TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.07.2015, RV/5100538/2014

Der von einem Polizeischüler bezogene Ausbildungsbeitrag fällt unter die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R

in der Beschwerdesache BF, vertreten durch RA,

gegen den Bescheid des Finanzamt FA vom zu VNR1, mit dem für das Kind K (VNR2) im Zeitraum Jänner bis Dezember 2012 bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 2.622,80 € zurückgefordert wurden, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer bezog für seine am geborene Tochter K im Jahr 2012 Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen.

Ab dem absolvierte die Tochter des Beschwerdeführers den Grundausbildungslehrgang für Exekutivbedienstete am Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive Salzburg.

In der Beihilfendatenbank merkte das Finanzamt dazu am an, dass aufgrund eines für Jänner 2012 vorliegenden Monatslohnzettels (Steuerbemessungsgrundlage 895,00 €) die "Zuverdienstgrenze" (des § 5 Abs. 1 FLAG) im Jahr 2012 voraussichtlich nicht überschritten werde.

Anlässlich einer am durchgeführten Abfrage der Lohnzetteldaten stellte das Finanzamt fest, dass die im Jahr 2012 erzielten steuerpflichtigen Bezüge der Tochter des Beschwerdeführers 11.431,34 € betragen haben.

Daraufhin wurden mit Bescheid vom die für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2012 bezogenen Beträge an Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 2.622,80 € vom Beschwerdeführer zurückgefordert. In der Begründung führte das Finanzamt aus:

Gemäß § 5 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die in einem Kalenderjahr ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988) bezogen haben, das den Betrag von 10.000 Euro übersteigt, kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.

Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens bleiben außer Betracht:

  • das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht

  • Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis

  • Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

Gegen diesen Bescheid wurde durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter, welche sich auf die erteilte Vollmacht berufen haben, mit Schriftsatz vom Berufung erhoben. Die Tochter des Beschwerdeführers sei seit Aspirantin der Landespolizeidirektion in 5020 Salzburg (sohin Vertragsbedienstete in Sonderausbildung), dies bis . Sie absolviere den Grundausbildungslehrgang für Exekutivbedienstete S-PGA26-11 am Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive Salzburg. Beim Ausbildungsentgelt handle es sich eindeutig um Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis. Diese blieben aber bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außer Betracht. Als "anerkannt" gelte ein Lehrverhältnis auch dann, wenn es nach österreichischen Rechtsnormen geregelt sei () und folgende Merkmale enthalte: genau umrissenes Berufsbild, im Allgemeinen eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren, wobei jedoch angerechnete Zeiten zu berücksichtigen sind, berufsbegleitender, fachlich einschlägiger Unterricht, der die grundlegenden theoretischen Kenntnisse des zu erlernenden Berufes vermittelt (vergleichbar mit einer Berufsschule) und eine Abschlussprüfung. Der (näher dargestellte) Lehrplan der Polizeigrundausbildung entspreche ganz eindeutig und zweifelsfrei den Anforderungen hinsichtlich eines anerkannten Lehrverhältnisses.

Der Berufung wurden Ablichtungen des Lehrplanes der Polizeigrundausbildung und einer Ausbildungsbestätigung vom angeschlossen.

Das Finanzamt forderte daraufhin mit Ergänzungsersuchen vom eine Ablichtung des Dienstvertrages der Tochter des Beschwerdeführers mit der Landespolizeidirektion an.

Dieser wurde am vorgelegt. Laut diesem am abgeschlossenen Sondervertrag gemäß § 36 VBG wurde für die zweijährige exekutivdienstliche Ausbildung ein auf 24 Monate befristeter Dienstvertrag abgeschlossen. Die Grundausbildung beinhalte Präsenzausbildungen in einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive und werde durch Praktika auf Polizeidienststellen ergänzt. Das Beschäftigungsausmaß umfasse eine Vollbeschäftigung. Als "Ausbildungsbeitrag" gebühre ein Entgelt von monatlich 50,29 % des Gehaltes eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung in der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Ausbildung zum Polizisten in der Dauer von 24 Kalendermonaten stelle nach der Verwaltungspraxis grundsätzlich eine Berufsausbildung dar. In dieser Zeit erfolge eine umfassende Ausbildung des Polizeischülers auf theoretischem und praktischem Gebiet, die den Großteil der Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehme, mit einer Abschlussprüfung ende und unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Polizeiberufes sei. Im Vordergrund stehe die Ausbildung für den Beruf und nicht die Ausübung des Berufes (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 45). Was nicht zum Einkommen zähle, sei im § 5 Abs.1 lit. b und c FLAG ausdrücklich angeführt. Bei der Polizeischule handele es sich zweifelsfrei um kein Lehrverhältnis im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes. Das bezogene Gehalt sei keine Lehrlingsentschädigung und daher in die Einkommensberechnung einzubeziehen ().

Im Vorlageantrag vom wurde zusammengefasst darauf hingewiesen, dass auch nach Ansicht des Finanzamtes eine Berufsausbildung und noch keine Berufsausübung vorliege. Ein Lehrverhältnis gelte auch dann als anerkannt, wenn es nach österreichischen Rechtsnormen geregelt sei – so wie dies dem bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu entnehmen wäre – und die in der Berufung angeführten Merkmale (genaues Berufsbild, Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren, Abschlussprüfung) aufweise. Alle diese Voraussetzungen lägen vor. Es handle sich daher hier zweifelsfrei um ein Lehrverhältnis, weshalb während der gesamten zweijährigen Ausbildungszeit der Anspruch auf Familienbeihilfe gerechtfertigt sei. Das dabei bezogene Gehalt sei faktisch eine Lehrlingsentschädigung und daher nicht in die Einkommensberechnung einzubeziehen.

Am legte das Finanzamt die Berufung vom , auf die gemäß § 323 Abs. 37 BAO die Bestimmungen über Beschwerden anzuwenden sind, dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Bescheid vom wurde die Tochter des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer 2012 veranlagt (Arbeitnehmerveranlagung). Als Einkünfte werden darin lediglich die bezogenen Ausbildungsbeiträge ausgewiesen. Andere Einkünfte erzielte die Tochter des Beschwerdeführers nicht. Auch unter Berücksichtigung von Werbungskosten und dem Pauschbetrag für Sonderausgaben verblieb allerdings ein steuerpflichtiges Einkommen von 11.089,34 €.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

Die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) ist in der Verordnung der Bundesministerin für Inneres, BGBl II 430/2006 idgF geregelt. Die Gestaltung der zweijährigen Ausbildung ist in der Anlage 1 zu dieser Verordnung näher ausgeführt. Die Grundausbildung schließt mit einer Dienstprüfung.

Dass die Polizeigrundausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellt, bedarf keiner näheren Erörterung und wurde auch vom Finanzamt zutreffend in der Berufungsvorentscheidung festgestellt.

Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG in der bis anzuwendenden Fassung des BGBl I 111/2010 bestand kein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem es ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) bezogen hat, das den Betrag von 10.000 € übersteigt. Dabei blieben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis außer Betracht (lit. b leg. cit.).

Es ist daher im vorliegenden Fall zu klären, was unter einem "anerkannten Lehrverhältnis" im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen ist.

Nach Nowotny (derselbe in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, § 5 Tz 6 mit Hinweis auf und Verweis auf § 30j Rz 14ff) kann als anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne dieser Bestimmung nur ein nach einschlägigen Rechtsvorschriften als Berufsausbildung anerkanntes Lehrverhältnis verstanden werden. Nach Wanke (derselbe in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, § 30j Tz 23) sind anerkannte Lehrverhältnisse Ausbildungsverhältnisse nach dem Berufsausbildungsgesetz (Lehrberufsliste), nach dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz und in der Land- und Forstwirtschaft nach den in Ausführung des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes ergangenen Landesgesetzen. Ein Lehrverhältnis sei nach der Verwaltungspraxis ferner anerkannt, wenn es nach kollektiv- oder individualarbeitsrechtlichen Bestimmungen (wie Kollektivvertrag, Dienstvertrag, Ausbildungsvertrag) folgende Merkmale aufweise: genau umrissenes Berufsbild; im Allgemeinen eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren; berufsbegleitender, fachlich einschlägiger Unterricht, der – vergleichbar mit einer Berufsschule – die grundlegenden theoretischen Kenntnisse des zu erlernenden Berufes vermittelt; Abschlussprüfung).

Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG idF BGBl 550/1979, die auf ein "gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis" abstellte, geprüft und die Einschränkung der nicht beihilfenschädlichen Bezüge des Kindes auf solche aus "gesetzlich" anerkannten Lehrverhältnissen als verfassungswidrig erkannt () und das Wort "gesetzlich" aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof beurteilte dabei in seinen Erwägungen bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG nicht "Lehrverhältnisse" im engen Sinn (des Berufsausbildungsgesetzes), sondern sprach von "Ausbildungsverhältnissen" (im beschwerdegegenständlichen Fall: zum Vermessungstechniker). Dies war schon deswegen geboten, weil unter "Lehrverhältnissen" im Sinne des FLAG bei enger Wortinterpretation nur solche verstanden werden könnten, die unter den Anwendungsbereich des Berufsausbildungsgesetzes fallen. Gerade diese Einschränkung erachtete der VfGH aber als unsachlich und damit verfassungswidrig. Abschließend führte der Gerichtshof ausdrücklich aus, dass unter einem "anerkannten Ausbildungsverhältnis" (im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG) dem Gesetzeszweck entsprechend nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Normen geregeltes verstanden werden kann.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist daher unter einem "anerkannten Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ein "anerkanntes Ausbildungsverhältnis" zu verstehen, wenn es durch generelle Normen (z.B. Gesetz oder Verordnung) geregelt ist. Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall aber erfüllt. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) in der Verordnung der Bundesministerin für Inneres, BGBl II 430/2006 idgF geregelt. Der von der Tochter des Beschwerdeführers bezogene "Ausbildungsbeitrag" ist damit unter die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu sumbsumieren. Damit wurde im gegenständlichen Fall der Grenzbetrag von 10.000 € nicht überschritten.

Damit erweist sich der Rückforderungsbescheid als rechtswidrig und war deshalb aufzuheben.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei zu der vom Finanzamt ins Treffen geführten Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates noch angemerkt, dass in dieser nur lapidar festgestellt wurde, dass es sich "bei der Polizeischule zweifelsfrei um kein Lehrverhältnis im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes" handle. Das trifft zwar zu; eine derart enge Auslegung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG würde dieser Bestimmung aber weiterhin gerade den vom VfGH als verfassungswidrig erkannten Inhalt unterstellen und ist daher nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes verfehlt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Frage, was unter einem "anerkannten Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu verstehen ist, kommt zwar grundsätzliche Bedeutung zu; diese Rechtsfrage wurde aber bereits vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G98/94, gelöst.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5100538.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at