Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2015, RV/3100884/2014

Anspruch auf Familienbeihilfe bei ständigem Auslandsaufenthalt (Drittstaat)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100884/2014-RS1
Ein zeitlich absolut überwiegender Aufenthalt der Kinder in den USA (zumindest für acht von zwölf Monaten) verbunden mit einem dortigen mehrjährigen Schulbesuch und der Tatsache, dass die Kindesmutter ebenfalls zeitlich überwiegend in den USA lebt, diese amerikanische Staatsbürgerin ist und sich in den USA auch die Verwandten der Kindesmutter aufhalten, steht einer Beurteilung, der Aufenthalt dort wäre als bloß vorübergehend zu beurteilen, klar entgegen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R****** in der Beschwerdesache B****** gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen

zu Recht erkannt: 

I.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Für die Kinder S, geb am T.M.1995, und I, geb am T.M.1998, wurden vom Kindesvater nach den Eintragungen in der abgabenrechtlichen Datenbank seit September 2004 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezogen.

Mit November 2013 wurde die Auszahlung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für die ältere Tochter (offenbar wegen Vollendung des 18. Lebensjahres) eingestellt. Der Beihilfenbezieher wendete sich mit E-Mail vom an das Finanzamt und "beantragte" die Verlängerung.
Das Finanzamt ersuchte daraufhin den Beihilfenbezieher um weitere Auskünfte. Anfang November 2013 wäre ihm ein "Überprüfungsbogen" zugesandt worden, welcher "nach entsprechender Korrektur" zurückzusenden wäre.
Eine Rücksendung ist - nach dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes - nicht erfolgt.

Ende Dezember 2013 wurde neuerlich ein Schreiben zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe versendet. Dieses langte am 10. Feber 2014 an das Finanzamt zurück. Als Adresse vermerkte der Beihilfenbezieher "[Adresse]". Zu den Kindern gab er an, dass diese ständig bei ihm wohnen und eine Schule besuchen würden. Beigelegt wurde ein Zeugnis betreffend die ältere Tochter von einer High-School in den USA. Zwischenzeitlich wurde mit ein weiteres Überprüfungsschreiben vom Finanzamt versendet. Dieses langte am 24. Feber 2014 an das Finanzamt zurück. Angegeben wurde, dass Haushalte in Österreich und den USA bestehen würden, da die Töchter "jetzt" in den USA in die Schule gehen würden. Wenn sie nicht in die Schule gehen würden, wären sie in Österreich.

Dem Zentralen Melderegister ist zu entnehmen, dass beide Töchter in den USA geboren wurden und in den Jahren bis 2009 jeweils in den Sommermonaten für ca drei Monate in Österreich mit hauptwohnsitz gemeldet waren. Ab Juni 2010 scheint eine durchgehende Meldung mit Hauptwohnsitz auf. Aus Bestätigungen der [NeueMittelschule] geht hervor, dass die Töchter in den Schuljahren 2006/07 bis 2009/10 bzw 2008/09 bis 2011/12 jeweils von Mai bis Juli die Hauptschule als außerordentliche Schülerinnen besucht haben.

Das Finanzamt forderte mit Bescheid vom die ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen für beide Töchter ab Jänner 2009 zurück. Begründet wurde diese Rückforderung damit, dass sich die Töchter "überwiegend" im Ausland aufgehalten hätten.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Kinder wären österreichische Staatsbürgerinnen. Der Aufenthaltsort würde sich zwischen Österreich und den USA aufteilen. Die ersten sechs bzw acht Jahre hätten die Kinder in den USA gelebt. Danach wäre ein Umzug nach Österreich erfolgt. Nach der Volksschule hätten die Kinder eine High School in den USA besucht. Die Monate April bis September wären jeweils in Österreich verbracht worden und wären die Kinder "die restliche Schulzeit in die Hauptschule" gegangen. Einige Jahre hätten die Kinder auch Weihnachten in Österreich verbracht. Für den Beihilfenbezieher und seine Gattin sei es keine Frage, dass sich der Lebensmittelpunkt der Kinder in Österreich befinde. Es stelle sich auch die Frage nach der Gewichtung der Aufenthaltszeiten. Der Ort der Existenzsicherung einer Familie, der gegenständlich klar in Österreich liege, sei entscheidend für den Aufenthaltsort einer Familie. Die Abwesenheiten (gemeint wohl: Aufenthalte in den USA) wären nur von vorübergehender Dauer und könne niemand wissen, wie und wofür sich die Kinder in der zukunft entscheiden würden. Er würde jedenfalls mit seiner Gattin "in der Ehe" zusammenleben, auch wenn sie oft wochenlang getrennt seien. Auch würden sie über eine Eigentumswohnung verfügen, welche für die Kinder und die Gattin den Hauptwohnsitz darstellen würde, für ihn selbst wäre es der Nebenwohnsitz, da er wegen der Landwirtschaft seinen Hauptwohnsitz im [Bundesland] hätte. In der Folge wurden noch einige Fakten aufgezählt und schließlich die Meinung vertreten, dass die "Familienförderung" zu Recht bezogen worden sei.

Das Finanzamt verfasste eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hielt das Finanzamt zum Sachverhalt fest, dass die beiden Töchter seit vielen Jahren die Schule in den USA, wo auch die Kindesmutter überwiegend lebe, besuchen und sich nur jeweils in der Zeit von Mai bis September in Österreich aufhalten würden. Das Verbringen der Ferien in Österreich sei nur als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt nicht unterbrochen werde. Der ständige Aufenthalt befinde sich eindeutig in den USA, da es bei der Beurteilung des gewähnlichen Aufenthaltes nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen, sondern auf das objektive Kriterium der körperlichen Anwesenheit ankomme.
Die rechtswirksame Zustellung der trotz entsprechendem Hinweis in der Beschwerde an die Adresse des Nebenwohnsitzes, welcher zuvor immer als Wohnsitz bezeichnet wurde, adressierten Beschwerdevorentscheidung erfolgte durch persönliche Übergabe durch einen Bediensteten des Finanzamtes am .

Mit Eingabe vom , welche das Finanzamt als Vorlageantrag wertete, brachte der Beschwerdeführer noch einige "Gedanken" vor und ersuchte von der Rückforderung Abstand zu nehmen.

2. Sachverhalt:

An Sachverhalt steht auf Grund der Ergebnisse und unwidersprochenen Ausführungen fest, dass die beiden Töchter des Beschwerdeführers den überwiegenden Teil des Jahres in den USA leben und dort die Schule besuchen. Auch die Kindesmutter und deren Verwandtschaft leben in den USA. Aus den Meldedaten und der Bestätigung einer inländischen Schule ist abzuleiten, dass sich die Kinder jeweils in der Sommerzeit (zusammen mit der Kindesmutter) für ca drei Monate in Österreich aufgehalten haben. Vom Beschwerdeführer wird auch - in einigen Jahren - ein Aufenthalt in der Weihnachtszeit behauptet, ohne dafür aber konkrete Zeiträume zu nennen oder entsprechende Nachweise vorzulegen. Letztlich blieben die Feststellungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, nämlich dass sich die Kinder zeitlich überwiegend in den USA aufhalten, unwidersprochen und sind diese daher der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde zu legen.

3. Rechtslage:

Nach § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

4. Erwägungen:

Entscheidend ist, dass nach § 5 Abs 3 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder besteht, die sich ständig im Ausland (in einem Drittstaat) aufhalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa ) ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl etwa , mwN).

Ein zeitlich absolut überwiegender Aufenthalt der Kinder in den USA (zumindest für acht von zwölf Monaten) verbunden mit einem dortigen mehrjährigen Schulbesuch und die Tatsache, dass die Kindesmutter ebenfalls zeitlich überwiegend in den USA lebt, diese amerikanische Staatsbürgerin ist und sich in den USA auch die Verwandten der Kindesmutter aufhalten, steht einer Beurteilung, der Aufenthalt dort wäre als bloß vorübergehend zu beurteilen, klar entgegen. Daran kann auch das Verbringen von Ferien in Österreich (für Zeiträume von maximal drei Monaten im Sommer und behaupteterweise - in einigen Jahren - in der Weihnachtszeit) nichts ändern und unterbricht dieser Umstand den ständigen Aufenthalt in den USA nicht (vgl zB , betreffend die Beurteilung eines sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckenden Schulaufenthaltes, sowie die Erkenntnisse , , und ). Auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen kommt es bei dieser Beurteilung nicht an.

Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich somit klar, dass der ständige Aufenthalt der Kinder selbst dann, wenn diese die unterrichtsfreien Zeiten tatsächlich zur Gänze in Österreich im Haushalt des Beihilfenbeziehers verbracht haben sollten, gegenständlich in den USA gelegen ist, wo sie seit Jahren ihrer Ausbildung nachgehen und es bei jeder Einreise nach Österreich klar war, dass sie eben nur vorübergehend für maximal drei Monate im Inland verweilen werden.

Die gesamte Argumentation des Beschwerdeführers, welche sich auf subjektive Gesichtspunkte und zukünftige Unwägbarkeiten bezieht, geht mangels Relevanz völlig ins Leere. Die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge wurden daher vom Beschwerdeführer zu Unrecht bezogen und sind nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung dargetan hat, normiert § 26 Abs 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten (wie zB Verschulden, Gutgläubigkeit etc) unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (zB , , uam). 

§ 33 Abs 3 EStG 1988 sieht vor, dass Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe monatlich ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zusteht. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Der Beschwerde konnte sohin insgesamt kein Erfolg beschieden sein.

Abschließend darf noch angemerkt werden, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht nach § 274 BAO nur auf Antrag oder wenn es der Einzelrichter für erforderlich hält stattzufinden hat. Weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag wurde vom Beschwerdeführer ein solcher Antrag gestellt und kann der Wunsch, "das mündliche Verfahren vor dem BFG" in einem anderen Bundesland durchzuführen, keinesfalls als dementsprechender Antrag gewertet werden. Vielmehr ist deutlich erkennbar, dass sich der Beschwerdeführer für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung stattfindet, lediglich die Reisekosten ersparen wollte. Auf Grund des unstrittig festgestellten bzw nicht ergänzungsbedürftigen Sachverhaltes und der klaren und eindeutigen Rechtslage sieht auch der Einzelrichter keine Notwendigkeit von sich aus eine mündliche Verhandlung abzuhalten.

5. Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da dieses Erkenntnis der dargestellten Judikatur des VwGH zum Vorliegen eines ständigen Auslandsaufenthaltes iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967 folgt. Gegen dieses Erkenntnis ist daher keine (ordentliche) Revision zulässig.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at