Die Säumniszuschlagspflicht setzt den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraus
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom zu StNr. 000/0000, mit dem von der Körperschaftsteuer 10-12/2009 ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 900,00 € festgesetzt wurde, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom wurde die Bf gegründet. Gleichzeitig wurde der Betrieb des nicht protokollierten Einzelunternehmens RE in diese Gesellschaft eingebracht.
Als Geschäftsführer der Gesellschaft fungierte zunächst RE . Seit ist PE selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin.
Mit Bescheid vom sollten die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 mit 45.000,00 € festgesetzt werden. Bis zur Zustellung eines neuen Bescheides seien die festgesetzten Vorauszahlungen mit je einem Viertel jeweils am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig. Erfolge die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlung nach dem 15. Oktober, sei der Jahresbetrag der Vorauszahlung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu entrichten.
Den Anmerkungen im Abgabeninformationssystem (AIS) ist zu entnehmen, dass die Zustellung dieses Bescheides "normal", d.h. ohne Zustellnachweis veranlasst wurde.
Am wurde eine Körperschaftsteuer für den Zeitraum 10-12/2009 in Höhe von 45.000,00 € am Abgabenkonto der Gesellschaft verbucht.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt von dieser Körperschaftsteuer 10-12/2009 in Höhe von 45.000,00 € einen ersten Säumniszuschlag mit 900,00 € fest, da die Abgabenschuldigkeit nicht bis entrichtet worden sei. Bei diesem Datum (Montag ) handelt es sich offenkundig um ein von der EDV-Anlage ermitteltes Fälligkeitsdatum, welches unter Annahme einer Zustellung des Vorauszahlungsbescheides vom am (Donnerstag) oder (Freitag) ermittelt wurde (der fiel auf einen Samstag, der auf einen Sonntag). Die Zustellung dieses Säumniszuschlagsbescheides erfolgte an die Gesellschaft zu Handen ihres ehemaligen Geschäftsführers RE , der nur bis Geschäftsführer gewesen ist.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom von der Beschwerdeführerin mit der Begründung Berufung erhoben, dass die sie keine Körperschaftsteuervorschreibung für das vierte Quartal 2009 erhalten habe. Die Berufung wurde von der seit diese Tätigkeit ausübenden Geschäftsführerin ( PE ) unterfertigt.
Dieser Berufung gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom statt und hob den angefochtenen Säumniszuschlagsbescheid ersatzlos auf. Die Berufungsvorentscheidung enthält keine Begründung. Auf einer im vorgelegten Aktenheft abgelegten Kontoabfrage ist handschriftlich vermerkt: "Stattgabe – Bescheid gilt als nicht zugestellt, da der Bescheidadressat falsch ist (Zustellmangel), Geschäftsführer ist EP ."
Die in weiterer Folge von der Beschwerdeführerin zur Abdeckung der laufend anfallenden Selbstbemessungsabgaben geleisteten Zahlungen wurden vom Finanzamt – mangels ausdrücklich erteilter Verrechnungsweisungen – mit der am Abgabenkonto verbuchten Körperschaftsteuervorauszahlung 10-12/2009 verrechnet und diese dementsprechend vermindert. Dadurch kam es zu verspäteten Entrichtungen der laufend neu anfallenden Selbstbemessungsabgaben und entsprechenden Vorschreibungen einer ganzen Reihe von Säumniszuschlägen. Berufungen gegen diese Bescheide gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidungen statt und hob all diese Säumniszuschlagsbescheide wieder auf.
Mit einem händisch erstellten Bescheid vom wurde neuerlich von der Körperschaftsteuer 10-12/2009 in Höhe von 45.000,00 € ein erster Säumniszuschlag mit 900,00 € festgesetzt, weil die Abgabenschuld nicht bis entrichtet worden sei.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben und darin (wie schon in der Berufung vom ) ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine Körperschaftsteuervorschreibung für das vierte Quartal 2009 erhalten habe. Die Angelegenheit sei bereits mit Berufungsvorentscheidung vom erledigt worden.
Diese Berufung wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Vorschreibung der Körperschafsteuervorauszahlung für das Jahr 2009 "am ergangen" sei. Gegen diese Vorschreibung sei keine Berufung eingelegt worden, daher sei diese rechtskräftig. Am sei mit Berufungsvorentscheidung der Säumniszuschlag für die Körperschaftsteuervorauszahlung abgeschrieben worden, da die Beschwerdeführerin laut Berufung den betreffenden Vorauszahlungsbescheid nicht erhalten habe. Eine Zweitschrift des Vorauszahlungsbescheides sei der Berufungsvorentscheidung beigelegt worden. Die Beschwerdeführerin habe (die oben erwähnten Selbstbemessungsabgaben betreffende) Zahlungen stets ohne Verrechnungsweisung geleistet, daher seien diese auf die ältesten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen gewesen. Sämtlichen Berufungen gegen Säumniszuschläge für die ohne Verrechnungsweisung getätigten Zahlungen sei stattgegeben worden. Deshalb sei die älteste Abgabenschuldigkeit der Körperschaftsteuervorauszahlung 2009 "zur Gänze wieder aufgelebt" und – da diese nicht beglichen oder eine Ratenvereinbarung getroffen worden sei – der Säumniszuschlag erneut vorzuschreiben gewesen.
Im Vorlageantrag vom wies die Beschwerdeführerin neuerlich darauf hin, dass ihr "bis heute" kein Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid zugestellt worden sei und zwar weder als Original noch als Zweitschrift als Beilage zu einer Berufungsvorentscheidung. Laut Buchungsmitteilung vom sei die Vorauszahlung erst am verbucht worden, obwohl Bescheide sonst immer "taggleich" verbucht würden. Durch diese Vorgangsweise sei es ihr gar nicht möglich gewesen, die Vorauszahlung zeitgerecht zu bezahlen, geschweige denn dagegen zu berufen, weil sie erst durch die Buchungsmitteilung "davon" (gemeint offenbar: von der Vorauszahlung) in Kenntnis gesetzt worden sei. Gemäß § 24 Abs. 3 Zif. 3 KStG (erg: in Verbindung mit den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des EStG 1988) könnten Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheide für das laufende Jahr nur bis zum 15. November erlassen werden. Da die Buchung erst per erfolgt sei, nehme sie an, dass die Frist per übersehen worden sei.
Am legte das Finanzamt die Berufung vom dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor. Die Berufung wurde einer Referentin (als sonstiges hauptberufliches Mitglied des Unabhängigen Finanzsenates) zur Erledigung zugeteilt, blieb aber bis zur Einrichtung des Bundesfinanzgerichtes unerledigt. Auch in weiterer Folge erfolgte keine Erledigung durch die zuständige Gerichtsabteilung dieser Referentin (nunmehr Richterin). Schließlich erfolgte eine Neuzuteilung der gegenständlichen Rechtssache gemäß § 9 Abs. 9 BFGG. Die gegenständliche Rechtssache langte am in der Gerichtsabteilung des nunmehr zuständigen Richters ein.
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesenen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszuschlagspflicht den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraus; das ist die Verpflichtung einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer bescheidmäßigen Festsetzung (§ 198 BAO) oder bei Selbstbemessungsabgaben auf Grund des Abgabengesetzes selbst bzw. aus der Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen. Erfolgt mangels Zustellung eines Abgabenbescheides keine wirksame Geltendmachung des Abgabenzahlungsanspruches, erweist sich die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die nicht festgesetzte Abgabenschuld als rechtswidrig (z.B. mwN).
Die Zustellung des Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheides vom wurde ohne Zustellnachweis veranlasst. In einem solchen Fall trifft die Behörde die Beweislast hinsichtlich Tatsache und Zeitpunkt der Zustellung (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 26 Zustellgesetz, Tz 2 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin wiederholt darauf hingewiesen, dass sie den Vorauszahlungsbescheid vom nie erhalten hat. Der Beweis des Gegenteils, nämlich dass und zu welchem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin diesen Bescheid doch erhalten hätte, wurde vom Finanzamt nicht erbracht und ist aufgrund der vorliegenden Aktenlage auch nicht möglich.
Dies gilt auch für die Behauptung des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung vom , eine Zweitschrift des Vorauszahlungsbescheides sei der Berufungsvorentscheidung vom angeschlossen worden. Die Berufungsvorentscheidung vom enthält keinerlei Hinweise auf eine allfällige Beilage. Auch ist kein Rückschein zu dieser Berufungsvorentscheidung aktenkundig, auf dem allenfalls als weiterer Inhalt der Sendung der Vorauszahlungsbescheid vermerkt werden hätte können. Die Beschwerdeführerin hat ausdrücklich bestritten, gemeinsam mit einer Berufungsvorentscheidung den Vorauszahlungsbescheid erhalten zu haben. Bei dieser Sachlage muss in freier Beweiswürdigung davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin den Vorauszahlungsbescheid auch nicht gemeinsam mit der Berufungsvorentscheidung vom erhalten hat.
Da somit mangels Nachweises einer tatsächlich erfolgten Zustellung des Vorauszahlungsbescheides nicht von einer wirksamen Geltendmachung dieses Abgabenzahlungsanspruches ausgegangen werden kann, erweist sich die Vorschreibung des gegenständlichen Säumniszuschlages als rechtswidrig.
Der neuerlichen Erlassung eines ersten Säumniszuschlagsbescheides betreffend die gegenständliche Körperschaftsteuervorauszahlung stand auch entschiedene Sache (res iudicat) entgegen. Eine solche liegt vor, wenn weder in der Rechtslage noch in den maßgebenden tatsächlichen Umständen eine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten ist. Mit der in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung vom wurde der Säumniszuschlagsbescheid vom aufgehoben. Eine neuerliche Erlassung eines solchen Bescheides wäre nur zulässig gewesen, wenn in der Rechtslage oder in den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Das war jedoch insbesondere deshalb nicht der Fall, weil – wie oben dargestellt – gerade keine Zustellung des Vorauszahlungsbescheides (gemeinsam mit der Berufungsvorentscheidung vom ) erfolgte, und es daher im Zeitpunkt der Erlassung des Säumniszuschlagsbescheides vom nach wie vor an einem wirksam geltend gemachten Abgabenzahlungsanspruch fehlte.
Zur Zustellung des ersten Säumniszuschlagsbescheides vom an die Beschwerdeführerin "z.H." (zu Handen) ihres ehemaligen Geschäftsführers wird bemerkt: Mit dem Vermerk "z.H." auf Erledigungen einer Behörde wird der Umstand einer Vertretung zur Zustellung gekennzeichnet ( mwN). Liegt die von Behörde angenommene Zustellvollmacht nicht mehr vor, etwa weil die als Zustellbevollmächtigte bezeichnete Person nicht mehr Geschäftsführer ist, und wurde eine andere Person (etwa die neue Geschäftsführerin) als Zustellungsbevollmächtigte bestellt, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem (neuen) Zustellungsbevollmächtigten (der neuen Geschäftsführerin) tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 ZustellG). Davon, dass der Bescheid vom der neuen Geschäftsführerin tatsächlich zugekommen ist, kann schon deswegen ausgegangen werden, weil diese (für die Gesellschaft) mit Eingabe vom gegen den Bescheid vom Berufung erhoben hat. Wäre keine Heilung des Zustellmangels eingetreten, wäre der Bescheid vom nie wirksam geworden, und hätte die Berufung vom nicht mit Berufungsvorentscheidung vom meritorisch erledigt werden dürfen, sondern hätte die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen, weil sie sich gegen einen Nichtbescheid gerichtet hätte. Tatsächlich erfolgte im gegenständlichen Fall aber eine Heilung des Zustellmangels, weshalb das Finanzamt die Berufung meritorisch mit Berufungsvorentscheidung erledigen durfte. Auch die Aufhebung des angefochtenen Säumniszuschlagsbescheides erfolgte zu Recht, wenn auch nicht aus dem vom Finanzamt angenommenen Grund (Zustellmangel), sondern weil dem Säumniszuschlag kein wirksam geltend gemachter Abgabenzahlungsanspruch zugrunde lag.
Aus all diesen Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da den im gegenständlichen Verfahren zu klärenden Rechtsfragen keine weiter gehende, einzelfallübergreifende und rechtssystematische Relevanz und damit keine erhebliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukam bzw. die Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der die gegenständliche Entscheidung nicht abweicht, geklärt sind.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.5101216.2010 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at