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VfGH vom 07.12.2022, UA96/2022

VfGH vom 07.12.2022, UA96/2022

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit der Mehrheit) soweit sich das Verlangen mit dem Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses (die Bundesministerin für Justiz zur Vorlage der Kommunikation zwischen der WKStA und dem BMJ zu verpflichten) deckt; Abweisung des Antrags wegen hinreichender Begründung des Mehrheitsbeschlusses, warum das Verlangen des einschreitenden Viertels nicht vom Umfang des Untersuchungsgegenstands des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses gedeckt ist

Spruch

I.Der Antrag wird insoweit zurückgewiesen, als sich das Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom mit dem Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom selben Tag, mit dem die Bundesministerin für Justiz zur Vorlage näher bestimmter Akten und Unterlagen aufgefordert wurde, deckt.

II.Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,

"der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass der Beschluss des Untersuchungsausschusses 'betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder' (4/US XXVII.GP) vom [Blg. XIIa], mit dem der Zusammenhang des Verlangens des antragstellenden Viertels auf ergänzende Beweisanforderung vom [Blg. XII] mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wurde, rechtswidrig ist".

II. Rechtslage

§24 und §25 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – in der Folge: VO-UA) zum Bundesgesetz vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Zum maßgeblichen Sachverhalt betreffend die Einsetzung des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (in der Folge: ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) wird zunächst auf die diesbezüglichen Wiedergaben in den zuletzt ergangenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes jeweils vom , UA75/2022 ua, und UA77/2022 ua verwiesen.

2. In der 39. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom richtete das im verfassungsgerichtlichen Verfahren antragstellende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 VO-UA folgendes Verlangen an den Untersuchungsausschuss (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Die Frau Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, die vollständige Kommunikation zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und dem Bundesministerium für Justiz zur Aktenvorlage und zum Verfahren betreffend den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zum Strafakt AZ 17 St 19/20i im Umfang des Untersuchungsgegenstandes binnen einer Woche zu übermitteln.

Begründung

Der Untersuchungsausschuss 4/US 27.GP kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B-VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein, um in der Lage zu sein, die zu untersuchenden Sachverhalte selbst umfassend zu beleuchten und aufzuklären; sowie die Beweismittel selbst zu beurteilen.

Anlässlich einer Besprechung betreffend Abschluss einer Konsultationsvereinbarung am wurde seitens des Bundesministeriums für Justiz und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass die Themen der Strafsache AZ 17 St 19/20i nicht umrissen werden können, ohne Ermittlungen zu gefährden. Jegliche Art der Information betreffend dieses Verfahren würde eine mögliche Gefährdung der Ermittlungen bedeuten und der betroffene Akt könne erst nach Aufhebung der Einschränkungen nachgereicht werden.

Mit Konsultationsvereinbarung vom wurde zwischen dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses und der Frau Bundesminister für Justiz ua vereinbart, dass jene Akten bzw Aktenteile im Verfahren zu AZ 17 St 19/20i, bei denen besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, und die daher der beschränkten Akteneinsicht unterliegen, sowie die diesbezüglichen Verfügungen und Eintragungen im Tagebuch und die korrespondierenden Aktenteile der Oberstaatsanwaltschaften und des Bundesministeriums für Justiz erst nach Aufhebung dieser Einschränkung nachgereicht werden.

Tatsächlich wurde kein Bestandteil des Strafaktes zu AZ 17 St 19/20i bis zum dem Untersuchungsausschuss übermittelt. Erst an diesem Tag wurde dieser Akt dem Untersuchungsausschuss ohne nähere Begründung vorgelegt.

Aus dem Akt ergibt sich, dass außer der Auswertungen von elektronischer Kommunikation keine weiteren Ermittlungen stattgefunden haben. Insofern ist nicht ersichtlich, warum der genannte Strafakt auf Betreiben der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und des Bundesministeriums für Justiz in die Konsultationsvereinbarung vom aufgenommen wurde.

Dass ein Untersuchungsausschuss die Übermittlung von Akten und Unterlagen an ihn selbst untersuchen kann, ist gelebte Praxis seit dem Hypo-Untersuchungsausschuss 1 US/25. GP (vgl Protokoll über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Mag. P[.] A[.] in der 12. Sitzung vom ). Auch in weiteren Untersuchungsausschüssen wurde diese Praxis aufrechterhalten. Vgl. zB Protokoll über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson K[.] N[.], MSc in der 4. Sitzung vom ; Protokoll über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Dr. A[.] Z[.], LL.M. in der 4. Sitzung vom .

Für den Untersuchungsausschuss ist maßgeblich zu wissen, aus welchen Gründen die Übermittlung des genannten Aktes erst so spät erfolgt ist, zumal der Akt unzweifelhaft vom Untersuchungsgegenstand umfasst ist und ja tatsächlich dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wurde. Daher sind die verlangten Akten und Unterlagen von abstrakter Relevanz bzw kann eine solche nicht ausgeschlossen werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtvorlage von Akten und Unterlagen einer besonderen Begründung bedürfen."

3. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss fasste am selben Tag den Beschluss, den sachlichen Zusammenhang dieses Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten. Die beschlussfassende Mehrheit des Untersuchungsausschusses begründete ihren Beschluss wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses auf ergänzende Beweisanforderung ist gemäß §25 Abs3 VO-UA zu begründen. Die VO-UA überträgt somit die Verantwortung, den Bezug zum Untersuchungsgegenstand herzustellen, ausdrücklich dem verlangenden Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Für einen Beschluss eines Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 VO-UA, mit dem der sachliche Zusammenhang eines Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, verlangt die VO-UA zwar keine Begründung. Jedoch hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die beschlussfassende Mehrheit im Untersuchungsausschuss eine verfassungsrechtliche, auf die bestrittenen Teile näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz des Verlangens trifft. Die beschlussfassende Mehrheit im Untersuchungsausschuss kann somit mit einem pauschalen Bestreiten des Bestehens eines sachlichen Zusammenhanges des Begehrens eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen nicht verhindern. Sie trifft eine substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz des Verlangens des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses für den Untersuchungsgegenstand. Diese Anforderungen dürfen jedoch angesichts des kurzen Zeitraums, der zwischen Einbringung und Wirksamwerden eines solchen Verlangens vergeht (und regelmäßig wenige Stunden beträgt), nicht überspannt werden ( UA7-45/22 mwN).

Die Anforderungen an die Begründung einerseits eines Verlangens nach einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 und 3 VO-UA und andererseits einer Bestreitung, dass das Verlangen vom Umfang des Untersuchungsgegenstandes gedeckt ist, sind unterschiedlich danach zu beurteilen, ob das Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses offenkundig vom Umfang des Untersuchungsgegenstandes gedeckt ist oder ob dies eben nicht der Fall ist. Dementsprechend sind die Anforderungen an die Begründung des (Bestreitungs-)Beschlusses unterschiedlich.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach dargelegt hat (; , UA7-45/22; , UA46-74/22), kann es nicht Zweck einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 und 3 VO-UA sein, ohne Bezeichnung näherer – zumindest generalisierter – Anhaltspunkte die Vorlage von Akten und Unterlagen zu begehren. Es muss vielmehr bereits im Verlangen nachvollziehbar offengelegt werden, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Rahmen der ergänzenden Beweisanforderung nachgegangen werden soll. Wie die Gesetzesmaterialien zu §24 und §25 VO-UA ausführen, beziehen sich ergänzende Beweisanforderungen – '[i]m Unterschied zum grundsätzlichen Beweisbeschluss, der eine allgemeine Aufforderung insbesondere zur Übermittlung aller bezughabenden Akten und Unterlagen enthält' – auf 'bestimmte Beweismittel im sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand'. Unter 'einem 'bestimmten Beweismittel' ist dabei nicht ein genau bezeichneter Akt zu verstehen, sondern ein konkret umschriebener Vorgang im Rahmen der Verwaltung. Die Bestimmtheitsanforderung soll bloße Erkundungsbeweise oder 'Bepackungen' ausschließen' (so ausdrücklich AB 440 BIgNR, 25. GP, 13 f.).

[…]

Das [betreffende] Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung referenziert in seiner Begründung lediglich auf Ereignisse, die allesamt nach dem im Untersuchungsgegenstand festgelegten Untersuchungszeitraum stattfanden und deren Relevanz für die Untersuchung sich nicht erschließt. In der Begründung wird zur Relevanz lediglich ausgeführt, dass es 'maßgeblich [ist] zu wissen, aus welchen Gründen die Übermittlung des genannten Aktes erst so spät erfolgt ist]. Die Untersuchung der Aktenvorlage an den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss durch den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss selbst würde jedoch die Begrenzung der Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses durch den Untersuchungsgegenstand ad absurdum führen. Für den Umstand, dass ausnahmsweise dennoch eine Relevanz für die Untersuchung gegeben sei, fehlen in der Begründung des Verlangens jegliche Anhaltspunkte. Solche sind auch nicht offenkundig. Es fehlt im Verlangen auch eine Einschränkung auf einen bestimmten Zeitraum.

Lediglich in Hinblick darauf, dass die begehrten Akten und Unterlagen bereits auch – zumindest teilweise – während des Ibiza-Untersuchungsausschusses bestanden, ist eine Relevanz für die Untersuchung angesichts des weit gefassten Beweisthemas 3 offenkundig, selbst wenn dies in der Begründung nicht ausgeführt wird. Dieses bezieht ausdrücklich den Umgang mit der Aktenvorlage an den Ibiza-Untersuchungsausschuss in die Untersuchung mit ein. Vom Wortlaut des Verlangens selbst sind diese Akten und Unterlagen jedoch erfasst.

Zunächst ist aber zu klären, ob der Untersuchungsausschuss die Möglichkeit hat, den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens auf ergänzende Beweisanforderung mit dem Untersuchungsgegenstand auch nur teilweise zu bestreiten. Auf diese Art könnten 'überschießende' Beweisanforderungen auf einen rechtskonformen Umfang reduziert werden. Dagegen spricht jedoch, dass §25 Abs2 VO-UA im Gegensatz zu §3 Abs2 VO-UA nicht vorsieht, dass auch 'einzelne genau zu bezeichnende Teile' für unzulässig erklärt werden können. Nachdem es dem Untersuchungsausschuss aber ohnehin verwehrt wäre, eine ergänzenden Beweisanforderung durch teilweise Bestreitung mit einer eigenen politischen Wertung zu versehen und sie dadurch im Ergebnis abzuändern (vgl sinngemäß ), kann der Untersuchungsausschuss ein (wenn auch nur teilweise) nicht in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehendes Verlangen auf Beweiserhebung nur zur Gänze bestreiten, wenn er keinen ausreichenden sachlichen Zusammenhang zu erkennen vermag. In diesem Sinne hatte der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass auch ihm eine – korrigierende – Interpretation des Prozessgegenstands verwehrt ist. Schließlich gebietet der Zweck eines Untersuchungsausschusses – Aufklärung zu politischen Zwecken – möglichste Zurückhaltung bei der Wertung angestrebter Beweiserhebungen.

Insofern kann jedoch der Umstand, dass in einem Teilbereich der begehrten Erhebungen sehr wohl ein sachlicher Zusammenhang bestehen könnte, den Mangel eines solchen Zusammenhangs in anderen Bereichen nicht sanieren. Vielmehr wäre es den verlangenden Abgeordneten übertragen, nachvollziehbar darzulegen, inwiefern der sachliche Zusammenhang sehr wohl besteht oder ihr Verlangen entsprechend einzuschränken.

Auch auf Grund einer systematischen Interpretation ist in einem Verlangen auf Beweiserhebung im Zuge einer ergänzenden Beweisanforderung näher zu bezeichnen und zu determinieren, welche Erhebungen durchzuführen sind. Denn ergänzende Beweisanforderungen dienen – wie aus dem in Art53 Abs3 B-VG sowie §§24 und 25 VO-UA niedergelegten System mit ausreichender Deutlichkeit hervorgeht – dazu, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu ergänzen, wenn sich dazu die Notwendigkeit ergibt (vgl AB 440 BIgNR XXV.GP, 13). Dadurch kann der Gegenstand der Untersuchung jedoch nicht erweitert werden, da der Untersuchungsausschuss nur innerhalb des ihm vom Nationalrat übertragenen Kontrollauftrags tätig werden kann. Insbesondere kann nicht – wie im gegenständlichen Verlangen – die Untersuchung auf Sachverhalte erweitert werden, die keinen Bezug zum Untersuchungszeitraum aufweisen.

Aus alldem ergibt sich, dass das gegenständliche Verlangen für sämtliche vom Wortlaut erfassten Akten und Unterlagen keinen ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand herstellt.

Zwar steht es jedem möglichen Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses zu, seine eigenen politischen Anliegen mit den ihm eingeräumten Rechten wahrzunehmen, da der Untersuchungsausschuss einer umfassenden Aufklärung nach allen politischen Gesichtspunkten verpflichtet ist. Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss ist in diesem Sinne nicht berechtigt, die Rechte eines verlangenden Viertels der Mitglieder des Ausschusses durch die Vornahme einer eigenen politischen Wertung zu beschneiden (vgl VfGH UA1/2020, ).

Im Wege der Wahrnehmung solcher Rechte kann sich ein (potentiell) einsetzungsberechtigtes Viertel der Abgeordneten zum Nationalrat jedoch nicht die Einsetzung eines eigenen Untersuchungsausschusses mit dem von ihm selbst umschriebenen Untersuchungsgegenstand ersparen. Insbesondere dürfen vor dem Hintergrund der befristeten Dauer eines Untersuchungsausschusses auf diese Art keine über die im Einsetzungsverlangen des Untersuchungsausschusses festgelegten Beweisthemen hinausgehenden Themen der Untersuchung hinzugefügt werden, da dies eine unzulässige Verwässerung des dem Untersuchungsausschuss übertragenen Kontrollauftrags zur Folge hätte. Schließlich sollten die dem Untersuchungsausschuss vom Verfassungsgesetzgeber übertragenen Befugnisse eine wirksame parlamentarische Kontrolle durch den Nationalrat ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der beschränkten Dauer der Untersuchung und des Umstands, dass der Verfassungsgesetzgeber eine Beteiligung der Minderheit im Verfahren sicherstellen wollte, jedoch keine beherrschende Stellung der Minderheit im Verfahren vermittelt hat sowie, dass das Ziel des Verfassungsgesetzgebers die Ermöglichung wirksamer parlamentarischer Kontrolle durch den Nationalrat war, ist abschließend zu prüfen, ob der Untersuchungsausschuss nicht auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben verpflichtet ist, dem Anliegen der Minderheit auf Beweiserhebung im zulässigen Maß selbst zum Durchbruch zu verhelfen. Der Untersuchungsausschuss hat dabei sicherzustellen, dass er die Beweisanforderung nicht mit einer eigenen politischen Wertung versieht, sondern dem (bestrittenen) Verlangen der Minderheit auf Beweiserhebung vielmehr in dem ihm nach sorgfältiger Prüfung als zulässig erscheinenden Ausmaß entspricht. Ansonsten würde das Recht auf Beteiligung der Minderheit am Verfahren ins Leere laufen, könnte die Mehrheit durch bloßen Verweis auf nicht in Zusammenhang mit der Untersuchung stehende Teile der Beweisanforderung den sachlichen Zusammenhang verneinen, zumal das verlangende Viertel nicht verpflichtet sein kann, die Ergebnisse der Beweiserhebungen im Vorhinein zu kennen bzw – quasi ins Blaue hinein – jeden erdenklichen Zusammenhang zu konstruieren.

Besteht insofern etwa (wie im vorliegenden Fall) eine offenkundige oder auf nachvollziehbaren Tatsachen beruhende Grundlage für eine ergänzende Beweisanforderung, kann der Untersuchungsausschuss mangels entsprechender Regelung in der VO-UA zwar ein Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung nicht auf das zulässige Maß reduzieren. Er kann jedoch durch Annahme eines entsprechenden, auf das zulässige Maß reduzierten eigenen Antrags auf ergänzende Beweisanforderung, an dem sich die Minderheit im Verfahren des Ausschusses selbst beteiligen kann, sicherstellen, dass dem Ansinnen der Minderheit soweit als möglich Wirksamkeit verliehen wird. Dies soll in weiterer Folge auch geschehen. Sofern der Untersuchungsausschuss nach Ansicht des verlangenden Viertels den von ihm verlangten Beweiserhebungen unzureichend entspricht, steht diesem – soweit es tatsächlich beschwert ist – weiterhin die Möglichkeit offen, den Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung des Bestreitungsbeschlusses anzurufen. Damit entspricht das nunmehr gewählte Vorgehen jener Systematik, die der Verfassungsgesetzgeber für den Fall des unzureichenden Umfangs des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vorgesehen hat.

Angemerkt wird, dass es den verlangenden Mitgliedern des Untersuchungsausschusses jederzeit freisteht, eine neuerliche ergänzende Beweisanforderung einzubringen, die den rechtlichen Vorgaben entspricht, sollten sie der Ansicht sein, dass der Untersuchungsausschuss weiterhin ihrem Ansinnen unzureichend zum Durchbruch verholfen hat.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof schon mehrfach festgehalten hat, dass die Entscheidungen des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses über die Zulässigkeit von Fragen streng von der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu trennen sind. Eine entsprechende Übertragung sei verfehlt."

4. Ebenfalls am beschloss der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss gemäß §25 Abs1 VO-UA folgende ergänzende Beweisanforderung (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"'Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs1 VO-UA ersucht, die vollständige Kommunikation zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und dem Bundesministerium für Justiz zur Aktenvorlage und zum Verfahren betreffend den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zum Strafakt AZ 17 St 19/20i im Zuge des Ibiza-Untersuchungsausschusses im Umfang des Untersuchungsgegenstandes binnen einer Woche zu übermitteln.'

Begründung

Der sachliche Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand des gegenständlichen Antrags auf ergänzende Beweisanforderung ist offenkundig. Schließlich lautet Beweisthema 3 des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses:

'3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit

Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über

(…)

Vorwürfe der Behinderung der Beweiserhebungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses, insbesondere die interne Vorbereitung und Kommunikation zur Frage der Erfüllung der Beweisanforderungen und Erhebungsersuchen des Ausschusses im Bundesministerium für Finanzen einschließlich der Einbindung des Bundesministers für Finanzen und der Finanzprokuratur in diese Angelegenheiten zum mutmaßlichen Zwecke des Schutzes von mit der ÖVP verbundenen Personen einschließlich des Bundesministers B[.] selbst.'

Im Übrigen wird auf die Begründung des o.a. Antrages gemäß §25 Abs2 VO-UA verwiesen".

5. Am stellte das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses den vorliegenden, auf Art138b Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag und begründete diesen wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…] ZUR ZULÄSSIGKEIT UND RECHTZEITIGKEIT

Nach §138b Abs1 Z3 B-VG erkennt der VfGH über die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses eines Untersuchungsausschusses des Nationalrats, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhangs eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, auf Antrag des dieses Verlangen unterstützenden Viertels seiner Mitglieder.

Das Verlangen der Minderheit auf ergänzende Beweisanforderungen wurde von der Mehrheit im Untersuchungsausschuss mit Beschluss bestritten. Gemäß §56e Abs4 VfGG ist ein Antrag nicht mehr zulässig, wenn seit dem Beschluss des Untersuchungsausschusses zwei Wochen vergangen sind. Der Bestreitungsbeschluss wurde am gefasst. Der am im Wege des Präsidenten des Nationalrats eingebrachte Antrag ist daher rechtzeitig und – zumal vom verlangenden Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses unterfertigt – zulässig.

Anders als von der Mehrheit angedeutet, nimmt das von der Mehrheit in der Sitzung vom gestellte Verlangen [Blg. XIIa], Beilage ./4, den Einschreitern auch nicht die Beschwer: Die erhebliche Reduktion des Verlangens bloß auf Kommunikation in Bezug auf den Ibiza-Untersuchungsausschuss entspricht nicht dem ursprünglichen Verlangen, das sich insbesondere auf den derzeitigen Untersuchungsausschuss bezog. Dass das Verlangen der antragstellenden Minderheit selbst zulässig (weil vom Untersuchungsgegenstand umfasst) ist, wird im Folgenden dargestellt.

[…] RECHTLICHE AUSFÜHRUNGEN

Gemäß Art53 Abs3 B-VG haben alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses zu Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Die Vorlagepflicht der genannten Organe ergeben sich somit unmittelbar aus der Verfassung und begünstigt den Nationalrat in einseitiger Weise.[…] Art53 Abs3 B-VG begründet ein Selbstinformationsrecht des Untersuchungsausschusses im Umfang des Untersuchungsgegenstandes.[…] Nur durch unmittelbare Kenntnis aller diesbezüglicher Akten und Unterlagen ist eine Erfüllung des verfassungsgesetzlichen Kontrollauftrages möglich.[…]

Die näheren Einzelheiten des Verfahrens des Untersuchungsausschusses werden in der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) geregelt. Gemäß §22 Abs1 VO-UA erhebt der Untersuchungsausschuss die Beweise ua auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und der ergänzenden Beweisanforderungen im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes. Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet gemäß §24 Abs1 VO-UA ua Organe des Bundes 'zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands', wodurch der Untersuchungsausschuss von Beginn seiner Tätigkeit an eine möglichst umfassende Informationsgrundlage zur Verfügung haben soll.

Wird in weiterer Folge die Anforderung weiterer Erkenntnisquellen erforderlich, so besteht gem. §25 VO-UA die Möglichkeit ergänzender Beweisanforderungen. Sie kann ua von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 erster Satz VO-UA verlangt werden. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

Nach §25 Abs3 VO-UA hat eine ergänzende Beweisanforderung ein Organ im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist dabei zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig.

Der sachliche Zusammenhang des Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand kann von der Mehrheit mittels Beschluss bestritten werden. In diesem Fall besteht nach der Rechtsprechung des VfGH für die beschlussfassende Mehrheit eine verfassungsrechtliche, auf die bestrittenen Teile näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht der fehlenden (potentiellen) Relevanz des Verlangens der Minderheit.[…]

Im antragsgegenständlichen Beschluss kam die Mehrheit dieser sie treffenden verfassungsrechtlichen Begründungspflicht nicht bzw nicht ausreichend nach, weshalb sie den Beschluss mit Rechtswidrigkeit belastet hat. Die Minderheit hat ihr Verlangen auf ergänzende Beweisanforderungen gem. §25 Abs3 VO-UA hingegen gesetzeskonform begründet. Das Verlangen steht zudem gem. §25 Abs2 VO-UA im sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses. Um die Wirksamkeit des Verlangens zu erreichen, stellt die Minderheit daher den gegenständlichen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses der Mehrheit.[…]

Dazu im Detail:

[…] Sachlicher Zusammenhang des Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand gegeben/ausreichende Begründung des Verlangens

Im Beschluss der Mehrheit vom bestreitet diese den sachlichen Zusammenhang des Beweiserhebungsverlangens mit dem Untersuchungsgegenstand und behauptet zudem, das Verlangen der Minderheit enthalte keine ausreichende Begründung.

Das Gegenteil ist der Fall:

Unstrittig ist zunächst, dass der Akt (AZ 17 St 19/20i der WKStA), auf den sich das ursprüngliche Auskunftsverlangen bezog, vom Untersuchungsgegenstand offensichtlich umfasst ist. Die dort verakteten Ermittlungen betreffen, wie aufgrund diverser Berichte in den Medien allgemein bekannt wurde, im Untersuchungszeitraum getätigte Chats von Journalisten mit mutmaßlich mit der ÖVP (ehemals) verbundenen Personen (insbesondere T[.] S[.]).

Dass die Thematik im Umfang des Untersuchungsgegenstandes liegt, ergibt sich auch daraus, dass über diese Thematik eine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen wurde, zumal nur das Gegenstand einer Konsultationsvereinbarung sein kann, was Gegenstand einer Untersuchung durch einen Untersuchungsausschuss ist.

Schließlich wurde dieser Akt dem Untersuchungsausschuss am übermittelt und stand dem Untersuchungsausschuss am zur Verfügung (Klarstellung betreffend die Ausführungen im gegenständlichen Verlangen).

Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es, umfassend die Umstände im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, zu dem der gegenständliche Akt zählt, aufzuklären. Dazu zählt implizit auch, dass der Untersuchungsausschuss in der Lage sein muss, die Übermittlung von Akten und Unterlagen an sich selbst zu untersuchen, weil die seitens vorlagepflichtiger Organe zu übermittelnden Akten und Unterlagen ein – wenn nicht das – wesentliche Beweismittel zur Ergründung der zu untersuchenden Sachverhalte darstellt. Wenn daher ein Untersuchungsausschuss die Übermittlung von Akten und Unterlagen an sich selbst bzw seinen Zugang zu Beweismitteln nicht untersuchen könnte, wäre er nicht in der Lage, seine Aufgabe, die Aufklärung von Sachverhalten zu politischen Zwecken, sinnvoll zu erfüllen.

Diese Ansicht wird durch die parlamentarische Praxis bestätigt, in der die Aufklärung von Hintergründen der Aktenlieferung an einen Untersuchungsausschuss wiederholt Thema in Untersuchungsausschüssen war:

Die Auskunftsperson P[.] A[.] wurde in der 12. Sitzung des Hypo-Untersuchungsausschusses am im Wesentlichen ausschließlich zur Aktenlieferung an den Hypo-Untersuchungsausschuss befragt.[…] Im damaligen Ladungsverlangen wird explizit ausgeführt, dass die Person in die Übermittlung von Akten im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes an den Untersuchungsausschuss seitens der Bundesministeriums für Finanzen involviert sei, und daher ein sachlicher Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand bestehe (vgl Beilage ./16)

Auch die Befragung des damaligen Innenministers K[.] N[.] als Auskunftspersonen in der 4. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am […] und die Befragung der Justizministerin A[.] Z[.] als Auskunftsperson in derselben Sitzung[…] dienten vor allem der Erhellung von Hintergründen für die jeweilige Übermittlung von Beweismittel an den Untersuchungsausschuss. Bei diesen Befragungen stellte sogar die damalige Verfahrensrichterin Fragen betreffend die Vorlage von Beweismittel an den Untersuchungsausschuss; offensichtlich ging auch sie davon aus, dass derartige Fragen vom Untersuchungsgegenstand umfasst sind.

Ein überwiegender Teil der bestreitende Mehrheit hatte im Übrigen auch keine Bedenken, mit Verlangen vom [Blg. V], Beilage ./9, in der 28. Sitzung des gegenständlichen Untersuchungsausschusses den Bundesminister für Inneres zu laden. Dieser habe 'die Weigerung zu verantworten, den Aufträgen des Untersuchungsausschusses, insbesondere zur Vorführung von MMag. T[.] S[.] nachzukommen.' Auch hier geht es um die Untersuchung von Vorgängen, die sich nach dem Untersuchungszeitraum zugetragen haben, aber im Zusammenhang mit der Beweiserhebung (Befragung von Auskunftspersonen) durch den Untersuchungsausschuss selbst stehen und daher abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand bzw für die Sachverhaltserhebung durch den Untersuchungsausschuss selbst haben könnten.

Darüber hinaus kann die fehlerhafte Übermittlung von Akten und Unterlagen ein Indiz dafür sein, dass der Akt selbst relevante Informationen enthält: Wenn etwa eine Verzögerung auf allenfalls vorzunehmende Schwärzungen hindeutet, könnten die vorgenommenen Schwärzungen von Interesse sein. Wenn es – wie hier vorliegend – keine plausible Erklärung für derartige Verzögerungen gibt, ist es denkbar, dass die Verwaltung allfällige Unzulänglichkeiten zu verschleiern versucht, die auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem konkreten Akt stehen können. Hier muss es zulässig sein, dass der Untersuchungsausschuss entsprechende Nachforschungen anstellt, um auch das Umfeld des konkreten Aktes näher ausleuchten zu können.

So wie – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs – auch Vorbereitungshandlungen zu Untersuchungsgegenständen von Auskunftsverlangen umfasst sein können[…], muss dies ebenso für 'Nachbereitungshandlungen' gelten. So wie in Bezug auf Vorbereitungsarbeiten ist es dem Untersuchungsausschuss nur durch Kenntnis auch der Nachbereitungsarbeiten möglich, seiner Aufgabe nachzukommen und ein umfassendes Bild der Untersuchungsgegenstände wahrnehmen zu können.

Vor diesem Hintergrund hat das Verlangen zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstands zumindest abstrakte Relevanz im Sinne der Rechtsprechung des VfGH.[…]

Auch insoweit sollten verfahrensrechtliche Begleitumstände des laufenden Untersuchungsausschusses untersucht werden, obwohl diese – jedenfalls nach Meinung der Mehrheit – eigentlich außerhalb des Untersuchungsgegenstands gelegen waren.

Der sachliche Zusammenhang besteht somit aber nicht nur – sowie die Mehrheit vermeint – in Bezug auf die Lieferung von Akten des Ibiza-Untersuchungsausschusses, sondern eben auch in Bezug auf Lieferung von Akten des hier gegenständlichen Ausschusses.

[…] Keine substantiierte Begründung der Bestreitung

Der Beschluss der Mehrheit erweist sich außerdem aus einem weiteren Grund als mit Rechtswidrigkeit belastet: Die Mehrheit trifft im Fall des Bestreitens eines Verlangens gem. §25 Abs2 VO-UA eine verfassungsrechtliche Begründungspflicht. Es bedarf daher nicht nur der Behauptung eines fehlenden sachlichen Zusammenhangs des Beweiserhebungsverlangens mit dem Untersuchungsgegenstand, sondern einer substantiierten Begründung für den fehlenden Zusammenhang des Erhebungsersuchens mit dem Untersuchungsgegenstand. Der pauschale Verweis allein darauf, dass Erhebungen nicht in einem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden, belastet den Beschluss mit Rechtswidrigkeit.

Im Wesentlichen beschränkt sich die Bestreitung auf die Behauptung, dass in der Begründung des Verlangens Anhaltspunkte fehlen würden, dass eine Relevanz für die Untersuchung gegeben sei. Wie bereits dargelegt ist dies unrichtig. Für einen Gesamtzusammenhang ist es zwingend erforderlich, auch die Ereignisse im Umfeld der Aktenlieferung untersuchen zu können. Dies aber hat aber die Minderheit bereits hinreichend dargetan, weshalb nicht das Verlangen, sondern der Bestreitungsbeschluss nicht ausreichend begründet ist.

Im Übrigen vermag der von der Mehrheit gestellte und beschlossene Antrag, mit dem die Aktenvorlage betreffend den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zum Strafakt AZ 17 St 19/20i auf die Vorlage der Kommunikation 'im Zuge des Ibiza- Untersuchungsausschusses' eingeschränkt wird, an der Rechtswidrigkeit der Bestreitung nichts zu ändern. Dies schon deshalb, weil das ursprüngliche Verlangen gerade nicht diese Einschränkung enthielt und damit dieses Verlangen reduziert würde. Weil aber das Verlangen, wie oben dargestellt, sich zur Gänze im Rahmen des Untersuchungsgenstandes bewegt, ist die Einschränkung nicht geeignet, den behaupteten 'gesetzmäßigen Zustand' herzustellen. Der Bestreitungsbeschluss ist und bleibt damit rechtswidrig."

6. Dem Präsidenten des Nationalrates wurde die Möglichkeit eingeräumt, bis zu diesem Antrag Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom übermittelte die Parlamentsdirektion eine vom ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am selben Tag beschlossene Äußerung.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, auf Antrag des dieses Verlangen unterstützenden Viertels seiner Mitglieder. Dies umfasst auch Mehrheitsbeschlüsse, mit denen der sachliche Zusammenhang eines Verlangens auf Vorlage von Akten und Unterlagen mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird (vgl ).

1.2. Gemäß §25 Abs2 VO-UA kann ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 VO-UA im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen (§25 Abs3 VO-UA). Die Beweisanforderung ist zu begründen.

Ein solches Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses in dieser Sitzung den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nicht mit Beschluss bestreitet (§25 Abs2 VO-UA). Erfolgt eine solche Bestreitung, kann das verlangende Viertel der Mitglieder nach §25 Abs4 VO-UA den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nach §25 Abs2 VO-UA anrufen. Ein solcher Antrag ist gemäß §56e Abs4 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Beschluss des Untersuchungsausschusses zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß §56e Abs6 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.

1.3. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss hat mit Beschluss vom den sachlichen Zusammenhang des Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder auf ergänzende Beweisanforderungen mit dem Untersuchungsgegen-stand bestritten.

Der am von vier – das Verlangen gemäß §25 Abs2 VO-UA vom unterstützenden – Mitgliedern des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG erweist sich daher als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses eingebracht.

1.4. Der Antrag ist aber nur teilweise zulässig:

1.4.1. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss legt in seinem (Bestreitungs-)Beschluss dar, dass im Hinblick auf einen Teil des in Rede stehenden Verlangens zwar ein sachlicher Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand bestehe, es ihm jedoch verwehrt sei, das ergänzende Beweisverlangen des antragstellenden Viertels nur in Teilen zu bestreiten, um es auf das nach seiner Auffassung zulässige Maß zu reduzieren. Er sehe sich jedoch dazu veranlasst, durch Annahme eines entsprechenden, auf das zulässige Maß eingeschränkten eigenen Antrages auf ergänzende Beweisanforderungen sicherzustellen, dass "dem Ansinnen der Minderheit soweit als möglich Wirksamkeit verliehen wird".

Aus diesem Grund beschloss der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss – gesondert vom angefochtenen (Bestreitungs-)Beschluss – am folgendes Ersuchen an die Bundesministerin für Justiz (die Änderung gegenüber dem im Verlangen vom selben Tag enthaltenen Begehren ist hervorgehoben):

"Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs1 VO-UA ersucht, die vollständige Kommunikation zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und dem Bundesministerium für Justiz zur Aktenvorlage und zum Verfahren betreffend den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zum Strafakt AZ 17 St 19/20i im Zuge des Ibiza-Untersuchungsausschusses im Umfang des Untersuchungsgegenstandes binnen einer Woche zu übermitteln."

1.4.2. Das einschreitende Viertel des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses legt in seinem Antrag an den Verfassungsgerichtshof dar, dass die ergänzende Beweisanforderung gemäß §25 Abs1 VO-UA die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht zu beseitigen vermöge, "weil das ursprüngliche Verlangen gerade nicht diese Einschränkung enthielt und damit dieses Verlangen reduziert würde".

1.4.3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich somit, dass sich das auf §25 Abs1 VO-UA gestützte Ersuchen des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom an die Bundesministerin für Justiz teilweise mit dem Verlangen des einschreitenden Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses deckt. Dessen ungeachtet hat die antragstellende Minderheit des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses den (Bestreitungs-)Beschluss vom zur Gänze angefochten.

1.4.4. Damit wird verkannt, dass eine Streitigkeit zwischen der Mehrheit des Untersuchungsausschusses und dem Viertel seiner Mitglieder gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG teilweise oder zur Gänze beendet wird, wenn der Untersuchungsausschuss einen Beschluss gefasst hat, der sich offenkundig der Sache nach teilweise oder zur Gänze mit dem Verlangen auf ergänzende Beweisanforderungen gemäß §25 Abs2 VO-UA deckt (vgl ). Im konkreten Fall ist die Streitigkeit zwischen der Mehrheit und dem antragstellenden Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses insoweit, dh teilweise, beendet worden, als der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss (in derselben Sitzung, in der auch der Beschluss gefasst wurde, das Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom zu bestreiten) die Bundesministerin für Justiz mit Beschluss gemäß §25 Abs1 VO-UA ersucht hat, einen Teil jener Akten und Unterlagen vorzulegen, die auch vom bestrittenen Verlangen umfasst sein sollten.

1.4.5. Da somit insoweit die Streitigkeit zwischen dem antragstellenden Viertel der Mitglieder und der Mehrheit des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses beendet worden ist, ist der Antrag in diesem Umfang zurückzuweisen.

1.5. Im Übrigen ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache

2.1. Gegenstand des Verfahrens nach Art138b Abs1 Z3 B-VG ist der Beschluss eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Vorlage weiterer Akten und Unterlagen mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird. Der Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens wird durch den angefochtenen Umfang der Entscheidung des Untersuchungsausschusses begrenzt.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem Verfahren zur Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken. Er hat sohin im vorliegenden Fall ausschließlich zu beurteilen, ob der Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom , mit dem der sachliche Zusammenhang des Verlangens des antragstellenden Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom selben Tag mit dem Untersuchungsgegenstand zur Gänze bestritten wurde, aus den im Antrag an den Verfassungsgerichtshof genannten Gründen rechtmäßig ist oder nicht.

2.2. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss führt in der Begründung des (Bestreitungs-)Beschlusses vom aus, die mit dem Verlangen begehrten Akten und Unterlagen – sofern sie nicht bereits während des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) bestanden hätten – bezögen sich auf Ereignisse, die nach dem im Untersuchungsgegenstand festgelegten Untersuchungszeitraum stattgefunden hätten und deren Relevanz für die Untersuchung sich nicht erschließe. Ergänzende Beweisanforderungen dienten dazu, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu ergänzen, nicht aber der Ausweitung des Untersuchungsgegenstands. Insbesondere könne die Untersuchung nicht auf Sachverhalte erweitert werden, die keinen Bezug zum Untersuchungszeitraum aufwiesen. Die Untersuchung der Aktenvorlage an den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss selbst führte die Begrenzung der Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses durch den Untersuchungsgegenstand ad absurdum. Sofern ausnahmsweise dennoch eine Relevanz für den Untersuchungsgegenstand gegeben sein könnte, sei eine solche nicht offenkundig, und es fehlten dafür jegliche Anhaltspunkte.

2.3. Das im verfassungsgerichtlichen Verfahren antragstellende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses tritt den Ausführungen im (Bestreitungs-)Beschluss insofern entgegen, als es darlegt, dass der Strafakt der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (in der Folge: Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft), auf den sich die im Verlangen begehrten Akten und Unterlagen bezögen, offensichtlich vom Untersuchungsgegenstand umfasst sei, zumal er Gegenstand einer Konsultationsvereinbarung gewesen und dem Untersuchungsausschuss auch übermittelt worden sei. Aufgabe des Untersuchungsausschusses sei es, umfassend alle Umstände im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand aufzuklären. Dazu zähle auch die Übermittlung von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss selbst, weil die seitens der vorlagepflichtigen Organe zu übermittelnden Akten und Unterlagen wesentliche Beweismittel zur Ergründung der zu untersuchenden Sachverhalte darstellten. Wäre der Untersuchungsausschuss nicht in der Lage, die Übermittlung von Akten und Unterlagen an sich selbst bzw den Zugang zu Beweismitteln zu untersuchen, so könne er seine Aufgabe, die Aufklärung von Sachverhalten zu politischen Zwecken, nicht sinnvoll erfüllen. Diese Ansicht werde durch die parlamentarische Praxis bestätigt, in der die Aufklärung von Hintergründen der Aktenlieferung an den Untersuchungsausschuss wiederholt thematisiert worden sei. Die fehlerhafte Übermittlung von Akten und Unterlagen könne ein Indiz dafür sein, dass die Dokumente relevante Informationen enthielten. Komme es – wie bei der Übermittlung des in Rede stehenden Aktes der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – zu erheblichen Verzögerungen, für die keine plausible Erklärung ersichtlich sei, so sei denkbar, dass die Verwaltung allfällige Unzulänglichkeiten zu verschleiern versuche. Es müsse zulässig sein, dass der Untersuchungsausschuss in einem solchen Fall entsprechende Nachforschungen anstellen könne. Wie – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (; , UA4/2021) – auch Vorbereitungshandlungen zu Untersuchungsgegenständen von Auskunftsverlangen umfasst sein könnten, müsse dies ebenso für "Nachbereitungshandlungen" gelten. Vor diesem Hintergrund habe das Verlangen zumindest abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand. Die Begründung des (Bestreitungs-)Beschlusses beschränke sich im Wesentlichen auf die Behauptung, es fehle dem Verlangen an Anhaltspunkten, dass eine Relevanz für den Untersuchungsgegenstand gegeben sei. Wie bereits aus dem Verlangen ausreichend deutlich hervorgehe, sei dies aber unrichtig. Der von der Mehrheit des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses gefasste Beschluss vom entbehre daher einer ausreichenden Begründung.

2.4. Der angefochtene Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom erweist sich aus folgenden Gründen als rechtmäßig:

2.4.1. Das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses hat am das Verlangen gestellt, die Bundesministerin für Justiz aufzufordern,

"die vollständige Kommunikation zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und dem Bundesministerium für Justiz zur Aktenvorlage und zum Verfahren betreffend den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zum Strafakt AZ 17 St 19/20i im Umfang des Untersuchungsgegenstandes binnen einer Woche zu übermitteln".

2.4.2. Ein Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses kann gemäß §25 Abs2 VO-UA ein Verlangen auf Vorlage von Akten und Unterlagen stellen, wobei das Verlangen erst dann wirksam wird, wenn die Mehrheit der Mitglieder "in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet". Die ergänzende Beweisanforderung, die ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 VO-UA im Umfang des Untersuchungsgegenstands (vgl Art53 Abs3 B-VG und §25 Abs3 VO-UA, die zwischen der Vorlage von Akten und Unterlagen und der Vorlage von Beweiserhebungen im Hinblick auf den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand differenzieren) ua zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten hat, ist entsprechend der ausdrücklichen Regelung in §25 Abs3 zweiter Satz VO-UA zu begründen.

2.4.3. Dieser Behauptungs- und Begründungspflicht seitens des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses steht eine korrespondierende Behauptungs- und Begründungspflicht des Untersuchungsausschusses gegenüber, wenn und insoweit dieser das Verlangen nach einer ergänzenden Beweisanforderung mit Beschluss gemäß §25 Abs2 (letzter Satz) VO-UA bestreitet.

2.4.4. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §56e Abs6 VfGG, über einen Antrag iSd Art138b Abs1 Z3 B-VG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen) zu entscheiden, sowie im Hinblick auf die befristete Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl §53 VO-UA) und auch angesichts der mangelnden Parteistellung der beschlussfassenden Mehrheit im Untersuchungsausschuss (vgl aber §56c Abs4 VfGG zu Verfahren nach Art138b Abs1 Z1 B-VG) hat diese Mehrheit ihren Beschluss mit hinreichender Deutlichkeit auf eine nachvollziehbare Begründung zu stützen, um dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen der im Untersuchungsausschuss vorgebrachten Argumente eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Untersuchungsausschusses im Verfahren nach Art138b Abs1 Z3 B-VG zu ermöglichen (vgl sinngemäß ). Die beschlussfassende Mehrheit trifft somit eine substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz des Verlangens des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses für den Untersuchungsgegenstand ().

2.4.5. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach dargelegt hat, darf die Begründungspflicht der im parlamentarischen Streitverfahren verfangenen Parteien nicht überspannt werden (VfGH jeweils , UA7-45/2022, und UA46-74/2022; , UA4/2022). Es obliegt den Parteien, die wesentlichen Gründe anzugeben, die dafür oder dagegen sprechen, dass das Verlangen des antragstellenden Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom Umfang des Untersuchungsgegenstands gedeckt – und damit von (potentieller) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand – ist.

2.4.6. Die Anforderungen an die Begründung einerseits eines Verlangens nach einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 und 3 VO-UA und andererseits einer Bestreitung, dass dieses Verlangen vom Umfang des Untersuchungsgegenstands gedeckt ist, sind unterschiedlich danach zu beurteilen, ob das Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses offenkundig vom Umfang des Untersuchungsgegenstands gedeckt ist oder ob dies eben nicht der Fall ist. Dementsprechend sind die Anforderungen an die Begründung des (Bestreitungs-)Beschlusses unterschiedlich (vgl VfGH jeweils , UA7-45/2022, und UA46-74/2022; , UA4/2022).

2.4.7. Vor diesem Hintergrund hat die beschlussfassende Mehrheit des Untersuchungsausschusses nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hinreichend nachvollziehbar dargelegt, dass nicht erkennbar ist, inwiefern das Verlangen des einschreitenden Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses für die Untersuchung von (potentieller) abstrakter Relevanz ist:

Das Verlangen richtet sich auf die Untersuchung der Übermittlung bestimmter Akten und Unterlagen durch die Bundesministerin für Justiz und erfasst (auch) Vorgänge im Bundesministerium für Justiz, die seit März 2022 gesetzt wurden. Welchen Zusammenhang die behauptete verspätete Aktenübermittlung mit dem Untersuchungsgegenstand aufweisen soll, geht aus dem in Rede stehenden Verlangen nicht hervor. Ist es aber, wie im vorliegenden Fall, nicht offenkundig, dass die Vorgänge, auf die sich die begehrten Akten und Unterlagen beziehen, im Umfang des Gegenstands der Untersuchung liegen, hätte das einschreitende Viertel in seinem Verlangen dafür eine nähere Begründung geben müssen (VfGH jeweils , UA7-45/2022, und UA46-74/2022; , UA4/2022).

Der Verfassungsgerichtshof hält ferner fest, dass die parlamentarische Praxis im Rahmen der Sitzungen des Untersuchungsausschusses für den Verfassungsgerichtshof keinen Maßstab für die Rechtmäßigkeit von (Bestreitungs-)Beschlüssen des Untersuchungsausschusses bildet (VfGH jeweils , UA7-45/2022, und UA46-74/2022; , UA4/2022).

2.4.8. Da somit der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss in seinem (Bestreitungs-)Beschluss vom – im Hinblick auf den zulässigen Teil des Antrages – hinreichend begründet hat, warum das Verlangen des einschreitenden Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nicht vom Umfang des Untersuchungsgegenstands des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses gedeckt ist, erweist sich der bekämpfte Beschluss, mit dem das auf §25 Abs2 und 3 VO-UA gestützte Verlangen des im verfassungsgerichtlichen Verfahren antragstellenden Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses bestritten wurde, als rechtmäßig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist insoweit zurückzuweisen, als sich das Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses mit dem Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom , mit dem die Bundesministerin für Justiz zur Vorlage näher bestimmter Akten und Unterlagen aufgefordert wurde, deckt.

Im Übrigen ist der Antrag abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2022:UA96.2022
Schlagworte:
VfGH / Untersuchungsausschuss, Entscheidungsbegründung, Bundesminister, Beweise, res iudicata

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