VfGH vom 05.10.2022, G173/2022 (G173/2022-14)

VfGH vom 05.10.2022, G173/2022 (G173/2022-14)

Leitsatz

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die Unvereinbarkeit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausschließlich bei Beamten – im Gegensatz zu Vertragsbediensteten – auf Grund einer Bestimmung der RAO; Zulässigkeit der Anfechtung einzelner Bestandteile einer Legaldefinition auf Grund Bereinigung der Rechtslage für den Anlassfall sowie Beibehaltung des Sinngehalts der verbleibenden Wortfolge; Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnissen nicht sachlich begründet; Bindung der Beamte und Vertragsbedienstete an die Weisungen der obersten Organe ist mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft auf Grund deren Verpflichtungen gegenüber den Parteien unvereinbar und besteht unabhängig von der Art der entgeltlichen dienstrechtlichen Stellung als Beamter oder Vertragsbediensteter

Spruch

I.1. Die Wortfolge "durch ernannte berufsmäßige Organe" in § 20 lita Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl Nr 96/1868, idF BGBl I Nr 19/2020 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II.Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt der Oberste Gerichtshof, in § 20 lita Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl 96/1868, idF BGBl I 19/2020 die Wortfolge "unter der Führung eines besoldeten Staatsamtes ist jede Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Staatssekretär, als Mitglied einer Landesregierung, als Präsident des Nationalrates, als Obmann eines Klubs im Nationalrat, als Präsident des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes, als Mitglied der Volksanwaltschaft, als Mitglied des Verwaltungsgerichtshofs, als Staatsanwalt, als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder eines Verwaltungsgerichts sowie jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt;" als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die § 5, 9, 20 und 21g Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl 96/1868, idF BGBl I 71/2022 (die angefochtene Bestimmung idF BGBl I 19/2020) lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§5. (1) Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.

(1a) […]

(2) Die Eintragung in die Liste ist zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Der Ausschuß hat die notwendigen Erhebungen zu pflegen und, wenn die Eintragung verweigert werden soll, den Bewerber vorher einzuvernehmen.

(3) Sonst ist, wenn dem Bewerber nicht ein Grund nach strafgesetzlichen Vorschriften oder nach den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegensteht, die Eintragung zu bewilligen.

(4) - (6) […]"

"§9. (1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.

(1a) - (9) […]"

"§20. Mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist unvereinbar:

a) die Führung eines besoldeten Staatsamtes mit Ausnahme des Lehramtes; unter der Führung eines besoldeten Staatsamtes ist jede Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Staatssekretär, als Mitglied einer Landesregierung, als Präsident des Nationalrates, als Obmann eines Klubs im Nationalrat, als Präsident des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes, als Mitglied der Volksanwaltschaft, als Mitglied des Verwaltungsgerichtshofs, als Staatsanwalt, als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder eines Verwaltungsgerichts sowie jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt; keine Unvereinbarkeit liegt im Fall der Bekleidung eines Mandats einer gesetzgebenden Körperschaft vor;

b) die Ausübung des Notariates;

c) der Betrieb solcher Beschäftigungen, welche dem Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zuwiderlaufen."

"§21g. Rechtsanwälte dürfen als Dienstnehmer ein Dienstverhältnis, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfasst, die zu den befugten Aufgaben des Rechtsanwalts gehören, nur mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwalts-Gesellschaft eingehen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom wurde der Antrag der Partei im Anlassverfahren vom auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte gemäß § 5 Abs 3 iVm § 20 lita, § 20 litc und § 21g RAO abgewiesen. Die Partei im Anlassverfahren befinde sich derzeit in einem Dienstverhältnis zu einer Gemeinde in den Funktionen der Abteilungsleiterin des Bürgerservice und stellvertretenden Stadtamtsdirektorin, welche sie auch während der Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufrechterhalten wolle. Dies sei mit den Bestimmungen des § 20 lita und c RAO sowie des § 21g RAO unvereinbar.

Gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom erhob die Partei im Anlassverfahren Berufung an den Obersten Gerichtshof.

2. Der Oberste Gerichtshof legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…]

3. Zum Unvereinbarkeitsgrund des § 20 lita) RAO:

3.1. Gemäß § 20 lita) RAO idF vor dem BRÄG 2020 (BGBl I 2020/19) war 'die Führung eines besoldeten Staatsamtes mit Ausnahme des Lehramtes' mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar.

3.2. Nach Lohsing (Österreichisches Anwaltsrecht2, 286) sind die Unvereinbarkeitsgründe in § 20 RAO erschöpfend aufgezählt, weshalb andere als die hier erwähnten Nebenbeschäftigungen mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht unvereinbar seien. Demnach könne ein Rechtsanwalt ein öffentliches Amt außerhalb des Bundesdienstes, also in Diensten von Ländern, Bezirken und Gemeinden ausüben, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um den eigenen oder den übertragenen Wirkungskreis handle, oder ob gar die Gemeinde deshalb, weil sie eine autonome Gemeinde ist, durch ihre Beamten Funktionen versehen lässt, die sonst nur staatlichen Beamten zugewiesen sind. Der Begriff des Staatsamtes sei nach Lohsing im Sinn der Dienstpragmatik zu verstehen. Amtsfunktionen, die nicht mit einer Beamtenstellung im Sinn der Dienstpragmatik verknüpft seien, könne daher der Rechtsanwalt ausüben, etwa als Mitglied einer Staatsprüfungskommission.

3.3. Der Auffassung von Lohsing, dass nur eine Anstellung im Sinn der Dienstpragmatik eine Unvereinbarkeit begründe, folgte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom , AZ 7/48 (SZ 21/143), nicht. Vielmehr sei es der Regelungszweck des § 20 lita) RAO, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts von den Staatsbehörden sicherzustellen. Für den Begriff des 'besoldeten Staatsamtes' sei auch nicht wesentlich, dass die Besoldung vom Staat getragen werden müsse. Es gehe nur darum, dass das Amt zur Führung von Staatsgeschäften bestellt sei und dass der diese Geschäfte besorgende Beamte hierfür besoldet werde. Unter dem Gesichtspunkt des § 9 RAO stehe die besoldete Bindung an eine Behörde, mag sie eine Staatsbehörde oder auch eine Landes- oder Gemeindebehörde sein, mit dem Grundsatz einer freien Anwaltschaft in unlösbarem Widerspruch. Der Oberste Gerichtshof bestätigte daher die Verweigerung der Eintragung eines Obermagistratsrats einer Stadt mit eigenem Statut in die Liste der Rechtsanwälte.

3.4. In der — noch vor der Einfügung des § 21g RAO im Jahr 2000 ergangenen — Entscheidung der OBDK vom , Bkv 3/68 (AnwBl 1971, 233 f), sprach diese aus, dass eine Tätigkeit als Leiter des Rechtsbüros einer Versicherung nicht mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft vereinbar sei. Diese Tätigkeit würde zwar nicht dem Ansehen des Standes entgegenstehen. Allerdings ergebe sich aus § 9 RAO der Grundsatz einer freien Rechtsanwaltschaft, mit welcher die besoldete Bindung an irgendein privates Unternehmen, mit dem ein Angestelltenverhältnis bestehe, bedenklich und nicht vereinbar sei. Diese Auffassung hat die OBDK in ihrer Entscheidung vom , Bkv 2/88 (AnwBl 1990, 194), dahin bestätigt, dass die Tätigkeit eines auch nur für Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung zuständigen Landesbeamten mit dem Grundsatz der freien Rechtsanwaltschaft unvereinbar sei.

3.5. Der Gesetzgeber ergänzte mit dem BRÄG 2020 (BGBl I 2020/19) § 20 lita) RAO um eine Legaldefinition des Begriffs 'besoldetes Staatsamt'. Darunter ist — soweit hier relevant — 'jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder [...] durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt'.

3.6. Zunächst fällt auf, dass in dieser Definition zwar die obersten Organe des Bundes oder der Länder erwähnt werden, nicht aber die Organe der Gemeinden. Im übertragenen Wirkungsbereich haben die Gemeinden allerdings auch Angelegenheiten der Bundes- und Landesverwaltung im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes und der Länder zu besorgen (Art119 Abs 1 B-VG). Zu diesen Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs gehören etwa die Ausstellung von Strafregisterbescheinigungen (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG iVm § 10 Abs 1 StrafregisterG 1968) und das Meldewesen (Art10 Abs 1 Z 7 B-VG iVm § 13 Abs 1 MeldeG 1991). Im übertragenen Wirkungsbereich sind auch die Gemeinden unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder tätig.

3.7. Art 20 Abs 1 B-VG (idF des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, BGBl I 2008/2) unterscheidet zwischen gewählten Organen, ernannten berufsmäßigen Organen oder vertraglich bestellten Organen, welche unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder die Verwaltung führen. Hingegen bestimmt § 20 lita) RAO eine Unvereinbarkeit nur bei ernannten berufsmäßigen Organen, nicht aber bei gewählten Organen (wie etwa Bürgermeistern) oder vertraglich bestellten Organen (also Vertragsbediensteten). Nach dem Wortlaut von § 20 lita) RAO ist daher nur die Stellung als ernannter Beamter (vgl etwa § 3 Abs 1 NÖ Gemeindebeamtendienstverordnung 1976) mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar, nicht aber die Stellung als Vertragsbediensteter.

3.8. Nach den Gesetzesmaterialien zum BRÄG 2020 (zu § 20 lita) RAO sowie zum ebenfalls geänderten § 7 NO; ErläutRV 19 BlgNR 27. GP 10 und 15) orientiert sich die Aufzählung der unvereinbaren Ämter insbesondere an den Inkompatibilitätsbestimmungen des Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetzes, nimmt aber gleichzeitig auf die mit dem Gesetz vom über die Vereinbarkeit des Amts eines Volksbeauftragten mit der Rechtsanwaltschaft und dem Notariate, StGBl 1919/598, vorgenommenen Abgrenzungen Bedacht. Dessen § 1 Abs 1 sah vor, dass das Amt eines Volksbeauftragten nicht als ein besoldetes Staatsamt im Sinn des § 20 RAO galt, während nach § 1 Abs 2 Rechtsanwälte, solange sie bestimmte höchste Staatsämter (Staatskanzler, Staatssekretär, Landeshauptmann etc) bekleideten, ihren Beruf nicht persönlich ausüben konnten. Schon daraus ist der Grundsatz einer unterschiedlichen Behandlung von Organen der Exekutive und der Legislative zu erkennen.

3.9. Die Materialien zum BRÄG 2020 erwähnen auch, dass nach dem vorgeschlagenen Text entsprechend der bisherigen Rechtslage (unter Zitierung der zuvor erwähnten Entscheidung vom , Bkv 2/88) weiterhin Tätigkeiten unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder [...] durch ernannte berufsmäßige Organe unvereinbar sein sollen, wobei es unerheblich sei, ob die zu besorgenden Geschäfte zum Bereich der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung zählen (ErläutRV 19 BlgNR 27. GP 15). Warum vertraglich bestellte Verwaltungsorgane nicht in die Neufassung des § 20 lita) RAO aufgenommen wurden, ist den Materialien allerdings nicht zu entnehmen.

3.10. Art 20 B-VG wurde mit dem Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, BGBl I 2008/2, geändert. Der Gesetzgeber des BRÄG 2020 fand daher in Art 20 Abs 1 B-VG schon die Unterscheidung zwischen ernannten berufsmäßigen Organen und vertraglich bestellten Organen vor. Da die Stellung von Vertragsbediensteten in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, kann dem Gesetzgeber des BRÄG 2020 auch nicht unterstellt werden, dass die Aufnahme der 'vertraglich bestellten Organe' in die – nicht bloß demonstrativ, sondern taxativ gemeinte – Legaldefinition des § 20 lita) RAO nur versehentlich unterblieben ist. Dies schließt die Annahme einer – planwidrigen – Lücke aus und eine solche könnte auch, zumal der Wortsinn ('ernannte berufsmäßige Organe') die Grenze der Auslegung bildet, nicht mittels Analogie geschlossen werden. Es ist daher dem Obersten Gerichtshof verwehrt, die unbefriedigende gesetzliche Regelung im Weg der Auslegung (durch Einbeziehung der 'vertraglich bestellten Organe') zu korrigieren und damit einen – eine große Personengruppe umfassenden erweiterten Unvereinbarkeitstatbestand zu schaffen (allgemein dazu jüngst 5 Ob 130/20h; RS0009099; Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4§ 6 Rz 120 mwH).

3.11. Als Zwischenergebnis folgt daher, dass nach § 20 lita) RAO idF BRÄG 2020 die Tätigkeit von Vertragsbediensteten einer Gemeinde im Gegensatz zu jener von 'ernannten berufsmäßigen Organen', auch wenn damit im übertragenen Wirkungsbereich Aufgaben der Bundesverwaltung oder der Landesverwaltung wahrgenommen werden, nicht mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt unvereinbar ist (unbeschadet der Bestimmungen von § 20 litc) RAO und § 21g RAO).

D. Präjudizialität von § 20 lita) RAO idF BRÄG 2020:

1. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Berufungsverfahren § 20 lita) RAO idF BRÄG 2020 anzuwenden, weil Unvereinbarkeiten im Sinn der § 20 litc), 21g RAO nicht vorliegen und daher nur mehr zu prüfen ist, ob eine Unvereinbarkeit gemäß § 20 lita) RAO vorliegt. Die Verfassungsmäßigkeit von § 20 lita) RAO idF BRÄG 2020 ist daher eine Vorfrage für die Entscheidung.

2. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass der Oberste Gerichtshof und die OBDK bisher den Begriff des besoldeten Staatsamtes weit ausgelegt haben und es danach nicht auf die dienstrechtliche Stellung des Eintragungswerbers ankommt (SZ 41/143; Bkv 2/88).

E. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 20 lita) RAO idF BRÄG 2020:

Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs ist die besoldete Bindung eines Rechtsanwalts an eine Behörde mit dem Grundsatz einer freien Rechtsanwaltschaft (§9 RAO) unvereinbar:

1. Nach § 1 RL-BA 2015 ist der Rechtsanwalt der durch seine rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Aus- und Fortbildung, seine Verschwiegenheit, seine Vertrauenswürdigkeit, seine Unabhängigkeit ausgezeichnete Berater, Beistand oder Vertreter seiner Klienten in allen ihren öffentlichen und privaten Angelegenheiten, im Besonderen auch als Verteidiger in Strafsachen. Darüber hinaus ist der Rechtsanwalt berufen, engagiert für die Verteidigung der Grundrechte und die Wahrung von Freiheit und Rechtsfrieden einzutreten, zur Vermeidung und außergerichtlichen Lösung von Konflikten beizutragen und als Vertreter individueller Interessen und Anliegen, die mit rechtmäßigen Mitteln verwirklicht werden können, unter Bindung an sein Gewissen und seine soziale Kompetenz beizustehen.

2. Es würde dem Selbstverständnis einer freien und unabhängigen Anwaltschaft und der Zielsetzung des § 9 Abs 1 RAO widerstreiten, einerseits als Repräsentant der staatlichen Verwaltung aufzutreten und andererseits als Parteienvertreter, dessen Aufgabe es gerade ist, Rechte des Einzelnen gegenüber der staatlichen Verwaltung durchzusetzen bzw staatliche Eingriffe abzuwehren.

3. Dies hat auch der Gesetzgeber des BRÄG 2020 erkannt, weil nach den Materialien zum BRÄG 2020 entsprechend der bisherigen Rechtslage (unter Zitierung der bereits erwähnten Entscheidung vom , Bkv 2/88) weiterhin Tätigkeiten unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder durch ernannte berufsmäßige Organe unvereinbar sein sollen, wobei es unerheblich ist, ob die zu besorgenden Geschäfte zum Bereich der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung zählen.

4. Sachlich gerechtfertigte Gründe, warum diese Unvereinbarkeit von der dienstrechtlichen Stellung des Organs (Beamter oder Vertragsbediensteter) abhängig sein soll, sind nicht zu erkennen. Die staatliche Verwaltung wird heute in zunehmendem Maße nicht mehr durch Beamte, sondern durch Vertragsbedienstete vollzogen. Aufgrund des in der öffentlichen Verwaltung weitgehend bestehenden Pragmatisierungsstopps ändert sich das Verhältnis zwischen Beamten und Vertragsbediensteten stetig zugunsten von Vertragsbediensteten. Deren Nichteinbeziehung in den Unvereinbarkeitstatbestand des § 20 lita) RAO führt daher längerfristig zu einer Aushöhlung dieser Bestimmung.

5. Auch Vertragsbedienstete sind grundsätzlich zu hoheitlichem Handeln befugt. Vertragsbedienstete sind dabei ebenso an Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden wie Beamte (in concreto: § 4 Abs 3 NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 1976 iVm § 28 Abs 2 NÖ Gemeinde-Beamtendienstordnung 1976). Tatsächlich ist die Rechtsstellung von Vertragsbediensteten jener von Beamten weitgehend angenähert. Der wesentliche Unterschied beschränkt sich auf die fehlende Pragmatisierung der Vertragsbediensteten. Während die Pragmatisierung (also de facto Unkündbarkeit) dem Beamten aber noch ein gewisses Maß an Unabhängigkeit verschafft, ist diese bei einem jederzeit frei kündbaren Vertragsbediensteten deutlich geringer.

6. Eine Auslegung, wonach die Unvereinbarkeit mit einer Tätigkeit als Vertragsbediensteter nur nach dem Maßstab des § 21g RAO, nicht aber nach § 20 lita) RAO zu prüfen ist, wäre ebenfalls gleichheitswidrig: Dann wären nämlich Beamte gegenüber Vertragsbediensteten insofern benachteiligt, als sie jedenfalls von der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen sind, Vertragsbedienstete hingegen nur dann, wenn ihr Dienstverhältnis Tätigkeiten umfasst, die zu den befugten Aufgaben des Rechtsanwalts gehören. Auch dies zeigt, dass eine unterschiedliche Regelung der Unvereinbarkeitsbestimmungen für öffentlich Bedienstete hinsichtlich der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht sachgerecht ist.

7. Die aufgezeigte unterschiedliche Behandlung öffentlich Bediensteter hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in § 20 lita) RAO ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs unsachlich und verstößt daher gegen den Gleichheitssatz (Art7 B-VG).

F. Anfechtungsumfang:

1. Es wird die Aufhebung der gesamten Legaldefinition des Begriffs des besoldeten Staatsamtes in § 20 lita) RAO beantragt, weil eine bloße Teilaufhebung der Wendung 'sowie jede entgeltliche Tätigkeit [...]‚ die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt;' dazu führen würde, dass solche Tätigkeiten (unabhängig von ihrer dienstrechtlichen Einordnung) nicht mehr als besoldetes Staatsamt zu verstehen sind.

2. Gegen die Aufrechterhaltung der im letzten Satzteil von § 20 lita) RAO enthaltenen Ausnahmeregelung, dass im Fall der Bekleidung eines Mandats einer gesetzgebenden Körperschaft keine Unvereinbarkeit vorliegt, bestehen keine Bedenken.

[…]"

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…]

I. Zur Rechtslage:

[…]

3.2. Zum Regelungsinhalt:

3.2.1. Die unabhängige Ausübung der Rechtsanwaltschaft und die Verpflichtung, in dem von § 9 Abs 1 RAO definierten Rahmen und Umfang ausschließlich die Interessen seiner Partei zu verfolgen und gegen jedermann zu vertreten, stellt das Kernelement des Berufsbilds des Rechtsanwalts dar. Die meisten standesrechtlichen Pflichten des Anwalts seiner Partei gegenüber lassen sich auf die Pflicht zu der in § 9 Abs 1 RAO angeordneten Parteientreue zurückführen (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek[,] RAO10§ 9 Rz. 1).

3.2.2. Die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts wird ua in § 20 RAO konkretisiert, der gewisse Funktionen bzw Tätigkeiten nennt, die mit der Ausführung des Rechtsanwaltsberufs per se unvereinbar sind. Neben der Anführung zweier Berufsgruppen in § 20 lita und b RAO enthält § 20 litc RAO eine 'Generalklausel', die jene Beschäftigungen umfasst, die dem Ansehen des Rechtanwaltsstandes zuwiderlaufen.

3.2.3. Gemäß § 20 lita erster Halbsatz RAO ist 'die Führung eines besoldeten Staatsamtes mit Ausnahme des Lehramtes' mit der Rechtsanwaltschaft jedenfalls unvereinbar. Voraussetzung für das Vorliegen eines besoldeten Staatsamtes ist, dass dieses mit der Führung von Staatsgeschäften betraut ist, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese Staatsgeschäfte zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung zählen (vgl Bkv 2/88; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10§ 20 Rz. 3).

Die Bezeichnung als Staatsamt macht deutlich, dass die Gesetzgebung hier die Übernahme staatlicher (öffentlicher) Funktionen im Auge hatte, die schon ihrem äußeren Anschein nach eine besondere 'Staatsnähe' des jeweiligen Funktionsträgers aufweisen. Dies wird auch durch die mit dem BRÄG 2020 erfolgten Änderungen deutlich. Unvereinbar ist danach jede Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Staatssekretär, als Mitglied einer Landesregierung, als Präsident des Nationalrates, als Obmann eines Klubs im Nationalrat, als Präsident des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes sowie als Mitglied der Volksanwaltschaft; ebenso jede Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes, als Staatsanwalt oder als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder eines Verwaltungsgerichts. Bei diesen Tätigkeiten ist nach Ansicht der Gesetzgebung schon dem äußeren Anschein nach keine (hinreichend) unabhängige gleichzeitige rechtsanwaltliche Berufsausübung möglich. Gleiches gilt für die in § 20 lita RAO weiter angeführte 'entgeltliche Tätigkeit, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes- oder der Länder, des Vorsitzenden der Volkanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt'.

3.2.4. Gemäß § 21g RAO dürfen Rechtsanwälte als Dienstnehmer ein Dienstverhältnis, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfasst, die zu den befugten Aufgaben des Rechtsanwalts gehören, zudem nur mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwalts-Gesellschaft eingehen.

3.2.5. Durch die § 20 und 21g RAO soll somit gewährleistet werden, dass die Erbringung von Tätigkeiten, die mit der gleichzeitigen Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht in Einklang zu bringen sind, durch Rechtsanwälte hintangehalten werden.

II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

[…]

2. Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge sprächen. Im Hinblick auf den Aufhebungsumfang wird darauf hingewiesen, dass mit der Aufhebung der Wortfolge 'durch ernannte berufsmäßige Organe' in § 20 lita RAO das Auslangen gefunden werden könnte.

III. In der Sache:

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

1. Der Oberste Gerichtshof hegt zusammengefasst Bedenken dahin, dass die aus § 20 lita RAO resultierende unterschiedliche Behandlung öffentlich Bediensteter – ernannte berufsmäßige Organe einerseits und vertraglich bestellte Organe andererseits – hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unsachlich sei und daher gegen den Gleichheitssatz verstoße. Sachlich gerechtfertigte Gründe, warum die Unvereinbarkeit von der dienstrechtlichen Stellung des Organs (Beamter oder Vertragsbediensteter) abhängig sein soll, seien nicht erkennbar.

2. […]

2.1. Die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in der Berufsausübung ist das Kernelement des Rechtsanwaltsberufs. Ein Beruf, der diese Unabhängigkeit in seiner anwaltlichen Tätigkeit beeinträchtigt, steht der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft daher entgegen. Die Unabhängigkeit des Rechtanwalts soll unter anderem dadurch gewährleistet werden, dass die Übernahme bestimmter öffentlicher Funktionen schon von vornherein mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar ist (vgl dazu bereits Punkt I.3.2.3.). Die Gesetzgebung stellt somit darauf ab, dass bei den genannten Funktionen schon dem äußeren Anschein nach keine unabhängige gleichzeitige rechtsanwaltliche Berufsausübung möglich erscheint, weil eine besondere Staatsnähe des jeweiligen Funktionsträgers vorliegt.

2.2. Nichts Anderes gilt für die in der angefochtenen Wortfolge weiter angeführte entgeltliche Tätigkeit, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volkanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt. Die Gesetzgebung ging dabei – im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes – davon aus, dass die dem § 20 lita zugrundeliegende besondere Staatsnähe, die einen absoluten Ausschluss von der gleichzeitigen rechtsanwaltlichen Berufsausübung rechtfertigt, auf den Kreis der 'ernannten berufsmäßigen Organe' beschränkt ist:

Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen einem öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnis bildet nicht der Aufgabenkreis des Dienstnehmers, sondern die Art der Entstehung des Dienstverhältnisses (vgl VfSlg 2920/1955). Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse werden durch einen Akt der Hoheitsverwaltung begründet, privatrechtliche Dienstverhältnisse durch Vertrag. Bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis handelt es sich nicht um ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Vertragspartnern; vielmehr sind die aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen – sofern nicht Gestaltungsrechte gesetzlich ausdrücklich eingeräumt sind – weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer gestaltbar, sondern haben sich aus dem Gesetz zu ergeben (vgl Fellner, BDG § 1 BDG E7; und 89/12/0005 ua). Der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses liegt daher darin, dass Personen in einem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden (vgl Fellner, BDG § 1 BDG E9; vgl auch VfSlg 11.151/1986, wonach der Beamte in einem durch Ernennung begründeten, öffentlich-rechtlichen, auf Lebenszeit angelegten Dienstverhältnis steht, das gegen seinen Willen nur durch eine strafgerichtliche oder disziplinarrechtliche Maßnahme aufgelöst werden kann; Ausnahmen von diesem Grundsatz der Unauflöslichkeit können nur aus sachlich zwingenden Gründen vorgesehen werden).

Nach Ansicht der Bundesregierung besteht somit bei Personen, die in einem durch den Hoheitsakt der Ernennung begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich stehen, schon dem äußeren Anschein nach eine solche 'Staatsnähe', die einer in allen Belangen uneingeschränkten unabhängigen rechtsanwaltlichen Berufsausübung entgegensteht.

2.3. § 20 lita RAO geht zulässigerweise generalisierend davon aus, dass im Fall des Bestehens eines öffentlich-rechtlichen, grundsätzlich auf Lebenszeit angelegten Dienstverhältnisses eine solche Sonderbeziehung zum jeweiligen Rechtsträger besteht, dass diese einer gleichzeitigen gänzlich unbeeinflussten und unabhängigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs entgegensteht. Hier ist – entsprechend den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in Rz. 44 seines Antrags – auch zu bedenken, dass in den letzten Jahren die Begründung von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen stetig abgenommen hat und sich die Fälle der Begründung von Beamtendienstverhältnissen mittlerweile im Wesentlichen auf den Kernbereich der hoheitlichen Aufgabenerfüllung konzentrieren. Für diesen Kernbereich staatlicher Aufgabenerfüllung gilt das oben Ausgeführte aber umso mehr. Eine sachliche Ungleichbehandlung zu Vertragsbediensteten als 'vertraglich bestellte Organe' im Sinne des Art 20 Abs 1 B-VG liegt insofern nicht vor.

2.4. Bei Begründung eines Dienstverhältnisses als Vertragsbediensteter kann eine entsprechende besondere persönliche Verbundenheit der betreffenden Person zum jeweiligen Rechtsträger nicht per se angenommen werden, damit verbietet sich aber auch die Anordnung einer generellen Unvereinbarkeit einer solchen Tätigkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in § 20 lita RAO. In solchen Fällen ist vielmehr – wie bei jedem anderen auf Vertrag beruhenden Beschäftigungsverhältnis – zu prüfen, ob die Tätigkeit nicht aus einem anderen Grund einer Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte entgegensteht. Würde man bei Vertragsbedienstetenverhältnissen ohne weitere Prüfung eine generelle Unvereinbarkeit im Sinn des § 20 lita RAO anordnen, könnte dies nach Ansicht der Bundesregierung tatsächlich – diesfalls im Verhältnis zu anderen vertraglich begründeten Beschäftigungsverhältnissen – gleichheitsrechtliche Bedenken hervorrufen. So wäre wohl nur schwer einzusehen (und begründbar), wenn – um ein Beispiel anhand des konkreten Aufgabengebiets der Berufungswerberin im vorliegenden Fall anzuführen – etwa eine (unter Umständen auch befristete) Teilzeitbeschäftigung als Vertragsbedienstete mit dem (ausschließlichen) Aufgabengebiet des Verkaufs von Badeteichsaisonkarten (oder: der Ausgabe/dem Verkauf von Müllsäcken) dazu führen würde, dass die Betreffende von Vornherein und ohne weitere Prüfung von der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen wäre.

2.5. Soweit der Oberste Gerichtshof in Rz. 47 seines Antrags auf die Entscheidungen SZ 41/143 [richtig: OGH Nr 7/48, SZ 21/143] und Bkv 2/88 verweist, ist zu betonen, dass in beiden Fällen die Unvereinbarkeit von Tätigkeiten beamteter Personen mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft zu beurteilen war und sich die Frage der Beurteilung der Tätigkeit von Vertragsbediensteten damals nicht gestellt hat; insofern ist auch aus dem Hinweis in Rz. 37 des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs, wonach der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 21/143 der Auffassung von Lohsing (Österreichisches Anwaltsrecht2, 286), nach der nur eine Anstellung im Sinn der Dienstpragmatik eine Unvereinbarkeit begründe, nicht gefolgt sei, für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. In der Entscheidung der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission zu Bkv 2/88 wurde dabei vielmehr ausdrücklich angeführt, dass 'unter Führung eines besoldeten Staatsamts im Hinblick auf Art 20 Abs 2 B-VG jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen (ist), die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder durch ernannte berufsmäßige Organe (Beamte) erfolgt'.

2.6. Eine – zumindest in Teilbereichen – unterschiedliche Behandlung von Beamten und Vertragsbediensteten ist zudem bereits in der Verfassung zugrunde gelegt. Wenngleich Art 20 Abs 1 B-VG – seit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl I Nr 2/2008 – ernannte berufsmäßige Organe und vertraglich bestellte Organe gleichermaßen nennt, so nehmen einzelne Bestimmungen des B-VG nach wie vor ausschließlich auf 'Beamte' Bezug bzw sehen vor, dass bestimmte Funktionen Beamten vorbehalten sind (vgl zB Art 71, 73, 122 Abs 3, 124 Abs 1, 147 Abs 2 und 148h Abs 1 B-VG, vgl Kucsko-Stadlmayer/Oswald in Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, Art 21 B-VG Rz. 8; Baumgartner, Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Berufsbeamtentums, ZfV 2003, 270 [281 ff]; Zellenberg, Bundesverfassung und Berufsbeamtentum, ZÖR 2003, 227 [233 ff]; siehe allgemein zu Differenzierungen, die der Bundesverfassung selbst zugrunde liegen, Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, 531 ff). Nach Auffassung der Bundesregierung ist eine Unterscheidung zwischen ernannten und vertraglich bestellten Organen daher auch auf einfachgesetzlicher Ebene von vornherein grundsätzlich zulässig und im konkreten Fall aus den oben angeführten Gründen auch sachlich gerechtfertigt.

Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 11a des burgenländischen Landesbeamtengesetzes 1971, der eine Außerdienststellung eines Landesbeamten, der zum Abgeordneten des Bgld Landtages gewählt wird, festgehalten, dass kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vorliegt, weil die Außerdienststellung nur für Landesbeamte, aber nicht auch für Vertragsbedienstete vorgesehen ist. Sowohl im Bundesbereich als auch im Landesbereich werde im Dienstrecht zwischen Bediensteten unterschieden, die in einem öffentlich-rechtlichen oder in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu den öffentlichen Dienstgebern stehen. Allein schon die Unterschiede in den Dienstverhältnissen bilden eine sachliche Rechtfertigung für unterschiedliche Behandlungen der Rechtsverhältnisse der beiden Bedienstetengruppen (VfSlg 7791/1976).

3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Wortfolge nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist.

[...]"

4. Die Partei im Anlassverfahren vor dem Obersten Gerichtshof hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie zusammengefasst vorbringt, dass die auf Grund von § 20 lita RAO bewirkte unterschiedliche Behandlung von Beamten und Vertragsbediensteten im Hinblick auf die Vereinbarkeit ihrer Tätigkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gerechtfertigt sei. Beamte würden auf Lebenszeiten mit Bescheid ernannt. Sie seien an den Staat oder den sonstigen Dienstgeber gebunden und deren Dienstpflichten wirkten bis in den Ruhestand fort. Umgekehrt binde sich auch der Staat an den Bediensteten. Derartige öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse seien auf Dauer ausgelegt und böten dem Bediensteten Sicherheit. Insofern bestehe eine gänzlich andere Bindung auf Grund des verstärkten Vertrauensverhältnisses und der wechselseitigen Loyalität als bei Vertragsbediensteten. Deren Dienstverhältnis beruhe auf einem privatrechtlichen Vertrag, der jederzeit und verhältnismäßig einfach aufgelöst werden könne. Insofern erfolge die in § 20 lita RAO vorgenommene Differenzierung auf Grund der dauerhaften Bindung von Beamten an Staat oder Länder aus sachlichen Gründen. Sollte der Verfassungsgerichtshof jedoch zur Auffassung gelangen, dass eine unsachliche Differenzierung zwischen Beamten und Vertragsbediensteten vorliege, so sei dem Antrag des Obersten Gerichtshofes nicht zur Gänze Folge zu leisten, sondern sei allenfalls die Wortfolge "durch ernannte berufsmäßige Organe" als verfassungswidrig aufzuheben. Im übrigen Wortlaut der Legaldefinition sei keine unsachliche Differenzierung zu erblicken. Die Aufhebung der gesamten Legaldefinition würde – nach der vom Obersten Gerichtshof bereits angedeuteten Auffassung – dazu führen, dass von der Ausübung der Rechtsanwaltschaft jede Tätigkeit bei einer Gemeinde unabhängig von deren konkreter Ausgestaltung als besoldetes Staatsamt und somit als unvereinbar mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gewertet werden würde. Gemeinden seien jedoch in der Legaldefinition des besoldeten Staatsamtes neben dem Bund und den Ländern zu Recht explizit nicht genannt, weil Bedienstete von Gemeinden ein solches Staatsamt nicht ausübten.

5. Die Rechtsanwaltskammer Wien teilte als beteiligte Partei mit, dass sie die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes teile und von einer weiteren Äußerung absehe.

6. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat als sonstiger Beteiligter eine Äußerung erstattet, in der er auf das Wesentliche zusammengefasst vorbringt, dass Vertragsbedienstete im Wege eines Analogieschlusses unter § 20 lita RAO zu subsumieren seien, sodass eine allenfalls unsachliche Differenzierung zwischen Beamten und Vertragsbediensteten nicht vorliege.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Rechtsvorschrift eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Der Oberste Gerichtshof hat unter anderem zu prüfen, ob der Antrag der Partei im Anlassverfahren, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde steht, auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu Recht wegen Erfüllung des Unvereinbarkeitsgrundes gemäß § 20 lita RAO abgewiesen wurde. Das antragstellende Gericht geht daher in nicht denkunmöglicher Weise davon aus, dass es § 20 lita RAO anzuwenden hat.

1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Gesetzesvorschriften bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Rechtsvorschriften anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ).

1.3. Mit seinem Antrag begehrt der Oberste Gerichtshof, die Legaldefinition des Begriffes "besoldetes Staatsamt", konkret die Wortfolge "unter der Führung eines besoldeten Staatsamtes ist jede Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Staatssekretär, als Mitglied einer Landesregierung, als Präsident des Nationalrates, als Obmann eines Klubs im Nationalrat, als Präsident des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes, als Mitglied der Volksanwaltschaft, als Mitglied des Verwaltungsgerichtshofs, als Staatsanwalt, als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder eines Verwaltungsgerichts sowie jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt;" in § 20 lita RAO als verfassungswidrig aufzuheben.

1.4. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt Legaldefinitionen in der Regel keine eigenständige normative Bedeutung zu, weil eine solche grundsätzlich erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden, bewirkt wird (VfSlg 17.340/2004, 18.087/2007, 19.703/2012).

Die Anfechtung von einzelnen Bestandteilen einer Legaldefinition kann dann zulässig sein, wenn die Beseitigung dieser Bestandteile hinreichen würde, um die Rechtslage so weit zu bereinigen, dass die geltend gemachten Bedenken nicht mehr bestünden. Voraussetzung hiefür ist allerdings, dass einerseits weder die Legaldefinition noch die übrigen sich auf diese beziehenden Regelungen nach der hypothetischen Bereinigung der Rechtslage einen anderen Sinngehalt erhielten und der Antragsteller all diese Regelungen auch nicht für verfassungswidrig hält (vgl VfSlg 19.703/2012, 20.213/2017).

1.5. Die vom Obersten Gerichtshof in seinem Antrag dargelegten Bedenken richten sich gegen die aus der Legaldefinition des Begriffes "besoldetes Staatsamt" in § 20 lita RAO resultierende Ungleichbehandlung zwischen ernannten berufsmäßigen Organen und vertraglich bestellten Organen im Hinblick auf die Unvereinbarkeit ihrer Tätigkeiten mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft.

Unter der Prämisse, dass der Verfassungsgerichtshof den Bedenken des Obersten Gerichtshofes folgt, würde die Aufhebung der Legaldefinition genügen, um die behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Gegen den ebenfalls präjudiziellen Teil des § 20 lita RAO, der festlegt, dass die Führung eines besoldeten Staatsamtes (mit der Ausnahme des Lehramtes) als mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar gilt, hegt der Oberste Gerichtshof keine Bedenken. Vielmehr würde die Beseitigung der angefochtenen Wortfolge ausreichen, um die Rechtslage für den Anlassfall so weit zu bereinigen, dass die geltend gemachten Bedenken des Obersten Gerichtshofes nicht mehr bestünden. § 20 lita RAO würde durch eine etwaige Aufhebung der angefochtenen Wortfolge auch keinen anderen Sinngehalt erhalten (vgl VfSlg 19.703/2012).

1.6. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Der Oberste Gerichtshof begründet seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass die aus der Legaldefinition des Begriffes "besoldetes Staatsamt" in § 20 lita RAO resultierende unterschiedliche Behandlung von ernannten berufsmäßigen Organen einerseits und vertraglich bestellten Organen andererseits – beide öffentlich Bedienstete – hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unsachlich sei und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes sei die besoldete Bindung eines Rechtsanwaltes an eine Behörde mit dem Grundsatz der freien Rechtsanwaltschaft unvereinbar. Es widerstreite dem Selbstverständnis einer freien und unabhängigen Anwaltschaft und der Zielsetzung des § 9 Abs 1 RAO, einerseits als Repräsentant der staatlichen Verwaltung aufzutreten und andererseits als Parteienvertreter, dessen Aufgabe es gerade sei, Rechte des Einzelnen gegenüber der staatlichen Verwaltung durchzusetzen bzw staatliche Eingriffe abzuwehren. Sachlich gerechtfertigte Gründe, warum die Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft von der dienstrechtlichen Stellung des Organs abhängig sein solle, seien nicht erkennbar. Auch Vertragsbedienstete seien grundsätzlich zu hoheitlichem Handeln befugt. Sie seien dabei ebenso wie Beamte an Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden. Tatsächlich sei die Rechtsstellung von Vertragsbediensteten jener von Beamten weitgehend angenähert. Eine Auslegung, wonach die Unvereinbarkeit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit einer Tätigkeit als Vertragsbediensteter nur nach dem Maßstab des § 21g RAO, nicht aber nach § 20 lita RAO zu prüfen sei, wäre gleichheitswidrig. Dann wären nämlich Beamte gegenüber Vertragsbediensteten insofern benachteiligt, als sie jedenfalls von der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen seien, Vertragsbedienstete hingegen nur dann, wenn ihr Dienstverhältnis Tätigkeiten umfasse, die zu den befugten Aufgaben des Rechtsanwalts gehörten. Auch dies zeige, dass eine unterschiedliche Regelung der Unvereinbarkeitsbestimmungen für öffentlich Bedienstete hinsichtlich der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht sachgerecht sei.

2.3. Die Bundesregierung hält den Bedenken des Obersten Gerichtshofes zusammengefasst Folgendes entgegen:

Die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes in der Berufsausübung sei das Kernelement des Rechtsanwaltsberufes. Die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes solle unter anderem dadurch gewährleistet werden, dass die Übernahme bestimmter öffentlicher Funktionen schon von vornherein mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar sei. Der Gesetzgeber stelle darauf ab, dass bei den in § 20 lita RAO genannten Funktionen schon dem äußeren Anschein nach keine gleichzeitige unabhängige rechtsanwaltliche Berufsausübung möglich erscheine, weil eine besondere Staatsnähe des jeweiligen Funktionsträgers vorliege. Für den Gesetzgeber sei diese besondere Staatsnähe, die einen absoluten Ausschluss von der gleichzeitigen rechtsanwaltlichen Berufsausübung rechtfertige, auf den Kreis der "ernannten berufsmäßigen Organe" beschränkt. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen einem öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnis bilde dabei nicht der Aufgabenkreis des Dienstnehmers, sondern die Art der Entstehung des Dienstverhältnisses. Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse würden durch einen Akt der Hoheitsverwaltung begründet, privatrechtliche Dienstverhältnisse durch Vertrag. Der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses liege daher darin, dass Personen in einem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig würden. § 20 lita RAO gehe daher zulässigerweise generalisierend davon aus, dass im Fall des Bestehens eines öffentlich-rechtlichen, grundsätzlich auf Lebenszeit angelegten Dienstverhältnisses eine solche Sonderbeziehung zum jeweiligen Rechtsträger bestehe, dass diese einer gleichzeitigen gänzlich unbeeinflussten und unabhängigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes entgegenstehe. Bei Begründung eines Dienstverhältnisses als Vertragsbediensteter könne eine entsprechende besondere persönliche Verbundenheit der betreffenden Person zum jeweiligen Rechtsträger nicht per se angenommen werden. Damit verbiete sich aber auch die Anordnung einer generellen Unvereinbarkeit einer solchen Tätigkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in § 20 lita RAO.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof teilt die vom Obersten Gerichtshof vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken:

2.4.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

2.4.2. Auf Grund der für Rechtsanwälte besonders gebotenen Unabhängigkeit in der Berufsausübung werden gemäß § 20 RAO gewisse Funktionen bzw Tätigkeiten festgelegt, die mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar sind. Die Unvereinbarkeit gilt nach § 20 lita RAO für die Führung eines besoldeten Staatsamtes. Mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2020, BGBl I 19/2020 (im Folgenden: BRÄG 2020) wurde konkretisiert, dass "unter der Führung eines besoldeten Staatsamtes […] jede Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung, als Staatssekretär, als Mitglied einer Landesregierung, als Präsident des Nationalrates, als Obmann eines Klubs im Nationalrat, als Präsident des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes, als Mitglied der Volksanwaltschaft, als Mitglied des Verwaltungsgerichtshofs, als Staatsanwalt, als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder eines Verwaltungsgerichts sowie jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen [ist], die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes durch ernannte berufsmäßige Organe erfolgt". Keine Unvereinbarkeit liegt gemäß § 20 lita RAO im Fall der Bekleidung eines Mandats einer gesetzgebenden Körperschaft vor.

2.4.3. Die Regelung soll angesichts der sich in der Praxis gelegentlich stellenden Abgrenzungsfragen klarstellen, in welchen Fällen ein mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft inkompatibles besoldetes Staatsamt vorliegt (siehe Erläut zur RV 19 BlgNR 27. GP, 10 und 15). Seit der Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und Erlassung eines Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl I 2/2008, wird in Art 20 Abs 1 B-VG ausdrücklich zwischen auf Zeit gewählten, ernannten berufsmäßigen und vertraglich bestellten Organen unterschieden. Der Bundesgesetzgeber fand die Unterscheidung zwischen ernannten berufsmäßigen Organen und vertraglich bestellten Organen zur Zeit der Erlassung des BRÄG 2020 somit bereits in der Bundesverfassung vor. Es ist dem Obersten Gerichtshof daher beizupflichten, wenn er ausführt, dass dem Gesetzgeber des BRÄG 2020 nicht unterstellt werden könne, dass die Aufnahme der vertraglich bestellten Organe in die Legaldefinition des § 20 lita RAO nur versehentlich unterblieben sei.

2.4.4. Die durch die Legaldefinition in § 20 lita RAO bewirkte unterschiedliche Behandlung ernannter berufsmäßiger Organe und vertraglich bestellter Organe im Hinblick auf die Unvereinbarkeit ihrer Tätigkeiten mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG):

Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnissen bildet nicht der Aufgabenkreis des Dienstnehmers, sondern die Art der Entstehung des Dienstverhältnisses. Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse werden durch einen Akt der Hoheitsverwaltung begründet, privatrechtliche Dienstverhältnisse durch einen Vertrag (VfSlg 2920/1955).

Die Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft besteht für ernannte berufsmäßige Organe aber nicht auf Grund ihrer dienstrechtlichen Stellung, sondern auf Grund ihrer an die Weisungen der obersten Organe des Bundes oder der Länder, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft oder des Präsidenten des Rechnungshofes gebundenen entgeltlichen Tätigkeit für den Staat. Sie steht mit den Vorgaben des § 9 Abs 1 RAO, wonach Rechtsanwälte dazu verpflichtet sind, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte der Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten, in einem Spannungsverhältnis.

Dieses Spannungsverhältnis besteht unabhängig davon, ob die weisungsgebundene entgeltliche Tätigkeit für den Staat von einem ernannten berufsmäßigen oder einem vertraglich bestellten Organ ausgeübt wird. Es sind keine sachlichen Gründe erkennbar, weshalb die Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft allein von der dienstrechtlichen Stellung des Organs abhängig sein soll. Der Verfassungsgerichtshof teilt daher die Bedenken des Obersten Gerichtshofes, wonach die unterschiedliche Behandlung ernannter berufsmäßiger und vertraglich bestellter Organe im Hinblick auf die Unvereinbarkeit ihrer Tätigkeiten mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft im vorliegenden rechtlichen Kontext nicht sachlich begründet ist.

2.5. Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012).

Zur Beseitigung des festgestellten Verfassungsverstoßes ist es ausreichend, jene Wortfolge in der angefochtenen Legaldefinition des Begriffes "besoldetes Staatsamt" aufzuheben, die die unterschiedliche Behandlung von ernannten berufsmäßigen Organen und vertraglich bestellten Organen bewirkt. Es wird daher die Wortfolge "durch ernannte berufsmäßige Organe" in § 20 lita RAO wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben.

V. Ergebnis

1. Die Wortfolge "durch ernannte berufsmäßige Organe" in § 20 lita Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl 96/1868, idF BGBl I 19/2020 ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben.

Im Übrigen ist der Antrag abzuweisen.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2022:G173.2022
Schlagworte:
Rechtsanwälte, Vertragsbedienstete, Unvereinbarkeit, Weisung, Dienstverhältnis, Oberste Organe der Vollziehung, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Gerichtsantrag, Dienstrecht, Vertreter, VfGH / Präjudizialität

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