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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2014, RV/5100533/2012

Zeitpunkt der Zurechnungsfortschreibung bei Erwerb einer Liegenschaft durch Legat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Freilinger über die Beschwerden der Bf., Adresse1, vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes G V vom betreffend Aufhebung des Feststellungsbescheides zum (Zurechnungsfortschreibung gem. § 21 Abs. 4 BewG) gemäß § 299 BAO und vom betreffend Feststellung des Einheitswertes zum (Zurechnungsfortschreibung gem. § 21 Abs. 4 BewG) des Grundbesitzes in Adresse2 , Katastralgemeinde R , Einlagezahl 999 , zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden als Bf. bezeichnet) und ihre Schwester Sch sind je zur Hälfte Eigentümerinnen der Liegenschaft, EZ 999, KG R, BG V. Auf diesem Grundstück befindet sich das Haus Adresse2.

Mit Amtsbestätigung für das Grundbuch gemäß § 182 (3) Außerstreitgesetz vom bestätigte das Bezirksgericht D , dass aufgrund des Verlassenschaftsverfahrens nach Herrn KR u.a. die Grundbuchseintragung „Einverleibung des Eigentums­rechtes für die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben zählenden Sch und Bf. je zur Hälfte“ vorgenommen werden kann.
Gegen diesen Beschluss ( Amtsbestätigung) erhoben die beiden Legatarinnen (Bf. und ihre Schwester) Rekurs, welchem mit Beschluss des Landesgerichtes vom stattgegeben wurde. Entschieden wurde, dass der Name der Schwester der Bf. berichtigt wurde und dass die Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Fruchtgenuss­rechtes für die ehemalige Ehegattin des Verstorbenen entfällt.

Die Eintragung ins Grundbuch erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom .

Mit Feststellungsbescheid vom nahm das Finanzamt G V zum eine Zurechnungsfortschreibung nach § 21 Abs. 4 BewG vor und rechnete den gegenständlichen Grundbesitz je zur Hälfte der Bf. und ihrer Schwester zu. Alle übrigen Feststellungen blieben gegenüber dem zuletzt an ihren Rechtsvorgänger erlassenen Einheitswertfeststellungsbescheid unverändert (ausgenommen die Umrechnung der Schillingbeträge in Eurobeträge).

Mit Bescheid vom 10. November 2011 wurde der Feststellungsbescheid zum vom (Zurechnungsfortschreibung gem. § 21 Abs. 4 BewG) gemäß § 299 BAO aufgehoben.
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt: „Die Feststellung war wegen Änderung in der steuerlichen Zurechnung (Änderung der Eigentumsverhältnisse) erforderlich. Die Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 BAO war wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erforderlich. Die Zurechnung erfolgt zum .“

Mit Feststellungsbescheid vom 11. November 2011 nahm das Finanzamt betreffend den gegenständlichen Grundbesitz eine Zurechnungsfortschreibung nach § 21 Abs. 4 BewG zum vor.
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt: "Die Feststellung war infolge Erwerbes von Todes wegen erforderlich."

Mit Telefax vom 14. Dezember 2011 erhob die nunmehrige Bf. Berufung gegen den Aufhebungsbescheid vom . In der Begründung führte sie aus, dass sie auch gegen den nachfolgenden Feststellungsbescheid vom Berufung erheben werde.

Mit Telefax vom 16. Dezember 2011 erhob die nunmehrige Bf. Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom .
Zur B egründung führte sie aus, eine Zurechnungsfortschreibung setze voraus, dass die Betroffenen auch rechtlich tatsächliche Liegenschaftseigentümerinnen seien. Dies sei weder per (laut aufgehobenen Bescheid vom ) noch per der Fall, weil sie nicht Erben, sondern Legatarinnen nach dem am verstorbenen KR seien. Nach Ableben des Verstorbenen habe die Liegenschaft zum Nachlass gehört und nach Einantwortung habe die Erbin das Eigentumsrecht solange inne gehabt, bis die Verlassenschaftverfahrensabläufe die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Legatarinnen im Grundbuch möglich gemacht hätten. Die Betroffenen seien erst mit der Grundbuchseintragung per 14./ als rechtliche Liegenschaftseigentümerinnen anzusehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufungen als unbegründet ab.
In der Begründung wurde u.a. ausgeführt: „Aus § 684 ABGB ergibt sich, dass der Legatar in der Regel zivilrechtlich gleich nach dem Tod des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtnis erwirbt. Dieses Recht wird durch den Anfall ohne Rechtshandlung für den Vermächtnisnehmer begründet. Ein Legat bedarf daher in der Regel keiner besonderen Annahme“. Das Finanzamt vertrat folglich die Ansicht, dass dem Legatar aufgrund des Testaments bereits unmittelbar nach dem Tod des Erblassers das Legat steuerrechtlich zuzurechnen ist.

Mit Telefax vom 8 . März 2012 beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin die Entscheidung über ihre Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und beantragte die Zurechnung der gegenständlichen Liegenschaft erst ab dem .
Ergänzend brachte sie vor, dass sie nach Unterfertigung der vom Gerichtskommissär vorbereiteten Annahmeerklärung das gesamte Verlassenschaftverfahren abwarten musste, um letztlich die grundbuchstaugliche Amtsbestätigung zu erhalten. Das dagegen ergriffene Rechtsmittel bedingte die weitere Hinauszögerung ihrer Grundbuchseintragung bis Mitte 2011. Gemäß § 684 Satz ABGB bedürfe es zum sachenrechtlichen Erwerb des Legates eines Verfügungsgeschäftes, das aus von ihr nicht zu verantwortenden Gründen hinausgezögert worden sei. Die verfahrensgegenständliche Sache sei nach dem Tod des Erblassers vorerst zum Nachlass und nach der Einantwortung der Erbin zuzurechnen. Die Bf. vertrat daher die Ansicht, dass ihr erst mit der Eintragung ins Grundbuch die gegenständliche Liegenschaft zugerechnet werden könne.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt G V die Berufungen dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Da die Berufung am noch unerledigt war, war sie vom Bundesfinanz­gericht als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Rechtslage

Gemäß § 21 Abs. 4 Bewertungsgesetz 1955 (BewG 1955) sind allen Fortschreibungen einschließlich der Fortschreibungen auf Grund einer Änderung der steuerlichen Zurechnung des Bewertungsgegenstandes (Zurechnungsfortschreibungen) die Verhältnisse bei Beginn des Kalenderjahres zugrunde zulegen, das auf die Änderung folgt (Fortschreibungszeitpunkt).

Gemäß § 193 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) ist, wenn die Voraussetzungen für eine Wert-, Art- oder Zurechnungsfortschreibung nach bewertungsrechtlichen Vorschriften vorliegen, in den Fällen einer amtswegigen Fortschreibung auf den 1. Jänner des Jahres, an dem die Voraussetzungen für eine Fortschreibung erstmals vorliegen, ein Fortschreibungs­bescheid zu erlassen.

Gemäß § 684 ABGB erwirbt der Legatar in der Regel (§ 699) gleich nach dem Tode des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtnis. Das Eigentumsrecht auf die vermachte Sache aber kann nur nach den für die Erwerbung des Eigentumes in dem fünften Hauptstücke aufgestellten Vorschriften erlangt werden.

Erwägungen

Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Fall, ab wann ein Grundbesitz einem Legatar oder einer Legatarin bewertungsrechtlich zuzurechnen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2003/15/0022, unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung ausgeführt, dass d er Erbe hinsichtlich des Nachlassvermögens und der daraus erzielten Einkünfte schon mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Demgegenüber setzt der Vermächtnisnehmer die Person des Erblassers nicht unmittelbar fort, sondern erwirbt nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe des Vermächtnisses, weshalb diesem in der Regel - mangels einer anderen und in die Wirklichkeit umgesetzten Gestaltung zwischen Erben und Vermächtnisnehmer (etwa einer Vereinbarung auf Bewirtschaftung der Verlassenschaft auf gemeinsame Rechnung) - das vermachte Gut und seine Erträgnisse einkommensteuerlich erst mit der Übertragung durch den Erben zugerechnet werden können (vgl. , mit Verweis auf das Erkenntnis vom , 2913/76, sowie Hofstätter/Reichel, Tz 7 zu § 2 EStG, und Schmidt, dEStG23, § 16 Tz 28).

Stoll führt in seinem BAO-Kommentar (S. 2040 zu § 193) aus, dass sich materiell-rechtlich die Zurechnung eines Gegenstandes zu einer Person nach § 24 BAO beurteilt. Demnach ist für den Zeitpunkt der Zurechnung einer Sache an eine bestimmte Person entscheidend, wann diese Person die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers oder einer wirtschaftlichen Eigentümerin erlangt.

Im beschwerdegegenständlichen Fall erlangten die Bf. und ihre Schwester die Stellung von wirtschaftlichen Eigentümerinnen mit Ausstellung der Amtsbestätigung durch das Bezirksgericht. Mit dieser verbücherungsfähigen Urkunde konnten sie über die gegenständliche Liegenschaft gleich einem Eigentümer verfügen und alle anderen Personen (einschließlich der Erbin) von einer solchen Verfügung ausschließen. Der bloß obligatorische Anspruch des Legatars gegenüber dem Erben auf Herausgabe des Vermächtnisses hat sich in einen sachrechtlichen Anspruch auf Eintragung ins Grundbuch gewandelt. Auch die Erhebung eines Rekurses gegen die Amtsbestätigung kann an dieser Beurteilung nichts ändern, weil dieser Rekurs keineswegs die Stellung als wirtschaftliche Eigentümer in Frage stellte, sondern sich lediglich gegen die Einverleibung einer Dienstbarkeit richtete.

Aus den angeführten Gründen erweist sich daher der Feststellungsbescheid vom als richtig, mit welchem eine Zurechnungsfortschreibung zum vorgenommen wurde. Die Zurechnung hat nach § 21 Abs. 4 mit Beginn des Kalenderjahres zu erfolgen, das auf die Änderung () folgt. Fortschreibungszeitpunkt ist daher der .

Im Ergebnis war den Beschwerden Folge zu geben und die angefochtenen Bescheide (Aufhebungsbescheid vom und Feststellungsbescheid vom , mit welchem eine Zurechnungsfortschreibung zum vorgenommen wurde) aufzuheben. Damit gehört der Feststellungsbescheid vom , mit welchem eine Zurechnungsfortschreibung zum vorgenommen wurde, wiederum dem Rechtsbestand an.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Über die Frage, ab wann ein Grundbesitz einem Legatar oder einer Legatarin steuerrechtlich zuzurechnen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im oben angführten Erkenntnis vom , Zl. 2003/15/0022, entschieden. Es war daher auszuführen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Hinweis

Dieses Erkenntnis wirkt gegenüber allen Beteiligten, die am Gegenstand der Feststellung beteiligt sind (§ 191 Abs. 3 lit. a BAO). Mit der Zustellung dieser Bescheidausfertigung an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zu­stellung an alle am Gegenstand der Feststellung Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 BAO).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 21 Abs. 4 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955
§ 684 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 193 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100533.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at