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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.09.2015, RV/2100597/2015

Wiederaufnahme des Verfahrens: Eintritt in die materiell-rechtliche Streitfrage zwecks Beurteilung, ob ein im Spruch anders lautender Bescheid ergangen wäre (hier: Teilwertabschreibung von Wertpapieren)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100597/2015-RS1
Für die Beurteilung, ob die die Kenntnis der neu hervorgekommenen Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, ergibt sich die Notwendigkeit, bereits im Wiederaufnahmeverfahren auch in die Prüfung der materiell-rechtlichen Streitfrage einzutreten (vgl. , ÖStZB 1966, 62).
RV/2100597/2015-RS2
Die belangte Behörde begründet ihre Feststellung, dass die Teilwertabschreibung der Wertpapiere körperschaftsteuerlich nicht zulässig sei, damit, dass die "Kaufabrechnungen" nicht vorgelegt worden seien und das Depot auf den Namen des Gesellschafter-Geschäftsführers gelautet habe, dieser somit zivilrechtlicher Eigentümer der Wertpapiere sei. Die belangte Behörde gesteht jedoch zu, keine Zweifel daran zu haben, dass die Wertpapiere bereits zum Erwerbszeitpunkt (also zu einem Zeitpunkt, als der Kursverfall noch nicht absehbar war), in die Bücher der Beschwerdeführerin aufgenommen wurden. Vor diesem sachverhaltsmäßigen Hintergrund einer durch entsprechende buchmäßige Behandlung dokumentierten Erfassung der Wertpapiere als Betriebsvermögen einerseits und der von Seiten der belangten Behörde unbestritten gebliebenen Erklärung von Seiten der Beschwerdeführerin, dass das Wertpapierdepot aufgrund eines Irrtums der Bank (telefonischer Kaufauftrag) auf den Namen des Gesellschafter-Geschäftsführers lautete, andererseits, war davon auszugehen, dass es sich bei den Wertpapieren um Betriebsvermögen gehandelt hat und die Teilwertabschreibung im Streitjahr als Betriebsausgabe anzuerkennen war.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter über die Bescheidbeschwerde der A-GmbH, vertreten durch Mag. Marianne Strohmaier, Wittmannsdorf 12, 8093 Sankt Peter am Ottersbach, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Oststeiermark vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 nach mündlicher Verhandlung am  zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin ist eine mit Erklärung vom errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Geschäftszweig der Beschwerdeführerin war im Streitjahr der Betrieb von Wasserkraftwerken. Gesellschafter und Geschäftsführer ist A.

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Außenprüfung traf die Prüferin für das Jahr 2009 einerseits die Feststellung, dass die Teilwertabschreibung von Wertpapieren im Betrag von 4.836,64 Euro (13.072 Stück W-Aktien wurden im Streitjahr um den Preis von jeweils 2,55 Euro erworben, wobei das Depot auf den Namen von A lautete) durch die Beschwerdeführerin unzulässig gewesen sei, und andererseits die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin für Einkünfte im Betrag von 100.476,36 Euro der Hälftesteuersatzes gemäß § 9 EnFG 1979 nicht zustehe.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom  nahm die belangte Behörde das Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 wieder auf und setzte unter Zugrundelegung der beiden Feststellungen der Prüferin die Körperschaftsteuer mit 17.218,25 Euro (Nachforderungsbetrag: 10.026,83 Euro) fest. Zur Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens verwies die die belangte Behörde im angefochtenen Wiederaufnahmsbescheid auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung und den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung. Im diesem Bericht wird unter Tz. 5 ("Wiederaufnahme gem. § 303 Abs. 1 BAO") "zu den als Prüfungsabschluss getroffenen Ausführungen ergänzend" als neu hervorgekommene Tatsache für das Streitjahr 2009 der Umstand, dass eine Teilwertabschreibung für Wertpapiere vorgenommen worden sei und diese Wertpapiere laut den vorgelegten Unterlagen (Abrechnungsauskunft bzw. Depotauszug) der Privatperson A "zuzurechnen" sei, angeführt. Den "Ausführungen" ist in Tz. 2 zu entnehmen:

"Im Jahr 2009 erfolgte die Anschaffung von 13.072 Stk. W Aktien a € 2,55. Die vorgelegte Abrechnungsauskunft lautet auf "[A]", aufgenommen wurden die Aktien im WP-Depot Nr. 6*.***.*** lautend auf "[A]". Der Kaufpreis incl. € 132,90 Spesen wurde i. H. von € 33.466,50 vom Girokonto Nr. 1**.*** der [Beschwerdeführerin] bei der Raika-G abgebucht, die WP in der Bilanz als Umlaufvermögen ausgewiesen. Aufgrund fallender Aktienkurse wurde per eine Teilwertabschreibung i. H. von € 4.836,64 (...) zu Lasten der Gewinne der [Beschwerdeführerin] vorgenommen.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer A scheint lt. vorgelegter Depotauszüge als zivilrechtlicher Eigentümer der angeschafften Wertpapiere auf, sodass die angeschafften Aktien dem Privatvermögen des Geschäftsführers A zuzurechnen sind. Die Tatsache, dass die Belastungen auf dem Geschäftskonto der [Beschwerdeführerin] erfolgte, stellt den Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung in den Jahren 2009 (...) dar."

Die Beschwerdeführerin wendete sich durch ihre steuerliche Vertreterin mit Beschwerdeschriftsatz vom auch gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens und begehrt erkennbar die Aufhebung dieses Bescheides sowie des neuen Sachbescheides. Im Beschwerdeschriftsatz wird bezogen auf den Streitpunkt der steuerlichen Begünstigung von Kleinwasserkraftwerken vorgebracht, es seien keine zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigenden neuen Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde gegen den hier angefochtenen Wiederaufnahmebescheid mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte dazu in der gesonderten Bescheidbegründung vom selben Tag ua. aus, dass für das Streitjahr jedenfalls die Tatsache neu hervorgekommen sei, dass die Wertpapierkäufe im Jahr 2009 auf den Namen A und die Wertpapiere - obwohl als Vermögen der Beschwerdeführerin bilanziert - sich auf einem Depot lautend auf A befunden hätten und aus diesem Grund die vorgenommene Teilwertabschreibung nicht anzuerkennen gewesen sei.

Im Vorlageantragsschreiben vom äußerte sich die Beschwerdeführerin zur Frage des Vorliegens neu hervorgekommener Tatsachen bzw. zur Wiederaufnahme des Verfahrens allgemein nicht mehr.

Die belangte Behörde legte die Bescheidbeschwerden dem Bundesfinanzgericht im April 2015 zur Entscheidung vor.

Die Beschwerdeführerin hat die mündliche Verhandlung beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 4 BAO).

Tatsachen iSd § 303 Abs 4 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende, tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften ().

Im Beschwerdefall ist - wie den die Wiederaufnahme des Verfahrens begründenden Teilen des Berichts über das Ergebnis der Außenprüfung zu entnehmen ist - im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen, dass das Aktiendepot und die Abrechnungen auf A lauteten und der Kaufpreis von der Beschwerdeführerin bezahlt wurde.

Für die Beurteilung, ob die die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, ergibt sich die Notwendigkeit, bereits im Wiederaufnahmeverfahren auch in die Prüfung der materiell-rechtlichen Streitfrage einzutreten (vgl. , ÖStZB 1966, 62).

Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Privatvermögen, noch zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, stellen im Bereich der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 gewillkürtes Betriebsvermögen dar, wenn der Steuerpflichtige seinen Entschluss, die Wirtschaftsgüter als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln, durch entsprechende buchmäßige Behandlung dokumentiert (, mwN).

Wirtschaftsgüter müssen, um dem gewillkürten Betriebsvermögen zugerechnet zu werden, dem Betrieb in irgendeiner Weise - etwa durch ein betriebliches Interesse an einer fundierten Kapitalausstattung - förderlich sein können. Es darf aber nicht eine betriebliche Nutzung der betreffenden Wirtschaftsgüter vorliegen, weil in diesem Fall die Wirtschaftsgüter bereits zum notwendigen Betriebsvermögen gehören (, mwN).

Das Wirtschaftsgut muss unmittelbar (durch Erträge) oder mittelbar (durch Betriebsvermögensstärkung) zum Betriebserfolg beitragen. Die objektive Förderungsmöglichkeit (Förderung des Betriebes) ist ex ante zu beurteilen. Es obliegt dem Steuerpflichtigen, der gewillkürtes Betriebsvermögen annehmen will, konkrete objektive Umstände darzulegen, aus denen sich die Förderung des Betriebes ergibt (, mwN).

Dass die Kursentwicklung von Wertpapieren im Zeitpunkt ihrer Anschaffung ungewiss ist, schließt ihre Behandlung als gewillkürtes Betriebsvermögen hingegen nicht aus ().

Sogar Risikovermögen kommt grundsätzlich auch als gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht. Die bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG eingeräumte Entscheidungsfreiheit bei der Behandlung von gewillkürten Betriebsvermögen iszt jedoch nicht schrankenlos. Von dieser Entscheidungsfreiheit darf kein so weit gehender Gebrauch gemacht werden, dass Wirtschaftsgüter nur deswegen in das Betriebsvermögen eingebracht werden, um insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Wertminderung einen steuerlichen Vorteil zu erreichen (vgl. , mwN).

Sachverhaltsmäßig unstrittig ist, dass das Wertpapier-Depot und die diesbezüglichen Abrechnungen auf den Namen von A lauteten. Die Kaufpreiszahlung für die Anschaffung der Wertpapiere erfolgte durch die Beschwerdeführerin.

Die belangte Behörde begründet ihre Feststellung, dass die Teilwertabschreibung der Wertpapiere körperschaftsteuerlich nicht zulässig sei, damit, dass die "Kaufabrechnungen" nicht vorgelegt worden seien und das Depot auf den Namen von A gelautet habe, dieser somit zivilrechtlicher Eigentümer der Wertpapiere sei. Die belangte Behörde gesteht jedoch zu, keine Zweifel daran zu haben, dass die Wertpapiere bereits zum Erwerbszeitpunkt (also zu einem Zeitpunkt, als der Kursverfall noch nicht absehbar war), in die Bücher der Beschwerdeführerin aufgenommen wurden.

Vor diesem sachverhaltsmäßigen Hintergrund einer durch entsprechende buchmäßige Behandlung dokumentierte Erfassung der Wertpapiere als Betriebsvermögen einerseits und der von Seiten der belangten Behörde unbestritten gebliebenen Erklärung von Seiten der Beschwerdeführerin, dass das Wertpapierdepot aufgrund eines Irrtums der Bank (telefonischer Kaufauftrag) auf den Namen von A lautete, andererseits, war davon auszugehen, dass es sich bei den Wertpapieren um Betriebsvermögen gehandelt hat und die Teilwertabschreibung im Streitjahr als Betriebsausgabe anzuerkennen war. 

Da also die Kenntnis dieser (von der belangten Behörde zur Verfahrenswiederaufnahme herangezogenen) Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens keinen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, waren die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 nicht gegeben, weshalb der angefochtene Wiederaufnahmsbescheid in einer der Bescheidbeschwerde stattgebenden Weise aufzuheben war.

Wird ein Wiederaufnahmsbescheid mit Beschwerdeentscheidung aufgehoben, hat dies - ex lege - auch die Aufhebung des im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheides zur Folge (). Diesbezüglich wird auf den unter der Geschäftszahl RV/2100594/2015 ergangenen Beschluss vom heutigen Tag verwiesen.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 B-VG die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzungen im Beschwerdefall im Hinblick auf die oben wiedergebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegen, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist. 

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 204 Abs. 2 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 6 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100597.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at