Zustellung eines Bescheides bei Ortsabwesenheit des Empfängers
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde des Bf., gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , MA 123, womit der Einspruch gegen die Strafverfügung vom gemäß § 49 Abs. 1 VStG wegen Verspätung zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR Folge geben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) für schuldig befunden, er habe am um 10:21 Uhr in Wien 2, Rembrandtstraße ein mehrspuriges Kfz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Er habe damit die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und § 5 Abs. 2 Parkometerverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, verletzt. Gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz werde wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von EUR 60,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt.
In der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung wird darauf verwiesen, dass die Bf. das Recht habe, gegen diese Strafverfügung innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Zustellung schriftlich, fernschriftlich, telegrafisch, mittels Telefax, mittels E-Mail oder mündlich (nicht aber telefonisch) beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, einen Einspruch zu erheben. Darin könne die Bf. sich rechtfertigen und die zu ihrer Verteidigung dienlichen Beweise vorbringen. In jedem Fall sei aber Voraussetzung, dass der Einspruch rechtzeitig erhoben werde.
Die Strafverfügung wurde mittels internationalem Rückschein (A. R.) am an der Adresse des Bf. in Deutschland zugestellt.
Mit Schreiben vom (eingelangt bei der MA 67 am ) erhob die Bf. Einspruch gegen die Strafverfügung:
„…..Meine Darstellung des Geschehens:
Vor dem Abstellen meines Kraftfahrzeuges an besagtem Tag, befragte ich, da ich zuvor in genannter Straße keine Beschilderung vorfinden konnte, zwei angetroffene Anwohner der Rembrandtstraße über die in genannter Straße geltenden Parkeinschränkungen. Diese konnten mir keine Auskunft über eine Parkeinschränkung erteilen. Erst anschließend habe ich das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen XY abgestellt.
Mit der Strafverfügung bin ich nicht einverstanden.
Rechtliche Begründung hierfür ist, dass gemäߧ 48 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBI. Nr. 159/1960, in der Fassung des Bundesgesetzes BGB 1. I Nr. 99/2005 Straßenschilder „in einer solchen Art und Größe anzubringen sind, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können."
Gemäߧ 52 Abs. 1 Ziffer 13 StVO gehören auch die Park- und Halteverbotszonen, so wie Kurzparkzonen ausgeschildert. Eine solche Beschilderung war zum Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeuges nicht vorhanden, weshalb es jedweder Grundlage entbehrt, hier von einer "Verkürzung der Parkometerabgabe" oder "Verwaltungsübertretung" zu sprechen.“
Am erging ein Vorhalt (Verspätete Einbringung eines Rechtsmittels) der MA 67:
„Bezugnehmend auf Ihr Rechtsmittel gegen die Strafverfügung vom betreffend Zahl MA
123
wird Ihnen vorgehalten, dass dieses nach der Aktenlage als verspätet eingebracht erscheint.
Im vorliegenden Fall wurde die Strafverfügung entsprechend den Bestimmungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom , BGBI. 526/1990, zugestellt.
Gemäß § 175 dt. ZPO kann ein Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein.
Die Strafverfügung wurde am durch die Post zugestellt und übernommen.
Mit dem Tag der Übernahme gilt die Sendung als zugestellt.
Ihr Rechtsmittel wurde jedoch erst am , somit nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist laut Poststempel auf dem Briefumschlag eingebracht.
Es wird Ihnen Gelegenheit geboten, diesen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen und innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine Stellungnahme
abzugeben.
Falls Sie einen Zustellmangel geltend machen, haben Sie innerhalb der gleichen Frist die Möglichkeit, diesen durch Belege (Reiserechnungen, Namhaftmachung von Zeugen, etc.) glaubhaft zu machen.“
Dazu bezog der Bf. am Stellung und gab an, dass es richtig sei, dass sein Rechtsmittel erst am eingebracht worden sei. Grund dafür sei gewesen, dass Herr U. die Strafverfügung zwar am angenommen und unterschrieben habe, er jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht in Berlin anwesend gewesen sei. Kenntnis von der Strafverfügung habe er erst am erhalten.
Daraufhin erließ der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, am folgenden Zurückweisungsbescheid:
„ Der Einspruch gegen die Strafverfügung vom zur Zahl MA
123
, womit über Sie wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABI. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBI. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung eine Geldstrafe von EUR 60,00, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden verhängt wurde, wird gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG wegen Verspätung zurückgewiesen.
Begründung
Im vorliegenden Fall wurde die Strafverfügung entsprechend den Bestimmungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom , BGBI. 526/1990, zugestellt.
Gemäß § 175 dt. ZPO kann ein Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Die Strafverfügung wurde am durch die Post zugestellt. Mit dem Tag der persönlichen Übernahme gilt die Sendung als zugestellt.
Die Einspruchsfrist begann daher am und endete am .
Der Einspruch wurde trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung jedoch erst am mittels Post, somit nach Ablauf der im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzten zweiwöchigen Einspruchsfrist eingebracht.
Bemerkt wird, dass es sich bei der Einspruchsfrist des § 49 Abs. 1 VStG um eine gesetzlich festgelegte Frist handelt, die von der Behörde nicht erstreckt werden darf.
Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruches rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen und kann aus diesem Grund auch nicht auf allfällige diesbezügliche Einwände eingegangen werden.
Der Einspruch war daher als verspätet zurückzuweisen.
Zwar wurde eine Abwesenheit von der Abgabestelle eingewendet, jedoch wurden trotz Aufforderung vom keine Beweismittel dafür vorgelegt, welche geeignet wären, die behauptete Ortsabwesenheit glaubhaft zu machen.
Hinsichtlich der amtswegig vorzunehmenden Klärung der Frage der Ortsabwesenheit ist die Partei aber verpflichtet, einer Aufforderung zur Mitwirkung an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes nachzukommen.
Kommt der Einspruchswerber, wie im gegenständlichen Fall, trotz Aufforderung durch die Behörde seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, so kann die Behörde von der Ortsanwesenheit des Einspruchswerbers zum fraglichen Zeitpunkt ausgehen (vgl. E des Zl. 88/02/0010).
Eine Abwesenheit von der Abgabestelle wurde geltend jedoch nicht glaubhaft gemacht.“
Dagegen brachte der Bf. am Beschwerde ein:
„…Hiermit lege ich Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.3 .2015 ein.
Die Strafverfügung vom wurde am von
U. in Berlin entgegengenommen. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich jedoch in Wien. Daher konnte ich die Strafverfügung nicht persönlich entgegennehmen. Erst am , als ich mich wieder in Berlin befand, habe ich von der Strafverfügung Kenntnis genommen. Somit blieb mir nicht ausreichend Zeit um in der festgesetzten Frist antworten zu können, weshalb der Einspruch zu spät verschickt wurde.
Anbei finden Sie zur Glaubhaftmachung eine Erklärung an Eides statt von meinem derzeitigen Mitbewohner
A. und zusätzlich eine Kopie eines Kontoauszuges vom , die beweisen, dass ich mich zum angegebenen Zeitpunkt in Wien befand.“
Es wurde erwogen:
Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstige Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Gemäß Art. 1 des Vertrages (Rechtshilfeabkommen BRD - Österreich) zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, leisten die Vertragsstaaten in öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden, in österreichischen Verwaltungsstraf- und in deutschen Bußgeldverfahren, soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner in Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrages Amts- und Rechtshilfe.
Nach Art. 3 des zitierten Vertrages, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet.
Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt; gemäß Art. 10 werden Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.
Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (§ 16 Abs. 1 ZustG).
Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist (§ 16 Abs. 2 ZustG).
Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam ( § 16 Abs. 5 ZustG).
Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (; , 95/19/0764; , 99/17/0303).
Im gegenständlichen Fall wurde von der Möglichkeit der Ersatzzustellung Gebrauch gemacht, indem die Strafverfügung einem Mitbewohner des Empfängers ausgehändigt wurde. Diese Tatsache ist auch unbestritten. Der Bf. wendet aber nun ein, dass er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom bis erst am Tag seiner Rückkehr am von der Strafverfügung Kenntnis genommen.
Aufgrund dieses Einwandes war zu prüfen, ob der Bf. wegen dieses Umstandes nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen hatte können und die Zustellung damit gemäß § 16 Abs. 5 ZustG als nicht bewirkt zu gelten hatte.
Aufgrund der Qualität des Zustellnachweises als öffentliche Urkunde ist eine bloße Behauptung der Ortsabwesenheit für einen Gegenbeweis nicht ausreichend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel weder das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung noch die Unwirksamkeit der Zustellung im Wege der Ersatzzustellung dargetan werden (vgl. ; , 99/15/0197; , 93/09/0462). Diese Sichtweise ist schon alleine daraus erklärbar, dass die Anerkennung einer bloßen Behauptung der Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung die Qualität des Zustellnachweises als Beweismittel mit erhöhter Beweiskraft aushöhlen würde bzw. diesen Nachweis obsolet machen würde. Behauptet daher jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsgemäßen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (, unter Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I2, E 51 zu § 16 Zustellgesetz angeführte Rechtsprechung).
Es bedarf daher eines konkreten, mit dem Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel verbundenen Vorbringens, das klare Aussagen über den Umstand und die Dauer der Abwesenheit von der Abgabestelle enthält (; ). Als Beweismittel kämen etwa Fahrausweise, Aufenthaltsbestätigungen, Bestätigungen eines Unterkunftgebers oder Zeugenaussagen in Betracht.
Aufgrund der vorgelegten Beweismittel – eidesstattliche Aussage des Mitbewohners, Kontoauszüge – ist die Ortsabwesenheit des Bf. in diesem Zeitraum als erwiesen anzusehen.
Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit behaftet, da der Bf. am Tag der Zustellung an den Ersatzempfänger, am , ortsabwesend war und erst am Tag seiner Rückkehr, am , von der Strafverfügung Kenntnis erlangt hat, sodass der Einspruch vom rechtzeitig gewesen ist.
Eine Abwesenheit des Bf. von der Abgabestelle hat gemäß § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG zur Folge, dass die hinterlegte Strafverfügung nicht gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG als zugestellt gilt (vgl. ).
Der Einspruch gegen die Strafverfügung erfolgte daher innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist ab Zustellung und somit rechtzeitig.
Der angefochtene Zurückweisungsbescheid ist ersatzlos aufzuheben.
Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, weil sich die Frist zur Erhebung eines Einspruchs und die Rechtsfolgen der Versäumung der Frist unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Aus diesem Grund war gemäß § 25a Abs. 1 VwGG die Unzulässigkeit der Revision für die belangte Behörde gegen das vorliegende Erkenntnis auszusprechen.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7500634.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at