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VfGH 20.09.2023, G328/2021

VfGH 20.09.2023, G328/2021

Leitsatz

Bestimmungen des BundespflegegeldG betreffend die Anknüpfung des Anspruchs auf Pflegegeld an den zuerkannten Bezug bestimmter Grundleistungen sowie Ausschluss des Pflegegeldanspruches wegen Zuständigkeit anderer Mitgliedstaaten im weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge §3 und §3a BPGG, verbunden mit einem entsprechenden Reparaturauftrag

"in eventu

2. die […] mit Bundesgesetzblatt 2015/12 ergänzend eingefügte[…] negative[…] Anspruchsvoraussetzung, sohin die Wortfolge 'sofern nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABL.NrL 166 vom , S. 1, zuletzt berichtigt ABL.NrL 204 vom , S. 30, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr 1372/2013, ABL.NrL 346 vom , S. 27 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist' […]

in eventu

3. die […] mit Bundesgesetzblatt 2015/12 ergänzend eingefügte[…] negative[…] Anspruchsvoraussetzung, sohin die Wortfolge 'sofern nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABL.NrL 166 vom , S. 1, zuletzt berichtigt ABL.NrL 204 vom , S. 30, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr 1372/2013, ABL.NrL 346 vom , S. 27 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist', verbunden mit einem entsprechenden Reparaturauftrag[…]" (ohne Hervorhebungen im Original)

kostenpflichtig als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die §§1, 3, 3a, 7, 22, 23 und 34 des Bundesgesetzes, mit dem ein Pflegegeld eingeführt wird (BundespflegegeldgesetzBPGG), BGBl 110/1993, idF BGBl I 69/2001 (§7), BGBl I 58/2011 (§1), BGBl I 138/2013 (§34), BGBl I 12/2015 (§§3 und 3a) und BGBl I 100/2018 (§§22 und 23) laute(te)n (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"1. ABSCHNITT
Allgemeine Bestimmungen

Zweck des Pflegegeldes

§1. Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

2. ABSCHNITT

Anspruchsberechtigte Personen

Personenkreis

§3. (1) Anspruch auf Pflegegeld nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht für nachstehende Personen, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben:

1. Bezieher einer Vollrente, deren Pflegebedarf durch den Arbeits(Dienst)unfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde, oder einer Pension (ausgenommen die Knappschaftspension) nach dem

a) Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl Nr 189/1955;

b) Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl Nr 560/1978,

c) Freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz (FSVG), BGBl Nr 624/1978;

d) Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl Nr 559/1978;

e) Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG 1972), BGBl Nr 66;

f) Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG), BGBl Nr 200/1967;

g) §80 des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl Nr 144/1969;

2. die nach §8 Abs1 Z3 lith, i und l ASVG teilversicherten Kinder, Schüler und Studenten, deren Pflegebedarf durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde, in der Zeit vom Tag nach Abschluss der Heilbehandlung bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Schulbesuch voraussichtlich abgeschlossen gewesen und der Eintritt in das Erwerbsleben erfolgt wäre;

3. Personen, deren Rente nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften abgefunden worden ist, wenn deren Pflegebedarf durch den Arbeits(Dienst)unfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde;

4. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses, Übergangsbeitrages, Versorgungsgeldes, Unterhaltsbeitrages oder Emeritierungsbezuges nach

a) dem Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl Nr 340;

b) dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl Nr 302;

c) dem Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LLDG 1985), BGBl Nr 296;

d) dem Bezügegesetz, BGBl Nr 273/1972;

e) dem Verfassungsgerichtshofgesetz (VerfGG 1953), BGBl Nr 85;

f) dem Dorotheumsgesetz, BGBl Nr 66/1979;

g) dem Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG), BGBl Nr 159/1958;

h) dem Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186;

i) Entschließungen des Bundespräsidenten, mit denen außerordentliche Versorgungsgenüsse gewährt wurden;

j) der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966, BGBl Nr 313;

k) Artikel V des Bundesgesetzes BGBl Nr 148/1988 und nach §163 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl Nr 333, in der bis geltenden Fassung;

l) dem Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG), BGBl I Nr 95/2000;

5. Bezieher von Renten, Beihilfen oder Ausgleichen nach dem

a) Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957), BGBl Nr 152;

b) Heeresversorgungsgesetz (HVG), BGBl Nr 27/1964;

c) Opferfürsorgegesetz (OFG), BGBl Nr 183/1947;

d) Impfschadengesetz, BGBl Nr 371/1973;

6. Personen, deren Rente gemäß

a) §56 KOVG 1957;

b) §61 HVG;

c) §2 OFG umgewandelt wurde;

7. Bezieher eines Sonderruhegeldes nach ArtX des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl Nr 354/1981;

8. Bezieher einer Hilfeleistung nach §2 Z1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG), BGBl Nr 288/1972, oder von gleichartigen Ausgleichen nach §14a VOG;

9. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses, Versorgungsgeldes, Unterhaltsbeitrages (auf Pensionsleistungen), Übergangsbeitrages, Ruhebezuges, einer Zuwendung, Rente, Versehrtenrente oder vergleichbaren Leistung nach landesgesetzlichen Bestimmungen in den jeweils geltenden Fassungen;

10. Bezieher eines Rehabilitationsgeldes gemäß §143a ASVG oder §84 B-KUVG.

(2) Als Bezieher nach Abs1 gelten auch Personen, denen ein Anspruch auf eine Grundleistung rechtskräftig zuerkannt wurde, die Grundleistung jedoch zur Gänze ruht, noch nicht angefallen ist oder auf Grund von Anrechnungsbestimmungen zur Gänze nicht ausgezahlt wird.

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen nach Anhörung der für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Vertretung mit Verordnung folgende Personen in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach Abs1 einzubeziehen, wenn sie keinen Anspruch auf eine Pension oder eine gleichartige Leistung nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften haben:

1. Bezieher von wiederkehrenden Versorgungsleistungen gemäß §64 Abs1 Z1, 2, 4 und 5 des Ärztegesetzes 1984 (ÄrzteG), BGBl Nr 373;

2. Bezieher von wiederkehrenden Versorgungsleistungen gemäß §50 der Rechtsanwaltsordnung,RGBl. Nr 96/1868;

3. Bezieher von wiederkehrenden Leistungen gemäß §29 des Ziviltechnikerkammergesetzes1993, BGBl Nr 157/1994.

(4) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen nach Anhörung der in Betracht kommenden Interessenvertretungen mit Verordnung weitere Personengruppen, die nicht der gesetzlichen Pensionsversicherung unterliegen, in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach Abs1 einzubeziehen, sofern der Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe(Versorgungs)genuß oder eine gleichartige Leistung auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruht.

(5) Voraussetzung für die Erlassung einer Verordnung gemäß Abs3 oder 4 ist das Vorliegen eines der Gesamtfinanzierung dieses Bundesgesetzes vergleichbaren Beitrages der einzubeziehenden Personengruppen zu dem durch die Einbeziehung entstehenden Mehraufwand.

(6) In der gemäß Abs3 oder 4 erlassenen Verordnung ist der Entscheidungsträger (§22) zu bezeichnen, dem die Durchführung des Bundespflegegeldgesetzes hinsichtlich der einbezogenen Personengruppen obliegt.

§3a. (1) Anspruch auf Pflegegeld nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht auch ohne Grundleistung gemäß §3 Abs1 und 2 für österreichische Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sofern nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr L 166 vom S. 1, zuletzt berichtigt ABl. Nr L 204 vom S. 30, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr 1372/2013, ABl. Nr L 346 vom S. 27 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist.

(2) Den österreichischen Staatsbürgern sind gleichgestellt:

1. Fremde, die nicht unter eine der folgenden Ziffern fallen, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen oder Unionsrecht ergibt, oder

2. Fremde, denen gemäß §3 des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 38/2011, Asyl gewährt wurde, oder

3. Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§15a und 15b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr 100/2005, oder gemäß §§51 bis 54a und 57 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl I Nr 100/2005, verfügen, oder

4. Personen, die über einen Aufenthaltstitel

a) 'Blaue Karte EU' gemäß §42 NAG,

b) 'Daueraufenthalt-EG' gemäß §45 NAG,

c) 'Daueraufenthalt-Familienangehöriger' gemäß §48 NAG,

d) 'Familienangehöriger' gemäß §47 Abs2 NAG oder

e) gemäß §49 NAG verfügen.

(3) Keinen Anspruch auf Pflegegeld gemäß Abs1 haben insbesondere

1. Personen, die gemäß §3 Abs3 und 4 in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach §3 Abs1 einbezogen werden können, aber noch nicht einbezogen worden sind,

2. nicht erwerbstätige EWR-Bürger, Schweizer Staatsangehörige und deren Angehörige jeweils in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes,

3. Personen während ihres visumsfreien oder visumspflichtigen Aufenthaltes im Inland,

4. Personen, die nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß §13 Abs1 des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr 100/2005, haben.

3. ABSCHNITT
Pflegegeld

[…]

Anrechnung

§7. Geldleistungen, die wegen Pflegebedürftigkeit nach anderen bundesgesetzlichen oder ausländischen Vorschriften gewährt werden, sind auf das Pflegegeld nach diesem Bundesgesetz anzurechnen. Von der Erhöhung der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder gemäß §8 Abs4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl Nr 376, ist ein Betrag von 60,00 Euro monatlich anzurechnen.

4. ABSCHNITT

Entscheidungsträger

§22. (1) Zur Entscheidung in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz sind zuständig:

Für Personen nach

1. §3 Abs1 Z1 lita bis d und f sowie Z7 der für die Gewährung der Vollrente, Pension oder des Sonderruhegeldes zuständige Sozialversicherungsträger; in jenem Bereich, in dem die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt für die Gewährung der Vollrente zuständig ist, die Pensionsversicherungsanstalt;

2. §3 Abs1 Z2 und 3 der zuständige Unfallversicherungsträger; in jenem Bereich, in dem die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt zuständig ist, die Pensionsversicherungsanstalt;

3. §3 Abs1 Z4 lita bis i und k sowie Z9 die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau;

4. §3 Abs1 Z4 litj und l die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau und

5. §3 Abs1 Z1 lite und g, Z5, Z6, Z8 und Z10 sowie §3a die Pensionsversicherungsanstalt.

(2) Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit gelten die beim jeweiligen Entscheidungsträger in Vollziehung der im §3 genannten Normen anzuwendenden Bestimmungen.

(3) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Verordnung die Durchführung des Bundespflegegeldgesetzes einem Entscheidungsträger zu entziehen und einem anderen Entscheidungsträger zu übertragen, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

5. ABSCHNITT

Kostenersatz

§23. (1) Der Bund hat den Trägern der gesetzlichen Pensionsversicherung die in der nach den Rechnungsvorschriften für die Sozialversicherungsträger zu erstellenden gesonderten Erfolgsrechnung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesenen Aufwendungen für das Pflegegeld, die Sachleistungen, die Reisekosten, den vertrauensärztlichen Dienst und die sonstige Betreuung, die Zustellgebühren, den entsprechenden Anteil an den Verwaltungsaufwendungen sowie die sonstigen Aufwendungen zu ersetzen. Dabei sind Ersätze für Leistungsaufwendungen sowie sonstige Erträge in Abzug zu bringen. Die anteiligen Verwaltungsaufwendungen können pauschal ermittelt und vom Bund in der Höhe des festgesetzten Pauschalbetrages ersetzt werden. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat die Pauschalbeträge nach Anhörung des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen festzusetzen.

(2) Der Bund hat den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung den Aufwand für das auf Grund akausaler Behinderungen geleistete Pflegegeld und den entsprechenden Anteil an den Verwaltungsaufwendungen hiefür zu ersetzen, wobei Ersätze für das auf Grund akausaler Behinderungen geleistete Pflegegeld in Abzug zu bringen sind. Der Aufwand für das auf Grund akausaler Behinderungen geleistete Pflegegeld kann pauschal ermittelt und vom Bund in der Höhe des festgesetzten Pauschalbetrages ersetzt werden. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den Pauschalbetrag im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen festzusetzen. Im Übrigen ist Abs1 dritter und vierter Satz anzuwenden. Für die finanzielle Vollziehung der Aufgaben gemäß §22 Abs1 Z1 und Z2 hat die Pensionsversicherungsanstalt als Entscheidungsträger nach diesem Bundesgesetz im Bereich der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt einen eigenen Rechenkreis als Teil ihres Rechnungsabschlusses einzurichten, der eine Zuordnung der für die Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Aufwände sowie der damit verbundenen Erträge eindeutig ermöglicht, und im Zuge des jährlichen Rechnungsabschlusses eine eigene Erfolgsrechnung für diesen Aufgabenbereich zu erstellen.

(3) Der Bund hat ab bis der von der ÖBB-Holding AG gemäß §52a des Bundesbahngesetzes, BGBl Nr 825/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 95/2009, mit Angelegenheiten nach dem Bundespflegegeldgesetz beauftragten Gesellschaft und ab der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, als Entscheidungsträger gemäß §22 Abs1 Z4, die in der Erfolgsrechnung nachgewiesenen Aufwendungen für das Pflegegeld sowie die den in Abs1 erster Satz angeführten weiteren Aufwendungen entsprechenden Aufwendungen analog Abs1 zu ersetzen, soweit diese den Anteil des Beitragsaufkommens für die gemäß §472a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, versicherten aktiven Bediensteten, der einem Beitragssatz von 0,8 vH entspricht, übersteigen.

(3a) Die von der ÖBB-Holding AG gemäß §52a des Bundesbahngesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr95/2009 beauftragte Gesellschaft oder deren Rechtsnachfolger hat, so lange dies von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau benötigt wird, ihre IT-Systeme und Unterstützungseinrichtungen entsprechend den Anforderungen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau gegen Entgelt zur Erfüllung der Aufgaben gemäß §22 Abs1 Z4 weiterhin einzusetzen und für die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau entsprechend deren Bedarf nutzbar zu machen.

(3b) Für die finanzielle Vollziehung der Aufgaben gemäß §22 Abs1 Z4 hat die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau einen eigenen Rechenkreis als Teil ihres Rechnungsabschlusses einzurichten, der eine Zuordnung der für die Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Aufwände sowie der damit verbundenen Erträge und der Ausgleichszahlungen gemäß Abs3c der ÖBB-Holding AG oder deren Rechtsnachfolger eindeutig ermöglicht und im Zuge des jährlichen Rechnungsabschlusses eine eigene Erfolgsrechnung für diesen Aufgabenbereich zu erstellen.

(3c) Der vom Bund gemäß Abs3 der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau nicht abgegoltene Teil ihrer Aufwände ist durch die ÖBB-Holding AG oder deren Rechtsnachfolger auszugleichen, wobei die ÖBB-Holding AG diesen Aufwand von den betroffenen Gesellschaften ersetzt erhält. Dazu hat die ÖBB-Holding AG oder deren Rechtsnachfolger der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau den Anteil am Beitragsaufkommen gemäß Abs3, der einem Beitragssatz von 0,8 vH entspricht, zum ersten Tag jeden Monats, beginnend mit , anzuweisen. Die ÖBB-Holding AG oder deren Rechtsnachfolger hat diese Ausgleichzahlung, nach Abstimmung mit der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, entsprechend der Fälligkeit der Pflegegeldzahlungen zeitgerecht vorzufinanzieren und bereits die Auszahlung der am fälligen Pflegegeldzahlungen zu gewährleisten. Diese Vorfinanzierung wird jeweils mit dem zum ersten Tag jeden Monats fälligen Anteil am Beitragsaufkommen gegenverrechnet.

(3d) Die ÖBB-Holding AG oder deren Rechtsnachfolger haben für den von ihnen an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau zu leistenden Aufwandsersatz keinen Anspruch gegenüber dem Bund.

(4) Der Bund hat den Trägern der gesetzlichen Pensions- und Unfallversicherung und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau den nach Abs1 bis 3 gebührenden Kostenersatz monatlich im erforderlichen Ausmaß unter Bedachtnahme auf seine Kassenlage zu bevorschussen.

(5) Der Bund hat der Pensionsversicherungsanstalt als Entscheidungsträger gemäß §22 Abs1 Z5 und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau als Entscheidungsträger gemäß §22 Abs1 Z3 für Bezieher einer Leistung nach §3 Abs1 Z4 litb, c und e sowie §3 Abs1 Z9 die in der Erfolgsrechnung nachgewiesenen Aufwendungen für das Pflegegeld sowie die in Abs1 erster Satz angeführten weiteren Aufwendungen analog Abs1 zu ersetzen. Der Bund hat diesen Entscheidungsträgern den gebührenden Kostenersatz monatlich im erforderlichen Ausmaß unter Bedachtnahme auf seine Kassenlage zu bevorschussen. Dies gilt für die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau insoweit nicht, als die Leistungen unter entsprechender Anwendung der §§4 und 5 Abs2 Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, BGBl I Nr 89/2006, aus Mitteln des Bundes erbracht werden.

7. ABSCHNITT

Übertragener Wirkungsbereich

§34. (1) Die Sozialversicherungsträger gemäß §22 Abs1 Z1, 2 und 5 haben die Aufgaben nach diesem Bundesgesetz im übertragenen Wirkungsbereich nach den Weisungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu vollziehen.

(2) Der Entscheidungsträger gemäß §22 Abs1 Z3 und 4 hat die Aufgaben nach diesem Bundesgesetz im übertragenen Wirkungsbereich nach den Weisungen des Bundesministers für Finanzen zu vollziehen."

2. Die Art3, 4, 7, 11, 21, 23, 24, 29, 34 und 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. 2004 L 166, 1, zuletzt berichtigt ABl. 2015 L 213, 65, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr 1149/2019, ABl. 2019 L 186, 21 lauten:

"TITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

[…]

Artikel 3

Sachlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

a) Leistungen bei Krankheit;

b) Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft;

c) Leistungen bei Invalidität;

d) Leistungen bei Alter;

e) Leistungen an Hinterbliebene;

f) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

g) Sterbegeld;

h) Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

i) Vorruhestandsleistungen;

j) Familienleistungen.

(2) Sofern in Anhang XI nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Reedern.

(3) Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.

(4) Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verpflichtungen von Reedern werden jedoch durch Titel III nicht berührt.

(5) Diese Verordnung gilt nicht für

a) soziale und medizinische Fürsorge oder

b) Leistungen, bei denen ein Mitgliedstaat die Haftung für Personenschäden übernimmt und Entschädigung leistet, beispielsweise für Opfer von Krieg und militärischen Aktionen oder der sich daraus ergebenden Folgen, Opfer von Straftaten, Attentaten oder Terrorakten, Opfer von Schäden, die von Bediensteten eines Mitgliedstaats in Ausübung ihrer Pflichten verursacht wurden, oder für Personen, die aus politischen oder religiösen Gründen oder aufgrund ihrer Abstammung Nachteile erlitten haben.

Artikel 4

Gleichbehandlung

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Artikel 7

Aufhebung der Wohnortklauseln

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

TITEL II

BESTIMMUNG DES ANWENDBAREN RECHTS

Artikel 11

Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;

c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.

(4) Für die Zwecke dieses Titels gilt eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit, die gewöhnlich an Bord eines unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrenden Schiffes auf See ausgeübt wird, als in diesem Mitgliedstaat ausgeübt. Eine Person, die einer Beschäftigung an Bord eines unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrenden Schiffes nachgeht und ihr Entgelt für diese Tätigkeit von einem Unternehmen oder einer Person mit Sitz oder Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat erhält, unterliegt jedoch den Rechtsvorschriften des letzteren Mitgliedstaats, sofern sie in diesem Staat wohnt. Das Unternehmen oder die Person, das bzw die das Entgelt zahlt, gilt für die Zwecke dieser Rechtsvorschriften als Arbeitgeber.

(5) Eine Tätigkeit, die ein Flug- oder Kabinenbesatzungsmitglied in Form von Leistungen im Zusammenhang mit Fluggästen oder Luftfracht ausübt, gilt als in dem Mitgliedstaat ausgeübte Tätigkeit, in dem sich die 'Heimatbasis' im Sinne von Anhang III der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 befindet.

TITEL III

BESONDERE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE VERSCHIEDENEN ARTEN VON LEISTUNGEN

KAPITEL 1

Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft

Abschnitt 1

Versicherte und ihre Familienangehörigen mit Ausnahme von Rentnern und deren Familienangehörigen

[…]

Artikel 21

Geldleistungen

(1) Ein Versicherter und seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen oder sich dort aufhalten, haben Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht werden. Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts können diese Leistungen jedoch vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden.

(2) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften Geldleistungen anhand eines Durchschnittserwerbseinkommens oder einer durchschnittlichen Beitragsgrundlage zu berechnen sind, ermittelt das Durchschnittserwerbseinkommen oder die durchschnittliche Beitragsgrundlage ausschließlich anhand der Erwerbseinkommen oder Beitragsgrundlagen, die für die nach diesen Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten festgestellt worden sind.

(3) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften Geldleistungen anhand eines pauschalen Erwerbseinkommens zu berechnen sind, berücksichtigt ausschließlich das pauschale Erwerbseinkommen oder gegebenenfalls den Durchschnitt der pauschalen Erwerbseinkommen für Zeiten, die nach diesen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend, wenn nach den für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften ein bestimmter Bezugszeitraum vorgesehen ist, der in dem betreffenden Fall ganz oder teilweise den Zeiten entspricht, die die betreffende Person nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zurückgelegt hat.

Abschnitt 2

Rentner und ihre Familienangehörigen

Artikel 23

Sachleistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats

Eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten erhält, wovon einer der Wohnmitgliedstaat ist, und die Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hat, erhält wie auch ihre Familienangehörigen diese Sachleistungen vom Träger des Wohnorts für dessen Rechnung, als ob sie allein nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats Anspruch auf Rente hätte.

Artikel 24

Nichtvorliegen eines Sachleistungsanspruchs nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats

(1) Eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats hat, erhält dennoch Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaaten Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf Rente und Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte.

(2) In den in Absatz 1 genannten Fällen werden die Kosten für die Sachleistungen von dem Träger übernommen, der nach folgenden Regeln bestimmt wird:

a) hat der Rentner nur Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats, so übernimmt der zuständige Träger dieses Mitgliedstaats die Kosten;

b) hat der Rentner Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten, so übernimmt der zuständige Träger des Mitgliedstaats die Kosten, dessen Rechtsvorschriften für die betreffende Person am längsten gegolten haben; sollte die Anwendung dieser Regel dazu führen, dass die Kosten von mehreren Trägern zu übernehmen wären, gehen die Kosten zulasten des Trägers, der für die Anwendung der Rechtsvorschriften zuständig ist, die für den Rentner zuletzt gegolten haben.

Artikel 29

Geldleistungen für Rentner

(1) Geldleistungen werden einer Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält, vom zuständigen Träger des Mitgliedstaats gewährt, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat, der die Kosten für die dem Rentner in dessen Wohnmitgliedstaat gewährten Sachleistungen zu tragen hat. Artikel 21 gilt entsprechend.

(2) Absatz 1 gilt auch für die Familienangehörigen des Rentners.

Abschnitt 3

Gemeinsame Vorschriften

[…]

Artikel 34

Zusammentreffen von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

(1) Kann der Bezieher von Geldleistungen bei Pflegebedürftigkeit, die als Leistungen bei Krankheit gelten und daher von dem für die Gewährung von Geldleistungen zuständigen Mitgliedstaat nach den Artikeln 21 oder 29 erbracht werden, im Rahmen dieses Kapitels gleichzeitig für denselben Zweck vorgesehene Sachleistungen vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsortes in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nehmen, für die ebenfalls ein Träger des ersten Mitgliedstaats die Kosten nach Artikel 35 zu erstatten hat, so ist das allgemeine Verbot des Zusammentreffens von Leistungen nach Artikel 10 mit der folgenden Einschränkung anwendbar: Beantragt und erhält die betreffende Person die Sachleistung, so wird die Geldleistung um den Betrag der Sachleistung gemindert, der dem zur Kostenerstattung verpflichteten Träger des ersten Mitgliedstaats in Rechnung gestellt wird oder gestellt werden könnte.

(2) Die Verwaltungskommission legt die Liste der von Absatz 1 erfassten Geldleistungen und Sachleistungen fest.

(3) Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder deren zuständige Behörden können andere oder ergänzende Regelungen vereinbaren, die für die betreffenden Personen nicht ungünstiger als die Grundsätze des Absatzes 1 sein dürfen.

KAPITEL 9

Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen

Artikel 70

Allgemeine Vorschrift

(1) Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

(2) Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck 'besondere beitragsunabhängige Geldleistungen' die Leistungen:

a) die dazu bestimmt sind:

i) einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

oder

ii) allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der eng mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,

und

b) deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten,

und

c) die in Anhang X aufgeführt sind.

(3) Artikel 7 und die anderen Kapitel dieses Titels gelten nicht für die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Leistungen.

(4) Die in Absatz 2 genannten Leistungen werden ausschließlich in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Die Leistungen werden vom Träger des Wohnorts und zu seinen Lasten gewährt."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die im Jahr 1958 geborene, pflegebedürftige Antragstellerin, eine österreichische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Österreich, bezieht eine Rente aus Liechtenstein und beantragte am bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Gewährung von Pflegegeld.

1.1. Nach dem Antragsvorbringen war die Antragstellerin die überwiegende Zeit ihres Berufslebens in Liechtenstein erwerbstätig und hatte dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sie sei ausschließlich über die "Concordia Landesvertretung Liechtenstein" krankenversichert. Da die Antragstellerin nunmehr seit geraumer Zeit in Österreich wohnhaft sei, erhalte sie von Seiten des Fürstentums Liechtenstein keine Pflegegeldzahlungen, weil nach liechtensteinischem Recht hiefür der gewöhnliche Aufenthalt des Pflegebedürftigen in Liechtenstein Voraussetzung sei.

Die Antragstellerin habe zum alle Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Alterspension nach ASVG erfüllt, bislang aber nicht beantragt. Gemäß der Pensionsvorausberechnung der Pensionsversicherungsanstalt vom würde die Alterspension monatlich 138,55 Euro (14 mal jährlich) betragen.

1.2. Die Pensionsversicherungsanstalt wies den Antrag vom auf Gewährung von Pflegegeld mit Bescheid vom ab, weil die Antragstellerin der "Krankenversicherung in Liechtenstein" zugehöre, weshalb "dieser Staat für pflegebedingte Leistungen zuständig" sei. Daraufhin erhob die Antragstellerin Klage beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht.

2. Mit Urteil vom wies das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht die Klage der Antragstellerin auf Gewährung von Pflegegeld ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Seit hätten grundsätzlich drei Personengruppen Anspruch auf Bundespflegegeld nach BPGG, nämlich Bezieher einer Grundleistung (§3 Abs1 und 2 BPGG), österreichische Staatsbürger ohne Grundleistung (§3a Abs1 BPGG) sowie österreichischen Staatsbürgern gleichgestellte Personen ohne Grundleistung (§3a Abs2 BPGG). Allen Gruppen sei gemeinsam, dass der Anspruch auf Pflegegeld den gewöhnlichen Aufenthalt des Pflegebedürftigen im Inland voraussetze.

Gemäß §3 Abs1 BPGG sei ein aufrechter Bezug einer – taxativ aufgelisteten – Grundleistung notwendig, wobei gemäß §3 Abs2 leg cit auch jene Personen als Bezieher einer Grundleistung gelten würden, denen ein Anspruch auf Grundleistung rechtskräftig zuerkannt worden sei, wenn die Grundleistung jedoch zur Gänze ruhe, noch nicht angefallen sei oder auf Grund von Anrechnungsbestimmungen zur Gänze nicht ausgezahlt werde. Die Klägerin habe weder einen Antrag auf Zuerkennung einer Grundleistung gestellt noch sei ihr eine solche rechtskräftig zuerkannt worden. Bei den Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom und vom handle es sich um unverbindliche Mitteilungen. Die Klägerin erfülle daher die Voraussetzungen nach §3 Abs1 und 2 BPGG nicht.

Nach §3a BPGG hätten seit auch österreichische Staatsbürger ohne Grundleistung unter der Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland Anspruch auf Pflegegeld. Mit der Novelle BGBl I 12/2015 sei §3a BPGG ab um die – mit Unionsrecht vereinbare – negative Anspruchsvoraussetzung ergänzt worden, wonach ein Pflegegeldanspruch nur bestehe, wenn nicht ein anderer Mitgliedstaat nach der Verordnung (EG) 883/2004 für Pflegeleistungen zuständig sei. Diese Verordnung sei auf Grund des Freizügigkeitsabkommens auch in diesem Fall anzuwenden. Beim Pflegegeld handle es sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf , Jauch) um eine in dieser Verordnung geregelte Leistung bei Krankheit, weil das Pflegegeld eine "Ergänzung der Leistungen der Krankenversicherung" sei, mit der es auch "organisatorisch verknüpft" sei. Es bezwecke die Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Lebensbedingungen des Pflegebedürftigen. Art3 Abs1 lita der Verordnung (EG) 883/2004 nenne Leistungen bei Krankheit als einen Zweig der sozialen Sicherheit. Art11 Abs1 dieser Verordnung normiere, dass Personen im Anwendungsbereich der Verordnung den Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaates unterliegen sollten. Dieser ausschließlichen Zuständigkeit und den damit verbundenen Wirkungen könne sich ein Sozialversicherter, der – wie die Klägerin – vom Geltungsbereich dieser Normen erfasst werde, nicht entziehen. Erhalte die Pflegebedürftige vom Wohnortstaat keine Pension und kein sonstiges Einkommen, aber eine Rente eines anderen Mitgliedstaates (EU, EWR, Schweiz), dann falle sie in die Zuständigkeit des Gesundheitssystems dieses Staates. Ein Pflegegeldanspruch im Wohnortstaat gebühre daher gemäß Art29 iVm Art24 Abs2 lita der Verordnung (EG) 883/2004 nicht (Hinweis auf Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld4, 2017, Rz 3.46). Da außer Streit stehe, dass die Klägerin in Österreich keinerlei Leistungen beziehe, im Fürstentum Liechtenstein allerdings obligatorisch krankenversichert sei, falle sie in die Zuständigkeit des Gesundheitssystems des Fürstentums Liechtenstein. Ein Pflegegeldanspruch im Wohnortstaat Österreich bestehe daher nicht. Dabei sei unerheblich, ob das liechtensteinische Sozialsystem eine dem Pflegegeld vergleichbare Leistung vorsehe oder nicht.

3. Gegen dieses Urteil erhob die Antragstellerin Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels unter einem den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legt die Antragstellerin ihre Bedenken der Sache nach wie folgt dar:

3.1. §3 und §3a BPGG würden infolge unsachlicher Ungleichbehandlung gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art7 Abs1 B-VG verstoßen.

3.2. Die Antragstellerin gehöre zu jener Gruppe von Personen, welche die Voraussetzungen für eine Grundleistung erfüllen würden, aber keinen dahingehenden Antrag gestellt hätten und daher keine Grundleistung bezögen, österreichische Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich seien und für die gemäß der Verordnung (EG) 883/2004 ein anderer Mitgliedstaat für die Erbringung von Pflegegeldzahlungen zuständig sei, von diesem anderen Mitgliedstaat aber trotz dessen Zuständigkeit keine Pflegegeldzahlungen erhielten, weil sie die von diesem anderen Mitgliedstaat normierten Voraussetzungen zum Erhalt von Pflegegeldzahlungen nicht erfüllen würden, etwa weil sie in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Diese Personengruppe sei einerseits mit jener Personengruppe zu vergleichen, welche die Voraussetzungen für den Erhalt der Grundleistung erfülle und denen die Grundleistung antragsgemäß tatsächlich zuerkannt worden sei, und andererseits mit jener Gruppe von Personen, welche die Voraussetzungen für den Erhalt der Grundleistung nicht erfüllten, aber österreichische Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland seien, und für welche nach der Verordnung (EG) 883/2004 kein anderer Mitgliedstaat für Pflegegeldzahlungen zuständig sei.

3.2.1. Im Hinblick auf die erste Vergleichsgruppe bestehe kein nachvollziehbarer Grund, warum jene Personengruppe, die eine Grundleistung in Österreich in Anspruch nehme, gegenüber jener Personengruppe, welche die Grundleistung in Österreich nicht in Anspruch nehme, begünstigt werde. Wesentlich sei die Erfüllung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Grundleistung, nicht jedoch die Inanspruchnahme der Grundleistung selbst. Niemand dürfe verpflichtet werden, ein ihm zustehendes Recht tatsächlich in Anspruch nehmen zu müssen. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass der Bezug von Pflegegeld vom tatsächlichen Bezug der Grundleistung (Alterspension) abhängig gemacht werde.

3.2.2. Im Hinblick auf die zweite Vergleichsgruppe ergebe sich aus §1 BPGG, dass das Pflegegeld den ausschließlichen Zweck habe, in Form eines Beitrages den pflegebedingten Mehraufwand pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Die Nichtgewährung von Pflegegeld nach §3a BPGG würde daher voraussetzen, dass seitens des gemäß der Verordnung (EG) 883/2004 zuständigen Mitgliedstaates auch tatsächlich Pflegegeld gezahlt werde. Wenn jene Mitgliedstaaten den Bezug von Pflegegeld wiederum vom gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat abhängig machen würden, führe dies dazu, dass diejenigen Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug von Pflegegeld in einem anderen Mitgliedstaat trotz dessen Zuständigkeit nicht erfüllen, schlechter gestellt seien. Diese Schlechterstellung sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne Hervorhebungen im Original):

"Ziel des 1993 in Österreich geschaffenen Pflegegeldsystems war die Einführung eines geschlossenen Systems der österreichischen Pflegevorsorge. Mit der Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen samt Anlagen, BGBl Nr 866/1993, haben sich Bund und Länder zu einer einheitlichen Pflegevorsorge nach gleichen Zielsetzungen und Grundsätzen im Sach-und Geldleistungsbereich für pflegebedürftige Personen verpflichtet.

Durch das Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I Nr 58/2011, wurde eine Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich des Pflegegelds begründet und es erfolgte auch eine Strukturbereinigung betreffend die Entscheidungsträger. Gemäß Art10 Abs1 Z11 B-VG ist seit der genannten Novelle das 'Pflegegeldwesen' in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Gemäß Art102 Abs2 B-VG kann das 'Pflegegeldwesen' unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Die Landespflegegeldgesetze traten mit außer Kraft.

Jene Personen, die ab Anspruch auf Bundespflegegeld haben, lassen sich in drei Gruppen unterteilen:

Bezieher einer Grundleistung (§3 Abs1 und 2 BPGG),

österreichische Staatsbürger ohne Grundleistung (§3a Abs1 BPGG),

österreichischen Staatsbürgern gleichgestellte Personen ohne Grundleistung (§3a Abs2 BPGG).

§3 Abs1 BPGG listet taxativ Grundleistungen auf, während deren aufrechten Bezugs Pflegegeld als Annexleistung gewährt wird. (Dabei macht es seit keinen Unterschied, ob die Leistung auf Grund einer bundes- oder einer landesgesetzlichen Bestimmung gebührt.) Der Anspruch auf Pflegegeld gemäß §3 Abs1 BPGG teilt somit das Schicksal des Anspruchs auf die Grundleistung und geht verloren, wenn die pflegebedürftige Person keine Grundleistung im Sinne des §3 Abs1 BPGG mehr erhält (der Wegfall der Grundleistung stellt einen Entziehungsgrund nach §9 Abs4 BPGG dar). Durch §3 Abs2 BPGG wird klargestellt, dass als Bezieher einer in Abs1 genannten Grundleistung auch Personen gelten, denen ein Anspruch auf eine Grundleistung rechtskräftig zuerkannt wurde, die Grundleistung jedoch zur Gänze ruht, noch nicht angefallen ist oder auf Grund von Anrechnungsbestimmungen zur Gänze nicht ausgezahlt wird.

Gemäß §3a Abs1 BPGG haben seit auch österreichische Staatsbürger ohne Bezug einer Grundleistung unter der Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland Anspruch auf Bundespflegegeld. (Diese Gruppe von Anspruchsberechtigten war bis zum durch Landesgesetz geregelt und hatte Anspruch auf Landespflegegeld.) Im Unterschied zu Personen, die das Pflegegeld als Annexleistung zu einer Grundleistung nach §3 Abs1 BPGG beziehen, ist für Personen ohne eine derartige Grundleistung die österreichische Staatsbürgerschaft grundsätzlich Anspruchsvoraussetzung (siehe aber zu den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellten Personen §3a Abs2 BPGG).

Durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 12/2015 wurde §3a Abs1 BPGG um die negative Anspruchsvoraussetzung ergänzt, wonach ein Anspruch auf Pflegegeld nach dieser Bestimmung nur besteht, wenn nicht ein anderer Mitgliedstaat nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr L 166 vom S. 1, für Pflegeleistungen zuständig ist. Anlass für diese Novellierung waren mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in denen dieser zur Auffassung gelangte, dass nach §3a BPGG in der früheren Fassung österreichische Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ohne weitere Voraussetzungen einen Anspruch auf Pflegegeld hatten. Diesem Anspruch sollte es auch nicht entgegenstehen, wenn nach Unionsrecht ein anderer Mitgliedstaat für Geldleistungen bei Krankheit zuständig war (vgl ua OGH 10 ObS 2/14p und 10 ObS 36/14p). In Reaktion auf diese Rechtsprechung sollte durch die Novelle bewirkt werden, dass die Zuständigkeit Österreichs auf jene Pflegeleistungen eingeschränkt ist, für die es auch im Rahmen der Koordination nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zuständig ist.

[…]

III. In der Sache

1. […]

2. Die Antragstellerin bringt vor, sie erachte sich in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, da sie ohne sachlichen Grund im Verhältnis zu jenen Personen, die die Voraussetzungen zum Erhalt einer Grundleistung nach §3 BPGG erfüllen und die diese auch auf entsprechenden Antrag hin beziehen, benachteiligt werde. Das Gesetz dürfe nicht auf den tatsächlichen Bezug einer Grundleistung abstellen, sondern müsse auf die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen zum Erhalt einer solchen abstellen.

Weiters werde sie, weil sie keine Pflegegeldleistungen vom nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 dafür zuständigen Fürstentum Liechtenstein beziehe, da der Bezug derartiger Leistungen den gewöhnlichen Aufenthalt im Fürstentum Liechtenstein voraussetze, im Verhältnis zu pflegebedürftigen Personen, welche ebenfalls österreichische Staatsbürger seien und ihren Aufenthalt im Inland hätten, für die aber kein anderer Mitgliedsstaat nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 für die Gewährung von Pflegegeld zuständig sei, schlechter gestellt.

3. Die Bundesregierung weist zur unionsrechtlichen Einordnung des Anlassfalls vorab auf Folgendes hin:

Bei Pflegeleistungen, die auf einem Rechtsanspruch der berechtigten Personen beruhen, handelt es sich aus unionsrechtlicher Sicht um Leistungen der sozialen Sicherheit, die nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zu koordinieren sind (vgl zum österreichischen Pflegegeld , Jauch; , C-286/03, Hosse). Die Verordnung legt fest, welcher Mitgliedstaat in grenzüberschreitenden Situationen zuständig ist, und zwar sowohl hinsichtlich der Einhebung von Beiträgen zur Finanzierung der einzelnen Leistungen als auch hinsichtlich der Gewährung der Leistungen. Auf Grund des EWR-Abkommens, BGBl Nr 909/1993, findet die Verordnung auch im Verhältnis zum Fürstentum Liechtenstein Anwendung.

Nach der Verordnung gelten Pflegeleistungen als Leistungen bei Krankheit, die nach denselben Grundsätzen wie die 'klassischen' Leistungen bei Krankheit zu koordinieren sind (vgl dazu insbesondere , da Silva Martins). Für Personen, die eine Rente aus einem oder mehreren Mitgliedstaaten erhalten, sind folgende Zuständigkeits- und Koordinierungsregelungen vorgesehen:

Bezieht eine Person eine Rente aus einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzstaat, so ist dieser andere Mitgliedstaat zuständig, die Kosten der Sachleistungen, die dieser Person gewährt werden, zu erstatten (Art24) und auch die nach seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Geldleistungen zu gewähren (Art29) und in den jeweiligen Wohnsitzstaat zu exportieren (Art7). Dieser Mitgliedstaat ist auch berechtigt, die nach seinen Rechtsvorschriften zur Abdeckung des Krankheitsrisikos (einschließlich des Pflegerisikos) vorgesehenen Beiträge einzuheben (Art30).

Bezieht eine Person Renten nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten, darunter eine ihres Wohnsitzstaates, so ist ausschließlich dieser zuständig, die Kosten der Sachleistungen, die dieser Person gewährt werden, zu tragen (Art23) und auch die nach seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Geldleistungen zu gewähren (Art29). Der Wohnsitzmitgliedsstaat ist auch berechtigt, die nach seinen Rechtsvorschriften zur Abdeckung des Krankheitsrisikos (einschließlich des Pflegerisikos) vorgesehenen Beiträge einzuheben (Art30).

Umgelegt auf den konkreten Anlassfall bedeutet dies, dass für eine Person wie die Antragstellerin, die ausschließlich eine Rente aus dem Fürstentum Liechtenstein bezieht (die Verordnung (EG) Nr 883/2004 stellt ausdrücklich nicht auf den hypothetischen Anspruch, sondern auf die tatsächliche Gewährung der Leistung ab) und in Österreich wohnt, das Fürstentum Liechtenstein für die Tragung der Kosten der gewährten Sachleistungen (klassische Leistungen bei Krankheit, aber allenfalls auch Pflegesachleistungen) zuständig ist und die nach liechtensteinischem Recht vorgesehenen Pflegegeldleistungen nach Österreich zu exportieren hat.

4. Soweit die Antragstellerin moniert, es dürfe (nach nationalem Recht) nicht auf den tatsächlichen Bezug einer in §3 Abs1 BPGG genannten Grundleistung abgestellt werden, sondern nur darauf, ob man die Anspruchsvoraussetzungen dafür erfülle, weist die Bundesregierung darauf hin, dass es der Antragstellerin freistünde, – neben ihrer Rente aus dem Fürstentum Liechtenstein − die ihr zustehende österreichische Pension in Anspruch zu nehmen (vgl dazu die von der Antragstellerin eingeholte Pensionsvorausberechnung vom ). Diesfalls wäre ausschließlich Österreich für den Schutz in Bezug auf das Krankheitsrisiko einschließlich der Pflegebedürftigkeit gemäß §3 Abs1 Z1 lita BPGG zuständig.

Aus welchen Gründen die Antragstellerin freiwillig auf diese Leistung verzichtet, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Sofern ihr der Verzicht aus subjektiver Sicht vorteilhaft erscheinen sollte (etwa weil die Beibehaltung der liechtensteinischen Krankenversicherung als vorteilhafter erachtet werden sollte), weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Nichtberücksichtigung derartiger individueller Erwägungen durch das Gesetz nicht die Gleichheitswidrigkeit der die Angelegenheit regelnden Normen zu begründen vermag (vgl zur Zulässigkeit einer Durchschnittsbetrachtung unter Abstellung auf den Regelfall anstelle vieler VfSlg 16.771/2002).

Nach der Konzeption des §3 BPGG stellt das Pflegegeld eine Annexleistung zu einer in Abs1 taxativ genannten Grundleistung dar. Der aufrechte Bezug einer derartigen Leistung (bzw die rechtskräftige Zuerkennung einer solchen in den in Abs2 genannten Fällen) stellt nach Ansicht der Bundesregierung jedenfalls einen Unterschied im Tatsächlichen dar, welcher eine unterschiedliche (rechtliche) Behandlung im Verhältnis zu jenen Personen rechtfertigt, die keine Grundleistung beziehen (aber möglicherweise eine beziehen könnten). Der Kreis an anspruchsberechtigten Personen ohne aufrechten Bezug einer Grundleistung ist hingegen in §3a BPGG geregelt.

Zusammengefasst kann die Bundesregierung keine Unsachlichkeit darin erkennen, dass im Rahmen des Regimes des §3 BPGG an den tatsächlichen Bezug einer Grundleistung angeknüpft wird, liegt dieser Regelung doch die nachvollziehbare Annahme zu Grunde, dass eine Person, die einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat, von ihrem Anspruch auch tatsächlich Gebrauch macht.

5. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus behauptet, das nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zuständige Fürstentum Liechtenstein gewähre ihr keine dem österreichischen Pflegegeld entsprechende Leistung, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe, weist die Bundesregierung auf die Entscheidung des EFTA-Gerichtshofes vom , E-5/06, hin: In dieser Entscheidung hat der EFTA-Gerichtshof ausgesprochen, dass die liechtensteinische Hilflosenentschädigung (welche im Wesentlichen dem österreichischen Pflegegeld entspricht) eine von der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (der Vorgängerverordnung der Verordnung (EG) Nr 883/2004) erfasste Leistung wegen Pflegebedürftigkeit ist, deren Bezug nicht an das Erfordernis eines Wohnsitzes im Fürstentum Liechtenstein geknüpft werden darf (vgl zu derartigen Wohnsitzklauseln auch Art7 Verordnung (EG) Nr 883/2004). Der Gewährung dieser liechtensteinischen Leistung steht daher − entgegen der dahingehenden Behauptung − der österreichische Wohnsitz der Antragstellerin nicht im Wege.

Das Vorbringen der Antragstellerin zielt auf eine Mischform der oben unter Punkt 3. dargestellten Zuständigkeitsregelungen ab, die in der Verordnung (EG) Nr 883/2004 aber in dieser Form nicht vorgesehen ist. Eine dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht widersprechende innerstaatliche Regelung müsste jedoch unangewendet bleiben (vgl hingegen zur Unionsrechtskonformität nationaler Ausschlussregelungen, die auf der unionsrechtlich vorgesehenen Zuständigkeitsverteilung beruhen, und C-96/18, van den Berg, Giesen und Franzen).

Ob die nationale Gesetzgebung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach die unionsrechtlichen Koordinierungsregelungen den an sich unzuständigen Mitgliedstaat nicht daran hindern, Leistungen der sozialen Sicherheit zu gewähren (vgl dazu , Bosmann; , C-611/10 und C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak sowie , C-382/13, Franzen), allenfalls aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen eine dahingehende Pflicht trifft, kann nach Ansicht der Bundesregierung im konkreten Fall dahingestellt bleiben, da es der Antragstellerin jederzeit freistünde, durch Inanspruchnahme der ihr zustehenden Alterspension in das österreichische Pflegeleistungssystem einbezogen zu werden (ein entsprechendes Vorbringen ist dem Antrag im Übrigen nicht zu entnehmen).

6. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom gestellt. Mit diesem Urteil wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG).

1.3. Als Klägerin ist die Antragstellerin Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG berechtigt ist.

1.4. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die Antragstellerin jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

1.5.1. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl VfSlg 20.010/2015).

1.5.2. Das Erstgericht hat §3 Abs1 und 2 sowie §3a Abs1 BPGG angewendet. Diese Bestimmungen sind somit als präjudiziell anzusehen.

1.6.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; ; , G444/2015; VfSlg. 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, die präjudiziell sind und mit präjudiziellen Bestimmungen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua; vgl auch ; , G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.6.2. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung stehen §3 Abs3 bis 6 und §3a Abs2 und 3 BPGG mit den präjudiziellen §3 Abs1 und 2 sowie §3a Abs1 leg. cit. vor dem Hintergrund des vorliegenden Antrages im Zusammenhang, sodass sie zulässigerweise mitangefochten werden können.

1.7. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag als zulässig. Damit erübrigt es sich, auf die beiden Eventualanträge einzugehen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag ist nicht begründet:

2.2. Die Antragstellerin hegt das Bedenken, dass die angefochtenen Bestimmungen in Widerspruch zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) stünden.

2.2.1. In Bezug auf §3 BPGG vertritt die Antragstellerin der Sache nach die Auffassung, dass es unsachlich sei, wenn der Gesetzgeber auf den tatsächlichen Bezug einer "Grundleistung" abstelle; sachlicherweise müsste es genügen, dass jemand – wie die Antragstellerin – die Voraussetzungen für den Bezug einer Grundleistung, konkret einer Alterspension nach ASVG, erfülle. Zu §3a Abs1 BPGG bringt die Antragstellerin der Sache nach vor, dass es sachlich nicht gerechtfertigt sei, österreichischen Staatsbürgern ohne frühere Beschäftigung in einem anderen EWR-Staat Pflegegeld zu leisten, hingegen österreichischen Staatsbürgern, die – wie die Antragstellerin – infolge einer früheren Beschäftigung in einem EWR-Staat unter die Verordnung (EG) 883/2004 fielen, Pflegegeld vorzuenthalten, und zwar selbst dann, wenn der nach dieser Verordnung zuständige Staat infolge des Wohnsitzes des Betroffenen außerhalb dieses Staates tatsächlich kein Pflegegeld leiste.

2.2.2. Die Bundesregierung hält diesem Vorbringen zunächst entgegen, dass es der Antragstellerin ohnehin freistünde, (neben ihrer Rente aus dem Fürstentum Liechtenstein) die ihr zustehende österreichische Pension in Anspruch zu nehmen, womit ausschließlich Österreich für den Schutz in Bezug auf das Krankheitsrisiko einschließlich der Pflegebedürftigkeit gemäß §3 Abs1 Z1 lita BPGG zuständig wäre. Zwar sei der Bundesregierung nicht bekannt, aus welchen Gründen die Antragstellerin freiwillig auf diese Leistung verzichte; sofern ihr der Verzicht aus subjektiver Sicht vorteilhaft erscheinen sollte, könne die Nichtberücksichtigung derartiger individueller Erwägungen durch das Gesetz nicht die Gleichheitswidrigkeit der die Angelegenheit regelnden Vorschriften begründen. Nach dem Konzept des §3 BPGG stelle das Pflegegeld eine Annexleistung zu einer taxativ genannten Grundleistung dar. Der aufrechte Bezug einer derartigen Leistung stelle jedenfalls einen Unterschied im Tatsächlichen dar, der eine unterschiedliche (rechtliche) Behandlung im Verhältnis zu jenen Personen rechtfertige, die keine Grundleistungen beziehen würden (aber möglicherweise eine solche beziehen könnten). Der Kreis der anspruchsberechtigten Personen ohne aufrechten Bezug einer Grundleistung sei hingegen in §3a BPGG geregelt.

Zu §3a Abs1 BPGG weist die Bundesregierung auf die Entscheidung des EFTA-Gerichtshofes vom , E-5/06, hin, wonach dieser Gerichtshof ausgesprochen habe, dass die – im Wesentlichen dem österreichischen Pflegegeld entsprechende – liechtensteinische Hilflosenentschädigung eine von der Vorgängerverordnung zur Verordnung (EG) 883/2004 erfasste Leistung wegen Pflegebedürftigkeit sei, deren Bezug nicht an das Erfordernis eines Wohnsitzes im Fürstentum Liechtenstein geknüpft werden dürfe (Hinweis auf Art7 Verordnung [EG] 883/2004). Der Gewährung dieser liechtensteinischen Leistung stehe daher entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin ihr österreichischer Wohnsitz nicht entgegen.

2.3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2.3.1. Das Pflegegeld hat gemäß §1 BPGG den Zweck, in der Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Beim Pflegegeld handelt es sich – ungeachtet der Abwicklung durch Sozialversicherungsträger (im übertragenen Wirkungsbereich, vgl die §§22 und 34 BPGG) – nicht um eine (Sozial-)Versicherungsleistung, sondern um eine aus dem Bundeshaushalt finanzierte anderweitige Sozialleistung (vgl §23 BPGG und etwa Pfeil/Auer-Mayer, Österreichisches Sozialrecht13 [2021] 162).

2.3.2. Das Pflegegeldwesen wurde mit der Neuordnung der Pflegevorsorge im Jahr 1993 zunächst teils durch den Bund und teils durch die Bundesländer geregelt (vgl die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen, BGBl 866/1993, VfSlg 17.786/2006 sowie Erläut zur RV des Bundespflegegeldgesetzes, 776 BlgNR 18. GP, 21 ff.). Der Bund gewährte mit der Stammfassung des BPGG (BGBl 110/1993) Pflegegeld (nur) jenen Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die schon bis dahin auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften Anspruch auf pflegebezogene Geldleistungen hatten (Erläut zur RV des Bundespflegegeldgesetzes, 776 BlgNR 18. GP, 25) und in §3 des Gesetzes – der im Grundsätzlichen §3 BPGG idgF entspricht – in taxativer Weise aufgezählt waren. Im Übrigen mussten die Länder für Pflegegeld vorsorgen (vgl Art1 Abs2 der genannten Vereinbarung nach Art15a B-VG).

2.3.3. Mit dem Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I 58/2011, wurde das "Pflegegeldwesen" mit Wirkung vom zur Gänze in die Bundeskompetenz (Art10 Abs1 Z11 B-VG) überführt (vgl zur Transformation damals geltender landesgesetzlicher, pflegegeldbezogener Bestimmungen in Bundesrecht Art151 Abs46 B-VG und zu ihrer Aufhebung §49 Abs18 BPGG). Gleichzeitig schuf der Bundesgesetzgeber (ua) §3a Abs1 BPGG, womit ein Anspruch auf Pflegegeld "auch ohne Grundleistung gemäß §3 Abs1 und 2 [leg it] für österreichische Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben", eingeräumt wurde.

2.3.4. Die Novelle zum BPGG BGBl I 12/2015 schränkte den Anspruch auf Pflegegeld nach §3a Abs1 BPGG ein, indem sie die weitere Anspruchsvoraussetzung einfügte, dass "nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit […] nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist." Der dieser Novelle zugrunde liegende Initiativantrag (IA 833/A 25. GP, 28 f.) begründete diese Einschränkung folgendermaßen:

"Zu Z3 und 13 (§§3a Abs1 und 48f Abs4):

Aus europarechtlicher Sicht ist das Pflegegeld als Geldleistung bei Krankheit zu betrachten (zB EuGH Rs C-160/96, Molenaar, Slg. 1998, I-00843; Rs C-215/99, Jauch Slg. 2001, I-1901 oder Rs C-286/03, Hosse, Slg. 2006, I-1771). Daher ist in Situationen mit grenzüberschreitenden Sachverhaltselementen die Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit wie für sonstige Leistungen bei Krankheit zu beurteilen. Sofern diese Zuständigkeiten mit nationalen Zuständigkeitsregelungen nicht übereinstimmen, muss dem EU-Recht der Anwendungsvorrang eingeräumt werden. Aufgrund der Verordnung (EG) Nr 883/2004 ist zB für eine/n in Österreich lebende/n BezieherIn nur einer Pension eines anderen Mitgliedstaates, nicht Österreich, sondern dieser andere Mitgliedstaat für sämtliche Leistungen bei Krankheit (einschließlich der Pflegeleistungen) zuständig (Art24 der Verordnung). Daher hat eine solche Person auch bei Wohnort in Österreich keinen Anspruch auf Pflegegeld.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof nunmehr in zwei viel beachteten Urteilen im Bereich der Familienleistungen entschieden, dass auch ein an sich nach der Verordnung nicht zuständiger Mitgliedstaat nicht daran gehindert ist, nach nationalem Recht Leistungsansprüche einzuräumen, die eben dann neben den Zuständigkeiten nach der Verordnung geltend gemacht werden können (EuGH Rs C-352/06, Bosmann, Slg. 2008, I-3827 sowie Rs C-611/10 und Rs C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak, DÖV 2012, 688). Für den Bereich der Pflegeleistungen hat der Europäische Gerichtshof diesen neuen Grundsatz aber bisher noch nie für anwendbar erklärt.

Dies hat jedoch nunmehr der Oberste Gerichtshof in zwei Urteilen entschieden (10 ObS 2/14p und 10 ObS 36/14p), indem er auch der Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaates unterliegenden BezieherInnen ausschließlich einer Pension aus diesen anderen Mitgliedstaaten aufgrund des uneingeschränkten Wortlautes des §3a BPGG Anspruch auf Pflegegeld eingeräumt hat. Diese Urteile berufen sich auf die EuGH Judikatur (insbesondere auf das Urteil in der Rechtssache Hudzinski und Wawrzyniak). Daher handelt es sich um keine unabwendbare Verpflichtung, sondern nur um ein Recht, das Österreich auch wieder entziehen kann. Durch die vorgeschlagene Änderung des §3a soll klargestellt werden, dass entsprechend der Praxis vor den beiden Urteilen des Obersten Gerichtshof 10 ObS 2/14p und 10 ObS 36/14p Österreich nur dann zur Leistung von Pflegegeld verpflichtet ist, wenn nicht ein anderer Staat aufgrund der Verordnung (EG) Nr 883/2004 für die Pflegeleistungen im Rahmen der Koordination als Leistung bei Krankheit zuständig ist. Von den die Entscheidung treffenden Stellen soll bzgl. der Eigenschaft Österreichs als zuständiger Staat im Sinne der VO (EG) Nr 883/2004 in den betreffenden Fällen eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden.

Davon unberührt bleiben die Koordinierungsregelungen des Kapitels III.2 der VO (EG) Nr 883/2004 bei einem Anspruch auf ein Pflegegeld im Rahmen der Unfallversicherung. Im Bereich der Unfallversicherung sollen keine Änderungen vorgenommen und die bisherige Vorgangsweise beibehalten werden."

2.3.5. Das Pflegegeld fällt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 883/2004, zu dem näher bezeichnete "Zweige der sozialen Sicherheit", insbesondere "Leistungen bei Krankheit" und "Leistungen bei Alter", zählen (Art3 Abs1 leg cit), und zwar unabhängig davon, ob es sich um "auf Beiträgen beruhende[…] [oder] beitragsfreie Systeme der sozialen Sicherheit" handelt (Art3 Abs2 leg cit). Der Gerichtshof der Europäischen Union (, C-215/99, Jauch, Rz 25 bis 28; , C-286/03, Hosse, Rz 38 ff.) ordnet Pflegegeld den "Leistungen bei Krankheit" (Art3 Abs1 lita der Verordnung [EG] 883/2004) zu. Gemäß der sogenannten "Exportpflicht" nach Art7 der Verordnung (EG) 883/2004 ("Aufhebung der Wohnortklauseln") dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht auf Grund der Tatsache gekürzt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Von dieser "Exportpflicht" sind "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" iSv Art70 der Verordnung (EG) 883/2004 ausgenommen, wenn sie in Anhang X zur Verordnung angeführt sind.

2.3.6. Die Verordnung (EG) 883/2004 ist auch für EWR-Mitgliedstaaten (wie das Fürstentum Liechtenstein) maßgeblich (vgl Anhang VI zum EWR-Abkommen idF des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr 76/2011 vom , ABl. 2011 L 262, 33).

2.3.7. Die Verordnung (EG) 883/2004 verpflichtet im Allgemeinen nicht zur Gewährung von Sozialleistungen, sondern koordiniert lediglich bestehende Sozialrechtssysteme zwischen den Mitgliedstaaten (vgl zB , Brey, Rz 43; , C-611/10, C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak, Rz 42; , C-95/18, C-96/18, van den Berg, Rz 63; vgl weiters etwa ; , 10 ObS 123/16k). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (, C-352/06, Bosmann, Rz 31; , C-611/10, C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak, Rz 68; , C-382/13, Franzen, Rz 65; , C-95/18, C-96/18, van den Berg, Rz 68 ff.) schließt es die Verordnung (EG) 883/2004 aber auch nicht aus, dass ein nach dieser Verordnung nicht zuständiger Mitgliedstaat nach nationalem Recht (weitergehende) Ansprüche einräumt.

2.3.8. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (, 10 ObS 83/16b; , 10 ObS 123/16k; , 10 ObS 34/20b) versteht §3a Abs1 BPGG gemäß seinem Wortlaut dahingehend, dass bereits die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates den Pflegegeldanspruch nach §3a Abs1 leg. cit. ausschließt, und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe die Rechtsordnung des zuständigen Mitgliedstaates eine entsprechende Sozialleistung vorsieht.

2.4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage

teilt der Verfassungsgerichtshof die vorgebrachten Bedenken nicht:

2.4.1. Dem Gesetzgeber sind durch den Gleichheitsgrundsatz insofern inhaltliche Schranken gesetzt, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001) sowie sachlich nicht begründbare Differenzierungen vorzunehmen (vgl VfSlg 8169/1977, 15.590/1999, 18.269/2007). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

2.4.2. Dem Gesetzgeber kommt bei der in Rede stehenden Gewährung von Pflegegeld, dem keine Gegenleistung des Anspruchsberechtigten gegenübersteht oder sonstige Verpflichtung des Staates zugrunde liegt, ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl im Hinblick auf staatliche Beihilfen zB VfSlg 8605/1979, 18.638/2008, 19.105/2010; ; betreffend Leistungen aus der Pensionsversicherung VfSlg 18.885/2009, zu Ausschlussgründen der Opferfürsorge VfSlg 4880/1964, zu Ruhensbestimmungen für Heimopferrenten VfSlg 20.278/2018 und zur Gewährung von Pflegegeld VfSlg 19.434/2011).

2.4.3. Soweit die Antragstellerin moniert, der Gesetzgeber dürfe aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes in §3 Abs1 BPGG nicht auf den "Bezug" näher bezeichneter "Grundleistungen", sondern nur auf den "Anspruch" auf solche Leistungen abstellen, ist sie nicht im Recht: Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn er den Anspruch auf Pflegegeld nach §3 Abs1 BPGG (insbesondere aus Gründen der Verwaltungsökonomie) an einen – rechtswirksam zuerkannten – Bezug dort aufgelisteter Grundleistungen knüpft. Der Gesetzgeber ist im gegebenen Zusammenhang von Verfassungs wegen auch nicht gehalten, jene (seltenen) Fälle zu berücksichtigen, in denen Anspruchsberechtigte aus in ihrer Sphäre gelegenen Erwägungen den Bezug von Grundleistungen nicht beanspruchen, zumal mit §3a Abs1 BPGG ohnehin noch ein weitgefasster, vom Bezug einer Grundleistung unabhängiger Anspruch auf Pflegegeld eingeräumt ist.

Der Ausschluss eines Pflegegeldanspruches für Fälle der Zuständigkeit anderer Mitgliedstaaten liegt ebenfalls – und zwar unabhängig davon, ob andere Mitgliedstaaten vergleichbare Leistungen überhaupt oder in entsprechender Höhe gewähren – im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers: Die Antragstellerin bedenkt bei ihrem isolierten, auf eine einzelne sozialpolitische Maßnahme abstellenden Vergleich den Zweck der unions- bzw EWR-rechtlichen Freizügigkeit nicht hinreichend. Die Inanspruchnahme dieser Freizügigkeit hat regelmäßig zur Folge, dass sich der sie in Anspruch Nehmende (zumindest teilweise) dem Anwendungsbereich anderer (Sozial-)Rechtssysteme anderer Staaten unterwirft. Angesichts dessen hält der Verfassungsgerichtshof den isolierten gleichheitsrechtlichen Vergleich einzelner österreichischer Sozialmaßnahmen bei Inanspruchnahme der EWR- oder unionsrechtlichen Freizügigkeit für verfehlt. Der Verfassungsgerichtshof hegt damit keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn §3a Abs1 BPGG an das unionsrechtliche Ordnungssystem der Koordinierung von Maßnahmen der sozialen Sicherheit bei Inanspruchnahme der (Arbeitnehmer-)Freizügigkeit im Rahmen der EU (des EWR) anknüpft.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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Normen:
B-VG Art7 Abs1 / GesetzB-VG Art10 Abs1 Z11B-VG Art140 Abs1 Z1 litdB-VG Art151 Abs46BundespflegegeldG §1, §3, §3a, §7, §22, §23, §34, §49 Abs18Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom Art3, Art4, Art7, Art11, Art21, Art23, Art24, Art29, Art34, Art70Vereinbarung Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige PersonenVfGG §7 Abs1
Schlagworte:
Pflegegeld, Rechtspolitik, EU-Recht, Verwaltungsökonomie, VfGH / Parteiantrag, Kompetenz Bund - Länder Pflegegeld, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Wohnsitz, EWR
ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2023:G328.2021

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