Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.10.2015, RV/7102055/2015

Nachträgliche Betriebsausgaben im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache Bf, AdresseBf, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid bleibt unverändert.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) ist Pensionist und machte in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung einen Betrag in Höhe von EUR 3.591,80 als Werbungskosten geltend.

Im Zuge der Veranlagung der Einkommensteuer wurde dieser Betrag nicht einkünftemindernd berücksichtigt und in der Begründung ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Werbungskosten bei ausschließlichen Pensionsbezügen nicht möglich sei.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der Bf aus, in den vergangenen Jahren seien die Zahlungen an die SVAdGW im Rahmen seines Konkurses berücksichtigt worden. Ab werde nur mehr der geringere Teil laut Zahlungsplan überwiesen, weshalb sich der Betrag verringert habe. Er ersuche um entsprechende Änderung des Steuerbescheides.

Über Aufforderung durch das Finanzamt legte der Bf den Beschluss des BG Liesing zum Insolvenzverfahren, das Anmeldeverzeichnis und Belege für die im Jahr 2014 an die SVAdGW und an das Finanzamt geleisteten Zahlungen vor.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass bei Beendigung einer betrieblichen Tätigkeit eine Schlussbilanz zu erstellen und ein Übergangsgewinn von Einnahmen/Ausgabenrechnung zur Bilanzierung zu ermitteln sei. In der Schlussbilanz seien sämtliche Aktiv- und Passivwerte aufzunehmen. Die geltend gemachten Zahlungen an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft seien daher mangels eines Zusammenhanges mit den Einnahmen nicht als Werbungskosten anzuerkennen.

Im Vorlageantrag brachte der Bf vor, die GmbH sei mit Umwandlungsvertrag vom auf ihn übertragen und mit gelöscht worden. Er habe seine Gewerbeberechtigung mit zurückgelegt. Die Verbindlichkeiten an die SVAdGW bestünden bereits seit aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer. Er sei zu 50% an der GmbH beteiligt gewesen. Die Forderungen hätten nichts mit den Bilanzen der GmbH zu tun und seien immer an ihn persönlich gerichtet gewesen. Sozialversicherungsbeiträge seien seiner Erfahrung nach vor der Berechnung der Einkommensteuer in Abzug zu bringen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf war in der Zeit vom bis zu 50% an der X- GmbH beteiligt. Infolge einer Umwandlung gemäß § 2 UmwG wurde das Unternehmen der GmbH auf den Bf übertragen. Der Bf legte mit seine Gewerbeberechtigung zurück und gab den zuletzt als Einzelunternehmen geführten Betrieb zum auf. Im Streitjahr 2014 erzielte er Pensionseinkünfte in Höhe von EUR 18.126,24.

Im Privatkonkurs des Bf meldete die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Forderung in Höhe von EUR 73.248,03 an. Es handelt sich dabei um vom Bf nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum bis . Diese offene Verbindlichkeit wurde vom Bf nicht in die Bilanz zum aufgenommen.

In den Jahren 2010 bis 2014 leistete der Bf folgende Zahlungen an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (alle Beträge in Euro):


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2010
2011
2012
2013
2014
5.972,68
5.874,68
5.899,00
5.804,24
2.599,53

Im Jahr 2014 tätigte der Bf Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von EUR 573,50,die der Tilgung der Einkommensteuerschuld des Jahres 2007 dienten.

In seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2014 machte der Bf sowohl die Zahlungen an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als auch an das Finanzamt als Werbungskosten geltend.

Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Angaben des Bf und auf die im Akt befindlichen Unterlagen und ist insoweit unstrittig.

Rechtliche Würdigung:

Strittig ist, ob es sich bei den vom Bf im Jahr 2014 geleisteten Zahlungen um Werbungskosten bzw. um nachträgliche Betriebsausgaben handelt oder ob diese Beträge bereits in die zum erstellte Schlussbilanz als Verbindlichkeit aufzunehmen gewesen wären und sich damit die Entrichtung der Verbindlichkeit in den Folgejahren nicht einkunftsmindernd auswirken kann.

1. Zahlungen an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Es muss ein objektiver (wirtschaftlicher) Veranlassungszusammenhang zwischen den erzielten Einnahmen und den Aufwendungen gegeben sein (vgl. zu einem emeritierten Hochschulprofessor).

Ein derartiger Zusammenhang zwischen den Pensionsbezügen des Bf und den geltend gemachten Aufwendungen ist nicht erkennbar, weshalb das Finanzamt zu Recht die Berücksichtigung der Zahlungen an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als Werbungskosten verneinte.

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 Teilstrich 1 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 (z.B. Gewinne aus dem Eingang abgeschriebener Forderungen oder Verluste aus dem Ausfall von Forderungen).

Nach herrschender Ansicht liegt eine ehemalige Tätigkeit dann vor, wenn die Einkunftsquelle veräußert oder aufgegeben worden ist (Doralt, EStG12, § 32 Tz 60).

Auf Grund der einkommensteuerlichen Systematik sind bei den betrieblichen Einkünften alle im Betriebsvermögen vorhandenen Vermögenswerte im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe steuerlich zu erfassen. Es sind daher insbesondere alle Forderungen und Verbindlichkeiten anzusetzen. Dies gilt auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3, weil bei der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe ein Betriebsvermögensvergleich durchzuführen ist. Das bedeutet, dass alle im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe noch offenen Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinnes zu berücksichtigen sind. Der spätere Zu- bzw. Abfluss bleibt ohne steuerliche Folgen (vgl. Doralt, aaO, § 32 Tz 62; ).

Die Verbindlichkeit des Bf an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bestand bereits im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zum . Sie wäre daher in der Schlussbilanz zum - den Aufgabegewinn mindernd - zu erfassen gewesen. Eine Geltendmachung als nachträgliche Betriebsausgaben im Zeitpunkt der Entrichtung der Verbindlichkeit ist daher rechtlich nicht gedeckt, da § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nur solche Verluste erfasst, die sich nach dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ereignen und daher im Aufgabegewinn noch nicht berücksichtigt werden konnten (vgl. ).

Die seitens des Bf im Jahr 2014 an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geleisteten Zahlungen, mit denen er die Verbindlichkeit im Zusammenhang mit den seinerzeit nicht bezahlten Pflichtversicherungsbeiträgen tilgte, stellen in Anbetracht der obigen Ausführungen keine nachträglichen Betriebsausgaben iSd § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 dar.

Das Bundesfinanzgericht prüfte darüber hinaus, ob die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 im vorliegenden Fall anwendbar ist.

§ 4 Abs. 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 lautet:

"Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:

1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich begründet ist.

2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:

– Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.

– Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.

– Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung."

Diese Bestimmung gilt auch für Fehlerberichtigungen im Fall der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung  (§ 4 Abs.  3 letzter Satz EStG 1988.

§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist auf Fehler aus verjährten Veranlagungsjahren anzuwenden, deren steuerliche Auswirkungen in noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen. Sie führt im Ergebnis zu einer steuerwirksamen Nachholung aller in den verjährten Zeiträumen eingetretenen gewinnwirksamen Fehler im ersten noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum.

Im vorliegenden Fall wurde die Verbindlichkeit gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nicht in der Schlussbilanz des Jahres 2007 gewinnwirksam erfasst. Wäre die Verbindlichkeit richtig bilanziert worden, wäre dadurch der in Höhe von EUR 390.503,29 erklärte Aufgabegewinn um den Betrag von EUR 73.248,03 vermindert worden. Es wäre zu keinem vortragsfähigen Aufgabeverlust gekommen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes handelt es sich daher um einen Fehler, der keine steuerlichen Auswirkungen in den Folgejahren hat, weshalb kein Abschlag im ersten nicht verjährten Jahr vorzunehmen ist.

2. Zahlungen an das Finanzamt

Hinsichtlich der an das Finanzamt geleisteten Einkommensteuernachzahlungen ist der Bf auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verweisen, nach der Personensteuern nicht abzugsfähig sind.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt bei der Beurteilung der strittigen Zahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben dem oben angeführten Erkenntnis.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7102055.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at