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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2014, RV/5100409/2012

Auswirkungen eines US-Konkursverfahrens betreffend den Geschäftsführer auf die Geltendmachung der Vertreterhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, USA, gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes FaÖ, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma X-GmbH im Ausmaß von 16.284,84 € in Anspruch genommen wurde, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf die Kapitalertragsteuer 01-12/2001 in Höhe von 8.881,27 € und die Kapitalertragsteuer 01-12/2002 in Höhe von 595,00 € eingeschränkt.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A) Veranlagungs- und Festsetzungsverfahren

Mit Erklärung vom , neugefasst durch einen Nachtrag vom wurde vom Beschwerdeführer die Firma X GmbH (Primärschuldnerin) mit Sitz in Adr1, gegründet (FN1). Unternehmensgegenstand sollte gemäß Punkt 4 dieser Erklärung die "Betreuung privater Investitionen im Bereich des Ankaufes und Verkaufes von Immobilien, Mobilien und sonstigen Wertanlagen, insbesondere in Projekten der elektronischen Datenverarbeitung" sein. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaft war der Beschwerdeführer.

Mit Erinnerung vom wurde vom Finanzamt unter Androhung einer Zwangsstrafe die Einreichung eines Fragebogens anlässlich der Gründung dieser Gesellschaft samt Gesellschaftsvertrag und Unterschriftsprobenblatt urgiert. Auf dieser Urgenz findet sich ein Aktenvermerk vom , demzufolge sich der Beschwerdeführer laut Anruf seiner Schwester bis September in den USA befinde, "dann" werde alles eingereicht.

In dem mit vom Beschwerdeführer unterschriebenen und am selben Tag eingereichten Fragebogen anlässlich der Betriebseröffnung bezeichnete der Beschwerdeführer die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft mit "Investitionsbetreuung von EDV-Projekten". Als eigene inländische Zustelladresse gab der Beschwerdeführer jene seiner Eltern (Adr2), als Wohnadresse Adr.3 USA, an.

Die Gesellschaft wurde von der Stb GmbH in FaÖ vertreten, der auch Zustellvollmacht erteilt wurde; eine Vollmachtsurkunde vom wurde vorgelegt.

Ferner wurden ein Unterschriftsprobenblatt sowie die Eröffnungsbilanz zum , in der lediglich das einbezahlte Stammkapital ausgewiesen wurde, vorgelegt.

Nachdem trotz wiederholter Aufforderungen und Erinnerungen sowie unter Androhung einer Zwangsstrafe in Höhe von 300 € für das Jahr 2001 keine Körperschaftsteuererklärung eingereicht wurde, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom die Körperschaftsteuer 2001 unter Schätzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.

Gegen diesen Bescheid wurde von der steuerlichen Vertreterin mit Eingabe vom Berufung erhoben und eine Berichtigung des angefochtenen Bescheides entsprechend der gleichzeitig eingereichten Körperschaftsteuererklärung beantragt.

Der Berufung waren eine Körperschaftsteuererklärung und eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 sowie der Jahresabschluss zum angeschlossen.

Laut der eingereichten Umsatzsteuererklärung wurden im Jahr 2001 keine Umsätze erzielt, es wurden lediglich abziehbare Vorsteuern in Höhe von 1.090,00 ATS geltend gemacht.

In der Körperschaftsteuererklärung wurde ein Verlust zum in Höhe von 543.999,03 ATS erklärt. Dieser Verlust resultiert zum größten Teil aus geltend gemachten Reisespesen des Beschwerdeführers für das Jahr 2001 in Höhe von 488.835,10 ATS. In einer Aufgliederung zum Konto 7345 wurden diese Reisespesen näher dargestellt. Demnach führten diese Reisen den Beschwerdeführer nach Kapstadt, Singapur, Bangkok, Koh Samui, Sydney, Florida und Rio de Janeiro.

In der Bilanz zum wurde das Guthaben auf einem näher bezeichneten Bankkonto bei der Bank Austria zum mit 0,00 ATS beziffert, zum "Vorjahr in ATS" dagegen mit 481.610,50 ATS. In der Eröffnungsbilanz zum war ein derartiges Guthaben noch nicht ausgewiesen worden. Woher dieser Betrag von annähernd einer halben Million Schilling, der in der Zeit zwischen dem und dem auf das Bankkonto geflossen war, stammte, kann den vorliegenden Akten nicht entnommen werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass damit die oben angeführten Reisen des Beschwerdeführers finanziert wurden.

Am wurden Umsatz- und Körperschaftsteuererklärungen für das Jahr 2002 eingereicht. Dabei wurden auch für das Jahr 2002 keinerlei Umsätze erklärt. Der Jahresverlust wurde in der Bilanz zum mit 5.819,64 € beziffert, der Verlustvortrag mit 39.533,95 €, woraus sich ein Gesamtverlust von 45.353,59 € ergab; nennenswertes Gesellschaftsvermögen wird in der Bilanz nicht ausgewiesen.

Nach Einlangen dieser Steuererklärungen führte das Finanzamt eine Buch- und Betriebsprüfung betreffend Körperschaft- und Kapitalertragsteuer 2001 und 2002 durch.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wurde unter Punkt 1 (Allgemeines) unter anderem festgehalten, dass die Prüfungsanmeldung am telefonisch beim steuerlichen Vertreter erfolgt sei. Dieser habe bekannt gegeben, dass sich der Beschwerdeführer ständig in Amerika aufhalte und in Österreich keinen Wohnsitz mehr innehabe. Es sei vereinbart worden, dass der steuerliche Vertreter mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufnehme und die Unterlagen für die Prüfung anfordere. Nach Ablauf eines Monats sei der Steuerberater neuerlich kontaktiert worden. Dieser habe mitgeteilt, dass er den Beschwerdeführer weder telefonisch noch per Mail erreicht habe, es würde jedoch ein neuer Versuch über einen gemeinsamen Bekannten getätigt, der jedoch ebenfalls erfolglos verlaufen sei. Es sei daher mit dem steuerlichen Vertreter vereinbart worden, dass am die beim Steuerberater befindlichen Unterlagen von der Prüferin eingesehen würden. Bei Ankunft der Prüferin habe der Steuerberater vor Prüfungsbeginn die Vertretungs- und Zustellvollmacht mit sofortiger Wirkung zurückgelegt, ihr aber noch Einsicht in die in der Kanzlei befindlichen Unterlagen gewährt. Es habe weder Bareinnahmen noch Barausgaben gegeben, im Prüfungszeitraum seinen keine Einnahmen erzielt worden, weshalb auch keine Ausgangsrechnungen vorlägen. Aufgrund der Vollmachtszurücklegung sei die Zustelladresse auf den Firmensitz der Gesellschaft geändert worden. Bei dieser Adresse handle es sich um den Wohnsitz der Eltern des Beschwerdeführers.

Die Prüferin traf hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Kapitalertragsteuern zwei Feststellungen, deren wesentlicher Inhalt sich wie folgt darstellt:

1) Mietaufwand

Im Jahr 2002 seien Überweisungen an den Vater des Beschwerdeführers in Höhe von 880,00 € als Mietaufwand verbucht worden. Vom Steuerberater habe nicht angegeben werden können, was an die Gesellschaft vermietet worden sei, auch sei kein Mietvertrag vorhanden. Mangels Nachweises der betrieblichen Veranlassung würden die Kosten nicht anerkannt und dem Beschwerdeführer als verdeckte Gewinnausschüttung zugerechnet (KESt 220,00 €).

2) Reisekosten des Beschwerdeführers

Im Jahr 2001 seien (die bereits oben angeführten) Reisekosten von 488.835,10 € geltend gemacht worden. Für das Jahr 2002 seien für die angesetzten Reisekosten von 1.500,00 € keine Rechnungen vorhanden. Der Steuerberater sei zur Tätigkeit der Gesellschaft und zum Zweck der Auslandsreisen befragt worden. Laut den Erklärungen des Beschwerdeführers habe dieser Fischfarmen dabei beraten, die Fischaufzucht in Zukunft computergesteuert durchzuführen. Der Beschwerdeführer sollte große Fischfarmen bei den Umstellungsarbeiten auf computergesteuerte Systeme unterstützen und beraten. Geschäftsunterlagen, Prospekte, Projektabläufe, Schriftverkehr, Verträge hätten dazu ebenso wenig vorgelegt werden können wie Reiseprogramme, aus denen die entsprechenden Termine bei (auf einem Notizzettel handschriftlich vermerkten) Fischfarmen ersichtlich wären. Die Kosten einer Auslandsreise seien grundsätzlich den Aufwendungen der privaten Lebensführung zuzuordnen (§ 20 Abs. 1 Zif. 2 lit. a EStG), außer sie wären ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich oder betrieblich veranlasst. Die (nahezu) ausschließliche berufliche oder betriebliche Veranlassung sei durch die Anlegung eines strengen Maßstabes festzustellen. Bei Aufwendungen, die aus betrieblichem Anlass getätigt würden, aber nach der Lebenserfahrung in der Regel auch der privaten Lebensführung dienten, trete die Pflicht der Abgabenbehörde zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung gegenüber der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen zurück. In diesen Fällen trage der Steuerpflichtige die Beweislast. Er habe darzutun und entsprechende Beweise vorzulegen oder anzubieten, dass die private Lebensführung so gut wie nicht berührt werde. Da sich die abgabenrelevanten Geschehnisse im Ausland befänden, treffe den Abgabepflichtigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überdies eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsklärung. Bei den besuchten Reisezielen handle es sich um touristisch interessante und besuchenswerte Urlaubsziele mit Hotels der höchsten Kategorie. Die Reisen seien für jede interessierte und finanzkräftige Person buchbar. Spezielle Programmpunkte seien in den Rechnungen nicht angeführt. Nachweise, dass die (auf dem oben erwähnten Notizzettel angeführten) Fischfarmen tatsächlich kontaktiert oder besucht worden seien, wären nicht vorgefunden worden. Dazu werde angemerkt, dass es jedermann einfach und ohne großen Aufwand möglich sei, die Namen der Fischfarmen und die Fischarten im Internet zu finden. Aufgrund der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten wäre es Sache des Steuerpflichtigen gewesen, die behaupteten Geschäftsanbahnungen durch geeignete Unterlagen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen und die bestehenden Zweifel hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung aufgrund der bereisten Urlaubsdestinationen auszuräumen. Die Aufwendungen für die Auslandsreisen des Beschwerdeführers seien daher nach Ansicht der Prüferin mangels Nachweiserbringung für die betriebliche Veranlassung der Kosten der privaten Lebensführung des Beschwerdeführers zuzurechnen und als verdeckte Ausschüttung an ihn zu behandeln.

Die verdeckten Ausschüttungen sowie die daraus resultierende Kapitalertragsteuer wurden von der Prüferin hinsichtlich dieser Feststellungen wie folgt ermittelt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
2001 (ATS)
2002 (Euro)
verdeckte Ausschüttung (brutto)
488.835,10
1.500,00
Kapitalertragsteuer 25 %
122.208,78
375,00

Insgesamt ergaben sich aus den Feststellungen der Prüferin daher Nachforderungen an Kapitalertragsteuer 2001 in Höhe von 8.881,27 € (122.208,78 ATS) und an Kapitalertragsteuer 2002 in Höhe von 595,00 € (220,00 € lt. Punkt 1 und 375,00 € lt. Punkt 2).

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und fertigte mit datierte Haftungsbescheide gemäß § 95 EStG betreffend diese beiden Kapitalertragsteuern, ferner eine Berufungsvorentscheidung betreffend Körperschaftsteuer 2001 sowie Bescheide betreffend Anspruchszinsen 2001 und Körperschaftsteuer 2002 aus. Sämtliche Bescheide wurden an die Gesellschaft, zu Handen des Beschwerdeführers unter der Anschrift "Adr.1" adressiert und von der Post als nicht behoben retourniert.

Im Veranlagungsakt findet sich betreffend das Veranlagungsjahr 2004 ein Aktenvermerk vom , demzufolge laut telefonischer Auskunft der Mutter des Beschwerdeführers dieser schon seit vielen Jahren in Amerika lebe. In Österreich werde keine Tätigkeit ausgeübt. Seitens des Finanzamtes sei vorgeschlagen worden, die GmbH löschen zu lassen. In einem weiteren Aktenvermerk vom wurde festgehalten, dass laut Auskunft der Mutter des Beschwerdeführers dieser die GmbH beim nächsten Österreichaufenthalt löschen lassen werde. Neuerlich wurde darauf hingewiesen, dass in Österreich keine Tätigkeit ausgeübt werde.

Erst am erfolgte die – amtswegige – Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch.

B) Einbringungsverfahren

Aufgrund eines am ausgefertigten Rückstandsausweises, der unter anderem die beiden haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern ausweist, wurde an der Sitzadresse der Gesellschaft (Adr1) eine Begehung durch einen Vollstreckungsbeamten des Finanzamtes FaÖ durchgeführt. In seinem Rechenschaftsbericht vom hielt dieser fest, dass sich an dieser Adresse ein Zweifamilienhaus befindet. Es sei kein Firmenschild, aber eine Glocke mit der Aufschrift "Y" vorhanden. Auf Läuten sei keine Reaktion erfolgt. Weitere – erfolglose – Begehungen erfolgten am und .

Das Finanzamt beabsichtigte daraufhin die Einbringung eines Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft und richtete am eine Anfrage an das Bezirksgericht T bezüglich offener Exekutionsverfahren. Dieses übermittelte dem Finanzamt einen Auszug aus dem E-Register. Dem darin enthaltenen Vollzugsbericht des Gerichtsvollziehers ist zu entnehmen, dass bei der Begehung am um 11:00 Uhr an der Anschrift Adr1, festgestellt worden sei, dass die Gesellschaft an dieser Anschrift nicht existiere. An dieser Anschrift wohne A mit ihrer Familie alleine. Früher seien einmal Zimmer vermietet worden, möglicherweise sei die Gesellschaft die Firma eines ehemaligen Mieters gewesen.

C) Haftungsverfahren

In einem an den Beschwerdeführer gerichteten Vorhalt vom wies das Finanzamt diesen darauf hin, dass bei der Primärschuldnerin näher aufgegliederte Abgabenschulden in Höhe 16.284,84 € (darin enthalten die beiden haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern) uneinbringlich wären. Als Geschäftsführer dieser Gesellschaft sei er für die Entrichtung der Abgaben aus den Gesellschaftsmitteln verantwortlich gewesen. Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Schließlich wurde um Darstellung der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ersucht.

Der Vorhalt wurde an den Beschwerdeführer unter der Anschrift "Adr.1" (ehemaliger Firmensitz) gerichtet. Laut Zentralem Melderegister ist der Beschwerdeführer seit an dieser Adresse gemeldet (obwohl er sich dort tatsächlich nicht - zumindest nicht regelmäßig - aufhält). Der Vorhalt wurde mit RSa-Brief zugestellt, am beim Zustellpostamt hinterlegt und am als nicht behoben an das Finanzamt zurückgesendet.

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer für folgende, im Vorhalt angeführte und bei der Gesellschaft uneinbringliche Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 16.284,84 € gemäß §§ 9, 80 BAO in Anspruch genommen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag in €
Kapitalertragsteuer
01-12/2001
8.881,27
Kapitalertragsteuer
01-12/2002
595,00
Körperschaftsteuer
2002
494,52
Körperschaftsteuer
2003
494,94
Körperschaftsteuer
01-03/2004
692,66
Körperschaftsteuer
04-06/2004
704,00
Körperschaftsteuer
07-09/2004
342,00
Körperschaftsteuer
01-03/2005
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2005
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2005
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2005
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2006
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2006
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2006
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2006
439,00
Pfändungsgebühren
2005
399,52
Barauslagenersatz
2005
3,30
Säumniszuschlag
2004
177,63
Summe
 
16.284,84

Diese Abgaben seien bei der Primärschuldnerin, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer gewesen sei, uneinbringlich, weil diese am im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht worden sei. Es sei von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auszugehen. Der Vorhalt vom sei nicht beantwortet worden. Die Kapitalertragsteuer sei vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Es sei von einer zumindest teilweisen Einbringlichkeit der Haftungsschuld auszugehen.

Auch dieser Haftungsbescheid wurde an den Beschwerdeführer per Adresse "Adr.1" gerichtet und mit RSa-Brief "zugestellt". Die Sendung wurde nach am beim Zustellpostamt hinterlegt und von diesem am als nicht behoben an das Finanzamt retourniert.

In einem elektronischen Aktenvermerk vom (B-Verfahren) hielt das Finanzamt unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer laut Zentralem Melderegister nach wie vor in Adr:1, gemeldet sei. Es wurde daher am ein Rückstandsausweis samt Vollstreckungsauftrag betreffend die haftungsgegenständlichen Abgaben ausgefertigt. In einem Rechenschaftsbericht vom hielt der Vollstreckungsbeamte des Finanzamtes fest, dass an der Anschrift (Adr.1) kein Namensschild mit "Y" vorhanden sei und niemand angetroffen worden wäre. Im Nachbarhaus sei die Schwester des Beschwerdeführers angetroffen worden. Diese habe angegeben, dass sie zu ihrem Bruder keinen Kontakt mehr habe, da ihr dieser Geld schulde. Ihr Bruder halte sich "irgendwo in Österreich, eventuell auch im Ausland" auf. An der Adresse Adresse1 habe er sich zuletzt vor ca. drei Monaten ein paar Tage aufgehalten. Weitere Angaben (Telefonnummer etc.) habe sie nicht machen können.

In einem weiteren elektronischen Aktenvermerk vom wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer am telefonisch beim Finanzamt gemeldet und angegeben habe, er halte sich zur Abwicklung seines Privatkonkurses gerade in Kalifornien auf und werde ca. Mitte November wieder nach Österreich zurückkommen. Nach seiner Rückkehr werde er sich wieder telefonisch melden.

Ein weiterer Anruf des Beschwerdeführers ist zwar nicht aktenkundig, es langte aber am beim Finanzamt eine Verständigung des United States Bankruptcy Court (Konkursgericht) in USA vom ein, demzufolge über das Vermögen des Beschwerdeführers ein Verfahren nach Chapter 7 (Liquidationsverfahren) eröffnet worden war.

Eine weitere Verständigung dieses Konkursgerichtes vom , beim Finanzamt eingelangt am , hatte folgenden Inhalt: "Discharge of Debtor; It appearing that the debort(s) is/are entitled to a discharge, it ist orderd: the debtor(s) is/are granted a discharge under section 727 of title 11, Unites States Code, (the Bankruptcy Code)". Auf der Rückseite dieser "Entlastung des Schuldners" finden sich eine Reihe von Hinweisen, unter anderem zu Schulden, hinsichtlich derer keine Entlastung eintritt (debts that are not discharged). Als Adresse des Beschwerdeführers in den USA wird auf dieser Verständigung "Adr4" angeführt.

Im Jahr 2008 erfolgten weitere – erfolglose – Einbringungsversuche (Begehungen durch Vollstreckungsbeamte des Finanzamtes). Dabei wurde unter anderem festgehalten, dass befragte Nachbarn keine Auskunft geben hätten können.

Weitere Erhebungen durch Vollstrecker des Finanzamtes FaÖ erfolgten im Jahr 2009. In einem Aktenvermerk vom wurde festgehalten, dass laut Erhebung beim Vater des Beschwerdeführers dieser seit "Monaten" in Amerika sei und wahrscheinlich nicht mehr nach Österreich zurückkommen werde. Weitere Begehungen seien daher nicht sinnvoll.

Am langte beim Finanzamt eine Art Schlussbericht (Final Report) des amerikanischen Konkursgerichtes ein, in der eine Verteilungsquote von 8,6 % in Aussicht gestellt wurde. Rechtsmittel gegen diesen Schlussbericht wären 7 Tage vor der für den angesetzten Schlusstagsatzung einzubringen gewesen.

Das Finanzamt übermittelte daraufhin alle Verständigungen des amerikanischen Konkursgerichtes an die Finanzprokuratur zur inhaltlichen Prüfung. Dabei kamen dem Finanzamt erstmals Zweifel an der Wirksamkeit der Zustellung des Haftungsbescheides vom .

Die Finanzprokuratur teilte diese Zweifel und empfahl dem Finanzamt, nach Abschluss des US-amerikanischen Insolvenzverfahrens den Haftungsbescheid nachweislich zuzustellen und danach geeignete Schritte zur Einbringung zu setzen. Zweckmäßigerweise sollten Exekutionsschritte erst bei einem allfälligen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gesetzt werden.

Am wurde daher die Zustellung des mit datierten Haftungsbescheides an die in der Verständigung des amerikanischen Konkursgerichtes vom angeführte Anschrift Adr.4) mit internationalem Rückschein veranlasst. Gleichzeitig wurde eine Pfändung eines allfälligen Pensionsbezuges des Beschwerdeführers bei der Pensionsversicherungsanstalt verfügt.

Der internationale Rückschein wurde zwar in weiterer Folge nicht an das Finanzamt retourniert, am langte beim Finanzamt jedoch eine mit datierte und am in USA zur Post gegebene Berufung des Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid ein. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass er gegen die Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 16.284,84 € innerhalb der angegebenen Frist von einem Monat ab Zustellung Berufung einbringe. Zum Zeitpunkt der Fälligkeiten seien keine Gesellschaftsmittel zur Tilgung der Abgabenschulden vorhanden gewesen. Er sei zum Zeitpunkt der Fälligkeiten nicht mehr in Österreich ansässig gewesen und davon ausgegangen, dass die Gesellschaft bereits gelöscht gewesen sei. Nach einem schweren Unfall mit bleibender Behinderung und Arbeitsunfähigkeit sei er gezwungen gewesen, ein Konkursverfahren beim zuständigen Gericht in den USA einzubringen. Eine Kopie des Gerichtsspruchs mit schuldbefreiender Wirkung liege bei. Von der Einbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten könne nicht mehr ausgegangen werden.

Dieser Berufung war ein Ausdruck der ersten Seite der bereits oben erwähnten Verständigung des amerikanischen Konkursgerichtes vom angeschlossen.

Seit werden aus der Pensionspfändung monatlich einbehaltene Beträge an das Finanzamt überwiesen (zunächst monatlich 128,72 €, aktuell monatlich 167,06 €, in Monaten mit Sonderzahlungen entsprechend höhere Beträge). Die haftungsgegenständliche Kapitalertragsteuer 01-12/2001 ist derzeit noch mit einem Betrag von 3.031,01 € offen, die Kapitalertragsteuer 01-12/2002 mit 595,00 €.

Am legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängig gewesenen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1) Abgabenforderung gegen die Firma X GmbH

Abgbenrechtliche Haftungen setzten den Bestand einer Abgabenschuld voraus. Eine Haftungsinanspruchnahme setzt aber nicht voraus, dass die Abgaben dem Erstschuldner (Primärschuldner) gegenüber bereits mit Abgaben- oder Haftungsbescheid geltend gemacht wurde (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 224 Tz 2 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Eine Inanspruchnahme vor bzw. statt jener des Erstschuldners ist jedoch nur ausnahmsweise zulässig, etwa wenn – wie im gegenständlichen Fall – der Erstschuldner eine im Firmenbuch bereits gelöschte und beendigte Person ist (Ritz, a.a.O.).

Im Haftungsverfahren ist die Abgabenbehörde grundsätzlich an den Inhalt vorangegangener Abgaben- oder Haftungsbescheide gebunden. Nur wenn der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgaben- oder Haftungsbescheid vorangeht, besteht eine solche Bindung nicht. In einem solchen Fall ist über den Abgabenanspruch (seine Höhe) im Haftungsverfahren abzusprechen (z.B. mit Hinweis auf ).

Im gegenständlichen Fall erfolgte keine wirksame Zustellung der Bescheide vom , mit denen die Primärschuldnerin gemäß § 95 EStG zur Haftung für Kapitalertragsteuer 01-12/2001 und 01-12/2002 herangezogen werden sollte. Die (körperliche) Zustellung von Bescheiden ist nur an Abgabestellen im Sinne des § 2 Zif. 4 ZustellG zulässig: das sind die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

Die Zustellung der Kapitalertragsteuerbescheide sollte an die Gesellschaft zu Handen des Beschwerdeführers an der Adresse in Adr1, erfolgen. Im Jahr 2004 war der Beschwerdeführer an dieser Anschrift aber weder gemeldet noch hielt er sich dort regelmäßig auf. Die Wohnung oder sonstige Unterkunft kommt als Abgabestelle im Sinne des § 2 Zif. 4 ZustellG aber nur dann in Betracht, wenn sie vom Empfänger auch tatsächlich bewohnt wird; eine bloß fallweise Benützung genügt nicht (Ritz, a.a.O., § 2 ZustellG Tz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen). An dieser Adresse befand sich zwar (auch) der handelsgerichtliche Sitz der Primärschuldnerin, aber auch ein Sitz im Sinne des § 2 Zif. 4 ZustellG liegt nur dann vor, wenn dort andauernd eine betriebliche Tätigkeit entfaltet wird (Ritz, a.a.O., Tz 21 mit Judikaturnachweisen); das war Ende 2004 nicht der Fall.

Es ist daher im gegenständlichen Haftungsverfahren zu prüfen, ob die Abgabenansprüche betreffend Kapitalertragsteuer 01-12/2001 und 01-12/2002 entstanden sind, und ob das Recht zur Einhebung dieser im Zeitpunkt der wirksamen Zustellung des Haftungsbescheides noch nicht verjährt oder durch sonstige Umstände (Insolvenzverfahren in den USA) erloschen war:

a) Entstehung der Abgabenansprüche

Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Der Abgabenanspruch entsteht für Steuerabzugsbeträge im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte (§ 4 Abs. 2 lit. a Zif. 3 BAO). Der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ist ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 Abs. 4 BAO).

Bei inländischen Kapitalerträgen wird die Einkommensteuer gemäß § 93 Abs. 1 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

Inländische Kapitalerträge liegen gemäß § 93 Abs. 2 Zif. 1 lit. a EStG in der für die Jahre 2001 und 2002 anzuwendenden Fassung des BGBl I Nr. 2/2001 vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge (das ist im gegenständlichen Fall die Primärschuldnerin) Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat und es sich bei den Kapitalerträgen um Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt.

Bei derartigen Kapitalerträgen hat der zum Abzug Verpflichtete (das war gemäß § 95 Abs. 3 Zif. 1 EStG der Schuldner der Kapitalerträge und damit die Primärschuldnerin) die einbehaltenen Steuerbeträge abzüglich gutgeschriebener Beträge unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer" binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abzuführen (§ 96 Abs. 1 Zif. 1 EStG).

Bei Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs. 2 Zif. 1 lit. a bis c EStG (Beteiligungserträge), für deren Ausschüttung bzw. Auszahlung es keines Beschlusses bedarf, richtete sich der Zuflusszeitpunkt nach § 95 Abs. 4 Zif. 4 EStG, d.h. nach Maßgabe des Zufließens im Sinne des § 19 EStG. Dies betraf insbesondere auch verdeckte Gewinnausschüttungen.

Verdeckte Gewinnausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form außer der Dividende oder sonstigen offenen Gewinnverteilung unter welcher Bezeichnung auch immer gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde ( mit Hinweis auf ). Verdeckte Ausschüttungen zählen zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs. 2 Zif. 1 lit. a EStG 1988 ( mit Hinweis auf ).

Die von der Primärschuldnerin getragenen Aufwendungen des Beschwerdeführers für die nicht betrieblich veranlassten Reisen stellen typische verdeckte Gewinnausschüttungen dar. Auf die zutreffenden und oben dargestellten eingehenden Feststellungen der Prüferin wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Hinsichtlich des Überweisung von 880,00 € an fiktivem Mietaufwand an den Vater des Beschwerdeführers wird ergänzend noch darauf hingewiesen, dass eine Gewinnausschüttung an eine dem Gesellschafter nahe stehende Person dem Gesellschafter (Beschwerdeführer) zugerechnet werden kann (); auch hinsichtlich dieser Vorteilszuwendung ging daher die Prüferin zutreffend von einer verdeckten Gewinnausschüttung aus.

Die Abgabenansprüche an Kapitalertragsteuern sind daher mit dem Zufluss der verdeckten Gewinnausschüttungen, somit in den Jahren 2001 und 2002 entstanden. Die Kapitalertragsteuern wären binnen einer Woche nach Zufließen der Vorteile (aus den verdeckten Gewinnausschüttungen) abzuführen gewesen und waren daher zu diesen Zeitpunkten fällig.

b) Geltendmachung dieser Abgabenansprüche im Wege der Haftung vor Eintritt der Verjährung

Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (im gegenständlichen Fall die Primärschuldnerin) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer (§ 95 Abs. 2 EStG in der für die Jahre 2001 und 2002 anzuwendenden Fassung des BGBl I Nr. 2/2001 bzw. gleichlautend § 95 Abs. 1 EStG in der derzeit geltenden Fassung).

Die Haftung der Primärschuldnerin für die Kapitalertragsteuern wäre mit Haftungsbescheid gemäß § 95 EStG geltend zu machen gewesen. Die Erlassung derartiger Haftungsbescheide war vom Finanzamt auch beabsichtigt, scheiterte aber an der (unwirksamen) Zustellung der Bescheide vom .

Diese Haftung für Kapitalertragsteuer zählt zu den persönlichen Haftungen im Sinne des § 7 BAO (Ritz, BAO, a.a.O., § 7 Tz 8). Nach dieser Bestimmung werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1 BAO) zu Gesamtschuldnern. Die Erlassung derartiger Haftungsbescheide ist eine Einhebungsmaßnahme, und daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist zulässig (Ritz, a.a.O., § 224 Tz 4 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Die Verjährung fälliger Abgaben wird gemäß § 238 Abs. 2 BAO durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbar Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Auch die Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO zählt zu den persönlichen Haftungen im Sinne des § 7 BAO, die mit Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO geltend zu machen sind und der Einhebungsverjährung unterliegen.

Seit der Entscheidung eines verstärkten Senates () ist der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung der Ansicht, dass Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO anspruchsbezogen wirken, sie somit die Verjährung gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen richten, somit auch gegenüber einem allfälligen Haftungspflichtigen (Ritz, a.a.O., mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet diese anspruchsbezogene Wirkung von Unterbrechungshandlungen, dass alle Amtshandlungen, die auf die Einhebung der Kapitalertragsteuern gerichtet waren – sei es im Wege der Haftung gemäß § 95 EStG gegenüber der Primärschuldnerin oder sei es im Hinblick auf die Haftung gemäß § 9 BAO gegenüber dem Beschwerdeführer – die Einhebungsverjährung unterbrochen haben.

Auf die Geltendmachung der Haftung gemäß § 95 EStG und damit die Durchsetzung des Abgabenanspruches hinsichtlich der Kapitalertragsteuern 01-12/2001 und 01-12/2002 war die im Jahr  2004 durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung gerichtet. Die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist begann daher mit Ablauf des Jahres 2004 neu zu laufen und lief bis Ende 2009.

Als weitere, die Einhebungsverjährungsfrist unterbrechende und nach außen erkennbare Amtshandlung ist die im Jahr 2005 durchgeführte Anfrage an das Bezirksgericht T betreffend offene Exekutionsverfahren (siehe oben unter Punkt B) zu werten, die der Vorbereitung eines beabsichtigten Konkursantrages diente. Die Einhebungsverjährungsfrist begann daher mit Ablauf des Jahres 2005 wiederum neu und bis Ende 2010 zu laufen.

Weitere Einhebungsmaßnahmen wurden in den Jahren 2007 (Begehung und Erhebung durch den Vollstrecker, Befragung der Schwester des Beschwerdeführers zum Aufenthalt des Beschwerdeführers), 2008 und 2009 (Begehungen und Erhebungen durch Vollstreckungsbeamte des Finanzamtes mit Befragung des Vater des Beschwerdeführers) gesetzt (siehe oben Punkt C). Die Einhebungsverjährungsfrist wurde dadurch jeweils unterbrochen und begann mit Ablauf der Jahre, in denen die Maßnahmen gesetzt worden waren, neu zu laufen.

Im Zeitpunkt der Erlassung (wirksamen Zustellung) des gegenständlichen Haftungsbescheides im Jahr 2011 war daher die Einhebungsverjährungsfrist hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern noch nicht abgelaufen.

c) Wirkung des Insolvenzverfahrens betreffend den Beschwerdeführer in den USA

Mit dem Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht (IIRG), BGBl I 36/2003, mit dem unter anderem die Konkursordnung geändert wurde, wurden allgemeine Regelungen für die Auslandwirkung inländischer und die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren geschaffen (vgl. zur neuen Rechtslage nach dem IIRG etwa Mohr, ZIK 2003, 74). Bis dahin war nach § 180 KO aF die Existenz einer durch völkerrechtlichen Vertrag verbürgten Gegenseitigkeit mit dem ausländischen Verfahrensstaat Voraussetzung für die Anerkennung des ausländischen Konkurses. Mit den USA bestanden keine diesbezüglichen internationalen Rechtsakte oder Staatsverträge.

§ 240 IO lautet in der Fassung des IIRG wie folgt:

(1) Die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen werden in Österreich anerkannt, wenn

1. der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im anderen Staat liegt und

2. das Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar ist, insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus dem Staat der Verfahrenseröffnung behandelt werden.

(2) Die Anerkennung unterbleibt, soweit

1. in Österreich ein Insolvenz- oder Ausgleichsverfahren eröffnet wurde oder einstweilige Vorkehrungen angeordnet wurden oder

2. die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung offensichtlich widerspricht.

(3) Ein ausländisches Insolvenzverfahren steht der Eröffnung und Durchführung eines österreichischen Insolvenz- oder Ausgleichsverfahrens nicht entgegen.

(4) Die Bewilligung der Exekution auf Grund von Akten und Urkunden, die

1. zur Durchführung des Insolvenzverfahrens erforderlich,

2. im anderen Staat vollstreckbar und

3. nach Abs. 1 und 2 in Österreich anzuerkennen sind,

setzt voraus, dass sie für Österreich in einem Verfahren nach den §§ 82 bis 86 EO für vollstreckbar erklärt wurden. Für andere Akte und Urkunden richtet sich die Bewilligung der Exekution nach den §§ 79 ff EO.

Für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren ist kein besonderes Verfahren vorgesehen; sie erfolgt – wie beispielsweise auch die Anerkennung eines Feststellungs- oder Gestaltungsurteils – ipso iure. Insbesondere kann und muss sie daher in jedem anderen Verfahren als Vorfrage beurteilt werden (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum IIRG, 33 BlgNR 22. GP; Oberhammer in Konecny/Schubert, KO, § 240 Rz 4; ).

Dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Beschwerdeführers in den USA liegt (§ 240 Abs. 1 Zif. 1 IO), bedarf im gegenständlichen Fall keiner näheren Erörterung.

Zu prüfen ist daher, ob das ausländische (amerikanische) Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar ist (§ 240 Abs. 1 Zif. 2 IO).

Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage kann dies nur dann der Fall sein, wenn österreichische Gläubiger nicht diskriminiert werden. Auch die Möglichkeit, im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Entschuldung zu erreichen, wird anhand der im österreichischen Insolvenzrecht bestehenden Modelle zu beurteilen sein. Nur wenn die im ausländischen Insolvenzverfahren zustande gekommene Lösung mit (Zwangs-)Ausgleich, Zahlungsplan oder Abschöpfungsverfahren vergleichbar ist, ist eine im Ausland erlangte "Restschuldbefreiung" anzuerkennen. Dabei wird es vor allem auf die Mitwirkungsrechte der Gläubiger und die erzielten Quoten ankommen (ebenso Mohr, a.a.O., Punkt 3.3).

Das Insolvenzrecht ist in den USA bundesweit einheitlich geregelt. Der "Bankruptcy Act" ist eines der ältesten Bundesgesetze überhaupt. Das Grundprinzip lautet: Jeder redliche Schuldner soll Gelegenheit zu einem Neustart erhalten. Der Zusatz lautet zwar "unter Beachtung des Schutzes der Gläubiger", dieser Passus tritt aber oft in den Hintergrund. Praktische Bedeutung haben zwei der vier möglichen Insolvenzverfahren, nämlich die Reorganisation nach Chapter 11 und die Liquidation nach Chapter 7.

Das Insolvenzverfahren nach Chapter 11 wird von großen US-Gesellschaften am häufigsten angewendet. Während eines solchen Verfahrens kann ein Unternehmen seine Geschäfte unter dem temporären Schutz des Gerichts vor den Gläubigern weiter führen, sich reorganisieren und sanieren. Allerdings werden dabei oft die zum Schutz der Gläubiger vorgesehenen Bestimmungen, wie etwa deren Abstimmungs- und Informationsrechte durch den sogenannten "363-Sale" (Verkauf vermögenwerter Gegenstände des Gemeinschuldners bis zur Bestätigung des Reorganisationsplanes) ausgehöhlt (Herzog in ZIK 2010, 57). Die Vergleichbarkeit dieses Insolvenzverfahrens mit einem österreichischen Insolvenzverfahren ist in der Literatur umstritten (ablehnend Muhri/Stortecky, 4. Auflage, § 240 KO 297; "eher" als anerkennungsfähig wertend Oberhammer in Konecny/Schubert, KO, § 240 Rz 9).

Im Liquidationsverfahren nach Chapter 7 wird ein Insolvenzverwalter (trustee) bestellt, um das Schuldnervermögen zu verwerten. Juristische Personen werden nach Abschluss des Verfahrens aufgelöst, natürliche Personen erhalten "in mehr als 99 % der Fälle" eine Befreiung von den Restschulden. Die Gründe, eine "Entlastung" des Schuldners zu verweigern, sind eng begrenzt, etwa wenn der Schuldner keine Bücher oder Finanzdaten führt, den Verlust von Vermögenswerten nicht zufriedenstellend erklärt, "Insolvenzkriminalität" (Meineid) vorliegt, Vermögen betrügerisch übertragen, verborgen oder zerstört wurde. Zwar sind bestimmte Schulden von einer "Entlastung" nach Chapter 7 ausgenommen, wie beispielsweise Schulden für Unterhalt und Kindergeld, "Schulden" (Schadenersatzansprüche) aus tödlichen Verkehrsunfällen und auch Schulden aus "bestimmten Steuern" (Quelle: www.uscourts/FederalCourts/Bankruptcy/BankruptcyBasics/Chapter7.aspx). Mit diesen Steuerschulden werden aber nur die Steuern nach US-Steuerrecht gemeint sein, nicht aber Abgabenschulden, die der Schuldner bei ausländischen Abgabenbehörden hat.

Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit der Grundzüge dieses Insolvenzverfahrens mit einem österreichischen Verfahren kann es zwar nicht auf einen "Einzelvergleich" dahingehend ankommen, ob die anzuerkennenden Wirkungen mehr oder weniger genaue Entsprechungen im österreichischen Recht haben, weil aufgrund der in vielen Punkten bestehenden Unterschiedlichkeiten der Insolvenzverfahrensordnungen in den verschiedenen Staaten letztlich immer ein Grund gefunden werden könnte, ein ausländisches Verfahren nicht anzuerkennen, was nicht im Sinne der Öffnung des österreichischen Rechts für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren wäre (insofern zutreffend Oberhammer, a.a.O, § 240 Tz 9 und 10). Auf die bloße Abgrenzung der Insolvenzverfahren von anderen Verfahrenstypen (Erkenntnisverfahren, Einzelvollstreckungsverfahren) kann es dagegen aber nicht ankommen (insofern verfehlt Oberhammer, a.a.O.). Diese Ansicht widerspricht dem klaren Wortlaut des § 240 Abs. 1 Zif. 2 IO, der eben einen Vergleich der Grundzüge des ausländischen Insolvenzverfahrens mit den Grundzügen des österreichischen Insolvenzverfahrens fordert, und würde dazu führen, dass jedes ausländische Insolvenzverfahren (Gesamtvollstreckungsverfahren) und jede dabei erreichte Restschuldbefreiung unabhängig von der näheren Ausgestaltung dieser Verfahren anerkannt werden müsste. Damit wäre aber der vom Gesetzgeber angeordnete Vergleich mit den Grundzügen des österreichischen Insolvenzverfahrens obsolet. Das Bundesfinanzgericht schließt sich daher der in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage vertretenen Auffassung an, dass eine im Ausland erlangte "Restschuldbefreiung" nur dann anzuerkennen ist, wenn die im ausländischen Insolvenzverfahren zustande gekommene Lösung mit einem österreichischen (Zwangs-)Ausgleich, Zahlungsplan oder Abschöpfungsverfahren vergleichbar ist. Eine Vergleichbarkeit mit Ausgleich, Zwangsausgleich (nunmehr Sanierungsplan im Sinne des §§ 140 ff IO) oder Zahlungsplan (§§ 193 ff IO) liegt im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht vor, weil die Annahme eines Sanierungs- oder Zahlungsplanes an die qualifizierte Zustimmung der Gläubiger gebunden ist (§ 147 IO), was in einem Verfahren nach Chapter 7 nicht Voraussetzung ist. Aber auch mit einem Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung im Sinne der §§ 199 ff IO ist dieses Verfahren nicht vergleichbar. Zwar ist auch im Abschöpfungsverfahren eine Zustimmung der Gläubiger zur Restschuldbefreiung nicht erforderlich, die Erlangung derselben ist aber an derart andere (strengere) Voraussetzungen geknüpft, dass von einer Vergleichbarkeit dieser Restschuldbefreiung mit jener in einem Verfahren nach Chapter 7 keine Rede sein kann. Gemäß § 213 IO tritt eine Restschuldbefreiung im Abschöpfungsverfahren nur ein, wenn der Schuldner mindestens 50 % der Forderungen der Konkursgläubiger innerhalb von drei Jahren oder mindestens 10 % dieser Forderungen innerhalb von 7 Jahren befriedigt hat. Dazu muss der Schuldner den pfändbaren Teil seiner Einkünfte aus wiederkehrenden Leistungen (somit alle das gesetzliche "Existenzminimum" übersteigenden Bezüge) für die Dauer von 7 Jahren an den vom Gericht bestellten Treuhänder abtreten. Der Schuldner muss sich daher über einen langen Zeitraum unter Beschränkung seiner Einkünfte auf das Existenzminimum intensiv bemühen, so viel zu erwirtschaften, dass seine Gläubiger die angeführten Anteile ihrer Forderungen erhalten. Werden diese Quoten nicht erfüllt, wäre eine Restschuldbefreiung zwar bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 213 Abs. 2 bis 4 IO möglich, die jedoch nur selten erfüllt werden. Dem Abschöpfungsverfahren vergleichbare Bestimmungen (idente Bestimmungen sind nicht erforderlich) fehlen im Verfahren nach Chapter 7 aber zur Gänze. Eine in diesem Verfahren erreichte "Restschuldbefreiung" ist somit gemäß § 240 IO nicht anzuerkennen und hat daher keine Auswirkungen auf die vorliegende Haftungsschuld.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der gegenständlichen Haftungsschuld um eine erst nach Abschluss des amerikanischen Insolvenzverfahrens entstandene Neuforderung handelt, auf die sich dessen Wirkungen nicht erstrecken können. Bis zur Schlusstagsatzung am lag noch keine rechtswirksame Haftungsschuld des Beschwerdeführers vor, die in diesem Verfahren angemeldet werden hätte können; der Haftungsbescheid wurde erst Anfang 2011 wirksam zugestellt.

2) Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der Primärschuldnerin

Der Beschwerdeführer war seit Gründung der primärschuldnerischen Gesellschaft deren alleiniger Geschäftsführer und damit für die Wahrnehmung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich.

3) Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei der Gesellschaft

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht fest. Die Gesellschaft wurde bereits im Jahr 2007 (am ) im Firmenbuch gelöscht; ungeachtet dessen noch allfällig vorhandenes Vermögen der Gesellschaft ist nicht aktenkundig.

4) Schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (Judikaturnachweise bei Ritz, a.a.O., § 9 Tz 22).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen entrichtet werden.

Neben den beiden Kapitalertragsteuern finden sind im erstinstanzlichen Haftungsbescheid nur Körperschaftsteuern und Kosten des Vollstreckungsverfahrens, denen jedoch keine wirksam an die Primärschuldnerin ergangene (zugestellte) Bescheide zugrunde liegen. Damit scheidet eine Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers für derartige Abgaben schon aus diesem Grund aus. Eine erstmalige Geltendmachung dieser Abgabenansprüche im Zuge der Haftung ist nicht möglich, weil hinsichtlich dieser Abgaben im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten war (§ 224 Abs. 3 BAO). Die Bemessungsverjährung unterbrechen nur solche Amtshandlungen, die auf die Geltendmachung des Abgabenanspruches durch Bemessung oder Feststellung der Abgabe gerichtet sind, nicht jedoch darüber hinausgehend auf die Geltendmachung durch Hereinbringung des Abgabenanspruches (). Derartige, die Festsetzungsverjährung unterbrechende Amtshandlungen wurden nicht gesetzt.

Die Pflicht zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer (§§ 95, 96 EStG 1988) haben unter der Sanktion des § 9 Abs. 1 BAO die Vertreter der juristischen Person zu erfüllen ( mit Hinweis auf Hofstätter/Reichel, Kommentar, § 95 Tz 3 letzter Absatz). Dies gilt auch für Kapitalertragsteuer aus verdeckten Gewinnausschüttungen (vgl. z.B. ). Eine verdeckten Gewinnausschüttung setzt schon begrifflich - zumindest bedingt - vorsätzliches Handeln der Gesellschaftsorgane voraus (vgl. ).

Die Kapitalertragsteuer zählt zu den Selbstbemessungsabgaben (Ritz, a.a.O., § 202 Tz 1). Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden (vgl. Ritz, a.a.O, § 9 Tz 10 und die dort zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes).

Die haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern wären binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge, somit in den Jahren 2001 und 2002, abzuführen gewesen (§ 96 Abs. 1 Zif. 1 EStG). Dass die Gesellschaft in den Jahren 2001 und 2002 mittellos gewesen wäre, wurde nicht behauptet, vielmehr wurden die vorhandenen Mittel gerade zur Leistung der verdeckten Gewinnausschüttungen (Bezahlung der Reiserechnungen des Beschwerdeführers) verwendet. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Kapitalertragsteuer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus der Bestimmung des § 95 EStG ergibt sich die Verpflichtung, dass diese jeweilige Abzugssteuer zur Gänze zu entrichten ist (z.B. ). Die Nichtentrichtung der Kapitalertragsteuern kann nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden. Wenn der Gesellschaft Mittel zur Bezahlung der Reiserechnungen des Geschäftsführers zur Verfügung standen, hätten mit diesen Mitteln auch die Kapitalertragsteuern im Wege der Selbstbemessung erklärt und entrichtet werden müssen bzw. nur so viele Vorteilszuwendungen an den Geschäftsführer geleistet werden dürfen, dass auch die auf diese entfallenden Kapitalertragsteuern entrichtet werden können. Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern ging das Finanzamt daher zutreffend von einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO aus.

5) Kausalität

Die Haftungsinanspruchnahme setzt auch eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Wäre die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden, so besteht keine Haftung ( ). Zudem spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall ( mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049). Im gegenständlichen Fall führte die oben unter Punkt 4) angeführte schuldhafte Pflichtverletzung (Nichteinbehaltung der Kapitalertragsteuer) zur Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin.

6) Ermessen

Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Als zweckmäßig erweist sich die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung deswegen, weil damit die bei der Primärschuldnerin uneinbringlichen Kapitalertragsteuern im Wege der bereits verfügten Pfändung der Pension des Beschwerdeführers doch noch eingebracht werden können.

Im oben zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Zulässigkeit der Erlassung eines Haftungsbescheides verjährungsrechtlich im Lichte der Bestimmung des § 238 Abs. 1 BAO ausschließlich daran zu messen sei, ob diese Einhebungsmaßnahme innerhalb der in § 238 Abs. 1 BAO geregelten, allenfalls durch - gegen wen immer "gerichtete" - Amtshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO unterbrochenen Einhebungsfrist gesetzt worden ist. Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es umso wichtigere Obliegenheit der behördlichen Ermessensübung bleibe, den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen und aus dieser Beurteilung der Rechtslage, zumal auch hinsichtlich des Elementes der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit, resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten (in diesem Sinne auch ).

Die (wirksame) Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung erfolgte im gegenständlichen Fall unbestritten sehr spät. Dabei kann aber nicht außer Betracht bleiben, dass das Finanzamt um eine zeitnahe Geltendmachung der Haftung bemüht war. Der erste – wenn auch unwirksame – Zustellversuch erfolgte im Jahr 2007, somit wenige Monate nach Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch, aufgrund der das Finanzamt jedenfalls von der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft ausgehen durfte. In weiterer Folge hat das Finanzamt auch über Erhebungen bei der Schwester und den Eltern des Beschwerdeführers – allerdings erfolglos – versucht, dessen konkreten Aufenthalt zu ermitteln. Der Beschwerdeführer selbst hat sich zwar im Oktober 2007 telefonisch beim Finanzamt gemeldet, die dabei angekündigte weitere Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt anlässlich eines für November 2007 geplanten Österreichaufenthaltes erfolgte jedoch nicht. Zwar weist bereits die Verständigung des amerikanischen Konkursgerichtes vom jene ausländische Anschrift des Beschwerdeführers aus, unter der letztlich der Haftungsbescheid wirksam zugestellt wurde, die Unwirksamkeit des ersten Zustellversuches wurde dem Finanzamt allerdings erst im Zuge der Berichte an die Finanzprokuratur bzw. deren dazu abgegebenen Stellungnahmen bewusst. Schließlich kann nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass mit der gegenständlichen Entscheidung die Haftung auf die Kapitalertragsteuern eingeschränkt wurde. Dabei handelt es sich um Abgaben, die zwar von der Gesellschaft einzubehalten und abzuführen gewesen wären (wegen der Nichtbeachtung dieser abgabenrechtlichen Pflichten haftet der Beschwerdeführer auch für diese Abgaben), deren Schuldner aber der Beschwerdeführer als Empfänger der Kapitalerträge (der verdeckten Gewinnausschüttungen in Form der bezahlten Reiserechnungen) stets selbst war (§ 95 EStG). Es wurde daher so gesehen die Haftung nicht für eine "fremde", sondern für eine "eigene" Schuld geltend gemacht.

Bei dieser Sachlage vermag der Unbilligkeitsgrund der lange verstrichenen Zeit allein die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung noch nicht zu überwiegen und daher eine Abstandnahme von der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung nicht zu rechtfertigen.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass ein Teil der Haftungsschuld bereits im Wege der Pensionspfändung abgedeckt wurde. Unter Berücksichtigung der am Verrechnungskonto (Konto gemäß § 213 Abs. 2 BAO zu StNr. 116/3321) mit Wirksamkeit und eingegangenen Beträge ist derzeit von der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuer 01-12/2001 noch ein Restbetrag von 3.031,01 € offen; die Kapitalertragsteuer 01-12/2002 haftete noch mit 595,00 € aus. Diese teilweise Tilgung der Haftungsschuld vermindert zwar den vom Beschwerdeführer noch zu entrichtenden restlichen Haftungsbetrag, ändert aber nichts an dem grundsätzlich im Haftungsbescheid (bzw. in der gegenständlichen Entscheidung) aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht (). Die Haftung besteht daher in dem im Spruch angeführten Ausmaß zu Recht, ein Teil dieser Haftungsschuld wurde im Wege der Pensionspfändung aber bereits entrichtet, wodurch sich der offene Rest der Haftungsschuld entsprechend verminderte.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Der Frage, ob eine in einem Verfahren gemäß Chapter 7 des Bankruptcy Act erzielte Restschuldbefreiung gemäß § 240 IO anzuerkennen wäre, käme zwar durchaus erhebliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu, da Rechtsprechung der Höchstgericht dazu nicht vorliegt und schon die Frage der Anerkennung eines Verfahrens nach Chapter 11 in der Literatur umstritten ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der gegenständlichen Haftungsschuld aber um eine erst nach Abschluss des amerikanischen Insolvenzverfahrens durch wirksame Zustellung des Haftungsbescheides entstandene Neuforderung, auf die sich dessen Wirkungen schon in zeitlicher Hinsicht nicht erstrecken können, sodass der Frage der Anerkennung im Sinne des § 240 IO letztlich keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die übrigen im vorliegenden Beschwerdefall zu klärenden Rechtfragen sind bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der die gegenständliche Entscheidung nicht abweicht, geklärt.

Linz, am

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