VfGH vom 01.12.2022, G97/2021 ua
Leitsatz
Abweisung von Anträgen auf Aufhebung einer — hinreichend bestimmten — Bestimmung des EpidemieG 1950 betreffend die Überprüfung der Zulässigkeit von Absonderungsmaßnahmen durch die Bezirksgerichte; kein Verstoß der gerichtlichen Überprüfung verwaltungsbehördlicher Absonderungsmaßnahmen gegen den Grundsatz der Trennung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit auf Grund der Zulässigkeit der Entscheidung (auch) durch ordentliche Gerichte nach dem PersFrSchG
Spruch
I.Die Anträge werden abgewiesen, soweit sie sich auf §7 Abs1a letzter Satz Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, idF BGBl Nr I 63/2016 beziehen.
II.Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
1. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG, begehrt das Bezirksgericht Amstetten mit seinem zu G97/2021 protokollierten Antrag, §7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG idF BGBl I 104/2020 als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG, begehrt das Bezirksgericht Bludenz mit seinem zu G141/2021 protokollierten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge §7 Abs1a dritter Satz EpiG idF BGBl I 104/2020 und §7 Abs1a vierter Satz EpiG idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG, jeweils in der Fassung BGBl I 104/2020, in eventu §7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a vierter Satz EpiG idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a vierter Satz EpiG idF BGBl I 104/2020 als verfassungswidrig aufheben, "in eventu gemäß Art89 Abs3 B-VG (Art140 Abs4 B-VG) [aussprechen], dass diese Bestimmungen verfassungswidrig waren."
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Tuberkulosegesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden, BGBl I 63/2016, wurde nach §7 Abs1 EpiG, BGBl 186/1950, Abs1a eingefügt, der wie folgt lautete und am in Kraft trat:
"(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde."
2. Art1 Z5 des Bundesgesetzes, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, BGBl I 104/2020, fügte in §7 Abs1a dritter Satz EpiG nach der Wortfolge "Jede Anhaltung" die Wortfolge ", die länger als zehn Tage aufrecht ist," ein. Gemäß §50 Abs15 EpiG idF BGBl I 104/2020 trat diese Änderung mit in Kraft und war auch auf alle bei Inkrafttreten aufrechten Anhaltungen nach §7 Abs1a leg. cit. anzuwenden. Weiters sollte nach dieser Bestimmung §7 Abs1a dritter Satz EpiG idF BGBl I 104/2020 mit (Ablauf des) außer Kraft treten und die frühere Rechtslage wieder gelten.
3. Mit Erkenntnis vom , G380/2020 ua, hat der Verfassungsgerichtshof §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, BGBl 186/1950, idF BGBl I 63/2016 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Kundmachung dieser Aufhebung erfolgte durch den Bundeskanzler mit BGBl I 64/2021 am . Diese Aufhebung trat damit am in Kraft.
4. §7 Abs1a EpiG idF BGBl I 104/2020 und BGBl I 64/2021 lautete daher vom bis zum wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde."
5. Art1 Z3
des Bundesgesetzes, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, BGBl I 90/2021, ersetzte in §7 Abs1a (nunmehr: zweiter Satz) EpiG mit Wirkung vom das Wort "zehn" durch die Zahl "14" (gleichzeitig wurde mit Art1 Z15 dieser Novelle §50 Abs15 EpiG präzisiert).
6. Art1 Z5 des Bundesgesetzes, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, BGBl I 183/2021, ersetzte in §7 Abs1a (erster Satz) EpiG das Wort "angehalten" durch das Wort "abgesondert" und hob den (nunmehr) zweiten und dritten Satz dieser Bestimmung mit Ablauf des auf. Gleichzeitig fügte Art1 Z6 dieser Novelle nach §7 EpiG die Bestimmung des §7a "Rechtsschutz bei Absonderungen" mit Wirkung vom ein.
6.1. §7a EpiG idF BGBl I 183/2021 lautet wie folgt:
"Rechtsschutz bei Absonderungen
§7a. (1) Personen, die gemäß §7 abgesondert werden oder abgesondert wurden oder denen gegenüber eine Absonderung angeordnet wurde, haben das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung, in ihren Rechten verletzt zu sein, anzurufen.
(2) Gegen die Anordnung der Absonderung mittels Mandatsbescheids (§57 Abs1 AVG) ist eine Vorstellung nicht zulässig.
(3) Für Beschwerden gemäß Abs1 gelten die für Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass die belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat oder der die Absonderung zuzurechnen ist. Örtlich zuständig ist das Landesverwaltungsgericht jenes Landes, in dem die belangte Behörde ihren Sitz hat. Das Landesverwaltungsgericht hat die belangte Behörde umgehend über das Einlangen der Beschwerde zu informieren.
(4) Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes über die Rechtmäßigkeit der Absonderung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Absonderung hätte vorher geendet. Hat das Landesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß §13 Abs3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird die Zeit bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist in die Entscheidungsfrist nicht einberechnet.
(5) Sofern die Absonderung noch andauert, hat das Landesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Absonderung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(6) Soll eine Absonderung länger als 14 Tage dauern, ist sie dem Landesverwaltungsgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde, die sie verfügt hat, unverzüglich anzuzeigen. Das Landesverwaltungsgericht hat in längstens vierwöchigen Abständen ab der Absonderung oder der letzten Überprüfung über die Notwendigkeit der Absonderung zu entscheiden. Die Bezirksverwaltungsbehörde, die die Absonderung verfügt hat, hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Landesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt, und hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Absonderung notwendig ist. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für die abgesonderte Person eingebracht. Das Landesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Absonderung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Absonderung verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde nach Abs1 bereits eingebracht wurde."
6.2. §50 Abs26 EpiG idF BGBl I 183/2021 lautet wie folgt:
"(26) §4b Abs7 Z4, §4e Abs6, §4f Abs1, §5a Abs1a, §5c Abs1, §7 Abs1a, §7a samt Überschrift, §17 Abs5, die Überschrift zu §23, §24 Abs4, §25 Abs5 und §26a Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 183/2021 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft; gleichzeitig treten §7 Abs1a zweiter und dritter Satz außer Kraft. Verfahren gemäß §7 Abs1a, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des §7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 183/2021 bereits vor dem Bezirksgericht anhängig waren, sind gemäß den Bestimmungen des §7 Abs1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 105/2021 weiterzuführen. Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des §7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 183/2021 bereits vor dem Landesverwaltungsgericht anhängig waren, sind nach der Rechtslage vor BGBl I Nr 183/2021 weiterzuführen. §5a Abs3 und §36 Abs1 lita in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 183/2021 treten mit in Kraft."
7. Der 2. Abschnitt des I. Hauptstückes des Bundesgesetzes vom zur Bekämpfung der Tuberkulose (Tuberkulosegesetz), BGBl 127/1968, idF BGBl I 63/2016 (§17 idF BGBl I 104/2020) lautet wie folgt:
"2. Abschnitt
Maßnahmen zur Vermeidung einer schweren Gesundheitsgefährdung anderer Personen
Schutz der Persönlichkeitsrechte
§13. (1) Die Persönlichkeitsrechte an Tuberkulose erkrankter oder krankheitsverdächtiger Personen, die in einer Krankenanstalt angehalten werden, sind besonders zu schützen. Ihre Menschenwürde ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren.
(2) Beschränkungen von Persönlichkeitsrechten sind nur zulässig, soweit sie im Verfassungsrecht, in diesem Bundesgesetz oder in anderen gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen sind.
Antrag
§14. (1) Verstößt eine an Tuberkulose im Sinn des §1 Abs2 oder 3 erkrankte oder im Sinne des §1 Abs4 krankheitsverdächtige Person trotz einer Belehrung gemäß §9 Abs1 Z8 und 9 gegen die ihr obliegenden Pflichten und entsteht dadurch eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde beim Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Krankenanstalt liegt, in der die Anhaltung durchgeführt werden soll, die Feststellung der Zulässigkeit der Anhaltung in einer zur Behandlung von Tuberkulose eingerichteten Krankenanstalt zu beantragen. Dem Antrag der Bezirksverwaltungsbehörde ist ein fachärztliches Zeugnis zur Bescheinigung der Gesundheitsgefährdung anderer Personen beizulegen, in dem im Einzelnen die Gründe anzuführen sind, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Anhaltung für gegeben erachtet.
(2) Wenn das Gericht die Anhaltung für zulässig erklärt, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die anzuhaltende Person binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses in eine zur Behandlung von Tuberkulose eingerichtete Krankenanstalt einzuweisen. Wenn und solange sich die anzuhaltende Person nach Zustellung des Gerichtsbeschlusses entsprechend den ihr obliegenden Verpflichtungen verhält, darf sie auf Grund des Gerichtsbeschlusses nicht in eine Krankenanstalt eingewiesen werden.
Gerichtliches Verfahren
§15. (1) Das Gericht hat auf Grund des Antrages möglichst binnen zwei Wochen im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden, ob die Anhaltung der Person in einer Krankenanstalt zulässig ist. Die Zulässigkeit der Anhaltung ist auszusprechen, wenn die in §14 oder §20 umschriebene Gesundheitsgefährdung anderer Personen gegeben ist und andere gelindere Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefährdung nicht ausreichen.
(2) Das Gericht hat innerhalb der Frist des Abs1 eine mündliche Verhandlung abzuhalten, bei der die Person, erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Dolmetschers, sowie der behandelnde Arzt persönlich anzuhören sind. Wenn eine Gesundheitsgefährdung des Richters und der anderen am Verfahren teilnehmenden Personen nicht ausgeschlossen werden kann, kann der Richter der Person die Teilnahme an der Verhandlung unter Verwendung geeigneter technischer Einrichtungen ermöglichen. Leistet die Person einer Ladung nicht Folge, so kann sie vorgeführt werden. Sie ist über die Verfahrenshilfe sowie über die mögliche Beiziehung eines anwaltlichen Vertreters zu belehren. Auf Verlangen der Person oder ihres Vertreters hat das Gericht die Öffentlichkeit auszuschließen.
(3) Auf Verlangen der Person sowie, wenn das Gericht es für notwendig erachtet, von Amts wegen ist zusätzlich zur Einvernahme des behandelnden Arztes ein Sachverständiger beizuziehen. Im Falle einer Tuberkuloseerkrankung nach §1 Abs3 ist zur Frage der Wahrscheinlichkeit einer Reaktivierung und der sich daraus ergebenden Fremdgefährdung jedenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.
(4) Am Schluss der mündlichen Verhandlung hat das Gericht über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden sowie den Beschluss zu verkünden, zu begründen und der Person zu erläutern. Das Gericht hat den Beschluss innerhalb von sieben Tagen schriftlich auszufertigen.
(5) Sofern das Gericht in seinem Beschluss nichts anderes anordnet, ist die Anhaltung auf unbestimmte Dauer zulässig.
Verständigungspflichten
§16. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat das Gericht insbesondere von der Durchführung der Einweisung und der Beendigung der Anhaltung (§17 Abs1) zu verständigen.
(2) Der ärztliche Leiter der Krankenanstalt hat die Bezirksverwaltungsbehörde und das Gericht unverzüglich zu verständigen, wenn sich die Person in der Krankenanstalt eingefunden hat, wenn sie entlassen worden ist oder wenn sie die Krankenanstalt eigenmächtig verlassen hat.
Beendigung der Anhaltung
§17. (1) Ist auf Grund des Verhaltens der angehaltenen Person oder anderer Umstände zu erwarten, dass durch die Erkrankung keine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen mehr besteht, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde sogleich die Anhaltung zu beenden.
(2) Ist der ärztliche Leiter der Krankenanstalt der Ansicht, dass die angehaltene Person zu entlassen ist, hat er davon sogleich die Bezirksverwaltungsbehörde zu verständigen. Vertritt die Bezirksverwaltungsbehörde entgegen dem ärztlichen Leiter die Ansicht, dass die Anhaltung nicht zu beenden ist, hat sie das Gericht zu befassen, das darüber zu entscheiden hat.
(3) Das Gericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab dem Datum des Beschlusses über die Zulässigerklärung einer Anhaltung oder der letzten Überprüfung über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen zu entscheiden; sind die Voraussetzungen weggefallen, hat es die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen. Anlässlich der Überprüfung hat das Gericht jedenfalls eine Stellungnahme des ärztlichen Leiters einzuholen. Der Beschluss ist noch innerhalb der dreimonatigen Frist schriftlich auszufertigen.
(4) Die angehaltene Person kann jederzeit bei Gericht beantragen, die Unzulässigkeit der Anhaltung auszusprechen. Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung können von einer angehaltenen Person, die nicht anwaltlich vertreten ist, nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Gericht auch mit E-Mail an die vom Gericht bekanntgegebene E-Mail-Adresse eingebracht werden. Dem Antrag ist eine Abbildung eines Identitätsnachweises sowie des die Anhaltung aussprechenden Bescheides anzuschließen.
(5) Das Gericht hat über die Zulässigkeit der Anhaltung nach Abs2 bis 4 in mündlicher Verhandlung, im Fall des Abs2 und 4 innerhalb einer Woche ab Antragstellung, zu entscheiden. Die §15 Abs2 bis 5 sind anzuwenden.
(6) Anlässlich der Beendigung der Anhaltung nach Abs1 bis 4 hat die Bezirksverwaltungsbehörde die angehaltene Person in einer ihr verständlichen Sprache über ihren gesundheitlichen Zustand und die zur Abwendung der von der Erkrankung ausgehenden ernstlichen und erheblichen Gefahr für die Gesundheit anderer Personen und die zu deren Abwendung notwendigen Maßnahmen aufzuklären und insbesondere darüber zu belehren, dass bei Verstoß gegen die ihr auferlegten Verhaltenspflichten ein neuer Antrag auf Anhaltung gestellt werden kann.
Beschränkungen der Bewegungsfreiheit
§18. (1) Zur Sicherung des Zweckes der Anhaltung und Hintanhaltung der Gesundheitsgefährdung anderer Personen kann die angehaltene Person in der Krankenanstalt auf Anordnung des ärztlichen Leiters der Krankenanstalt Beschränkungen in der Freiheit der Bewegung und des Verkehrs mit der Außenwelt unterworfen werden. Abgesehen vom persönlichen Verkehr darf die Kommunikation mit der Außenwelt nicht eingeschränkt werden.
(2) Im Allgemeinen darf die Bewegungsfreiheit der angehaltenen Person nur auf mehrere Räume oder auf bestimmte räumliche Bereiche beschränkt werden. Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Raum sind vom behandelnden Arzt jeweils besonders anzuordnen und in der Krankengeschichte unter Angabe des Grundes zu dokumentieren.
(3) Auf Verlangen der angehaltenen Person hat das nach §14 Abs1 zuständige Gericht über die Zulässigkeit von Beschränkungen nach dieser Bestimmung nach Anhörung des ärztlichen Leiters der Krankenanstalt in mündlicher Verhandlung innerhalb einer Woche zu entscheiden. Die §15 Abs2 bis 5 sind anzuwenden.
(4) Der ärztliche Leiter der Krankenanstalt und die Bezirksverwaltungsbehörde haben sicherzustellen, dass die Persönlichkeitsrechte der angehaltenen Person in einem möglichst geringen Ausmaß beschränkt werden und diese über das Stadium der Erkrankung sowie über ihre Rechte in einer ihr verständlichen Sprache aufgeklärt wird.
Rechtsmittel
§19. (1) Gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung oder eine Beschränkung nach §18 für zulässig erklärt wird, kann die angehaltene Person innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben.
(2) Gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung für unzulässig erklärt wird, kann die Bezirksverwaltungsbehörde, gegen einen Beschluss, mit dem eine Beschränkung nach §18 für unzulässig erklärt wird, kann der ärztliche Leiter der Krankenanstalt innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Erklärt das Gericht die Anhaltung oder Beschränkung für unzulässig, so ist die Anhaltung sogleich zu beenden oder die Beschränkung aufzuheben, es sei denn, dass die Bezirksverwaltungsbehörde oder der ärztliche Leiter der Krankenanstalt unmittelbar nach der Verkündung erklärt, Rekurs zu erheben, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung lässt das Rekursrecht unberührt. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann kein Rekurs erhoben werden.
(3) Im Fall einer nach Abs2 zuerkannten aufschiebenden Wirkung hat das Gericht erster Instanz unmittelbar nach Einlangen des Rekurses zu prüfen, ob diesem weiterhin aufschiebende Wirkung zukommt. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann kein Rekurs erhoben werden.
(4) Das Recht zur Rekursbeantwortung kommt nur der angehaltenen Person zu. Die Rekursbeantwortung ist innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Rechtsmittels einzubringen.
(5) Das Gericht zweiter Instanz hat, sofern die Anhaltung noch andauert, innerhalb von 14 Tagen ab Einlangen der Akten zu entscheiden.
Soforteinweisung
§20. (1) Entsteht durch das Verhalten einer an Tuberkulose im Sinn des §1 Abs2 oder 3 erkrankten oder im Sinne des §1 Abs4 krankheitsverdächtigen und gemäß §9 Abs1 Z8 und 9 belehrten Person eine unmittelbare und akute Gefahr, dass sie eine andere Person ansteckt, und kann diese Gefahr nicht durch gelindere Maßnahmen hintangehalten werden, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Person sogleich in eine zur Behandlung von Tuberkulose eingerichtete Krankenanstalt zum Zweck der Anhaltung einzuweisen.
(2) Im Fall der Soforteinweisung gelten die Bestimmungen des 2. Abschnitts mit folgenden Besonderheiten:
1. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat unverzüglich die Feststellung der Zulässigkeit der Anhaltung beim zuständigen Bezirksgericht (§14 Abs1) zu beantragen. Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde den Antrag nicht innerhalb von drei Tagen ab der Einweisung (Abs1), so hat sie die angehaltene Person sofort zu entlassen.
2. Das Gericht hat innerhalb von einer Woche ab der Einweisung durch die Bezirksverwaltungsbehörde über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden.
3. Ist eine abschließende Entscheidung innerhalb einer Woche nicht möglich, so hat das Gericht nach Anhörung der angehaltenen Person vorläufig über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden. Dieser Beschluss ist der angehaltenen Person und der Bezirksverwaltungsbehörde sofort mündlich zu verkünden. Gelangt das Gericht nach der Anhörung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung vorliegen, so hat es diese vorläufig bis zur abschließenden Entscheidung für zulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die innerhalb von 14 Tagen nach der Verkündung der vorläufigen Entscheidung stattzufinden hat. Diese Entscheidung kann nicht selbständig angefochten werden.
4. Erklärt das Gericht bereits nach der Anhörung die Anhaltung für unzulässig, hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Rekurs innerhalb von drei Tagen auszuführen."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Zum Antrag des Bezirksgerichtes Amstetten
1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten übermittelte dem Bezirksgericht Amstetten eine Liste mit insgesamt 130 Personen, die am in dessen Sprengel auf Grund eines Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Amstetten bereits länger als 10 Tage gemäß §7 Abs1a EpiG zur Verhütung der Weiterverbreitung von COVID-19 abgesondert waren. Nach Auffassung des Bezirksgerichtes Amstetten habe es daher gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG zu prüfen, ob in einem oder mehreren Fällen dieser Absonderungen von Amts wegen ein Verfahren zur Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung einzuleiten sei. Dabei habe es diese Bestimmung anzuwenden. Aus §7 Abs1a dritter Satz EpiG ergebe sich, dass die Prüfpflicht des Gerichtes frühestens mit der Verständigung und somit frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Tagen ab dem Beginn der Absonderung einsetze. Es bestehe daher ein untrennbarer Sinn- und Bedeutungszusammenhang zwischen diesen beiden Sätzen.
Das Bezirksgericht Amstetten habe in früheren Verfahren zur amtswegigen Überprüfung von Absonderungen nach §7 Abs1a EpiG die Auffassung vertreten, dass dem Gericht dabei eine umfassende Prüfungsbefugnis in formeller und materieller Hinsicht zukomme, einschließlich der Befugnis, bereits beendete Freiheitsbeschränkungen auch im Nachhinein noch für unzulässig zu erklären. Diese Prüfung dürfe sich nicht auf Fälle (zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes) noch aufrechter Freiheitsbeschränkungen beschränken, sondern es sei vom Gericht erforderlichenfalls auch nach Beendigung der Freiheitsbeschränkung noch nachträglich auszusprechen, dass diese unrechtmäßig war (Hinweis auf ua). In diesem Sinn habe das Bezirksgericht Amstetten in mehreren Fällen von Amts wegen nachträglich ausgesprochen, dass eine Absonderung im Zeitraum von mehr als 48 Stunden nach telefonischer Anordnung gemäß §46 Abs2 EpiG bis zur Erlassung des schriftlichen Bescheides aus formellen Gründen unzulässig gewesen sei, wenn der schriftliche Bescheid entgegen dieser Bestimmung nicht innerhalb von 48 Stunden nach der telefonischen Anordnung erlassen worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten habe dagegen in allen Fällen Rekurs erhoben und das Landesgericht St. Pölten habe als Rekursgericht jeweils die Auffassung vertreten, dass dem Gericht eine derartige formelle Bescheidprüfung nicht zustehe und den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufgehoben.
1.2. Das Bezirksgericht Amstetten legt seine Bedenken wie folgt dar: Es sei ungeregelt und unklar, ob sich die Prüfung des Bezirksgerichtes auch auf einen allfälligen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde oder lediglich auf eine nachfolgende Anhaltung zu beziehen habe, ob das Bezirksgericht nur eine materielle Prüfung oder auch eine formelle Prüfung im Hinblick auf die Verletzung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorzunehmen habe, ob Rechtsverletzungen auch nach Beendigung der Anhaltung noch vom Gericht festzustellen seien und gegebenenfalls in welchem Verhältnis die Kognitionsbefugnis des Bezirksgerichtes zu einer allenfalls verbleibenden Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte stehe. Da sich die Regelung der örtlichen Zuständigkeit im durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Satz 2 des §7 Abs1a EpiG befunden habe, sei nach dessen Aufhebung nicht mehr klar geregelt, welches Bezirksgericht zur amtswegigen Überprüfung berufen sei. Auch der Verweis auf die Verfahrensbestimmungen des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes sei mit der Aufhebung des zweiten Satzes dieser Bestimmung aus dem Gesetz entfernt worden, sodass das vom Gericht bei der Überprüfung einzuhaltende Verfahren noch unklarer sei. Die angefochtenen Bestimmungen stünden daher in Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip (Art18 B-VG).
2. Zum Antrag des Bezirksgerichtes Bludenz
2.1. Nach dem Vorbringen des Bezirksgerichtes Bludenz habe die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom eine näher bezeichnete Person auf Grund einer Infektion mit SARS-CoV-2 gemäß §7 EpiG (grundsätzlich) bis zum abgesondert. Dieser Bescheid sei dem Bezirksgericht Bludenz am elektronisch übermittelt worden. Am habe das Bezirksgericht Bludenz den Beschluss gefasst, amtswegig gemäß §7 Abs1a EpiG die Zulässigkeit der Anhaltung zu prüfen. Dieser Beschluss sei auch der abgesonderten Person zugestellt worden.
Nach Ansicht des Bezirksgerichtes Bludenz werde bereits mit der Übermittlung des Bescheides, mit dem die Anhaltung durch die Bezirksverwaltungsbehörde ausgesprochen werde, das amtswegige Überprüfungsverfahren eingeleitet, weil die Absonderung, die vor Übermittlung des Bescheides bereits ausgesprochen worden sei, das fristauslösende Element für das Tätigwerden des Bezirksgerichtes sei, dieses aber ohne Kenntnis der Anhaltung nicht tätig werden könne. Somit werde mit Einlangen des Bescheides beim Bezirksgericht das amtswegige Überprüfungsverfahren bereits eingeleitet, zumal die Überwachung der Dreimonatsfrist bereits eine Tätigkeit im amtswegigen Überprüfungsverfahren sei. Sollte indessen die Rechtsauffassung zutreffend sein, dass es eines nach außen erkennbaren Aktes des Bezirksgerichtes zur Einleitung des Überprüfungsverfahrens bedürfe, werde darauf hingewiesen, dass das Bezirksgericht Bludenz einen solchen Beschluss gefasst und sowohl an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz als auch an die abgesonderte Person zugestellt habe. Die Präjudizialität von §7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG liege auch vor, wenn die Absonderung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits geendet habe, weil sich aus dieser Bestimmung ergebe, dass die Überprüfung vor der Aufhebung der Absonderung nur begonnen, aber nicht abgeschlossen sein müsse. Eine nachträgliche Überprüfung der Zulässigkeit der Absonderung sei zulässig. Eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen hätte zur Folge, dass das Bezirksgericht Bludenz das amtswegige Verfahren mangels Rechtsgrundlage einzustellen hätte.
2.2. Das Bezirksgericht Bludenz legt seine Bedenken wie folgt dar:
2.2.1. §7 Abs1a vierter Satz EpiG verweise auf eine sinngemäße Anwendung des §17 Tuberkulosegesetz. Bei diesem Verweis sei der genaue Prüfungsgegenstand nicht mit ausreichender Deutlichkeit erkennbar. Weiters sei unklar, ob die Sondervorschriften des §20 Tuberkulosegesetz allgemein oder aber nur in Fällen von Freiheitsentziehungen in Form der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zur Anwendung kämen (Hinweis auf ua, Rz. 58). Die Regelung verletze daher Art18 (iVm Art83 Abs2) B-VG.
2.2.2. Auch werde der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B-VG) verletzt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51, habe Art94 Abs2 B-VG angefügt, wonach durch Bundes- oder Landesgesetz in einzelnen Angelegenheiten anstelle der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorgesehen werden könne. Gleichzeitig sei in Art130 Abs5 B-VG festgelegt worden, dass von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte Rechtssachen ausgeschlossen seien, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofes gehörten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon bisher bestehender sukzessiver Kompetenzen bestehe daneben weiterhin. §7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG werde keiner dieser beiden Formen gerecht. Der Gesetzgeber habe keine sukzessive Zuständigkeit alter Prägung schaffen wollen, weil das Gesetz weder anordne, dass der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit dem amtswegigen Tätigwerden des Gerichtes außer Kraft trete, noch wäre ein derartiges Außerkrafttreten mit der weiter aufrechten Gefährdung durch den Erkrankten oder Krankheitsverdächtigen vereinbar. Weiters sei der Prüfgegenstand des gerichtlichen Verfahrens unbestimmt. Sollte der Verweis entgegen der Ansicht des Bezirksgerichtes Bludenz ausreichend bestimmt sein und das Gericht amtswegig die Tätigkeit der Bezirkshauptmannschaft – nämlich die Zulässigkeit der Anhaltung – zu überprüfen haben, liege ein Verstoß gegen die Trennung zwischen Justiz und Verwaltung vor, weil das Gericht dann nicht selbst neu entscheide (der Bescheid sei ja nach wie vor in Kraft), sondern tatsächlich die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden überprüfe. Aus diesen Gründen sei das Bezirksgericht Bludenz der Auffassung, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen das Bestimmtheitsgebot und gegen das Gebot der Trennung von Justiz und Verwaltung verstoßen würden.
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken mit Hinweis auf ihre im zu G380/2020 protokollierten Verfahren erstattete (und beigelegte) Äußerung entgegentritt und ergänzend zur Frage der örtlichen Zuständigkeit der Bezirksgerichte auf §10 der Absonderungsverordnung (analog) hinweist. In ihrer Äußerung in dem zu G380/2020 protokollierten Verfahren führt die Bundesregierung wie folgt aus (ohne die Hervorhebungen im Original):
"1.Zu den Bedenken im Hinblick auf Art94 B-VG:
1.1.Der Oberste Gerichtshof hegt zusammengefasst Bedenken gegen die Vereinbarkeit des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung gemäß Art94 B-VG.
Es könne nicht angenommen werden, dass mit §7 Abs1a zweiter Satz EpiG eine 'sukzessive Zuständigkeit alter Prägung' geschaffen werden sollte, weil das Gesetz weder anordne, dass der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Anrufung des Gerichts außer Kraft tritt, noch ein derartiges Außerkrafttreten in sachlicher Hinsicht mit der weiter bestehenden Gefährdung anderer Personen durch die Erkrankung bzw den Krankheitsverdacht vereinbar wäre.
Auch ein sukzessiver Instanzenzug gemäß Art94 Abs2 B-VG liege nicht vor, zumal sowohl das Gesetz als auch die Erläuterungen von einer Überprüfung der Maßnahme und gerade nicht von einer Überprüfung des Bescheids sprechen, sodass sich daraus kein Hinweis auf eine beabsichtigte Schaffung eines Instanzenzugs von der Verwaltungsbehörde zum Gericht ergebe. Der in §7 Abs1a zweiter Satz EpiG vorgesehene Antrag richte sich überdies nicht an ein üblicherweise mit Rechtsmittelsachen befasstes Gericht höherer Instanz, sondern an das Bezirksgericht, was eher als Auftrag zur 'Neudurchführung des Verfahrens' zu verstehen sei, wogegen aber die zum sukzessiven Instanzenzug alter Prägung erwähnten Bedenken sprächen.
Die Materialien zur Einführung des §7 Abs1a EpiG durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 63/2016 würden von einem Beschwerderecht beim Landesverwaltungsgericht nach der geltenden Rechtslage und einem zukünftigen Rekursrecht der Bezirksverwaltungsbehörden gegen gerichtliche Entscheidungen sprechen, ohne dass die Parteistellung der Verwaltungsbehörde im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren geregelt würde.
Weiters bestimme das Gesetz auch keine Frist, innerhalb deren der Antrag beim Gericht eingebracht werden müsse, und kein Ereignis, das den Fristbeginn auslösen würde. Auch lasse die Regelung nicht erkennen, ob gegen den Mandatsbescheid dennoch die Vorstellung nach §57 AVG erhoben werden könne und erst danach der Antrag an das Gericht zulässig sein oder ob dieser Rechtsbehelf entfallen solle.
1.2.Gemäß Art94 Abs1 B-VG ist die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt. Die Lehre und die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leiten aus dem Grundsatz der Gewaltentrennung mehrere Verbotsgehalte ab: Unzulässig sind demnach Mischbehörden, Parallelzuständigkeiten, wechselseitige Instanzenzüge sowie Weisungszusammenhänge und sonstige verfahrensrechtliche Verflechtungen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (vgl Berka, Verfassungsrecht6 Rz. 389; Khakzadeh-Leiler, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht [12. Lfg 2013] Art94 B-VG 13 mwN). Nach Ansicht der Bundesregierung verstößt §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG gegen keine der Art94 Abs1 B-VG immanenten Verbotsgehalte.
1.3.Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012 wurde mit der Einführung des Art94 Abs2 B-VG die Möglichkeit geschaffen, durch Bundes- oder Landesgesetz in einzelnen Angelegenheiten anstelle der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht einen Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorzusehen. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass mit §7 Abs1a zweiter Satz EpiG kein Instanzenzug im Sinne des Art94 Abs2 B-VG eingerichtet werden sollte (vgl hingegen LVwG Tirol , LVwG-2020/15/1935-2; , LVwG-2020/37/1936-2 sowie Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts unter besonderer Berücksichtigung der Regelungen betreffend COVID-19 [2020] 115 FN 649, die von einer Einrichtung eines Instanzenzugs gemäß Art94 Abs2 B-VG ausgehen). Dies erschließt sich unter anderem auch daraus, dass die aufgrund des Vorliegens einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß Art102 Abs1 B VG erforderliche Zustimmung der Länder gemäß Art94 Abs2 zweiter Satz B VG nicht eingeholt wurde.
1.4.Nach den Gesetzesmaterialien sollte sich die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Art94 Abs2 B-VG zur Schaffung eines Instanzenzugs von einer Verwaltungsbehörde zu den ordentlichen Gerichten nicht auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon bisher bestehender sukzessiver Kompetenzen (etwa im Enteignungs- oder Sozialrecht) auswirken (vgl AB 1771 BlgNR 24. GP 8; VfSlg 20.163/2017). Zum einen bleiben daher bestehende Konstellationen von sukzessiven Zuständigkeiten 'alter Prägung' weiterhin zulässig, zum anderen steht es der einfachen Gesetzgebung frei, weiterhin derartige sukzessive Gerichtszuständigkeiten vorzusehen (vgl Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 B-VG Rz. 46).
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs könne jedoch nicht angenommen werden, dass mit §7 Abs1a zweiter Satz EpiG eine sukzessive Zuständigkeit alter Prägung geschaffen werden sollte, weil das Gesetz weder anordne, dass der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Anrufung des Gerichts außer Kraft tritt, noch ein derartiges Außerkrafttreten in sachlicher Hinsicht mit der weiter bestehenden Gefährdung anderer Personen durch die Erkrankung bzw den Krankheitsverdacht vereinbar wäre.
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung: Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist im Gesetz, das eine sukzessive Gerichtszuständigkeit (gestützt auf Art94 Abs1 B VG) vorsieht, ausdrücklich anzuordnen, dass der Bescheid ex lege außer Kraft tritt (vgl zu Art94 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung VfSlg 10.452/1985) und kann nicht implizit aus Bestimmungen, die eine Gerichtszuständigkeit in – untechnisch gesprochen – Verwaltungsangelegenheiten vorsehen, erschlossen werden. Eine solche Anordnung enthält §7 Abs1a EpiG nicht. Nach Ansicht der Bundesregierung ist daher im Zweifel nicht anzunehmen, dass die angefochtene Bestimmung in unzulässiger Weise eine solche sukzessive Gerichtszuständigkeit vorsieht.
1.5.§7 Abs1a EpiG ermöglicht eine Anhaltung oder eine Beschränkung im Verkehr mit der Außenwelt von kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen zur Verhütung der Weiterverbreitung einer durch Verordnung angeführten anzeigepflichtigen Krankheit. Hinsichtlich einer Infektion mit '2019 neuartiges Coronavirus' sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen (vgl §4 der Verordnung betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl. Nr 39/1915). Kann eine zweckentsprechende Absonderung in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist gemäß §7 Abs2 EpiG die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raum durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann. Mit den genannten Maßnahmen kann potenziell ein Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit einhergehen, der verfassungsrechtlich in Art2 Abs1 Z5 des Bundesverfassungsgesetzes vom über den Schutz der persönlichen Freiheit – PersFrG, BGBl Nr 684/1988 und Art5 Abs1 lite EMRK Deckung findet. Ob auch die (bloße) Absonderung im eigenen privaten Wohnbereich gemäß §7 Abs1a EpiG oder sonstige Beschränkung gemäß den §§17 und 24 EpiG einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, wird von der Bundesregierung – mangels Relevanz für die abstrakte Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der angefochtenen Bestimmung – ausdrücklich offen gelassen.
Ein Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit setzt ein wirksames und leicht zugängliches Rechtsschutzverfahren voraus, das den Anforderungen des Art5 Abs4 EMRK und des Art6 PersFrG gerecht wird und eine (zumindest nachprüfende) unabhängige Kontrolle von Freiheitsentziehungen gewährleistet (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, PersFrG Art6 Rz. 5 f). Gemäß Art6 Abs1 PersFrG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Gegenstand dieser 'Haftprüfung' sind sämtliche Freiheitsentziehungen im Sinne des Art2 PersFrG (AB 667 BlgNR 17. GP 3; Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 10) und somit auch Freiheitsentziehungen auf Grundlage des Art2 Abs1 Z5 PersFrG.
Die im EpiG vorgesehenen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen können je nach Dringlichkeit der Maßnahme durch Anordnung mittels Bescheid oder durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – allenfalls unter Assistenz der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß §28a EpiG – erfolgen (vgl ErläutRV 1187 BlgNR 16). Zwar besteht die Möglichkeit, dass gegen solche Maßnahmen gemäß Art130 Abs1 Z1 und 2 B-VG Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben wird. Es besteht aber nicht die Möglichkeit, allen Rechtsschutz, den das PersFrG erfordert, bei den Verwaltungsgerichten anzusiedeln: Gemäß Art6 Abs2 PersFrG ist für Anhaltungen von unbestimmter Dauer eine Anhaltung in angemessener Dauer von Amts wegen (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 60) zu überprüfen. Eine solche amtswegige Überprüfung durch Verwaltungsgerichte scheidet jedoch von Verfassung wegen aus, da gemäß Art130 Abs2 Z4 B VG eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nur zur Entscheidung über 'Beschwerden, Streitigkeiten oder Anträge' begründet werden könnte.
Die periodische Überprüfung von Anhaltungen auf unbestimmte Dauer kann demnach lediglich ordentlichen Gerichten oder unabhängigen Behörden zugewiesen werden. Schon daraus, dass – der in Verfassungsrang stehende – Art6 Abs2 PersFrG neben den Behörden auch die Gerichte nennt, ist aber der Schluss zu ziehen, dass solche Gerichtszuständigkeiten unter dem Blickwinkel des Art94 B-VG grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl VwSlg 13.994 A/1994; Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 8).
1.6.Dem verfassungsrechtlichen Gebot der Überprüfung der Anhaltung im Sinne des Art6 PersFrG wurde mit Einführung des §7 Abs1a EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 Rechnung getragen (vgl Berka/Binder/Kneihs, Die Grundrechte2 [2019] 341). Die angehaltene Person kann gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 beim Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes beantragen. Mit diesem Antragsrecht gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG wurde den Anforderungen an die Überprüfung der Anhaltung gemäß Art6 Abs1 PersFrG und Art5 Abs4 EMRK im Fall von Anhaltungen von bestimmter Dauer vollumfänglich entsprochen (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 34, wonach weder Art5 Abs4 EMRK noch Art6 Abs1 PersFrG eine 'automatische' amtswegige Kontrolle des Freiheitsentzugs verlangen).
Gemäß §7 Abs1a dritter Satz EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 ist jede Anhaltung dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Nach dieser Fassung, die mit wieder in Kraft tritt (§50 Abs15 EpiG; zwar bezieht sich diese Bestimmung auf §7 Abs1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 103/2020, doch wurde §7 Abs1a durch dieses Bundesgesetz nicht geändert, sondern wurde durch dieses Bundesgesetz die vormals letzte Änderung des EpiG bewirkt), ist jede Anhaltung dem Bezirksgericht anzuzeigen, unabhängig davon, ob die Anhaltung befristet oder unbefristet ist (vgl IA 826/A 27. GP 7). Diese Anzeigepflicht gewährleistet bei Anhaltungen von unbestimmter Dauer die Initiierung einer periodischen Überprüfung durch das Bezirksgericht gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG iVm. §17 des Tuberkulosegesetzes in Entsprechung der Anforderungen des Art6 Abs2 PersFrG. Mit §7 Abs1a dritter Satz EpiG wird jedoch auch für Anhaltungen von bestimmter Dauer eine zusätzliche spezielle verfahrensrechtliche und eine das Antragsverfahren gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG flankierende Garantie geschaffen, die ein effektives Verfahren der Überprüfung von Anhaltungen für vulnerable Personen gewährleistet (zum Erfordernis von speziellen verfahrenstechnischen Vorkehrungen zur Einleitung eines Überprüfungsverfahrens bei krankheitsbedingten Beeinträchtigungen siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 35). Mit BGBl I Nr 104/2020 wurde die amtswegige Anzeigepflicht von befristeten Anhaltungen aus verwaltungsökonomischen Gründen bis auf Anhaltungen eingeschränkt, 'die länger als zehn Tage aufrecht' sind (vgl zur Begründung IA 826/A 27. GP 7). Davon unberührt bleibt das Antragsrecht nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, das sowohl bei befristeten als auch bei Anhaltungen mit unbestimmter Dauer gewährleistet wird (vgl IA 826/A 27. GP 7). In diesem Fall hat das Bezirksgericht nach Maßgabe des zweiten Abschnittes des Tuberkulosegesetzes binnen einer Woche zu entscheiden (§7 Abs1a zweiter Satz EpiG iVm. §17 Abs5 des Tuberkulosegesetzes; vgl IA 826/A 27. GP 7).
Gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 hat das Bezirksgericht von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde. Mit dieser Bestimmung soll die für Anhaltungen von unbestimmter Dauer verfassungsgesetzlich vorgesehene periodische Überprüfung gemäß Art6 Abs2 PersFrG gewährleistet werden. 'Unbestimmt' im Sinne des Art6 Abs2 PersFrG sind nicht nur zeitlich unbefristete Anhaltungen, sondern auch zeitlich befristete Anhaltungen, deren Fortbestand jedoch von 'dynamischen' Bedingungen (zB ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen; Vorliegen einer anzeigepflichtigen ansteckenden Krankheit) abhängt und deren Rechtmäßigkeit daher nur durch eine periodische Überprüfung gewährleistet werden kann (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 55 mwN).
1.7.Nach Auffassung der Bundesregierung bleibt die Möglichkeit, gegen eine Absonderungsmaßnahme gemäß Art130 Abs1 Z1 und 2 B VG Beschwerde beim Verwaltungsgericht zu erheben, vom Überprüfungsverfahren gemäß §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG unberührt.
Für diese Auffassung lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in vergleichbaren Konstellationen ins Treffen führen, nämlich insbesondere jene zu §11 Abs2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr 75/1954 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 190/1990, und §5a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr 75/1954 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 21/1991, wonach in der Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion zur Entscheidung über Berufungen gegen Schubhaftbescheide einerseits und in der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate als 'Haftprüfungsinstanz' über Beschwerden wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung andererseits keine Zuständigkeitskonkurrenz erkannt wurde.
In seinem Erk. VfSlg 13.039/1992 führt der Verfassungsgerichtshof (auszugsweise) aus:
'Ein Beschwerderecht nach §5a Abs1 FrPolG steht (nur) jenen Personen zu, die – tatsächlich – in Schubhaft genommen und angehalten werden. Diese einfachgesetzliche Regelung entspricht der Verfassungsvorschrift des Art6 Abs1 PersFrG, die jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, somit allen bereits festgenommenen oder angehaltenen Personen (nicht aber in Freiheit befindlichen Adressaten eines Schubhaftbescheides), die Anrufung eines Gerichtes oder einer anderen unabhängigen Behörde garantiert. Die Befugnis, den unabhängigen Verwaltungssenat mit Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid anzurufen, räumt §5a FrPolG seinem klaren Wortlaut nach dem Bescheidadressaten nicht ein. Gegenstand einer Beschwerde nach §5a Abs1 FrPolG ist daher nicht ein derartiger Schubhaftbescheid – ihn zu überprüfen obliegt gemäß §11 Abs2 und 3 FrPolG allein der Sicherheitsdirektion als Berufungsinstanz –, sondern die Festnahme und Anhaltung (des Fremden) selbst. Der Verfassungsgerichtshof ist aus den von der Bundesregierung hiezu eingehend dargelegten Gründen der Auffassung, daß der unabhängige Verwaltungssenat – als Haftprüfungsinstanz – nach §5a FrPolG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung (in die jede – tatsächliche – Inhaftnahme für wenn auch noch so kurze Zeit mündet) im Zeitpunkt seiner Entscheidung – so aber die Haft schon früher endete: in dem unmittelbar vor der Freilassung liegenden Zeitpunkt – zu befinden hat. Der Prüfungsmaßstab, den der mit Beschwerde angerufene unabhängige Verwaltungssenat seiner Kontrolle zugrundelegen muß, kann angesichts des Gesetzeswortlautes und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Art6 PersFrG nicht zweifelhaft sein: §5a FrPolG gibt dem Schubhäftling das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat als Beschwerdeinstanz mit der Behauptung der 'Rechtswidrigkeit' der Festnahme/Anhaltung anzurufen. Demgemäß hat dieser Senat die Frage der (formellen wie materiellen) Rechtmäßigkeit der Anhaltung (im Zeitpunkt seiner Entscheidung, gegebenenfalls im Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung) nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht etwa nur qualifiziert rechtswidriges behördliches Handeln, festzustellen und aufzugreifen, wie die Bundesregierung der Sache nach richtig dartut. Daß der Inhaftnahme des Fremden die Erlassung eines Schubhaftbescheides (der vollstreckbar wurde) vorausgegangen sein und zugrundeliegen muß, ist dabei nur eine der mehreren gesetzlichen Voraussetzungen der (fortdauernden) Haftanhaltung, deren Zutreffen der unabhängige Verwaltungssenat in Behandlung einer Beschwerde nach §5a Abs1 FrPolG voll zu prüfen hat. […]
Da der unabhängige Verwaltungssenat nach dem Gesagten nicht – neben der Sicherheitsdirektion – zur Überprüfung eines der Inhaftnahme (des Fremden) zugrundeliegenden Schubhaftbescheides zuständig ist, sondern – davon unabhängig – zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Haftfortdauer, kann auch von einer verfassungsgesetzlich unzulässigen Zuständigkeitskonkurrenz, wie sie der Verwaltungsgerichtshof gegeben sieht, ebensowenig gesprochen werden wie von einem Verstoß des §11 Abs2 FrPolG gegen die Art129 und 130 ff B-VG:
Der Bundesgesetzgeber, der nach dem schon Gesagten in Befolgung des Verfassungsauftrags (Art6 PersFrG) jedem verwaltungsbehördlich in Schubhaft genommenen Fremden das Recht zur Erhebung einer Beschwerde sogleich an eine unabhängige Behörde – mit dem Ziel der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges – einräumte (§5a Abs1 FrPolG), war verfassungsgesetzlich nicht dazu verpflichtet, das dieser Haft kraft der Bestimmungen des FrPolG vorgeschaltete Administrativverfahren umzugestalten oder auf ein derartiges, die Betroffenen vor verfahrensfreier Inhaftnahme schützendes Verfahren überhaupt zu verzichten. Vielmehr durfte er sich, ohne daß der Verfassungsgerichtshof die Zweckmäßigkeit dieser Rechtslage zu beurteilen hätte, auch darauf beschränken, ein erst mit dem tatsächlichen Freiheitsentzug einsetzendes neues Kontrollregime einzurichten, das einem bereits Festgenommenen – und nur ihm – das Recht auf eine unmittelbare (Haft-)Beschwerde an einen unabhängigen Verwaltungssenat gewährt. Macht der Festgenommene von diesem Beschwerderecht Gebrauch und entscheidet daraufhin der unabhängige Verwaltungssenat über die Rechtmäßigkeit der Haft, wirkt die Senatsentscheidung als neuer (Titel-)Bescheid, der im Fall der Beschwerdestattgebung die Haftaufhebung, im Fall der – mit der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Haft verbundenen – Abweisung der Beschwerde aber die Haftfortdauer zur Folge hat und den Schubhaftbescheid notwendig gegenstandslos werden läßt.“
Der Verfassungsgerichtshof hielt zur Schubhaft weiter fest, dass '[…] im Falle der Feststellung, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, die weitere Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des UVS selbst dann legitimiert [wurde], wenn die vorangehende Anhaltung als rechtswidrig erkannt wurde […]. Insofern hängt die im Hinblick auf Art6 Abs1 BVG persFr. entscheidende Frage, ob der Freiheitsentzug aufrechterhalten werden darf oder nicht, ausschließlich von der Feststellung betreffend die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft, nicht aber von der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides und der Schubhaft ab, die vor der Entscheidung des UVS liegt.' (VfSlg 14.193/1995; 19.970/2015; vgl auch ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war der unabhängige Verwaltungssenat nicht nur ermächtigt, einen weiteren bzw neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsanspruch verpflichtet (; , 2011/21/0246). Die dem unabhängigen Verwaltungssenat aus dem angenommenen Fortsetzungsanspruch auferlegte Verpflichtung hatte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde: Diese war bei der Erhebung einer Schubhaftbeschwerde auf den unabhängigen Verwaltungssenat übergegangen; eine Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörden war in einem solchen Fall ausgeschlossen (; , 2011/21/0246; vgl VfSlg 19.970/2015).
1.8. Nach Ansicht der Bundesregierung lassen sich die aus den Erkenntnissen zur Schubhaft gezogenen Schlüsse auch auf das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren übertragen. Mit dem Antragsrecht gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG können Personen, die tatsächlich angehalten werden, beim Bezirksgericht des Anhaltungsorts 'die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes' beantragen. Prüfgegenstand dieses Überprüfungsverfahrens vor dem Bezirksgericht ist damit ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Freiheitsbeschränkung, nicht hingegen die Überprüfung eines dieser Anhaltung zu Grunde liegenden verwaltungsbehördlichen Rechtsaktes. Zwar ist die (formelle wie materielle) Rechtmäßigkeit der Anhaltung nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes 'nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht etwa nur qualifiziert rechtswidriges behördliches Handeln, festzustellen und aufzugreifen' (VfSlg 13.039/1992; 13.776/1994; 13.806/1994), was auch die Prüfung eines Verwaltungsrechtsakts einschließt, der einer Anhaltung vorausgegangen ist (vgl zur Schubhaft VfSlg 13.037/1992; 13.039/1992; 13.050/1992; 19.970/2015). Wie auch der Oberste Gerichtshof in seinem Antrag richtig ausführt, bezweckt §7 Abs1a zweiter Satz EpiG aber die gerichtliche Überprüfung der verfügten Maßnahme, nicht jedoch eine Überprüfung des (dieser Maßnahme zu Grunde liegenden) Bescheids, sodass keine Einrichtung eines Instanzenzuges von einer Verwaltungsbehörde zum Gericht geschaffen wird (vgl Punkt 1.8. des Antrags des Obersten Gerichtshofs).
Das Bezirksgericht hat über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung und damit auch über das (weitere) Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung zu entscheiden. Hinsichtlich des Prüfzeitpunkts ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Prüfungsinstanz, bei bereits beendeter Freiheitsentziehung auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung abzustellen (vgl VfSlg 13.037/1992; 13.039/1992; 13.806/1994). Das zur Überprüfung berufene Gericht hat bei seiner Entscheidung alle Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl Äußerung der Bundesregierung im Verfahren, das dem Erk. VfSlg 19.970/2015 zu Grunde liegt). Demnach hat das Bezirksgericht anhand der zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu überprüfen und im Fall einer noch andauernden Anhaltung über das (weitere) Vorliegen der Voraussetzungen zu entscheiden. Sind die Voraussetzungen der Anhaltung weggefallen, hat das Gericht die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen. Die Entscheidung ergeht als nicht vollstreckbarer Feststellungsbeschluss (vgl ErläutRV 1187 BlgNR 25. GP 7), mit dem über das Vorliegen eines (strittigen) Rechtsverhältnisses verbindlich abgesprochen wird (vgl zu §22a Abs3 BFA-VG die Äußerung der Bundesregierung im Verfahren, das dem Erk. VfSlg 19.970/2015 zu Grunde liegt). Eine die Unzulässigkeit der Anhaltung feststellende Entscheidung wird den Anforderungen des Art6 Abs1 PersFrG gerecht, wenn sich daran die Pflicht der Behörde zur Freilassung knüpft (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 55 mwN). Eine solche Verpflichtung zur 'Folgenbeseitigung' (vgl Äußerung der Bundesregierung zu VfSlg 19.970/2015) wird durch §7 Abs1a EpiG iVm. §19 Abs2 des Tuberkulosegesetzes gesetzlich konkretisiert: Erklärt das Gericht die Anhaltung für unzulässig, so ist die Anhaltung sogleich zu beenden, es sei denn, dass die Bezirksverwaltungsbehörde unmittelbar nach der Verkündung erklärt, Rekurs zu erheben, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Rekurs im Fall eines Antrags gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG innerhalb von drei Tagen auszuführen (§20 Abs2 Z4 des Tuberkulosegesetzes).
Dass nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auch die 'Aufhebung' der Freiheitsbeschränkung beantragt werden kann, ist einem Redaktionsversehen geschuldet: Nach den einschlägigen Bestimmungen des Tuberkulosegesetzes, auf die §7 Abs1a EpiG verweist, ist – im Gegensatz zum Ministerialentwurf (194/ME 25. GP §17 Abs4) – keine Entscheidung des Gerichts über die Beendigung der Anhaltung vorgesehen. Die Beendigung der Anhaltung bedarf keines Rechtsakts in Form eines actus contrarius, sondern hat die Behörde vielmehr die Anhaltung zu beenden, wenn die Voraussetzungen für die Anhaltung weggefallen sind (vgl die Äußerung der Bundesregierung im Verfahren, das dem Erk. VfSlg 13.039/1992 zu Grunde liegt).
1.9.Das Bezirksgericht ist somit lediglich zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung einer angehaltenen Person zuständig. Weder das EpiG noch das Tuberkulosegesetz übertragen die Zuständigkeit zur Überprüfung eines der Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsakts den ordentlichen Gerichten, sodass die Zuständigkeit zur Überprüfung eines der Anhaltung zu Grunde liegenden Bescheides oder Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt weiterhin den Verwaltungsgerichten gemäß Art130 Abs1 Z1 und 2 B VG obliegt (vgl VfSlg 13.039/1992).
Nach Auffassung der Bundesregierung sieht das EpiG – im Gegensatz zum Unterbringungsgesetz – UbG, BGBl Nr 155/1990 (vgl VwSlg 13.994/A) – auch keine umfassende Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Prüfung der Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen vor, die eine Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte bewirken würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum UbG sind die Vorführung zum Polizeiarzt und die 'Verbringung' in ein Krankenhaus der Kontrolle durch den unabhängigen Verwaltungssenat zugänglich (vgl 14.706 A/1997), wohingegen für die Überprüfung von Maßnahmen der Krankanstalt während der Unterbringung grundsätzlich kein Raum bleibt (vgl VwSlg 13.994 A/1994; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 [2012] Rz. 310, 766). Da das EpiG in §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz bei der Überprüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung ausschließlich auf eine 'Anhaltung' abstellt, wird für die Überprüfung von sonstigen Freiheitsbeschränkungen, wie insbesondere eine Beschränkung im Verkehr mit der Außenwelt (vgl §7 Abs1a erster Satz, §§17, 24 EpiG) eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ebenso wenig begründet wie für eine Überprüfung des einer Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsaktes (vgl Mokrejs-Weinhappel, Die gerichtliche Überprüfung von Anhaltungen wegen COVID-19 nach dem Epidemiegesetz – Ein Überblick, iFamZ2020, 84 [85]; Heissenberger, 105 Jahre 'Epidemiegesetz' – Ein Gesetz im Wandel! JMG 2018, 163 [167]; Pixner, N@HZ2020 SN, 20 [22]). Nach Auffassung der Bundesregierung bleibt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Überprüfung von verwaltungsbehördlichen Rechtsakten durch das Überprüfungsverfahren gemäß §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG unberührt.
1.10.Der Verfassungsgerichtshof stellte zur Schubhaft fest, dass 'dem durch §5a FrPolG idF BGBl 21/1991 geschaffenen Rechtsschutzsystem verschiedene Beschwerdegegenstände zugrunde gelegen sind (vgl VfSlg 13.039/1992)' und sich '[e]ine Beschwerde gemäß §22a Abs1 BFA-VG gegen das Verwaltungshandeln im Rahmen einer Schubhaft – Schubhaftbescheid, Festnahme und Anhaltung – […] gegen drei mögliche Beschwerdegegenstände richten [kann], wovon jeder einem Beschwerdegegenstand des Art130 Abs1 und Abs2 Z1 B-VG entspricht' (VfSlg 19.970/2015). In diesem Erk. hielt der Verfassungsgerichtshof sein noch im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußertes Bedenken in Bezug auf Art130 B-VG gegen das Konzept eines einheitlichen Rechtsmittels in Form einer 'Gesamtbeschwerde', die mehrere verschiedene Beschwerdegegenstände (Schubhaftbescheid, Festnahme und Anhaltung) durch prozessuale Verbindung in einem einheitlichen Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht überträgt, nicht aufrecht (vgl VfSlg 19.970/2015).
Nach Auffassung der Bundesregierung liegt es jedoch innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums, darüber zu entscheiden, ob verschiedene Beschwerdegegenstände einem einzigen und einheitlichen Rechtsschutzverfahren zugeführt werden, oder ob unterschiedliche Rechtsschutzverfahren für unterschiedliche Beschwerdegegenstände (Mandatsbescheid, Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher und Befehlsgewalt sowie Zulässigkeit der Anhaltung nach EpiG) bestehen sollen. Verschiedene verfassungsrechtliche Rechtsschutzansprüche erfordern auf einfachgesetzlicher Ebene nicht zwingend eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzsystems (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz. 7), lassen aber eine solche Ausgestaltung durchaus zu, sofern die Zuständigkeit der jeweilig zur Überprüfung der unterschiedlichen Beschwerdegegenstände berufenen Stellen klar und präzise geregelt sind (vgl VfSlg 19.970/2015). Nach Auffassung der Bundesregierung wird das in §7 Abs1a EpiG vorgesehene Rechtsschutzsystem zur Überprüfung der Zulässigkeit von Anhaltungen den verfassungsgesetzlichen Anforderungen an ein effektives Überprüfungsverfahren gerecht. Für die Überprüfung eines der Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsaktes (Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) sind die Verwaltungsgerichte unter Anwendung der allgemeinen Verwaltungsverfahrensvorschriften (weiterhin) zuständig. Bei Vorliegen eines Mandatsbescheides kann gemäß §57 Abs2 AVG Vorstellung bei jener Behörde erhoben werden, die den Bescheid erlassen hat.
Würde man hingegen – zu Unrecht – davon ausgehen, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG eine ausschließliche und die Verwaltungsgerichte verdrängende Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte normiere (vgl die Rechtsprechung der Landesverwaltungsgerichte Vorarlberg , LVwG-408-2/2020-R16; Tirol , LVwG-2020/15/1935-2; , LVwG-2020/37/1936-2; Niederösterreich , LVwG-AV-453/001-2020; , LVwG-AV-1050/001-2020), würde damit eine Einschränkung des Rechtsschutzes gegen Verwaltungsrechtsakte einhergehen, der durch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht kompensiert werden kann. So würde nämlich ein Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG zur Überprüfung einer bereits aufgehobenen Anhaltung unzulässig sein (und daraus folgend jegliche Überprüfung des der Anhaltung zu Grunde liegenden Rechtsaktes ausscheiden), da dieser Antrag an das Bezirksgericht eine aufrechte Anhaltung voraussetzt (vgl §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, der das Antragsrecht lediglich einer 'angehaltenen Person' einräumt; Mokrejs-Weinhappel, iFamZ2020, 84 [85]).
1.11.Dieser 'parallel' bestehende Rechtsschutz zur Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung durch ordentliche Gerichte einerseits und der Überprüfung des einer Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsaktes durch Verwaltungsbehörden (Mandatsbescheid) bzw Verwaltungsgerichten (Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) andererseits, begegnet auch vor dem Hintergrund des aus Art94 Abs1 B-VG resultierenden Verbots von Parallelzuständigkeiten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Art94 Abs1 B-VG gebietet, eine Angelegenheit zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen und objektiv erfassbare Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung vorzusehen (vgl Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 Rz. 26 und 30 f mwN). Zulässig ist demnach, einen Lebenssachverhalt in mehrere Aspekte aufzuspalten, wobei in ein und derselben Angelegenheit der Verwaltungsbehörde die bescheidmäßige Feststellung des Vorliegens eines Tatbestandselements, dem Gericht dagegen die Feststellung des Vorliegens anderer Voraussetzungen übertragen werden (vgl Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 Rz. 32; Wiederin, In allen Instanzen getrennt – Zum Verhältnis von Justiz und Verwaltung am Beispiel des strafprozessualen Vorverfahrens, ÖJZ2011, 351 [352]; VfSlg 3121/1956; 4455/1963; 5983/1969; 6936/1972; 10.476/1985; 16.195/2001; 16.772/2002). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es vor dem Hintergrund des Art94 B-VG auch zulässig, wenn in zwei verschiedenen Verfahren dieselbe Rechtsfrage je nach ihrem Zusammenhang einmal von einem Gericht und einmal von einer Verwaltungsbehörde beurteilt wird: Entscheidend ist ausschließlich, dass nicht über 'dieselbe (konkrete) Rechtssache' entschieden wird, sondern unter Beantwortung 'gleicher (abstrakter) Rechtsfragen' über unterschiedliche Rechtssachen (VfSlg 10.476/1985; 16.772/2002; 16.797/2003; 17.083/2003; 20.314/2019) (Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 Rz. 33).
Nach Auffassung der Bundesregierung lässt sich diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch auf das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren übertragen: Gegenstand des Überprüfungsverfahrens gemäß §7 Abs1a EpiG können zwar die gleichen abstrakten Rechtsfragen sein, die auch im Rahmen einer Bescheidbeschwerde oder Maßnahmenbeschwerde nach Art130 Abs1 Z1 bzw Z2 B-VG zu beantworten sind (zB Vorliegen einer ernstlichen und erheblichen Gefahr für die Gesundheit anderer Personen durch das Vorliegen einer anzeigepflichtigen Krankheit). Die jeweiligen Verfahren werden jedoch über unterschiedliche 'Sachen' (Verfahrensgegenstände) in einem prozessualen Sinne geführt (Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung im Hinblick auf die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des EpiG; Beschwerde gegen einen Bescheid oder Maßnahmenbeschwerde gegen einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Überprüfung auf Konformität mit der dem Rechtsakt zu Grunde liegenden Rechtsgrundlage). Die Verwaltungsbehörde bzw Verwaltungsgerichte und die ordentlichen Gerichte entscheiden somit zwar teilweise über dieselben abstrakten Rechtsfragen, nicht jedoch über dieselbe Sache (VfSlg 20.314/2018).
Ein solches Nebeneinander ist für sich genommen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (vgl VfSlg 10.476/1985). Keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes gemäß Art94 Abs1 B-VG wurde vor diesem Hintergrund etwa bei der parallelen Zuständigkeit der Regulierungsbehörde und der ordentlichen Gerichte zur Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Energieversorgern erblickt (VfSlg 20.314/2019). Eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes in der österreichischen Rechtsordnung wird etwa auch in Angelegenheiten des Datenschutzrechtes anerkannt (vgl OGH 6 Ob 91/19d jusIT 2019, 161 [Jahnel/Thiele] = VbR 2020, 160 [Schmidl]; OGH 6 Ob 131/18k ecolex 2019, 346 [Zemann] = jusIT 2019, 85 [Thiele] = jusIT 2019, 123 [Jahnel] = RZ2019, 91 [Spenling] = VbR 2020, 160 [Schmidl]). Demnach können Ansprüche nach der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO, ABl L 2016/119, 1, sowohl bei der Datenschutzbehörde als auch bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht, wobei der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Vorrang des Unionsrechts ausführt, dass der 'Umstand, dass dem Kläger gegebenenfalls mehrere Rechtsschutzmöglichkeiten bei verschiedenen innerstaatlichen Stellen offenstehen, wobei jedoch jeweils eine nachprüfende Kontrolle der Entscheidung durch unabhängige Gerichte gewährleistet ist, jedenfalls keine Verletzung eines […] unverzichtbaren Kerns des österreichischen Verfassungsrechts' darstellt (OGH 6 Ob 91/19d; vgl Schwamberger, Parallelität und Bindungswirkung von Zivil- und Verwaltungsverfahren nach der DSGVO, in Jahnel [Hrsg.], Jahrbuch Datenschutzrecht 2019, 259 [266]).
1.12.Entgegen den Bedenken des Obersten Gerichtshofes ist dem §7 Abs1a zweiter Satz EpiG in Verbindung mit dem 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes auch eine hinreichend präzise Zuständigkeitsabgrenzung zu entnehmen. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die nachstehenden Ausführungen.
2.Zu den Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip:
2.1.Der Oberste Gerichtshof hegt Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip gemäß Art18 Abs1 B-VG, da §7 Abs1a zweiter Satz EpiG keine präzise Regelung der Behördenzuständigkeit enthalte und unklar sei, unter welchen Voraussetzungen das Gericht angerufen werden könne. Dies betreffe auch die zu Art94 B-VG dargelegten Umstände, wonach das Gesetz keine Frist zur Anrufung des Gerichts enthalte und nicht klar sei, ob der verwaltungsbehördliche Instanzenzug, zumindest durch Erhebung einer Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid, ausgeschöpft werden müsse. Dadurch bleibe offen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang ein gerichtlicher Überprüfungsauftrag bestehe.
Weitere Unklarheiten würden sich auch aus dem pauschalen Verweis des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes ergeben, der jedoch ein völlig anderes Verfahren regle, indem es grundsätzlich vor einer Anhaltung in einer Krankenanstalt eine verpflichtende ex ante Prüfung durch das Gericht über Antrag der Verwaltungsbehörde gebe, während nach dem EpiG die Verwaltungsbehörde selbst die Absonderung anordnet und das Gericht diese Maßnahme nur auf Antrag der angehaltenen Person bzw von Amts wegen frühestens nach drei Monaten überprüfen soll. Daher sei nicht ausreichend erkennbar, welche konkreten gesetzlichen Vorgaben für die gerichtliche Überprüfung nach dem EpiG gelten sollen.
2.2.Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet Art18 iVm. Art83 Abs2 B-VG die Gesetzgebung zu einer präzisen und eindeutigen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl VfSlg 9937/1984, 12.883/1991, 13.029/1992, 18.639/2008; ua jeweils mwN). Eine Regelung entspricht dann den Bestimmtheitsanforderungen des Art18 Abs1 iVm. Art83 Abs2 B VG, wenn der Rechtsunterworfene dem Gesetz die konkrete Zuständigkeit – allenfalls im Wege der Auslegung – eindeutig entnehmen kann.
Der Verfassungsgerichtshof hat diesem Grundsatz folgend etwa eine Regelung als verfassungswidrig erkannt, welche die Zuständigkeit von sich ständig ändernden und zudem von der Behörde beeinflussbaren Umständen abhängig gemacht hat und nach der die konkrete Zuständigkeit dem Rechtsunterworfenen nicht erkennbar war (vgl VfSlg 13.029/1992). Des Weiteren erkannte er eine Regelung als verfassungswidrig, welche die Behördenzusammensetzung von gewissen Umständen abhängig machte (Zweckwidmung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks zum Wohnbau), ohne dass dem Gesetz eindeutig zu entnehmen war, welche Prämissen (hinsichtlich der in Rede stehenden Zweckwidmung) jeweils konkret erfüllt sein mussten, damit diese Umstände als erfüllt anzusehen waren (vgl VfSlg 18.639/2008).
Demgegenüber hat der Verfassungsgerichtshof eine Regelung, die für eine – seltene – Fallgestaltung keine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung enthielt, als verfassungskonform erachtet, da sich die planwidrige (Regelungs-)Lücke anhand der vom Gesetz selbst gegebenen Hinweise völlig zwanglos durch Analogie schließen ließ (vgl VfSlg 12.883/1991).
Das Kriterium für die Beurteilung, ob eine Norm ausreichend bestimmt ist, ist die Frage, ob die getroffene Entscheidung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann. Dabei sind in Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen: Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl VfSlg 8209/1977, 9883/1983 und 12.947/1991). Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verstößt die Norm gegen die in Art18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 11.859/1988, 18.738/2009, ).
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg 14.606/1996 einen erst im Wege der Nachzeichnung einer Verweisungskette eindeutig zu ermittelnden Normgehalt einer Rechtsvorschrift als ausreichend bestimmt erachtet: Dieses Vorgehen wäre zwar für den Normunterworfenen mühsam, erfordere aber keinen derartigen Aufwand, dass die Rechtsvorschrift im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur hinreichenden Bestimmtheit (von Strafvorschriften) mit Verfassungswidrigkeit belastet sei (vgl auch VfSlg 20.039/2016).
2.3.Nach Auffassung der Bundesregierung ist dem §7 Abs1a zweiter Satz EpiG in Verbindung mit dem 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes eine hinreichend präzise Regelung über die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zu entnehmen.
Der Oberste Gerichtshof führt in seinem Antrag aus, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG keine Frist enthalte, innerhalb deren der Antrag beim Gericht eingebracht werden müsste und auch kein Ereignis (mündliche Bescheiderlassung oder Zulassung der schriftlichen Ausfertigung) bestimme, das den Fristbeginn auslösen würde.
Dem Obersten Gerichtshof ist zunächst zuzustimmen, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG keine Frist normiert, innerhalb deren ein Antrag bei Gericht eingebracht werden kann. Nicht geteilt werden kann hingegen die Auffassung, dass daraus Bedenken im Hinblick auf Art18 Abs1 B-VG resultieren würden. Dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG an kein fristauslösendes Ereignis anknüpft, ist schlicht der Ausgestaltung als 'Antragsrecht' geschuldet, das sich insofern wesentlich von einem fristgebundenen Rechtsmittel unterscheidet. Die Nichtanordnung einer Frist zur Einbringung eines Antrags ist darüber hinaus auch geboten, um aufgrund eines potenziellen Eingriffs in das Recht auf persönliche Freiheit den Anforderungen eines Überprüfungsverfahrens gemäß Art5 Abs4 EMRK und Art6 Abs1 PersFrG gerecht zu werden. Eine Befristung des Antragsrechts bei noch aufrechter Anhaltung würde Art6 Abs1 PersFrG entgegenstehen.
Das Antragsrecht gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG steht als Ausgestaltung eines Überprüfungsverfahrens grundsätzlich (nur) jenen Personen zu, die tatsächlich angehalten werden (zur Schubhaft vgl VfSlg 13.039/1992; VwSlg 14.121 A/1994). Dies erschließt sich auch unmissverständlich aus dem Wortlaut und der gegenwartsbezogenen Formulierung des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, wonach '[d]ie angehaltene Person' die Überprüfung der Zulässigkeit (und Aufhebung) der Freiheitsbeschränkung beantragen kann. Die einzige zeitliche 'Befristung' des Antragsrechts nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG liegt daher in der aufrechten Anhaltung zum Zeitpunkt der Antragstellung. Eine spätere Aufhebung der Anhaltung beseitigt den Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Anhaltung bis ihrer Aufhebung hingegen nicht.
2.4.Der Oberste Gerichtshof hegt Bedenken, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG nicht erkennen lasse, ob gegen den eine Absonderung anordnenden Mandatsbescheid dennoch die Vorstellung nach §57 AVG erhoben werden könne und erst danach der Antrag an das Gericht zulässig sein oder ob dieser Rechtsbehelf entfallen solle.
Die Bundesregierung hat bereits zu Punkt 1. ausgeführt, dass sich das Antragsrecht des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG lediglich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung und nicht auch auf die dieser Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsakte bezieht. Die Möglichkeit zur Erhebung einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid gemäß §57 Abs2 AVG bleibt vom Antragsrecht des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG ebenso unberührt wie die Möglichkeit zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG gegen den der Anhaltung zu Grunde liegenden (Absonderungs-)Bescheid oder zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art130 Abs1 Z2 B-VG gegen einen Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt. Mangels Einrichtung eines 'Instanzenzuges' ist eine 'Ausschöpfung' eines solchen – nicht existenten – Instanzenzuges weder erforderlich noch möglich. Die Annahme, dass vor Einbringung eines Antrags gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG zunächst der einer Freiheitsentziehung zu Grunde liegende Rechtsakt im Verwaltungsrechtsweg bekämpft werden muss, würde darüber hinaus Art6 Abs1 PersFrG widersprechen. Der Antragsteller muss daher kein verwaltungsrechtliches Rechtsmittel ergreifen, sondern kann sich unmittelbar mit einem Antrag auf Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung an das Bezirksgericht wenden.
2.5. Der Oberste Gerichtshof führt in seinem Antrag aus, dass sich weitere Unklarheiten aus dem pauschalen Verweis des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes ergeben, der jedoch ein völlig anderes Verfahren regle, da das Tuberkuloserecht vor einer Anhaltung in einer Krankenanstalt eine verpflichtende ex ante Prüfung durch das Gericht über Antrag der Verwaltungsbehörde vorsehe, während nach dem EpiG die Verwaltungsbehörde selbst die Absonderung im häuslichen Bereich anordne und das Gericht diese Maßnahme nur auf Antrag der angehaltenen Person bzw von Amts wegen frühestens nach drei Monaten überprüfen solle.
Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Anordnung, wonach das Überprüfungsverfahren 'nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes' durchzuführen ist, hinreichend bestimmt. Auch wenn das EpiG – im Gegensatz zum Tuberkulosegesetz (§§14, 15) – keine ex ante Prüfung durch das Gericht vorsieht und Anhaltungen auf Grundlage des §7 Abs1a EpiG unmittelbar und ohne Zwischenschaltung eines Gerichtes durch die Behörde angeordnet und – allenfalls unter Assistenz der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß §28a EpiG – vollzogen werden können, lässt sich das für diese Anhaltungen anzuwendende Verfahrensrecht hinreichend klar ableiten:
Für Anhaltungen nach dem EpiG uneingeschränkt anwendbar ist §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes, der ein dem §7 Abs1a zweiter Satz EpiG entsprechendes Antragsrecht der angehaltenen Person an das Gericht vorsieht. Demnach kann '[d]ie angehaltene Person […] jederzeit bei Gericht beantragen, die Unzulässigkeit der Anhaltung auszusprechen'.
Die Entscheidung des Gerichts hat im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen (§15 Abs1 des Tuberkulosegesetzes), sodass die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes – AußStrG, BGBl I Nr 111/2003, zur Anwendung gelangen. Im Hinblick auf die Einbringung des Antrags ist daher §10 AußStrG anzuwenden, wonach Anträge bei Gericht entweder schriftlich eingebracht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden können (vgl Mokrejs-Weinhappel, iFamZ2020, 84 [86]).
Im Zuge der Pandemie wurde mit §1 Abs1 der 1. COVID-19 Ziviljustiz-VO, BGBl II Nr 163/2020, eine verfahrensrechtliche Sonderbestimmung für Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung auf Grund von COVID-19 gemäß §7 Abs1a EpiG geschaffen, die erleichterte Bedingungen für die Einbringung des Antrags per E-Mail normierte. Mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 104/2020 wurde diese spezifisch für COVID-19 geschaffene privilegierte Antragseinbringung aus Gründen der Gleichbehandlung auch für Tuberkulose und andere anzeigepflichtige Krankheiten gemäß §7 Abs1 EpiG in §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes – und damit in das 'Dauerrecht' – überführt (vgl IA 826/A 27. GP 8). Gemäß §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes können Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung von einer angehaltenen Person, die nicht anwaltlich vertreten ist, nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Gericht auch mit E Mail an die vom Gericht bekanntgegebene E-Mail-Adresse eingebracht werden. Dem Antrag ist eine Abbildung eines Identitätsnachweises sowie des die Anhaltung aussprechenden Bescheides anzuschließen. Da diese Bestimmung für alle anzeigepflichtigen Krankheiten – und somit auch für COVID 19 – gilt, trat §1 Abs1 der 1. COVID-19 Ziviljustiz-VO mit Ablauf des außer Kraft.
Das Gericht hat über einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG iVm. §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes in mündlicher Verhandlung innerhalb einer Woche ab Antragstellung zu entscheiden (§17 Abs5 des Tuberkulosegesetzes). Diese Bestimmung entspricht den Anforderungen eines Überprüfungsverfahrens gemäß Art6 Abs1 PersFrG.
Das Tuberkulosegesetz sieht in §20 die Möglichkeit der 'Soforteinweisung' durch die Bezirksverwaltungsbehörde mit einer bloß nachträglichen gerichtlichen Kontrolle vor und weist daher Parallelen zu Anhaltungen nach §7 Abs1a EpiG auf. Daher ist für Anträge gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auch §20 des Tuberkulosegesetzes maßgeblich (vgl auch Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts 115). Gemäß §20 Abs2 des Tuberkulosegesetzes gelten im Fall der Soforteinweisung die Bestimmungen des 2. Abschnitts mit den Besonderheiten der Ziffern 1 bis 4. Für das Verfahren über einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG sind – aufgrund der fehlenden Antragsbedürftigkeit von Anhaltungen nach §7 Abs1a EpiG – lediglich §20 Abs2 Z3 und 4 des Tuberkulosegesetzes einschlägig.
§20 Abs2 Z3 des Tuberkulosegesetzes sieht Vorkehrungen für den Fall vor, dass eine abschließende Entscheidung innerhalb einer Woche nicht möglich ist, und ist auch für Verfahren über einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG maßgeblich. Demnach hat das Gericht nach Anhörung der angehaltenen Person vorläufig über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden. Dieser Beschluss ist der angehaltenen Person und der Bezirksverwaltungsbehörde sofort mündlich zu verkünden. Gelangt das Gericht nach der Anhörung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung vorliegen, so hat es diese vorläufig bis zur abschließenden Entscheidung für zulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die innerhalb von 14 Tagen nach der Verkündung der vorläufigen Entscheidung stattzufinden hat. Diese Entscheidung kann nicht selbstständig angefochten werden.
Gemäß §20 Abs2 Z4 des Tuberkulosegesetzes hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Rekurs innerhalb von drei Tagen auszuführen, wenn das Gericht bereits nach der Anhörung die Anhaltung für unzulässig erklärt. Nach den Gesetzesmaterialien zu §7 Abs1a EpiG sollte der Bezirksverwaltungsbehörde ein Rekursrecht gegen eine gerichtliche Entscheidung, mit der eine Absonderung für nicht zulässig erklärt wird, eingeräumt werden (vgl ErläutRV 1187 BlgNR 25. GP 16), sodass auch diese Bestimmung für Verfahren über Anträge gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG anzuwenden ist.
Das Rekursrecht der Bezirksverwaltungsbehörde wird abseits der in §20 Abs2 enthaltenen besonderen Bestimmungen allgemein in §19 Abs2 des Tuberkulosegesetzes geregelt. Die Frist zur Erhebung eines Rekurses durch die Bezirksverwaltungsbehörde resultiert allerdings aus §20 Abs2 Z4 des Tuberkulosegesetzes (Ausführung des Rekurses binnen drei Tagen), der dem §19 Abs2 des Tuberkulosegesetzes als lex specialis vorgeht.
Erklärt das Gericht die Anhaltung für unzulässig, so ist die Anhaltung sogleich zu beenden, es sei denn, dass die Bezirksverwaltungsbehörde unmittelbar nach der Verkündung erklärt, Rekurs zu erheben, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt (vgl §19 Abs2 zweiter Satz des Tuberkulosegesetzes). Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung lässt das Rekursrecht unberührt. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann kein Rekurs erhoben werden. Dies gilt uneingeschränkt auch für das Verfahren auf Grundlage eines Antrages gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG.
Das Rekursrecht der angehaltenen Person wird in §19 Abs1 des Tuberkulosegesetzes geregelt und gilt auch für einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG. Die angehaltene Person kann demnach gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung für zulässig erklärt wird, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben.
Entgegen den Bedenken des Obersten Gerichtshofes lassen sich aus der Formulierung 'nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes' die für einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG anzuwendenden Verfahrensvorschriften im Ergebnis hinreichend klar und präzise bestimmen, sodass nach Auffassung der Bundesregierung keine Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip bestehen.
2.6.Dies gilt auch für §7 Abs1a vierter Satz EpiG, wonach '[d]as Bezirksgericht […] von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen [hat], sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde'. Die für eine amtswegige Überprüfung erforderliche Kenntnis über die Anhaltung erhält das Gericht über die in §7 Abs1a dritter Satz EpiG vorgesehene Anzeige durch die Bezirksverwaltungsbehörde.
Der Verweis auf eine 'sinngemäße' Anwendung einer Bestimmung führt – wie bereits dargelegt – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht schon deshalb zu einer Unbestimmtheit dieser Regelung (vgl VfSlg 6355/1971).
Unter Berücksichtigung der fehlenden Antragsbedürftigkeit der Anhaltung im EpiG ist auf das gerichtliche Überprüfungsverfahren gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG der §17 Abs3 des Tuberkulosegesetzes sinngemäß anzuwenden. §17 Abs3 des Tuberkulosegesetzes unterscheidet sich nur insofern von §7 Abs1a vierter Satz EpiG, als die bisherige Anhaltung auf einer gerichtlichen Entscheidung und nicht auf einem Rechtsakt einer Verwaltungsbehörde (insbesondere Absonderungsbescheid) beruht. Das Gericht hat demnach von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen der Anhaltung zu entscheiden; sind die Voraussetzungen weggefallen, hat es die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen. Bei einer Anhaltung in einer Krankenanstalt hat das Gericht anlässlich der Überprüfung jedenfalls eine Stellungnahme des ärztlichen Leiters einzuholen. Der Beschluss ist noch innerhalb der dreimonatigen Frist schriftlich auszufertigen (§17 Abs3 des Tuberkulosegesetzes). Das Gericht hat über die Zulässigkeit der Anhaltung in mündlicher Verhandlung zu entscheiden, wobei §15 Abs2 bis 5 des Tuberkulosegesetzes dabei nicht anzuwenden ist (§17 Abs5 des Tuberkulosegesetzes).
Die Zuständigkeit für einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG und für eine amtswegige Überprüfung gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG sowie das dafür maßgeblich anzuwendende Verfahrensrecht erschließen sich nach Auffassung der Bundesregierung hinreichend bestimmt aus den Bestimmungen des §7 Abs1a EpiG und des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes."
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Zur Zulässigkeit der Anträge
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die antragstellenden Gerichte wenden sich im Kern gegen §7 Abs1a letzter Satz EpiG in der Fassung BGBl I 63/2016. Dass das Bezirksgericht Amstetten die angefochtene Fassung mit BGBl I 104/2020 angibt (diese Novelle war im Zeitpunkt der Antragstellung die letzte Novelle zum vorletzten Satz dieser Bestimmung), schadet nicht, weil das Bezirksgericht Amstetten die angefochtene Bestimmung wörtlich (in der maßgeblichen Fassung) in seinem Antrag wiedergegeben hat.
Die antragstellenden Gerichte begehren auch die Aufhebung des §7 Abs1a vorletzter Satz EpiG in der – im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Fassung – BGBl I 104/2020. Dieser Satz wurde nach der Antragstellung durch BGBl I 90/2021 (in einem – für die vorgetragenen Bedenken nicht maßgeblichen – Punkt) geändert. Es ist daher auszuschließen, dass die antragstellenden Gerichte §7 Abs1a vorletzter Satz EpiG idF BGBl I 104/2020 noch anzuwenden haben. Der Antrag des Bezirksgerichtes Amstetten und der Hauptantrag des Bezirksgerichtes Bludenz sind daher, soweit sie sich auf §7 Abs1a vorletzter Satz EpiG idF BGBl I 104/2020 beziehen, als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass dies – infolge der Trennbarkeit des vorletzten und des letzten Satzes – auf die Zulässigkeit der Anfechtung des §7 Abs1a letzter Satz EpiG durchschlägt.
Zwar ist §7 Abs1a letzter Satz EpiG mit Wirkung vom aufgehoben worden (weshalb die Anträge nunmehr als Feststellungsanträge zu werten sind). Es ist jedoch zumindest denkmöglich, dass das Bezirksgericht Amstetten und das Bezirksgericht Bludenz diese Bestimmung weiterhin anzuwenden haben, zumindest um zu beurteilen, wie sie mit bereits von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen weiter umzugehen haben. Diese Bestimmung ist daher (nach wie vor) präjudiziell.
Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich der Antrag des Bezirksgerichtes Amstetten und der Hauptantrag des Bezirksgerichtes Bludenz als zulässig, soweit sie sich auf §7 Abs1a letzter Satz EpiG beziehen. Damit erübrigt es sich, auf die Eventualanträge des Bezirksgerichtes Bludenz einzugehen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Soweit zulässig, sind die Anträge nicht begründet.
2.2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
2.2.1. Gemäß §7 Abs1 EpiG werden durch Verordnung jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können. Gemäß §4 der Verordnung des Ministers des Innern im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom , betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl. 39/1915, idF BGBl II 21/2020 waren bei Infektion mit 2019-nCoV ("2019 neuartiges Coronavirus") die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen. Für Ansteckungsverdächtige sah §5 dieser Verordnung die Absonderung vor, wenn sie "fallweise" nach dem Gutachten des im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes erforderlich war. Seit (BGBl II 295/2022) ist die Absonderung wegen SARS-CoV-2 in dieser Verordnung nicht mehr vorgesehen. Mit diesem Tag verloren Absonderungsbescheide nach §7 EpiG wegen SARS-CoV-2 ihre Rechtswirkungen (§12 Abs4 Absonderungsverordnung).
2.2.2. Gemäß §7 Abs1a EpiG konnte die Bezirksverwaltungsbehörde (§43 Abs4 EpiG) zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach §7 Abs1 leg cit angeführten anzeigepflichtigen Krankheit kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen anhalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränken, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen bestand, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden konnte. Die in §7 Abs1a erster Satz EpiG vorgesehenen Eingriffe konnten mit Bescheid (Mandatsbescheid) oder – bei Gefahr im Verzug – durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt getroffen werden (vgl ErlRV 1187 BlgNR XXV. GP, 16; ua). Demnach war eine (faktische) Anhaltung nach §7 Abs1a EpiG entweder als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (wenn kein Bescheid erging oder die in einem Bescheid vorgesehenen Maßnahmen überschritten wurden) oder als schlichte Vollziehung eines zuvor ergangenen Bescheides (und damit diesfalls nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) zu qualifizieren (vgl VfSlg 19.970/2015).
2.2.3. Gemäß Art5 Abs4 EMRK hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Fall der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Gemäß Art6 Abs1 PersFrSchG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Gemäß Art6 Abs2 PersFrSchG ist im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen.
2.2.4. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund sah §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG ein Rechtsschutzsystem mit zwei Rechtswegen vor, das einerseits auf Antrag (§7 Abs1a zweiter Satz EpiG) und anderseits von Amts wegen (§7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG) eröffnet wurde.
2.2.4.1. Gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG konnte die "angehaltene" Person bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der "Anhaltungsort" lag, die "Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung" und zwar "nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes" beantragen. (Mit Erkenntnis vom , G380/2020 ua, hob der Verfassungsgerichtshof §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, BGBl 186/1950, idF BGBl I 63/2016 mangels Bestimmtheit als verfassungswidrig auf.)
2.2.4.2. Nach §7 Abs1a vierter Satz EpiG hatte das Bezirksgericht von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der "Anhaltung" in "sinngemäßer" Anwendung des §17 Tuberkulosegesetz zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben worden war. Zu diesem Zweck musste die die Anhaltung verfügende Bezirksverwaltungsbehörde jede "Anhaltung", die länger als zehn (ab : 14) Tage aufrecht war, dem Bezirksgericht anzeigen.
2.2.5. Während eine angehaltene Person die Überprüfung und Aufhebung einer Freiheitsbeschränkung (– nach den ErlRV 1187 BlgNR XXV. GP, 16: "sinngemäß" -) "nach Maßgabe des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes" beantragen konnte (§7 Abs1a zweiter Satz EpiG), erfolgte die amtswegige Überprüfung einer Anhaltung (§7 Abs1a vierter Satz EpiG) "in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes".
2.3. Zu den Bedenken im Einzelnen
2.3.1. Das Bezirksgericht Amstetten hegt der Sache nach das Bedenken, die angefochtene Bestimmung stehe in Widerspruch zum Legalitätsprinzip (Art18 B-VG), weil ungeregelt und unklar sei, ob sich die Prüfung des Bezirksgerichtes auch auf einen allfälligen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde oder lediglich auf eine nachfolgende Anhaltung zu beziehen habe, ob das Bezirksgericht nur eine materielle oder auch eine formelle Prüfung im Hinblick auf die Verletzung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorzunehmen habe, ob Rechtsverletzungen auch nach Beendigung der Anhaltung noch vom Gericht festzustellen seien und, gegebenenfalls, in welchem Verhältnis die Kognitionsbefugnis des Bezirksgerichtes zu einer allenfalls verbleibenden Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte stehe. Weiters sei nach der Aufhebung des zweiten Satzes des §7 Abs1a EpiG durch den Verfassungsgerichtshof unklar, welches Bezirksgericht zur amtswegigen Überprüfung berufen sei. Der Verweis auf die Verfahrensbestimmungen des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes sei mit der Aufhebung des zweiten Satzes dieser Bestimmung aus dem Gesetz entfernt worden, sodass das vom Gericht bei der Überprüfung einzuhaltende Verfahren noch unklarer sei.
Auch das Bezirksgericht Bludenz hegt das Bedenken, dass infolge des Verweises in §7 Abs1a vierter Satz EpiG auf §17 Tuberkulosegesetz in sinngemäßer Anwendung der genaue Prüfungsgegenstand des bezirksgerichtlichen Überprüfungsverfahrens nicht mit ausreichender Deutlichkeit erkennbar sei. Weiters sei unklar, ob die Sondervorschriften des §20 Tuberkulosegesetz allgemein oder aber nur in Fällen von Freiheitsentziehungen in Form der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zur Anwendung kämen (Hinweis auf ua). Die Regelung verletze daher Art18 (iVm Art83 Abs2) B-VG.
2.3.2. Diese Bedenken sind aus folgenden Gründen nicht berechtigt:
2.3.2.1. §7 Abs1a EpiG sah im Falle der Absonderung einen doppelten Rechtsschutzmechanismus vor: Einerseits konnte die angehaltene Person beim zuständigen Bezirksgericht die Überprüfung der Zulässigkeit und die Aufhebung der Freiheitsbeschränkung beantragen; über solche Anträge auf Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung war auch noch nach Beendigung der Anhaltung zu entscheiden (vgl idS auch §50 Abs26 zweiter Satz EpiG). Andererseits hatte das Bezirksgericht von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung (oder der letzten Überprüfung) die Zulässigkeit der Anhaltung zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde. Diese amtswegige, fortlaufende und begleitende Kontrolle endete daher, weil ihr Zweck erschöpft war, mit dem Ende der Anhaltung. Mangels verfahrenseinleitenden Antrages, an dessen Erledigung aus rechtsstaatlichen Gründen auch noch nach Ende der Anhaltung ein Rechtsschutzinteresse bestand, waren daher von Amts wegen initiierte Prüfungsverfahren mit dem Ende der Anhaltung einzustellen (§50 Abs26 zweiter Satz EpiG bezieht sich nur auf auf Antrag "anhängig" gemachte Prüfungsverfahren). Gegenstand solcher amtswegiger Überprüfungsverfahren war lediglich die Zulässigkeit (das Vorliegen der Voraussetzungen) einer (weiteren) "Anhaltung" im Zeitpunkt der Überprüfung durch das Bezirksgericht (und demnach nicht die Prüfung des die Anhaltung auslösenden Bescheides oder Befehls- und Zwangsaktes; ), weshalb sich auch die Frage nach dem Verhältnis der bezirksgerichtlichen Zuständigkeit zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung zu einer allfälligen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Bescheid- oder Maßnahmenbeschwerden (eine andere, potentiell konkurrierende Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte war nicht normiert) nicht gestellt hat.
2.3.2.2. Zur Überprüfung war – wie sich aus dem systematischen Zusammenhang zu §7 Abs1a zweiter Satz EpiG ergab – das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Anhaltungsort lag, woran auch die Aufhebung dieses Satzes durch den Verfassungsgerichtshof ( ua) mit Wirkung vom nichts geändert hat. Die Überprüfung hatte (im Unterschied zu jener nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, der undifferenziert – und zu unbestimmt – auf den gesamten "2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes" verwiesen hat) "in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes", der einer Auslegung zugänglich ist, zu erfolgen (mangels Verweises auf diesen war §20 Tuberkulosegesetz nicht anzuwenden); im Übrigen hatten die Bezirksgerichte die Vorschriften des außerstreitigen Verfahrens anzuwenden (was sich aus dem "sinngemäßen" Verweis auf §17 Tuberkulosegesetz ergab).
2.3.2.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt daher die vorgetragenen Bedenken, §7 Abs1a letzter Satz EpiG (iVm §17 Tuberkulosegesetz) verstoße in den geltend gemachten Punkten wegen Unklarheit gegen das Legalitätsprinzip, nicht.
2.3.3. Das Bezirksgericht Bludenz hegt weiters auf das Wesentliche zusammengefasst das Bedenken, die angefochtene Regelung verstoße gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B-VG), weil das Bezirksgericht amtswegig die Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde – nämlich die Zulässigkeit der Anhaltung – zu überprüfen habe. Die Konstruktion sei auch weder durch Art94 Abs2 B-VG gedeckt noch liege eine verfassungsrechtlich zulässige sukzessive Kompetenz vor.
2.3.4. Die Bundesregierung hält dem unter anderem entgegen, dass gemäß Art6 Abs2 PersFrSchG periodische Überprüfungen von Anhaltungen auf unbestimmte Dauer (lediglich) ordentlichen Gerichten oder unabhängigen Behörden zugewiesen werden könnten. Schon daraus, dass der – in Verfassungsrang stehende – Art6 Abs2 PersFrSchG neben den Behörden auch die Gerichte nenne, sei der Schluss zu ziehen, dass solche Gerichtszuständigkeiten unter dem Blickwinkel des Art94 B-VG grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würden (Hinweis auf VwSlg 13.994 A/1994; Kopetzki, Art6 PersFrG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 3. Lfg. 2000, Rz 8).
2.3.5. Mit diesem Einwand ist die Bundesregierung im Recht: Die Bundesverfassung gibt mit Art6 PersFrSchG zu erkennen, dass sie mit der Überprüfung verwaltungsbehördlich veranlasster Anhaltungen (auch) durch ordentliche Gerichte rechnet und diese damit akzeptiert. §7 Abs1a letzter Satz EpiG stand daher nicht in Widerspruch zu Art94 B-VG.
V. Ergebnis
1. Die Anträge sind daher abzuweisen, soweit sie sich auf §7 Abs1a letzter Satz EpiG in der Fassung BGBl I 63/2016 beziehen.
2. Im Übrigen sind die Anträge zurückzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2022:G97.2021 |
Schlagworte: | COVID (Corona), Bezirksgericht, Verwaltungsgericht Zuständigkeit, Landesverwaltungsgericht, Gericht Zuständigkeit, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Gerichtsantrag, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, Gewaltentrennung, Freiheit persönliche, Auslegung systematische, Rechtsstaatsprinzip |
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