Wird Jemand durch die Zahlung von Begräbniskosten außergewöhnlich belastet, dem Nachlassaktiva nicht an Zahlungsstatt überlassen worden sind?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R im Beschwerdeverfahren Bf. , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 entschieden:
Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 vom wurden die von der Beschwerdeführerin (Bf.) als außergewöhnliche Belastung erklärten Begräbniskosten nicht vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen, weil die Bf. keinen Verlassenschaftsbeschluss und keine Belege vorgelegt hatte. Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Ausgaben für ein Kind ohne Behinderung (EUR 213,57) überstiegen nicht den Selbstbehalt iHv EUR 2.086,46 und verminderten daher nicht die Einkommensteuerbemessungsgrundlage.
In der Beschwerde vom beantragte die Bf., die nicht durch Nachlassaktiva gedeckten Begräbniskosten iHv EUR 4.684,51 als außergewöhnliche Belastung vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Der Verlassenschaftsbeschluss und Rechnungen wurden mit der Beschwerde vorgelegt.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, dass die Bf. durch die Begräbniskosten nicht außergewöhnlich belastet war, da die Begräbniskosten nicht die Bf. sondern die Witwe und Erbin bezahlt hatte.
Im Vorlageantrag vom gab die Bf. bekannt, dass sie die Rechnungen für die Beerdigung und den Grabstein bezahlt habe und dass sie die Rechnungen auf ihren Namen habe „umschreibenlassen“ (© Bf.).
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Belegen:
1. Verlassenschaftsbeschluss vom : Die Aktiva betragen EUR 1.795,50. Sie wurden der erblichen Witwe auf Abschlag der von ihr bezahlten Bestattungskosten im Gesamtbetrag von EUR 6.650,01 (Bestattung EUR 3.885,71; Trauermahl EUR 759,30; unbelegte Nebenkosten EUR 190,00; Grabstein gesamt EUR 1.645,00) an Zahlungsstatt überlassen.
2. Rechnung vom , Rechnung vom : Rechnungsempfängerin ist die Bf.; beide Rechnungen wurden für Bestattungskosten iHv EUR 3.885,71 ausgestellt.
3. Gutschrift vom iHv EUR 3.885,71: Der Name der Bf. wird in der Gutschrift als Auftraggeberin der Überweisung von einem durch eine Kontonummer näher bezeichneten Auftraggeberkonto angegeben.
4. Rechnung für Speisen und Getränke (EUR 759,00): Das Datum „“ wurde handschriftlich ergänzt; Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger fehlen.
5. Rechnung vom für Vase, Laterne und Grabstein demontieren, schleifen, montieren, Neuschrift vergoldet (EUR 1.475,00), Rechnung vom für Foto Porzellan (EUR 170,00): Beide Rechnungen wurden für die Bf. ausgestellt.
6. Umsatzübersicht für die Rechnung (Grabstein): Die darin angegebene Referenznummer stimmt nicht mit der in der Gutschrift vom angegebenen Kontonummer überein.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Die Bf. hat den Vorlageantrag innerhalb offener Rechtsmittelfrist und damit rechtzeitig eingebracht. Deshalb scheidet die Beschwerdevorentscheidung mit dieser Entscheidung aus dem Rechtsbestand aus und wird zu Vorhalt. Da die Bf. die Beschwerde auch innerhalb offener Rechtsmittelfrist und damit rechtzeitig eingebracht hat, ist über die Beschwerde und den Vorlageantrag „in der Sache“ zu entscheiden.
Beschwerdepunkt/e
In der Sache ist strittig, ob die Bf. durch nicht durch Nachlassaktiva gedeckte Begräbniskosten iHv EUR 4.684,51 außergewöhnlich belastet wird, wenn ihr die Nachlassaktiva nicht an Zahlungsstatt überlassen worden sind.
Sach- und Beweislage
Der Entscheidung ist der Verlassenschaftsbeschluss vom und damit folgende Sachlage zugrunde zu legen: Die Verlassenschaft ist iHv EUR 4.684,51 überschuldet gewesen, da die Nachlassaktiva EUR 1.795,50 und die Bestattungskosten EUR 6.650,01 betragen. Die Nachlassaktiva iHv EUR 1.795,50 sind der erblichen Witwe und nicht der Bf. an Zahlungsstatt überlassen worden.
Mit dem Gutschriftsbeleg vom , in dem der Name der Bf. als Auftraggeberin und eine Kontonummer als Kontonummer der Auftraggeberin angegeben ist, hat die Bf. nachgewiesen, dass sie die Begräbniskosten iHv EUR 3.885,71 von ihrem Konto überwiesen hat. Mit der Umsatzübersicht hat die Bf. nicht nachgewiesen, dass sie den Grabstein bezahlt hat, da die darin angegebene Referenznummer nicht mit der im Gutschriftsbeleg angegebenen, der Bf. zweifelsfrei zuordenbaren, Kontonummer übereinstimmt. Die an die Bf. adressierten Rechnungen beweisen nicht, dass die Bf. diese Rechnungen auch bezahlt hat, da Geldflüsse nur durch Überweisungsbelege oder Kontoauszüge nachweisbar sind. Nach dieser Beweislage ist als erwiesen anzusehen und der Entscheidung zugrunde zu legen, dass die Bf. Begräbniskosten iHv EUR 3.885,71 gezahlt hat.
Rechtslage
Gemäß § 34 Abs 1 Einkommensteuergesetz – EStG 1988 idgFsind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben iSd § 18 EStG 1988 idgF außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2). 2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3). 3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Gemäß § 34 Abs 2 EStG 1988 idgF ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 idgF erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Gemäß § 34 Abs 4 EStG 1988 idgF beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 in Verbindung mit Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von höchstens 7.300,00 Euro 6%; mehr als 7.300,00 Euro bis 14.600,00 Euro 8%; mehr als 14.600,00 Euro bis 36.400,00 Euro 10% und mehr als 36.400,00 Euro 12%.
Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt, wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht; wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs 4 Z 1 von höchstens 6.000,00 Euro jährlich erzielt für jedes Kind (§ 106).
Sind im Einkommen sonstige Bezüge iSd § 67 EStG 1988 idgF enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs 1 und 2, anzusetzen (§ 34 Abs 5 EStG 1988 idgF).
Rechtliche Würdigung und Entscheidung
Da Begräbniskosten gemäß § 549 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch – ABGB zu den bevorrechteten Nachlassverbindlichkeiten gehören, sind sie vorrangig aus den vorhandenen Nachlassaktiven zu bezahlen. Sind keine ausreichenden Nachlassaktiven vorhanden, haften grundsätzlich die Unterhaltsverpflichteten des Verstorbenen; idF die erbliche Witwe.
Auch Derjenige, der die Begräbniskosten tatsächlich bezahlt hat, ohne Erbe zu sein und ohne dass ihm die Nachlassaktiva an Zahlungsstatt überlassen worden sind, kann die Rückerstattung der Begräbniskosten in Höhe der Nachlassaktiva von Demjenigen verlangen, dem die Nachlassaktiva eingeantwortet oder an Zahlungsstatt überlassen worden sind. Da Begräbniskosten Zahlende einen Rückerstattungsanspruch in Höhe der Nachlassaktiva haben, sind sie nur insoweit endgültig außergewöhnlich belastet, als die Begräbniskosten höher als die Nachlassaktiva sind ().
Da die von der Bf. nachweislich bezahlten Begräbniskosten EUR 3.885,71 und die Nachlassaktiva EUR 1.795,50 betragen, hätte die Bf. die Rückzahlung der Begräbniskosten iHv EUR 1.795,50 verlangen können. Da die Bf. die Rückforderung von EUR 1.795,50 nach der im Beschwerdeverfahren offen gelegten Sachlage unterlassen hat, liegt ein Verhalten vor, zu dem sie sich aus freien Stücken entschlossen hat und dieses freiwillige Verhalten führt nach ständiger VwGH-Rechtsprechung dazu, dass EUR 1.795,50 mangels Zwangsläufigkeit nicht abzugsfähig sind (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34, Anmerkung 26, unter Verweis auf ; ; ; ; ).
Aus dem Titel „Begräbniskosten“ abzugsfähig könnten daher allenfalls die von der Bf. bezahlten EUR 3.885,71 abzüglich der Nachlassaktiva EUR 1.795,50 sein.
EUR 3.885,71 minus EUR 1.795,50 ergibt EUR 2.090,21. EUR 2.090,21 addiert mit den Ausgaben für ein Kind ohne Behinderung (EUR 213,57) ergibt EUR 2.303,78 und damit einen Betrag, der über dem Selbstbehalt iHv EUR 2.086,48 liegt.
EUR 2.303,78 minus EUR 2.086,48 ergibt EUR 217,30. EUR 217,30 sind den Selbstbehalt übersteigende außergewöhnliche Belastungen und bewirken als solche folgende Änderungen bei den Bescheiddaten:
Der Gesamtbetrag der Einkünfte lt. angefochtenem Bescheid iHv EUR 21.590,39 + Sonderausgaben lt. angefochtenem Bescheid iHv EUR -730,00 + Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes iHv EUR -2.303,78 + § 34 (4) EStG 1988 idgF iHv EUR 2.086,48 + Kinderbetreuungskosten lt. angefochtenem Bescheid iHv EUR -1.476,38 ergeben ein Einkommen iHv EUR 19.166,71.
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 idgF, berechnet nach der Formel (19.166,71 - 11.000,00) x 5.110,00 / 14.000,00, beträgt EUR 2.980,85 (= die Steuer vor Abzug der Absetzbeträge).
Die v.a. Steuer vor Abzug der Absetzbeträge + Verkehrsabsetzbetrag iHv EUR -291,00 + Arbeitnehmerabsetzbetrag iHv EUR -54,00 ergeben eine Steuer nach Abzug der Absetzbeträge iHv EUR 2.635,85.
Die v.a. Steuer nach Abzug der Absetzbeträge + der Steuer für die sonstigen Bezüge iHv EUR 190,73 ergeben eine Einkommensteuer iHv EUR 2.826,58 + Rundung gemäß § 39 Abs 3 EStG 1988 idgF iHv EUR -0,01 + anrechenbare Lohnsteuer iHv EUR 3.734,57 ergeben eine festgesetzte Einkommensteuer iHv EUR -908,00.
Von dieser Berechnung ausgehend ist die teilweise Stattgabe der Beschwerde auszusprechen.
Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer grundsätzlich bedeutenden Rechtsfrage abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entscheidet, dass freiwilliges Verhalten (idF durch Unterlassen einer Rückforderung) nicht zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1988 ist ( und die vorzit. Folgejudikate).
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7103439.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at