Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2015, RV/2101233/2015

Alleinerzieherabsetzbetrag setzt FB-Bezug voraus

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Bf., vertreten durch Pilz+Rath Steuerberatung, Florianiplatz 12, 8200 Gleisdorf, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht erkannt: 

1. Die (zurückweisende) Beschwerdevorentscheidung vom wird aufgehoben.

2. Die Beschwerde (vom ) wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

3. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte im Streitjahr neben selbständigen Einkünften (aus ihrer Tätigkeit als Ergotherapeutin) auch nichtselbständige Einkünfte aus einer Anstellung bei der M-GmbH. Laut Lohnzettelmeldung wurde bei der Bezugsauszahlung (ua.) der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid, in welchem der Alleinerzieherabsetzbetrag keine Berücksichtigung fand, führte zu einer Abgabennachforderung von € 1.830.

Mit dagegen erhobener Beschwerde vom beantragte die Bf. den Ansatz des Alleinerzieherabsetzbetrages, die Berücksichtigung des erhöhten Sonderausgabenhöchstbetrages gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG (für Alleinerzieher) sowie die Gewährung des Kinderfreibetrages gemäß § 106a Abs. 1 EStG. Die Tochter der Bf. habe sich 2013 noch in Lehrlingsausbildung befunden. Für Lehrlinge bestehe für die Dauer der Lehrzeit – bis zum 24. Lebensjahr - Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Lehrzeit der Tochter sei bis März 2015 verlängert worden, ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe folglich auch bis März 2015.

Mit Beschwerdevorentscheidungvom wies das Finanzamt die Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass einerseits die Familienbeihilfe für die Tochter A nur bis Mai 2013 bezogen worden sei und sohin der Kinderabsetzbetrag nicht zustehe sowie andererseits die Tochter seit nicht mehr mit der Bf. im gemeinsamen Haushalt lebe.

Daraufhin reichte die Bf. am eine als „Beschwerde gemäß § 243 gegen den Einkommensteuerbescheid vom “ bezeichnete und mit „“ datierte Eingabe ein. Mit dieser wird wiederum – unter Wiederholung des Vorbringens in der Beschwerdeschrift vom - die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages, des erhöhten „Topf-Sonderausgaben-Höchstbetrages sowie des Kinderfreibetrages beantragt. Der Eingabe war ein von der Tochter unterfertigtes „Beilageblatt zum Selbstantrag eines Kindes § 6 FLAG“ beigelegt. Diesem zufolge habe die Tochter der Bf. 2013 bei ihrem Freund gewohnt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die am eingelangte „Beschwerde“ zurück, „da diese nicht (mehr) zulässig“ sei. Am sei bereits eine Beschwerdevorentscheidung betreffend die am eingebrachte Beschwerde gegen den Einkommensteuer bescheid 2013 ergangen.

Dagegen brachte die Bf. am einen „Antrag auf Entscheidung über die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO vom “ ein. In diesem wird das bisherige Vorbringen zunächst wörtlich wiederholt und schließlich wie folgt ergänzt: Es treffe zu, dass die Tochter nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Bf. lebe. Ihre Tochter habe nachträglich für den Zeitraum ab 6/2013 einen Selbstantrag gemäß § 6 FLAG gestellt. Dem vorgelegten Beiblatt (zum Selbstantrag eines Kindes) sei zu entnehmen, dass die monatlichen Lebenshaltungskosten der Tochter den Wert der Lehrlingsentschädigung 2013 übersteigen würden. Die Tochter werde daher finanziell von ihren Eltern unterstützt. Zudem unterstütze die Bf. ihre Tochter zusätzlich beim laufenden Erwerb von Bekleidung, Büchern und Skripten.

Mit ergänzender Eingabe vom legte die Bf. dem Finanzamt eine Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom vor, mit welcher ausgesprochen wird, dass der Tochter der Bf. für den Zeitraum Juni 2013 bis Februar 2015 (Ende des Lehrverhältnisses) die Familienbeihilfe (sowie der Kinderabsetzbetrag) gewährt werde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Zur Aufhebung der zurückweisenden BVE:

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich.

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt ( Ritz, BAO 5. Auflage, § 85 Tz 1, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall brachte die Bf. durch ihren steuerlichen Vertreter nach Ergehen der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom am – binnen offener Frist gemäß § 264 Abs. 1 BAO - eine (nochmals) explizit als „Beschwerde gemäß § 243 gegen den Einkommensteuerbescheid vom “ bezeichnete Eingabe ein. Trotz der ausdrücklichen Bezeichnung als „Beschwerde“ sowie des Umstandes, dass die Bf. rechtskundig vertreten war, ist diese Eingabe nach Ansicht des BFG als Vorlageantrag zu werten: Aus dem Inhalt der Eingabe ergibt sich nämlich eindeutig, dass (nach wie vor) die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom bestritten wird. Da seitens der Abgabenbehörde bereits eine abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen wurde und die Einbringung der fraglichen Eingabe binnen offener Frist des § 264 Abs. 1 BAO erfolgte, durfte das Finanzamt im Lichte der oa. Rechtslage nicht davon ausgehen, dass es sich dabei etwa um eine nochmalige Beschwerdeerhebung in (bereits) entschiedener Sache – oder gar nur um eine Ergänzung der bereits erledigten Beschwerde – handle. Bei der am eingebrachten (offenbar fälschlich mit „“ datierten) Eingabe handelt es sich ohne Zweifel um ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (iSd. § 85 Abs. 1 BAO). Auf Grund des Verfahrenszweckes und der gegebenen Aktenlage (Einbringung binnen offener Monatsfrist nach Erlassung der abweisenden Beschwerdevorentscheidung) war der erkennbar gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom gerichteten Eingabe jedenfalls ein solcher Inhalt beizumessen, welcher der Bf. zur Wahrung ihrer Rechtsverteidigungsmöglichkeit gereicht. Wenngleich in der Eingabe mit keinem Wort auf die abweisende Beschwerdevorentscheidung Bezug genommen und eine Vorlage der Beschwerde an das BFG nicht expressis verbis beantragt wurde, erschließt sich aus dem Inhalt doch klar die Intention, den bekämpften Bescheid einer (in diesem Fall: nochmaligen) Überprüfung zu unterziehen.

Rechtzeitige und zulässige Vorlageanträge führen dazu, dass die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt ( Ritz, aaO, § 264 Tz 3). Da sohin die am eingebrachte Eingabe vom „“ nur zum Ziel haben konnte, eine weitere bzw. nochmalige Überprüfung des Verwaltungsaktes durch Vorlage der Beschwerde an das BFG zu erwirken, ist die Beschwerde vom einer meritorischen Behandlung durch das BFG zuzuführen (s. nachfolgenden Punkt 2.) und war die zurückweisende Beschwerdevorentscheidung vom spruchgemäß aufzuheben.

2. Zur Abweisung der Beschwerde vom :

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 steht alleinerziehenden Steuerpflichtigen ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) € 494.

Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Nach § 106 Abs. 1 EStG 1988 gelten als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetze Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

§ 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 sieht für näher bestimmte Sonderausgaben einen einheitlichen Höchstbetrag von € 2.920 vor. Dieser Betrag erhöht sich der genannten Bestimmung zufolge um € 2.920, (ua. dann) wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht.

Gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988 steht für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 ein Kinderfreibetrag (entweder iHv. € 220 oder € 132) zu.

Die Bf. begehrte mit ihrem Rechtsmittel die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages, des erhöhten „Topf-Sonderausgaben-Höchstbetrages“ sowie eines Kinderfreibetrages iHv. € 220.

Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass die Bf. die Familienbeihilfe für ihre Tochter A nur bis einschließlich Mai 2013 bezogen hat. Mit Wirkung ab Juni 2013 wird die Familienbeihilfe – ebenso wie der Kinderabsetzbetrag - (bis zum Ende des Lehrverhältnisses im Februar 2015) der Tochter selbst gewährt (s. die von der Bf. vorgelegte Mitteilung des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom ). Die Tochter lebte auch im (gesamten) Streitjahr nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Bf.

Nach der klaren Regelung des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 hat der Alleinerzieherabsetzbetrag ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 zur Voraussetzung. Ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 ist aber nur im Falle des tatsächlichen Familienbeihilfenbezuges durch den Steuerpflichtigen während mehr als sechs Monaten im Kalenderjahr gegeben. Die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages ist somit an den tatsächlichen Bezug der Familienbeihilfe (durch den Steuerpflichtigen, der den Alleinerzieherabsetzbetrag geltend macht) geknüpft (vgl. ; ; ; ; uva.).

Die Bf. hat aber im Streitjahr lediglich für fünf Monate die Familienbeihilfe (sowie den Kinderabsetzbetrag) für ihre Tochter A erhalten, weswegen die vom Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages im Jahr 2013 nicht (mehr) erfüllt sind. Damit ist auch die unter einem begehrte Erhöhung des „Topf-Sonderausgaben-Höchstbetrages“, welche an die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages geknüpft ist, nicht möglich.

Auch die Bestimmung des § 106a Abs. 1 EStG 1988 stellt auf ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 ab. Der beantragte Kinderfreibetrag von € 220 steht sohin aus denselben (oa.) Gründen nicht zu. Die Bf. widerspricht sich in ihrer Beschwerde im Übrigen selbst, wenn sie den Kinderfreibetrag „für ein haushaltszugehöriges Kind“ geltend macht, gleichzeitig aber zugesteht, dass ihre Tochter nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit ihr lebt.

Aber auch die Gewährung eines Kinderfreibetrages iHv. € 132 gemäß der Bestimmung des § 106a Abs. 2 EStG 1988 kann im Beschwerdefall nicht zum Tragen kommen: Diese setzt ein Kind iSd. § 106 Abs. 2 leg. cit. (Zustehen eines Unterhaltsabsetzbetrages für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr) voraus. Die Bf. bringt zwar vor, ihre Tochter finanziell zu unterstützen. Den vorgelegten Unterlagen ist jedoch zu entnehmen, dass sich diese (behauptete) Unterstützung auf rund € 250 monatlich beläuft. Da mit diesem Betrag der von den Gerichten angewendete Regelbedarfssatz (2013: € 528) klar unterschritten wird, vermittelt diese „finanzielle Unterstützung“ keinen Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag (vgl. zB Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2014, § 33 Rz 50).

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3. Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das BFG bei seiner Entscheidungsfindung auf die umfassend vorhandene (einschlägige) VwGH-Judikatur zurückgreifen konnte, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Beschwerdefall nicht vor.

Graz, am

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