Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2015, RV/2300008/2015

Auslegung eines Antrages auf Strafaufschub

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri über die Beschwerden des Z, Adresse1, vertreten durch Rechtsanwalt Re, Adresse2,

1. vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde vom , Str.Nr. 99, über die Zurückweisung des Antrages auf Aufschub des Strafvollzuges gem. § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a StVG und

2. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde vom , Str.Nr. 99, über die Zurückweisung des Antrages, dem Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen,

nach der am in Anwesenheit des Beschuldigten, seines Vertreters Re, des Amtsbeauftragten A und der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung folgendes Erkenntnis gefällt:

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Erkenntnis des Spruchsenates III beim Finanzamt Graz-Stadt als Organ des Finanzamtes Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) der gewerbsmäßig begangenen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 28.000 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Am wurde der Bf. vom Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde gemäß § 175 Abs. 2 FinStrG zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert.

Da in der Folge bei der Finanzstrafbehörde weder eine Erklärung hinsichtlich der Erbringung gemeinnütziger Leistungen einlangte noch der Bf. der Aufforderung zum Strafantritt Folge leistete, veranlasste das Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde am dessen zwangsweise Vorführung zum Strafantritt.

In der Eingabe an das Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde vom stellte der Bf. den Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges gemäß § 6 (1) Z 2 lit. a StVG.

Der Bf. sei gegenwärtig als Autoaufbereiter beim Einzelunternehmen E beschäftigt. Auf Grund persönlicher Verhältnisse sei er zum gegenwärtigen Zeitpunkt alleine für die Pflege und Erziehung seiner minderjährigen Tochter (geboren am x.x.x) verantwortlich. Um die adäquate Pflege und Erziehung seiner Tochter zu gewährleisten, übe der Bf. seine derzeitige Beschäftigung als Autoaufbereiter unter seiner Wohnanschrift aus.

Es lägen daher jedenfalls die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a StVG vor, zumal das Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe ausschließlich 42 Tage betrage und der Bf. einer Beschäftigung nachgehe, die nicht nur sein, sondern auch das Auslangen seiner unterhaltsberechtigten Tochter gewährleiste. Der Strafaufschub sei daher für das spätere Fortkommen des Bf. zweckmäßiger als der sofortige Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe. Es werde daher beantragt, einen Strafaufschub im Höchstausmaß von 12 Monaten, somit bis einschließlich zu gewähren.

Am stellte der Bf. einen "Folgeantrag". In diesem beantragte er, seinem Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ergänzte: "Im Übrigen sind als Gründe für einen Aufschub nach § 177 (1) FinStrG, diejenige des § 6 StVG heranzuziehen".

Mit dem Bescheid vom wies das Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde den Antrag des Bf. vom auf "Aufschub des Strafvollzuges gem. § 6 (1) Z 2 lit. a StVG" mit der Begründung zurück, der Finanzstrafbehörde komme eine Zuständigkeit zur Erledigung eines auf § 6 StVG gestützten Anbringens im Hinblick auf die Spezialnorm des § 177 FinStrG nicht zu.

Mit dem Bescheid vom wies das Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde auch den Antrag des Bf. im Folgeantrag vom , dem Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges gem. § 6 (1) Z 2 lit. a StVG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zurück. Da die Finanzstrafbehörde zur Erledigung des Antrages nicht zuständig sei, könne sie auch nicht für die Erlassung eines Bescheides zuständig sein, mit welchem über die aufschiebende Wirkung ebendieses Antrages abgesprochen werde.

Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden vom 30.04. bzw. .

Für das gegenständliche Verfahren seien § 177 FinStrG und § 6 (1) Z 2 lit. a StVG heranzuziehen.

Der Antrag sei ohne Zugrundelegung auf eine zitierte Rechtsnorm nach ihrem Grundgehalt zu betrachten. Der Bf. habe in seinem "Folgeantrag" ausdrücklich Bezug auf die maßgebende Norm des Finanzstrafgesetzes genommen und klar zum Ausdruck gebracht, dass er einen Strafaufschub in diesem Sinne gewährt haben wolle. Der Behörde sei es daher nicht gestattet, eine Sachentscheidung zu verweigern; allenfalls wäre eine Präzisierung des Antrages abzuverlangen. Anhaltspunkte für dringend anstehende Angelegenheiten habe der Bf. unter Hinweis auf seine pflegebedürftige Tochter dargetan. Die Verweigerung der Sachentscheidung sei willkürlich erfolgt.

Die belangte Behörde hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Antrages auf Strafaufschub jedenfalls eine Sachentscheidung fassen müssen. Der Bf. habe mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht, dass er im Sinne des § 177 FinStrG einen Strafaufschub begehre.

Somit wäre auch über den unter einem gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Zuge einer Sachentscheidung zu entscheiden gewesen.

Die belangte Behörde habe daher mit dem angefochtenen Bescheid in mehrfacher Hinsicht eine inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie eine rechtlich relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften zu verantworten.

Es werde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und über die Beschwerde in Senatsform zu entscheiden.

Der Bescheid vom sei dahingehend abzuändern, dass dem Bf. der Aufschub zum Zwecke der Absolvierung sozialer Leistungen bewilligt werde und der Bescheid vom dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Bf. ergänzend vor, er lebe seit November letzten Jahres mit seiner Frau in Scheidung. Sie sei täglich lediglich ein bis zwei Stunden im gemeinsamen Haushalt anwesend. Wo sie sich die übrige Zeit aufhalte, sei ihm nicht bekannt.

Der Vertreter des Bf. führte aus, der Antrag vom sei so zu verstehen, dass dem Bf. ein Strafaufschub gewährt werde, weil er seine minderjährige Tochter betreuen müsse. Der Folgeantrag vom sei als Ergänzung und Auslegung des Antrages vom Vortag anzusehen. Er sei daher der Ansicht, über den Antrag sei materiellrechtlich zu entscheiden.

Der Bf. beantragte, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an die Finanzstrafbehörde zurückzuverweisen, in eventu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Aufschub im Höchstausmaß stattgegeben wird.

Der Amtsbeauftragte beantragte im Hinblick auf seine Unzuständigkeit zur Erledigung der Anträge die Abweisung der Beschwerden.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 FinStrG entscheidet über Beschwerden das Bundesfinanzgericht.

Die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Entscheidung über die Beschwerde obliegt einem Senat des Bundesfinanzgerichtes,
a) wenn die Beschwerde sich gegen ein Erkenntnis oder einen sonstigen Bescheid eines Spruchsenates richtet,
b) wenn der Beschuldigte oder ein Nebenbeteiligter dies in der Beschwerde gegen ein Erkenntnis oder in der Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß § 149 Abs. 4 begehrt (§ 62 Abs. 2 FinStrG).

Die Entscheidung über alle anderen Rechtsmittel obliegt einem Richter eines Senates für Finanzstrafrecht beim Bundesfinanzgericht als Einzelrichter (§ 62 Abs. 3 FinStrG).

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 62 FinStrG entscheidet daher über Beschwerden ein Senat des Bundesfinanzgerichtes, wenn ein Erkenntnis oder ein Bescheid eines Spruchsenates angefochten wurde, der Beschuldigte dies in der Beschwerde gegen ein Erkenntnis beantragt oder ein abgesondertes Verfahren (§ 149 FinStrG) durchgeführt wurde.

Im vorliegenden Verfahren richtet sich die Beschwerde des Bf. gegen einen im verwaltungsstrafbehördlichen Verfahren erlassenen Bescheid, weshalb die Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 62 Abs. 3 FinStrG bei einem Richter eines Finanzstrafsenates als Einzelrichter liegt.

Gemäß § 177 Abs. 1 FinStrG kann die Finanzstrafbehörde auf Antrag des Bestraften bei Vorliegen triftiger Gründe den Strafvollzug aufschieben. Triftige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn durch den unverzüglichen Strafantritt der Erwerb des Bestraften oder der Unterhalt seiner schuldlosen Familie gefährdet würde oder wenn der Aufschub zur Ordnung von Familienangelegenheiten dringend geboten ist. Der Aufschub darf das unbedingt notwendige Maß nicht überschreiten; er soll in der Regel nicht mehr als sechs Monate betragen. Die Bewilligung kann an die Leistung einer Sicherheit geknüpft werden; § 88 Abs. 3 bis 5 und Abs. 7 lit. d gilt sinngemäß mit der Maßgabe, dass die Sicherheit auch für verfallen zu erklären ist, wenn der Bestrafte die Strafe aus seinem Verschulden nicht rechtzeitig antritt.

Die Bestimmungen für den Vollzug von Freiheitsstrafen gelten auch für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen ( § 179 Abs. 1 FinStrG).


Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Anträge und Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (siehe  mit weiteren Nachweisen).

Aus dem Vorbringen im Antrag vom , wonach der Bf. für die Pflege und Erziehung seiner minderjährigen Tochter verantwortlich ist, dem Vorbringen im "Folgeantrag" vom , in dem der Bf. auch auf § 177 FinStrG verweist, sowie seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist der bei der Finanzstrafbehörde eingebrachte Antrag so zu verstehen, dass der Bf. einen Antrag auf Strafaufschub (sowie einen Antrag, diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen) mit der Begründung gestellt hat, er müsse sich um seine minderjährige Tochter kümmern.

Dem Vorbringen der Finanzstrafbehörde, sie sei auf Grund der Zitierung des § 6 StVG im Antrag vom  zur Entscheidung über diesen Antrag nicht zuständig, kann nicht beigepflichtet werden, weil in einer Gesamtschau der Ausführungen des Bf. davon ausgegangen werden kann, dass dieser mit dem Antrag in Folge familiärer Probleme den Aufschub des Strafvollzuges durch die Finanzstrafbehörde angestrebt hat.

Über den Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges vom ist daher unter Berücksichtigung des § 177 Abs. 1 FinStrG von der Finanzstrafbehörde inhaltlich zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieses Antrages kommt gemäß § 177 Abs. 2 FinStrG ebenfalls der Finanzstrafbehörde zu.

Die angefochtenen Zurückweisungsbescheide sind daher aufzuheben.

Zur Zulässigkeit der Revision

Da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, ist gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.2300008.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at