Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.08.2015, RV/3100299/2014

Zurückweisung einer Berufung gegen einen Zurückweisungsbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den R****** in der Beschwerdesache B******, vertreten durch RA Mag. Laszlo Szabo, Claudiaplatz 2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom , betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom

zu Recht erkannt: 

I.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1) Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom beantragte die Kindesmutter, eine rumänische Staatsbürgerin, die Auszahlung der Familienbeihilfe für ihre minderjährige Tochter T****** rückwirkend ab März 2011. Die Tochter wohne ständig bei ihr in Österreich an ihrem Hauptwohnsitz in X******. Ihr Lebensgefährte, ein österreichischer Staatsbürger, sei in Österreich freiberuflich tätig. Der Kindesvater, von dem sie geschieden sei, lebe in Deutschland.

Das Finanzamt erließ einen abweisenden Bescheid, der am zugestellt wurde. In der Begründung wurde auf Art 68 der Verordnung (EG) 883/2004, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Zl C-363/08 vom ) und ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes () verwiesen. Die Begründung endet mit folgendem Absatz:
"Es wird angenommen, dass der leibliche Vater [Name], wohnhaft in Deutschland, auch in Deutschland beschäftigt ist. Da Sie in Österreich nicht beschäftigt sind, ist Deutschland vorrangig zu Familienleistungen verpflichtet."

Gegen diesen Bescheid wurde mit Fax vom von Hrn C****** "Einspruch" erhoben. Dieser gab an, der Vater des nunmehrigen Lebensgefährten der Antragstellerin zu sein und in ihrem Auftrag einzuschreiten. Sein Sohn würde sich mit der Antragstellerin "wegen Weiterbildungsmaßnahmen und aus privaten, wie beruflichen Gründen" noch in Bulgarien aufhalten, weshalb er sich bereit erklärt habe, die Angelegenheit im Auftrag der Antragstellerin rechtsverbindlich zu erledigen.
Sein Sohn und die Antragstellerin wären "durch die rechtswidrigen Bearbeitungen des Finanzamtes und des AMS" vorübergehend obdachlos. Bis zum Abschluss eines neuen Mietvertrages würde sich die Familie bei ihm aufhalten. Eine neue Adresse werde umgehend bekannt gegeben. Bis dahin möge sich das Finanzamt direkt an den Rechtsvertreter RA Mag. Laszlo Szabo wenden, dem die Angelegenheit mit gleicher Post zur weiteren Bearbeitung übermittelt werde.

Das Finanzamt verfasste ein Auskunftsersuchen an eine deutsche Familienkasse, welches vorerst unbeantwortet blieb. Der im "Einspruch" namhaft gemachte Rechtsvertreter teilte dem Finanzamt auf Grund eines ihm zugestellten Mängelbehebungsauftrages mit, dass er über keine Vollmacht der Antragstellerin verfüge.

Mit Bescheid vom wurde die Berufung vom zurückgewiesen. Das Finanzamt hielt fest, dass gegen den Abweisungsbescheid "Einspruch" von Hrn C****** erhoben worden wäre. In der Folge wäre RA Mag. Szabo aufgefordert worden, eine rechtsgültige Vollmacht vorzulegen. Dieser habe mitgeteilt, die Berufungswerberin nicht zu vertreten und auch über keine Vollmacht zu verfügen. Da somit "kein namhafter Rechtsvertreter bzw. kein Schreiben einer rechtsgültigen Vollmacht" vorliege, wäre die Berufung zurückzuweisen. Dieser Bescheid wurde an die Beihilfenwerberin, wohnhaft bei Hrn C******, adressiert und nach einem erfolglosen Zustellversuch am beim Postamt hinterlegt. Beginn der Abholfrist war der .

Mittels Fax vom wurde gegen den Zurückweisungsbescheid durch RA Mag. Szabo, der sich auf die nunmehr erteilte Vollmacht berief, Berufung erhoben. Er führte aus, dass die Berufungswerberin alle bisherigen Rechtshandlungen ausdrücklich genehmigt habe. Das Kind habe seinen "dauernden Wohnsitz" bei der Berufungswerberin. Ein Verweis auf deutsche Familienbeihilfe, welche vom Vater des Kindes auch nicht bezogen werde, sei "nicht zulässig".

Am wurde die Berufung zurückgewiesen, da die Berufungsfrist bereits am abgelaufen sei. Dieser Bescheid wurde dem Zustellbevollmächtigten nachweislich am zugestellt und bildet den Gegenstand dieses Verfahrens.

Das Finanzamt verfasste eine Erinnerung an die deutsche Familienkasse und diese gab mit Schreiben vom bekannt, dass in Deutschland kein Kindergeld bezahlt werde.

Mittels Fax vom wurde durch den rechtlichen Vertreter eine Berufung gegen den "Zurückweisungsbescheid vom " erhoben. Die Behörde habe nicht geprüft, ob "die Zustellung des Bescheides vom rechtsgültig zugestellt wurde". Es wäre daher davon auszugehen, dass die Berufung rechtzeitig sei. Zudem wären die "vorigen Rechtshandlungen die zu Handen des .... zugestellt wurden, nicht rechtswirksam zugestellt".

In der Folge erging eine abweisende Berufungsvorentscheidung, mit der über die "Berufung vom " gegen den "Zurückweisungsbescheid vom " abweisend entschieden wurde. In der Begründung wurde Bezug genommen auf den "Einspruch vom ", die Zustellung des Zurückweisungsbescheides vom und dessen Hinterlegung beim Postamt. Die "Berufung vom " sei daher verspätet.

Mit Fax vom wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter die Vorlage der Berufung an das Verwaltungsgericht beantragt. Weitere Vorbringen wurden nicht erstattet.

2) Sachverhalt:

Sache des vorliegenden Verfahrens ist, die (nunmehr) Beschwerde gegen den Bescheid vom , mit dem die (nunmehr) Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom als verspätet zurückgewiesen wurde.

Der Bescheid vom wurde an die Antragstellerin unter der Adresse Y****** adressiert und - nachdem an der Abgabestelle keine empfangsberechtigte Person angetroffen wurde - mit Beginn der Abholfrist am beim Postamt hinterlegt.

Mit Fax vom wurde gegen diesen Bescheid (nunmehr) Beschwerde erhoben, welche mit Bescheid vom , dem Zustellbevollmächtigten zugestellt am , als verspätet zurückgewiesen wurde.

3) Rechtslage:

Die Zustellung von Bescheiden hat nach § 13 Abs 1 ZustG an den Empfänger an der Abgabestelle zu erfolgen. Abgabestelle ist gemäß § 2 Z 4 ZustG ua die Wohnung oder sonstige Unterkunft des Empfängers. Kann ein Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustellG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle zu hinterlegen. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt.

Nach § 245 Abs 1 BAO beträgt die Berufungsfrist (nunmehr: Beschwerdefrist) einen Monat.

Gemäß § 273 Abs  1 BAO in der bis gültigen Fassung hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde.

4) Erwägungen:

Auf Grund des Inhaltes des Verwaltungsaktes steht fest, dass in der Beschwerde gegen den Bescheid vom , mit welchem der Antrag der Beihilfenwerberin auf Familienbeihilfe zurückgewiesen wurde, ausdrücklich angeführt wurde, dass sich die Beihilfenwerberin derzeit unter der Adresse Y****** aufhalte. Ebenso ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass eine allenfalls neue Zustelladresse, sobald eine solche bestehe, bekannt gegeben werde. Unbestreitbar ist auch, dass der in dieser Beschwerde angeführte Rechtsanwalt dem Finanzamt anlässlich einer Nachfrage mitteilte, dass er über keine Vollmacht verfügt, weshalb dieser zum damaligen Zeitpunkt als Vertreter nicht in Frage kam.

Die Zustellung des Abweisungsbescheides vom und des Zurückweisungsbescheides vom an die Antragstellerin unter der oben angeführte Adresse erfolgte somit rechtskonform. Die Zustellung des Zurückweisungsbescheides erfolgte durch Hinterlegung; Beginn der Abholfrist war der und begann an diesem Tag somit die Berufungsfrist zu laufen. Diese endete daher am .
Die Zustellung durch Hinterlegung darf nur dann erfolgen, wenn der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustellG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, weshalb für das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Zustellung entsprechend den einschlägigen Bestimmungen bestehen.

Erst mit der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom wurde dem Finanzamt durch den rechtsfreundlichen Vertreter seine Bevollmächtigung zur Kenntnis gebracht. Diese Berufung wurde dem Finanzamt am per Fax übermittelt; die Vollmachtsurkunde trägt das Datum 22.(!) Oktober 2013 und enthält auch eine Zustellvollmacht.
Aus diesem Grund wurde der Bescheid vom , mit welchem die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom als verspätet zurückgewiesen wurde, auch dem Zustellbevollmächtigten zugestellt.
Wenn in dieser Berufung nunmehr vorgebracht wird, das Finanzamt hätte nicht geprüft, ob der Bescheid vom rechtsgültig zugestellt worden sei, ist dazu festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar die Rechtsmittelbehörde vor (erstmaliger) Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen hat, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist - wenn Umstände auf einen solchen hinweisen -, oder dem Rechtsmittelwerber die Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten hat. Unterlässt die Rechtsmittelbehörde dies, kann der Rechtsmittelwerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot den Zustellmangel in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend machen. Geht die Rechtsmittelbehörde somit von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dem Rechtsmittelwerber dies vorgehalten zu haben, hat sie das Risiko einer Bescheidaufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu tragen (vgl etwa ). Diese Rechtsprechung hat auch nach Schaffung des Bundesfinanzgerichtes weiterhin ihren analogen Anwendungsbereich. 
Faktum ist aber, dass bereits das Finanzamt auf Grund des oben dargestellten Sachverhaltes und der rechtlichen Rahmenbedingungen von einer rechtsgültigen Zustellung ausgegangen ist und ausgehen konnte und auch kein Anlass bestand, weitere Prüfungsschritte zu setzen. Durch die ohne nähere Ausführungen in den Raum gestellte Möglichkeit einer fehlerhaften Zustellung kann darüber hinaus keine weitere Ermittlungspflicht des Finanzamtes ausgelöst werden. Im Übrigen hat das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung nochmals ausdrücklich auf den vorliegenden Sachverhalt und die rechtlichen Grundlagen verwiesen hat. Seitens der Beschwerdeführerin wurden jedenfalls im Vorlageantrag wiederum keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung konkret angeführt. Es liegt somit auch für das Bundesfinanzgericht kein Fall vor, in dem weitere Ermittlungen anzustellen sind.
Der Rückschein, auf dem die Zustellung durch den Zusteller beurkundet wurde (§ 22 Abs 1 ZustellG), ist eine öffentliche Urkunde. Als öffentliche Urkunde begründet ein "unbedenklicher" - dh die gehörige äußere Form aufweisender - Zustellnachweis die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs, auch wenn der Einwand der Unechtheit oder der Unrichtigkeit zulässig ist (vgl zB ). Wenn die Behörde die Zustellung aber entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt hat und die Zustellung durch den Rückschein bekundet ist, wäre es ausschließlich am Bescheidadressaten gelegen, (im Rechtsmittelverfahren) Fehler bei der Zustellung zumindest konkret zu behaupten und entsprechende Beweismittel vorzulegen.

Da weder in der Berufung noch im Vorlageantrag konkrete Umstände bezüglich einer fehlerhaften Zustellung behauptet wurden, ist das Finanzamt zu Recht von einer Zustellung mit ausgegangen und erweist sich die gegen diesen Bescheid am eingebrachte Berufung als verspätet. Der verfahrensgegenständliche (Zurückweisungs-)Bescheid vom entspricht somit der Rechtslage.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

5) Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die im Spruch ausgeführte Rechtsfolge aus den klaren und eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 13 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 273 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100299.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at