Verkaufsverhandlungen zusammenzustellen, was auch sämtliche kaufmännische Verantwortung des IT-Teilbereiches umfasste. Dies Presales-/Sales-Tätigkeiten bei DG. betrugen ca. 70-75% seiner Gesamttätigkeit. Die verbleibende Beratungstätigkeit (ca. 25%) betraf die interne Beratung der vorwiegend europäischen Standorte. Laut dem vom Bf mit der Vorhaltsbeantwortung dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegten Dienstvertrag vom mit DG. war er dort als "Best Practices Finance coordinator" beschäftigt.
Die Unterlagen des Ermittlungsverfahrens wurden dem Finanzamt als Partei des Berufungsverfahrens zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt.
In seiner Berufungsentscheidung vom , RV/0727-L/09, RV/1182-L/09, RV/0877-L/11, kam der Unabhängige Finanzsenat zu dem Ergebnis, dass das Vertreterpauschale für die Tätigkeit des Bf's bei der Fa. DG. nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könne, dies im Hinblick auf die Ergebnisse des Vorhaltsverfahrens. In der Entscheidung wurde darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall aufgrund der eigenen Angaben des Bf's fest stehe, dass er cirka ¼ seiner Gesamttätigkeit für Beratungstätigkeit in Form der internen Beratung der vorwiegend europäischen Standorte aufgewendet habe, Presales-/Sales-Tätigkeiten hätten nur 70-75% seiner Gesamttätigkeit umfasst. Bei diesem Ausmaß an anderer ausgeübter Tätigkeit könne nicht mehr von einer ausschließlichen Vertretertätigkeit ausgegangen werden, die zur Geltendmachung des Vertreterpauschales berechtigt hätte. Auch aus der Berufsbezeichnung eines "Best Practices Finance coordinators" im Dienstvertrag würde sich ergeben, dass das Berufsfeld des Bf's nicht nur in der Akquisition von Aufträgen nach dem Bild eines typischen Vertreters gelegen sei. Ebenso würde die Titulierung "Projektleiter" in der Bestätigung der Arbeitgeberin darauf hindeuten, wobei sich alleine aus dieser Bezeichnung allerdings noch nichts über das Ausmaß der vertretertypischen Vermittlungs- und Verkaufsfunktionen gewinnen habe lassen.
Dem Berufungsbegehren betreffend Einkommensteuer 2006 wurde im Hinblick darauf, dass alleine durch den Widerspruch mit der für Dezember 2005 vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitgeberin, die zudem keinen ausreichenden Nachweis für die Tätigkeit des Jahres 2006 darstelle, keine offensichtliche Unrichtigkeit gemäß § 293b BAO vorgelegen hatte, durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides entsprochen.
Im Vorhaltsverfahren waren vom Bf tatsächliche Aufwendungen des Jahres 2006 in Höhe von 290,44 € (Betriebsratsumlage) nachgewiesen worden.
In der Folge erließ das Finanzamt am einen Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006, in dem es neben der Ermessensbegründung darauf hinwies, dass anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsangaben die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel hervorgekommen seien, die eine Wiederaufnahme erforderlich machten. Im beiliegenden Einkommensteuerbescheid 2006 vom mit einer Einkommensteuernachforderung von 949,78 € (Nichtanerkennung des Vertreterpauschales; Anerkennung der Betriebsratsumlage als tatsächliche Aufwendungen) wurde ausgeführt, dass die Wiederaufnahme zu erfolgen hatte, weil das im Erstbescheid gewährte Vertreterpauschale nicht abzugsfähig sei. Die für die Entscheidung maßgeblichen Unterlagen seien im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006, demzufolge erst nach Erstellung des Erstbescheides eingereicht worden. Nach Beschreibung der Vertretertätigkeit gemäß § 17 EStG 1988 wurde festgehalten, dass der Bf laut vorgelegter Bestätigung des Dienstgebers die Voraussetzungen des dort definierten Berufsbildes nicht erfülle, weswegen kein Anspruch auf das Vertreterpauschale bestehe. Die Betriebsratsumlage sei anerkannt worden.
Dem entgegnete der Bf in seiner Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2006 sowie im gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung gerichteten Vorlageantrag, dass der maßgebliche Sachverhalt darin bestehe, dass dem Bf für das Jahr 2006 das Vertreterpauschale nicht zugestanden sei. Dem Finanzamt seien aufgrund der Bestätigung des Dienstgebers aus dem Einkommensteuerverfahren 2005 bereits bei Erlassung des Erstbescheides 2006 am die Tätigkeit des Bf's und der Umstand, dass der Bf im Jahr 2006 beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt gewesen war, bekannt gewesen. Insofern sei nicht ersichtlich, welches Sachverhaltselement der belangten Behörde für eine richtige Entscheidung hinsichtlich des Vertreterpauschales im Verfahren zur Einkommensteuer 2006 gefehlt habe.
III) Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem beim Finanzamt geführten Einkommensteuerakt des Bf's sowie aus dem der Berufungsentscheidung vom , RV/0727-L/09, RV/1182-L/09, RV/0877-L/11, zugrunde liegenden Unterlagen laut Akt des Unabhängigen Finanzsenates (insbesonders den Unterlagen des Vorhaltsverfahrens). Die Bestandteile dieses Aktes sowie Daten und Inhalt der Schriftsätze sind auch in der angeführten Berufungsentscheidung vom dargestellt.
Aus dieser Aktenlage ergibt sich eindeutig, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuererstbescheides 2006 vom lediglich die im Zusammenhang mit der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 dem Finanzamt am beigebrachte "Bestätigung Außendienst – für das Monat Dezember 2005" der nunmehrigen Arbeitgeberin (DG. X) vorlag. Die für die rechtliche Beurteilung der Tätigkeit als Vertreter im Sinne des § 1 Z 9 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl II 382/2001, wesentliche nähere Beschreibung ergab sich laut Aktenlage (Finanzamts- und UFS-Akt) erst aus dessen Vorhaltsbeantwortung vom im Ermittlungsverfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat sowie dem dieser Vorhaltsbeantwortung beigelegten Dienstvertrag mit der Fa. DG . Die betreffenden Unterlagen wurden dem Finanzamt im Wege des Parteiengehörs übermittelt sowie deren Inhalt in der Berufungsentscheidung vom dargelegt. Die laut Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates für die Qualifikation der im Jahr 2006 ausgeübten Tätigkeit des Bf's wesentlichen Sachverhaltselemente wurden der belangten Behörde (Finanzamt) somit erst im Jahr 2012 bekannt.
IV) Rechtliche Beurteilung:
1) Rechtsgrundlagen/Allgemeines:
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO a.F. (vor BGBl I 14/2013) als auch § 303 Abs. 1 lit. b BAO n.F. (idF BGBl I 14/2013)kann eine Wiederaufnahme von Amts wegen unter anderem in jenen Fällen vorgenommen werden, in denen Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß § 305 Abs. 1 BAO der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat (Fassung vor BGBl I 14/2013) bzw. die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder Säumnisbeschwerde zuständig gewesen wäre (idF BGBl 14/2013). Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu (idF BGBl 14/2013).
Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen sohin die gemäß § 305 Abs. 1 leg. cit. zuständige Behörde (= Abgabenbehörde).
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO idF BGBl I 14/2013hat das Verwaltungsgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die bei der Wiederaufnahme abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen ; zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 289 Abs. 1 BAO idF vor BGBl I 14/2013).
Aufgabe des Verwaltungsgerichtes bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Eine Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt allerdings noch kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (; ; ; ).
Maßgeblich für die Berechtigung zur Wiederaufnahme ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (siehe Ritz, BAO5, § 303 Tz 24 und die dort zit. Jud., zB ).
2) Erwägungen im konkreten Fall:
Im gegenständlichen Fall verwies das Finanzamt in seinem Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich des Grundes der Wiederaufnahme auf die neu hervorgekommenen "Tatsachen und/oder Beweismittel" laut Begründung des beiliegenden Einkommensteuerbescheides.
In dieser wurde angeführt, dass die Wiederaufnahme zu erfolgen hatte, weil das im Erstbescheid gewährte Vertreterpauschale nicht abzugsfähig sei. In der Folge wurden die Voraussetzungen des für die Gewährung eines Vertreterpauschales gemäß § 17 EStG 1988 typischen Berufsbildes eines Vertreters definiert, die – so in der Begründung des Finanzamtes – im gegenständlichen Fall nicht erfüllt waren.
Damit hat das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund jenen Tatsachenkomplex definiert, dessen Vorliegen für die Erfüllung jenes Tatbestandes maßgeblich ist, der als Rechtsfolge die Zuerkennung des Vertreterpauschales als Werbungskosten begründet.
Dass dies auch für den Bf aus der Bescheidbegründung zweifellos erkennbar war, ist dessen Ausführungen in seinem Vorlageantrag zu entnehmen, wenn er dort darauf hinwies, dass der maßgebliche Sachverhalt darin bestehe, dass dem Berufungswerber für das Jahr 2006 das Vertreterpauschale nicht zugestanden sei.
Der vom Finanzamt herangezogene Wiederaufnahmegrund bestand also im als neu hervorgekommen beurteilten Tatsachenkomplex, der für die Beurteilung der Tätigkeit des Bf's als "Vertretertätigkeit" im Sinne des § 1 Z 9 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl II 382/2011, relevant war.
Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes bei der Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde gegen die Wiederaufnahme durch das Finanzamt war es daher nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe oben Punkt IV, 1), zu prüfen, ob dieses Verfahren aus diesem vom Finanzamt gebrauchten Grund wieder aufgenommen werden durfte, wobei eine allenfalls mangelhafte Begründung in Richtung dieses Wiederaufnahmegrundes zu ergänzen war.
Der Bf wendete im gegenständlichen Verfahren ein, dass dem Finanzamt die Tätigkeit des Bf's aufgrund der Bestätigung des Dienstgebers aus dem Einkommensteuerverfahren 2005 bereits bei Erlassung des Erstbescheides 2006 am bekannt gewesen sei und somit der vom Finanzamt als Wiederaufnahmegrund herangezogene Sachverhalt nicht neu hervorgekommen sei.
Hiezu ist Folgendes auszuführen:
Dem Bf ist zuzugestehen, dass die Begründung des Einkommensteuerbescheides 2006, auf die der angefochtene Wiederaufnahmebescheid verwiesen hat, auf den ersten Blick zweideutig war. Einerseits wurde darauf hingewiesen, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Unterlagen erst im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 und demzufolge erst nach Erstellung des Einkommensteuerbescheides eingereicht worden seien (gemeint kann nur sein "im Zuge des Berufungsverfahrens", weil mit der Berufung unmittelbar noch keine Unterlagen vorgelegt, sondern diese erst über Ersuchen des Unabhängigen Finanzsenates beigebracht worden waren) . Andererseits wurde im vorletzten Satz der Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen des in § 17 EStG 1988 definierten Berufsbildes eines Vertreters "laut vorgelegter Bestätigung des Dienstgebers" nicht erfüllt seien.
Dass diese Bestätigung des Dienstgebers schon am vorgelegt worden und insofern bei Erlassung des Einkommensteuererstbescheides am schon vorhanden war, steht aber – wie auch der Bf richtig ausführte – eindeutig fest.
Diese Bestätigung betraf allerdings nach deren Titulierung "Bestätigung Außendienst – für das Monat Dezember 2005" nur die Tätigkeit des Bf's im Jahr 2005 und konnte, wie vom Unabhängigen Finanzsenat in seiner Berufungsentscheidung vom (Seite 27) dargelegt, nicht ohne Weiteres, also mit der nötigen Gewissheit auf das Tätigkeitsbild des Jahres 2006 übertragen werden.
Zudem ließen sich daraus, wie der Unabhängige Finanzsenat in seiner Entscheidung weiters feststellte, keine ausreichenden Anhaltspunkte bzw. Tatsachen ableiten, die eine eindeutige Qualifikation der Tätigkeit des Bf's als Vertretertätigkeit erlaubt hätten. Das Schreiben des Dienstgebers bestätigte zwar die Außendiensttätigkeit, sagte aber nichts darüber aus, ob bzw. inwieweit der ausgewiesenen Beratungs- und Betreuungstätigkeit (auch) eine Vertretertätigkeit mit den dieser eigenen typischen Vermittlungs- und Verkaufsfunktionen inne gewohnt hatte (Seite 24 der Berufungsentscheidung). Aus der Bezeichnung "Projektleiter" ließ sich nichts über das Ausmaß der tatsächlich ausgeübten vertreterspezifischen Tätigkeiten ableiten.
Die am im Zusammenhang mit der Berufung/Einkommensteuer 2005 vorgelegte Bestätigung der Arbeitgeberin über den Tätigkeitsbereich des Bf's im Dezember 2005 konnte somit lediglich erhebliche Zweifel am Vorliegen einer Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung aufkommen lassen, bildete aber keinen ausreichenden Beweis über das Vorliegen jener Sachverhaltselemente (Tatsachen), die für die Beurteilung der Tätigkeit als "Vertretertätigkeit" im Sinne der Verordnung maßgeblich waren.
Aus diesem Grunde wurde vom Unabhängigen Finanzsenat auch einerseits der Ansicht des Finanzamtes, dass die Anerkennung des Vertreterpauschales auf der Übernahme einer offensichtlichen Unrichtigkeit aus der Abgabenerklärung gemäß § 293b BAO basierte, nicht beigetreten. Andererseits wurde dies von der Berufungsbehörde zum Anlass genommen, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, im Rahmen welchen die einzelnen Tätigkeitskomponenten (= Tatsachen) so weit geklärt wurden, dass aufgrund dieser Sachverhaltsfeststellungen eine Zuordnung der Tätigkeit möglich war.
Die Tatsache, dass der für die Annahme einer Vertretertätigkeit schädliche Anteil (weil nicht mehr untergeordnet im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) an der Gesamttätigkeit ca. 25% betrug, wurde erst anlässlich der Vorhaltsbeantwortung des Bf's vom bekannt, also nach Erstellung des Einkommensteuererstbescheides 2006 vom . Auch die Tätigkeitsbezeichnung des Bf's als "Best Practices Finance coordinator", die gegen die Qualifikation als Vertreter im Sinne der Verordnung sprach, wurde erst durch Vorlage des Dienstvertrages am bekannt.
Diese Umstände waren somit als neu hervorgekommene Tatsachen zu betrachten, die für die Beurteilung der Tätigkeit des Bf's als Vertreter im Sinne der Verordnung maßgeblich und einer Überprüfung durch die Beschwerdeinstanz (Bundesfinanzgericht) im Hinblick auf ihre Qualität als tauglicher Wiederaufnahmegrund zugänglich waren.
Wenn das Finanzamt in seiner Bescheidbegründung darauf hingewiesen hat, dass die für die Entscheidung über die Gewährung des Vertreterpauschales maßgeblichen Unterlagen erst im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006, demzufolge erst nach Erstellung des Erstbescheides eingereicht worden seien, so kann ihm aus den dargestellten Gründen diesbezüglich (Bekanntwerden der entscheidungswesentlichen Umstände erst im Zuge des Berufungsverfahrens) nicht entgegen getreten werden.
Dass die vom Unabhängigen Finanzsenat vorgenommenen Ermittlungsschritte, die zur Kenntnis der für die Zuordnung maßgeblichen Tatsachen geführt haben, tatsächlich schon von der Abgabenbehörde erster Instanz vorzunehmen gewesen wären, ändert nichts daran, dass die entscheidenden Tatsachen dem Finanzamt erst im Jahr 2012 mit der Übermittlung der Ermittlungsergebnisse des Unabhängigen Finanzsenates bekannt geworden sind.
Ein behördliches Verschulden am Unterbleiben einer Feststellung der maßgeblichen Tatsachen im seinerzeitigen Verfahren schließt aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits mehrmals festgehalten hat (; , mwN), die Berechtigung zur amtswegigen Wiederaufnahme nicht aus.
Aufgrund der dargelegten Erwägungen kam das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis, dass bezüglich des vom Finanzamt als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Tatsachenkomplexes erst nach Erlassung des Erstbescheides neue (wesentliche!) Tatsachen hervorgekommen sind und ist somit dieses Tatbestandsmerkmal des § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF BGBl I 14/2013 (vormals § 303 Abs. 4 BAO) erfüllt ist.
Dass ein im Spruch anders lautender Bescheid (Nichtanerkennung des Vertreterpauschales; stattdessen Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen/Betriebsratsumlage) zu ergehen hatte, ist unstrittig und war somit auch dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt.
Das Ermessen, das bei der Wiederaufnahme nach der Bestimmung des § 303 BAO (die Behörde "kann" das Verfahren wieder aufnehmen) zu üben ist, wurde vom Finanzamt mit dem Vorrang des Grundsatzes der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtssicherheit und den nicht bloß geringfügigen Auswirkungen begründet.
Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Wie auch in der Berufungsvorentscheidung vom ausgeführt, wurde entsprechend dem generellen Ziel jeder Wiederaufnahme, ein rechtmäßiges Ergebnis zu erzielen, dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit der Vorrang gegeben. Eine unrichtige Ermessensübung sei nicht geübt oder eingewendet worden.
Auch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes lag kein Grund vor, der aus Billigkeits- oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen gegen eine Wiederaufnahme gesprochen hätte, zumal die sich aus der Wiederaufnahme ergebende Abgabennachforderung mit 949,78 € nicht bloß geringfügig war. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinem Erkenntnis ,unter Berufung auf seine Vorjudikatur (, im Zusammenhang mit einer Steuererhöhung von 1.010,14 Euro ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese weder absolut noch relativ geringfügig sei, was eine Wiederaufnahme gerechtfertigt habe.
Insgesamt waren sohin im gegenständlichen Fall aufgrund obiger Erwägungen sämtliche Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 erfüllt, weshalb dem Beschwerdebegehren nicht beigetreten werden konnte und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
V) Zum Abspruch über die Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die Frage, ob eine Wiederaufnahme von Amts wegen zulässig ist, ist - wie auch im gegenständlichen Fall - jeweils im Einzelfall bezogen auf das konkret vorliegende tatsächliche Geschehen durchzuführen. Insofern lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revision war sohin nicht als zulässig zu erklären.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 305 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.5101349.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at